Der erzgebirgische Wildschütz Karl Stülpner

Hallo Artorius,

ich hab auch von Erzählungen gehört, dass Stülpner mal im "Roten Turm" von Chemnitz inhaftiert war. Kannst du mehr dazu sagen? ;)

Wenn ich das in deinem oberen Text überlesen haben sollte, dann entschuldige.
 
Nach seiner Verhaftung wegen dem Angriff auf den Jagdburschen Ziegler und, und hier muss ich mich nochmal berichtigen, wegen Wilderns, dass ihm aber nie nachgewiesen werden konnte, da Aussage gegen Aussage stand, saß Stülpner 32 Wochen lang in Chemnitz im Stabsarrest. In der mir vorliegenden Literatur konnte ich keine eindeutigen Belege finden, wo der Arrestant Stülpner seine Zeit absitzen musste. Schönberg schreibt 1835:
... und dann geschlossen nach Chemnitz in´s Stabsquartier abgeliefert wurde. Hier wieder auf die Hauptwache gebracht, saß er daselbst zwei und dreißig Wochen lang in strengster Verwarung, während welcher langen Haft er zwei und zwanzig Mal verhört wurde, ohne etwas von dem ihm angeschuldigten Verbrechen zu gestehen.
und weiter unten:
Da nun auch Stülpners Regiment dahin aufbrechen mußte (zum Manöver -Anm. von mir), so war man erst unschlüßig, wo man ihn unterdessen verwahren sollte. Einige schlugen vor, Stülpnern bis zur Rückkehr des Regiments in die Chemnitzer Frohnfeste (den Roten Turm -Anm. von mir) zu stecken; da aber dieser Vorschlag verworfen wurde, weil er noch keines groben Verbrechens überwiesen war, so wurde endlich beschlossen, ihn mit in das Lager abzuführen.
Karl Sewart nennt den Roten Turm in dem Zusammenhang auch nur in einem unbedeutenden Satz:
Es war durchaus nicht üblich, eher außerwöhnlich, Gefangene zum Manöver mitzunehmen. Und hier ging es über viele Marschmeilen quer durch Sachsen, durch mehr oder weniger dünn besiedelte Gegenden. Der Arrest in der Chemnitzer Fronfeste, im Roten Turm, wäre ungleich sicherer gewesen.
Der Rote Turm war ja das eigentliche Gefängnis der Stadt Chemnitz. Ob das Regiment ein eigenes Gefängis für Arrestanten hatte, weiß ich leider nicht.
Nur die Wikipedia, weiß wiedermal alles ganz genau:fs::
Roter_Turm_(Chemnitz)
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Südwesten Deutschlands war das Räuberwesen zeitweilig groß, territoriale Zersplitterung und dann natürlich die Not werden die Gründe dafür gewesen sein.
Stichwort: Hannikel, Schwarzer Vere, Konstanzer Hanß oder Malefiz-Schenk.
Es ist erschreckend wie gering die Beute oft war, für die dann gehenkt und enthauptet wurde.


Das Wildern gehört in manchen Orten bis heute zum Lokalkolorit.

Ich kenne einen Fall wie ein Graf von Hzl-Hch. persönlich einen mutmaßlichen Wilddieb erstach. Nicht auf frischer Tat, sondern Monate nach einer vermuteten. Württembergischer Untertan, auf württ. Grund.
Was den Grafen dann etliches an Buße kostete.

Bei näherer Betrachtung bleibt von der Romantik meist wenig.


Vom Schwarzen Veri hat mir ein Studienfreund eine nette Geschichte erzählt:

Der Schwarze Veri erlitt nämlich einen überaus originellen Tod. Er war im Siechenturm von Bieberach inhaftiert, mit Ketten an der Wand festgemacht. Dummerweise zog das Eisen offenbar den Blitz an, und der Schwarze Veri wurde so vom Blitz erschlagen.

Was den Südwesten Deutschlands so anziehend für Banditen machte, war die starke politische Zersplitterung. Mit einem Übertritt über eine der zahllosen Grenzen konnte sich ein Bandit schnell in Sicherheit bringen, denn auf ihre Hoheitsrechte pochten all die kleinen Potentaten energisch, so dass Räuber nicht grenzübergreifend verfolgt werden konnten. Erst mit den modernen Territorialstaaten änderte sich das. Eine ausgebildete Gendamerie organisierten erst die Franzosen in napoleonischer Zeit. So konnte noch um 1809 der Räuber Philipp Lang alias Hölzerlips und seine Gefährten Manne Friedrichs, Veit Krämer und Wuttwuttwutt noch Stunden nach einem Raub nicht verfolgt werden, da als Personal nur ein alter Husar mit einem noch älteren Klepper zur Verfügung stand.

Die Gefängnisse waren meist improvisitäre Gebäude wie Burgtürme etc zur Verfügung, die baulich oft in schlechtem Zustand waren. Oft handelte es sich im wahrsten Sinne des Wortes um "Ausbrüche". Erfahrene Gauner plazierten regelrechte Depots mit Fluchtwerkzeugen wie Sägen, Uhrfedern, Messer und Scheren. Manche Räuber trugen auch einen Kautschukstöpsel, in dem Fluchtwerkzeuge und Geld deponiert waren und versteckten den Stöpsel dann im After.

Der von Repo in einem anderen Thread erwähnte Graf Schenk von Castell wurde von Zeitgenossen als "Malefizschenk" lächerlich gemacht, dabei war dessen Politik einer eigenen Zuchthausarchitektur und einer organisierten Kriminalitätsbekämpfung sehr modern. Viele Standesgenossen des "Malefizschenks" gestatteten Räubern und Gaunern, dass sie sich in ihren Territorien niederlassen durften, wenn sie sich dort ruhig verhielten und kassierten dafür deftig bei den Räubern ab. Am schlimmsten trieb es Karl Friedrich Reichsfreiherr von Hutten zu Stolzenberg. In den Dörfern Eckardroth und Romsthal gab sich internationale Gaunerprominenz die Klinke in die Hand, und von Hutten, bzw. sein Amtmann hielten die Hand auf und Polizeistreifen ab, dort Razzien zu unternehmen. 1802 wurde der Amtmann Kees abgesetzt, weil sich von Huttens Nachbarn, allen voran der Landgraf von Hessen- Kassel über die Zustände beschwerten. Kees Nachfolger Rüllmann ließ aber bald die Dinge wieder wie gewohnt laufen.
 
Die haben das allerdings wohl von Historisches Chemnitz - Der Rote Turm übernommen... :fs:

Ansonsten aber eine überaus interessante Seite, die ich auch nur empfehlen kann.
Wie machst du das, direkt diese Seite zu verlinken? Bei mir gehen die Links immer auf die Startseite zurück
Historisches Chemnitz

Wie dem auch sei, unter Persönlichkeiten, auf dieser Seite, gibt es auch eine Abhandlung über den Stülpner in Chemnitz. Vom Roten Turm steht da allerdings nichts.
 
Ansonsten aber eine überaus interessante Seite, die ich auch nur empfehlen kann.

Dem wollte ich gar nicht widersprechen.

Wie dem auch sei, unter Persönlichkeiten, auf dieser Seite, gibt es auch eine Abhandlung über den Stülpner in Chemnitz. Vom Roten Turm steht da allerdings nichts.

Exakt :fs:



Wie machst du das, direkt diese Seite zu verlinken? Bei mir gehen die Links immer auf die Startseite zurück
Historisches Chemnitz

Zwei Möglichkeiten:
1. Beim genannten Artikel der Wikipedia den Weblink zum Roten Turm unten klicken und dann einfach die URL kopieren.
2. Von der Startseite "Historisches Chemnitz" normal navigieren, aber dann auf der Seite über den Roten Turm Rechtsklick und im entsprechenden Menu "This Frame -> Show Only This Frame"; dann erhältst Du auch Historisches Chemnitz - Der Rote Turm. Danach dann weiter wie bei 1.
 
Vom Schwarzen Veri hat mir ein Studienfreund eine nette Geschichte erzählt:

Der Schwarze Veri erlitt nämlich einen überaus originellen Tod. Er war im Siechenturm von Bieberach inhaftiert, mit Ketten an der Wand festgemacht. Dummerweise zog das Eisen offenbar den Blitz an, und der Schwarze Veri wurde so vom Blitz erschlagen.

Was den Südwesten Deutschlands so anziehend für Banditen machte, war die starke politische Zersplitterung. Mit einem Übertritt über eine der zahllosen Grenzen konnte sich ein Bandit schnell in Sicherheit bringen, denn auf ihre Hoheitsrechte pochten all die kleinen Potentaten energisch, so dass Räuber nicht grenzübergreifend verfolgt werden konnten. Erst mit den modernen Territorialstaaten änderte sich das. Eine ausgebildete Gendamerie organisierten erst die Franzosen in napoleonischer Zeit. So konnte noch um 1809 der Räuber Philipp Lang alias Hölzerlips und seine Gefährten Manne Friedrichs, Veit Krämer und Wuttwuttwutt noch Stunden nach einem Raub nicht verfolgt werden, da als Personal nur ein alter Husar mit einem noch älteren Klepper zur Verfügung stand.

Die Gefängnisse waren meist improvisitäre Gebäude wie Burgtürme etc zur Verfügung, die baulich oft in schlechtem Zustand waren. Oft handelte es sich im wahrsten Sinne des Wortes um "Ausbrüche". Erfahrene Gauner plazierten regelrechte Depots mit Fluchtwerkzeugen wie Sägen, Uhrfedern, Messer und Scheren. Manche Räuber trugen auch einen Kautschukstöpsel, in dem Fluchtwerkzeuge und Geld deponiert waren und versteckten den Stöpsel dann im After.

Das stimmt wohl vom Schwarzen Vere, aber Biberach an der Riß, damals Freie Reichsstadt.
Wobei man den Amtmann Schäffer von Sulz/Neckar bei der Gegenseite nicht vergessen darf, ca. 1780.
Der Malefiz-Schenk hat auch Verträge mit sehr vielen kleinsten und kleinen Herrschaften gehabt, sogar mit dem weit entfernten Kanton Zürich, die ihm die Strafverfolgung und Vollzug überließen, aber bei weitem nicht mit allen.

Aber, wie gesagt, die ganze Romantik ist schnell weg, wenn man liest, dass einer für einen gestohlenen Schweinebraten (in der Wiederholung) gehenkt wird.
 
@ Artorius
Mir war der Karl Stülpner nur durch die Geschichte der Burg Scharfenstein ein Begriff. Daher danke ich Dir für den höchst spannenden Thread. :yes:
Das viele Desertieren und Wiedereintreten ins Militär ist schon sehr spannend. Obendrein waren die Qualitäten des Karl Stülpner ja scheinbar mannigfaltig, wenn er genauso zum Scharfschützen wie zum Dragoner taugte.

Sehr interessant an dem Thema finde ich auch, weil es verdeutlicht wie damalige Polizei im 18.Jh. funktionierte und wie Burgen als Sitze der Grundherrschaft oder der grundherrschaftlichen Verwaltung weiterhin genutzt wurden.
 
"dem Alkohol gern zugesprochen", "dem Alkohol sehr zugeneigt".
Was sagt uns das über das Trinkverhalten bzw. den Fortschritt der Krankheit der Person aus? Es kann Säufer aber auch Geselligkeit bedeuten.
Als Säufer wird man nicht alt, da helfen auch keine Gene. Die Leber geht den Bach runter. Vielleicht hat er wirklich erst später angefangen, öfter mal den Becher zu heben. Kann auch sein, dass er gerne den Trinkfesten gab, das aber nur zu gegebenem Anlass. Das verteilte er geschickt, so dass die Leute dachte, was für ein Teufelskerl. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein erfolgreicher Scharfschütze regelmäßig trinkt.
Der hat an seiner eigenen Legende gebastelt. Wahrheit, Halbwahrheit, Märchen. Am Ende vermischt sich alles.
 
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein erfolgreicher Scharfschütze regelmäßig trinkt.
.

Das erste Doping-Verbot im Sport überhaupt, mindestens meinem beschränktem Wissen nach, ist aber das Verbot von "Zielwasser" für die Sportschützen.
Da darf keiner ein paar Halbe nehmen, bevor er schießt:D:D:D:D

Der saufende Scharfschütze ist soweit hergeholt also nicht.
 
Der saufende Scharfschütze ist soweit hergeholt also nicht.

Das erinnert mich an ein kürzlich geführtes Gespräch im Chat ... mit meinem geschätzen Freund und Mit-Forianer Sergej ... über die Annahme, ich könnte - während der von mir permanent und mit besonderem Nachdruck betriebenen Weltrevolution - mit meiner alten Mosin und nach dem Genuss einer Flasche edelsten Wodkas, einen reitenden Kosaken nicht auf 300 Arschin (1 Arschin = altes russisches Längenmaß = 71 cm; also auf (abgerundet) 200 Meter) aus dem Sattel schießen.

Unterschwellig unterstellte mir Freund Sergej, ich würde nach dem Genuß einer Flasche Wodka, auf 5 Meter nicht einmal die breite Seite einer Scheune treffen. Dem widersprach ich natürlich, alleine - mangels Kosaken nebst Pferd - den Beweis muss ich schuldig bleiben.

Wodka (hergeleitet vom slawischen Wort "vodka", der Verkleinerung des Wortes "voda" (=Wasser), also Wässerchen, und im Russischen Водка geschrieben) ist eine meist farblose Spirituose mit einem Alkoholgehalt von 37,5–80 % . Ich bevorzuge Sibirischen Wodka - aufgrund des Werbeverbotes nenne ich keinen Markennamen - mit 54 % oder aber den - auf der heimischen Datscha selbstgebrannten - Samogon mit gleicher Umdrehungszahl.

Wodka darf als "Zielwasser" gelten.

Ich bitte meinen kleinen Einwurf zu entschuldigen, ihn zu sehen als was er gedacht war - als allgemeine Aufmunterung und Unterhaltung. :)

Nachtrag: In den Zeiten der Wirtschaftskrise und der Rezession kann ich nur empfehlen, freie Finanzmittel in Wodka anzulegen. Leute, nirgendwo sonst bekommt ihr für Eure Kohle bis zu 80 %.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das erinnert mich an ein kürzlich geführtes Gespräch im Chat ... mit meinem geschätzen Freund und Mit-Forianer Sergej ... über die Annahme, ich könnte - während der von mir permanent und mit besonderem Nachdruck betriebenen Weltrevolution - mit meiner alten Mosin und nach dem Genuss einer Flasche edelsten Wodkas, einen reitenden Kosaken nicht auf 300 Arschin (1 Arschin = altes russisches Längenmaß = 71 cm; also auf (abgerundet) 200 Meter) aus dem Sattel schießen.
Na ja, ich glaube, viele, die etwas intus haben und einen Autoschlüssel in der Hosentasche, sind der Meinung, sie könnten noch gut fahren. Einmal links und einmal rechts die Breite der Straße in Schlangenlinie ausgemessen. Da fällt mir gerade ein, wenn der Kosak und sein Pferd auch ein Wässerchen getrunken haben... das gleicht sich dann ja aus. Wilde Schießerei!
 
Wilde Schießerei!

Bestimmt !

Besagter Kosake drohte, zu besagter Schießerei, nur mit einem Säbel bewaffnet zu erscheinen. Das wird aber wohl daran liegen, dass Bulgarisch-Österreichische Kosaken kugelsicher sind, bzw anfliegende Kugeln elegant mit den Zähnen auffangen und "zurück spucken". ;)

Da habe ich, als "Rotarmist h.c." , keine echte Chance. Selbst auf 300 Arschin nicht. :cry:
 
Um mal so ganz langsam zum Thema zurück zu kommen:

Obendrein waren die Qualitäten des Karl Stülpner ja scheinbar mannigfaltig, wenn er genauso zum Scharfschützen wie zum Dragoner taugte.
Folgendes weiß Schönberg noch dazu zu berichten:

Stülpner als Dragoner
Als er hier bei der Stadt Osterode ein Dragoner-Regiment exerciren sah, was sich vorzüglich durch seine schönen Pferde und Uniformen auszeichnete, so wurde er durch den herrlichen Anblick und die schöne Haltung der en carrieredahin jagenden Reiter so sehr bezaubert, daß er sich aus Liebe zu seinem früheren Soldatenleben sogleich bei dem Regimentschef als Dragoner anwerben ließ.

Nachdem er daselbst zur Zufriedenheit seiner Obern 1 Jahr 4 Monate als Dragoner gedient, ließ ihm sein reger Geist auch hier keine Ruhe und Rast mehr, weshalber er einst bei Nacht und Nebel mit Pferd, Sattel und Zeug bis Hof echappierte, daselbst sein Pferd mit allem zusammen für 100 Thaler verkaufte, und sich für einen Theil dieses daraus gelösten Geldes wieder als schmucker Jäger umkleidete.
Stülpner als Scharfschütze 1806
An all diesen Vorgefechten (vor Jena und Auerstedt - Anm. von mir) nahm auch unser Stülpner als Freiwilliger in den Reihen der Scharfschützen seines Bataillons mit Theil ...
und weiter unten

[Als sich die sächsische Armee nach der Schlacht bei Jena auflöst und flieht] wurde auch unser Stülpner, der während derselben als Scharfschütz treue Dienste geleistet hatte, endlich vom Strome mit fortgerissen und, von seinem Regiment versprengt, auf der Retirade nach Weimar gefangen genommen.
Sehr interessant an dem Thema finde ich auch, weil es verdeutlicht wie damalige Polizei im 18.Jh. funktionierte und wie Burgen als Sitze der Grundherrschaft oder der grundherrschaftlichen Verwaltung weiterhin genutzt wurden.
Wenns von Interesse, kann ich dazu auch evtl. noch etwas genauer auf die Herrschaftsverhältnisse von Scharfenstein eingehen und noch was dazu raussuchen. Das dauert dann aber noch etwas.
Daher danke ich Dir für den höchst spannenden Thread. :yes:
Freut mich, wenns gefällt.:winke:
 
Leider hab ich die Schönberg´sche Biografie noch nicht, werde sie mir aber nächste Woche mal aus der Bibliothek ausleihen.

Nach dem Studium besagter Biografie, hier nun der versprochene zweite Teil mit einigen ausgewählten Abenteuern (chronologisch geordnet). Ich gebe überall die Quellenlage dazu an. Was davon nun Wahres und was nur Andichtung ist, wird man bis auf einige Ausnahmen nie mit Sicherheit sagen können. Einige Erzählungen klingen gar zu fantastisch oder abgedroschen und bedienen bestens das Klischee eines „Robin Hood“.

Einer seiner bekanntesten Streiche ist die Geschichte, wie Stülpner zum Militär kam:
Ende 1779 greift ihn ein Werberkommando aus Zschopau auf. Stülpner wird gezwungen mit ihnen mitkommen. Nachts gelingt ihm aber die Flucht, er eilt nach Chemnitz zu seinen ehemaligen Kameraden aus dem "Kartoffelkrieg", an dem er als Trossknecht teilgenommen hat und meldet sich dort freiwillig um das Werbegeld zu erhalten. (das er in Zschopau, da er abgeholt wurde, nicht bekommen hätte)
Diese Episode ist Gegendstand der meisten Stülpnerbücher. Auch existiert noch eine Militärakte, in der steht, dass sich Stülpner am 18. November 1779 freiwillig, gegen ein Handgeld von 2 Talern und 16 Groschen beim Regiment zum Dienst meldet. In der zeitgenössischen Biografie von C. H. W. Schönberg steht allerdings nichts davon.

Einmal wurde Stülpner Zeuge, wie ein Förster im Wald eine arme Frau angreift. Diese hatte dürres Holz gesammelt, doch dann kam der Bezirksförster hinzu und forderte von ihr eine Bezahlung. Sie beteuerte, wie schlecht es ihr ging, aber der Förster wurde dadurch noch wütender und zertrampelte ihren Korb. Als die Frau um Hilfe schrie, wollte er schon Hand an sie legen, als Stülpner hervortrat und den Förster mir gespannter Büchse dazu aufforderte, der Frau 10 Goschen Entschädigung zu zahlen. Unter heftigem Fluchen kam der Förster dem nach und machte sich dann aus dem Staub.

So wird es in der Schönberg´schen Biografie erzählt. Ebenso weiß Schönberg von einer Begebenheit, bei der eine Leinwandhändlerin, mit 300 Talern auf der Landstraße unterwegs, sich ohne es zu ahnen einer Räuberbande angeschlossen hatte, um sicher ins nächste Dorf zu kommen. Sie erzählt ihnen freudig erregt von den guten Geschäften, die sie gemacht hat und dass sie sich vor einem Stülpner fürchten würde, der in der Gegend sein Unwesen als Räuber treiben solle. Unterwegs überfallen die Räuber die Frau, aber Stülpner tritt aus dem Dickicht hervor und verjagt die Halunken. In dem er sich namentlich zu erkennen gibt, reicht er der Frau den Geldbeutel zurück und begleitet sie bis ins nächste Dorf. Seine einzige Forderung: Sie möge allen mitteilen, dass Stülpner sie gerettet hat und er ein guter Mensch ist, vor dem sich niemand fürchten braucht.
Ein paar Seiten weiter wird berichtet, wie Stülpner eine Postkutsche, die ein „Faß mit Geld“ transportierte, vor Räubern beschützt und sie anschließend in eine nahegelegene Stadt begleitet. Einzige Bitte: Der Kutscher möge alles der Wahrheit getreu erzählen.

Ein Jagdabenteuer, welches wir auch bei Schönberg finden, ist zwar dichterisch etwas aufpoliert, könnte sich aber so, oder so ähnlich, zugetragen haben:

Als Stülpner eines Tages mit einem seiner Jagdgenossen (deren Namen er nie verraten hat) unterwegs war, kam ihnen ein Achtzehnender entgegen, den Stülpner niederschoss und ausnahm. Allerdings war auch eine große Jagdgesellschaft hinter dem Hirsch her. Mit dabei waren Kürassiere, die Jagd auf Stülpner machten. Durch den Schuss angelockt, begaben sie sich in Richtung der Stelle, an der Stülpner den Hirsch ausgenommen hatte. Stülpner hatte sie schon längst bemerkt und das tote Tier mit seinem Kameraden “fünfzehn Schritte von dem Aufbruchplatze in einen gut verwahrten Versteck, worin er selbst mit seinem Genossen blieb“ versteckt. Von hier aus hört Stülpner, wie sich die Verfolger über die noch warmen Innereien des Hirsches wundern, ohne jedoch den Rest desselben zu sehen. „Es ist doch kein Haase, den einer schießt und steckt ihn in eine Tasche ... ; den Kerl (Stülpnern) hat der lebendige Teufel.“
Das Streifkorps begab sich nun in Richtung der böhmischen Grenze, weil sie dachten Stülpner einholen zu können. Dieser zerlegte das Tier in aller Ruhe zu Ende, packte das Fleisch in Säcke und zusammen mit seinem Kameraden wendete er sich ebenfalls in Richtung der Grenze. Auf der Landstraße angekommen, „überredeten“ sie einen Fuhrmann, sie mitzunehmen und so kamen sie unerkannt nach Böhmen. Ihre „Verfolger“ haben sie unterwegs überholt, als diese in einem Gasthof Rast machen.

Solche kleinen Geschichten finden sich beinahe unendlich viele bei Schönberg. Weiterhin ist die Rede von einem Ritt auf einem Hirsch oder wie ein Schützenverein Jagd auf ihn macht, um das Kopfgeld zu kassieren. All diese Abenteuer hier wiederzugeben, würde sicherlich wenig Sinn machen und außerdem auch den Rahmen sprengen. Sie sollten nur eine Vorstellung von der Mythen- und Legendenbildung um Stülpner geben. Ob und wie viel Wahres dran ist, kann nicht gesagt werden. Sicherlich werden die meisten Geschichten aber zumindest sprachlich etwas aufpoliert worden sein. Dem Biografen Carl Heinrich Wilhelm Schönberg will ich aber keinesfalls absichtliche, heimtückische Lüge vorwerfen. Dazu möchte ich ein paar Zeilen aus seinem Vorwort zitieren.
Zwar erschien schon vor einigen Jahren eine Biographie desselben (Stülpner) von einem Herrn von Sydow, unter dem Titel „der berüchtigte Wildschütz des Erzgebirges, Carl Stülpner.“
Das aber diese Lebensbeschreibung weder mit Wissen, noch mit Bewilligung Stülpners, und ohne ihm, was wenigstens billig gewesen wäre, von dem Ertrage derselben Etwas zufließen zu lassen, herausgegeben wurde, und daher dieses Verfahren schon an und für sich widerrechtlich erscheint, indem doch Niemand dazu berechtigt ist, die Thaten und Handlungen eines noch Lebenden, ohne dessen Einwilligung oder Aufforderung, herauszugeben und durch den Druck zu verbreiten; da ferner, abgesehen davon, Alles, was dieses Buch des Herrn von Sydow enthält, mit zu grellen romantischen Farben ausgeschmückt ist; [...] da endlich in den übrigen Mittheilungen dieser Biographie gerade die merkwürdigsten Scenen aus Stülpners abenteuerlichem Leben theils ganz ausgelassen, theils falsch angegeben sind: - so habe ich es, im Vertrauen auf die gütige Nachsicht eines verehrten Leserpublicums gegen meinen ersten literarischen Versuch und aus wahrhaft aufrichtiger Theilnahme für den zu seiner Zeit wirklich allgemeines Auffsehen erregenden früheren Wildschützen Carl Stülpner gewagt und übernommen, sein Leben, von ihm mir der Wahrheit gemäß mitgetheilt, von seiner Geburt bis zu seinem gegenwärtigen Lebensalter, in einer gehörigen Reihenfolge seiner erlebten Abenteuer und erlittenen Schicksale herauszugeben,...
Letztendlich wird sich wohl jeder sein Urteil selbst bilden müssen.

Doch kommen wir zu Karl Stülpner zurück.
Sein Hauptabenteuer bleibt zweifellos die Belagerung der mit Soldaten und Förstern besetzten Burg Scharfenstein, die sich wachsam über den Ort erhebt.
Am 8. Oktober 1795 wird die Verhaftung Stülpners veranlasst. Am 12. Oktober findet schließlich eine groß angelegte Fandungsaktion in seinem Heimatort Scharfenstein, unter der Leitung des Gerichtsdirektors Carl Wilhelm Günther statt. Mit beteiligt sind der Oberförster Pügner und der Förster Töpel, denen Stülpner schon so manches mal entkommen ist. Zur Verstärkung wird ein Militärkommando aus Annaberg angefordert. In der Nacht wird das Haus in dem Stülpners Mutter wohnt und bei der sich Stülpner normalerweise aufhält, besetzt und durchsucht. Man geht sehr brutal vor. Ein Gerichtsdiener misshandelt Stülpners Mutter und 14 Tage nach der Durchsuchung stirbt der Hausbesitzer, wahrscheinlich am Schock über das Verhör und die Hausbesetzung. Man beschlagnahmt zwar Stülpners Jagdutensilien
1. ein altgrün Jagd-Colet, so ziemlich abgetragen, 2. einen grünen Tuchrock, in welchem sich ein Pulfer-Horn mit Pulfer und Werck befunden, 3. einen Hirschfänger, welcher ganz neu und scharf geschlieffen war, 4. eine Jagd-Flinde, welche aber lange Zeit nicht in Brauch gewesen, 5. ein gestecke Messer, scharf geschlieffen, und 6. eine große Jagdtasche von Dachs-Haut
, aber er selbst ist nicht zugegen. Der Scharfensteiner Ortsrichter Wolf (der Vater von Stülpners späterer, erster Frau),berichtet, als er zur Durchsuchung hinzugeholt wird, dass er Stülpner im Ort begegnet sei und so wird die Hausdurchsuchung abgebrochen. Der Gerichtsdirektor, die Förster und der Armeeleutnant, begeben sich daraufhin in die Burg Scharfenstein zur Nachtruhe. Die übrigen Soldaten und Gerichtsdiener werden im Gasthof und anderen Häusern einquartiert. Stülpner, der nichts Gutes ahnt, eilt derweil in einen Nachbarort, holt sich ein bei einem Bekannten verstecktes Gewehr und kehrt, noch bevor es dämmert, nach Scharfenstein, zur Wohnung seiner Mutter, zurück. Hier erfährt er nun von der wüsten Hausdurchsuchung, der Beschlagnahmung seiner Sachen und den Handgreiflichkeiten gegen seine Mutter. Außer sich vor Wut begibt er sich vor die Burg und bezieht dort Stellung.
Als es hell wird kommen ein paar Gerichtsdiener heraus, die seine beschlagnahmten Sachen wegbringen sollen. Stülpner fängt sie mit vorgehaltener Büchse ab, nimmt die Sachen an sich und befielt den Bütteln wieder ins Schloss zu gehen. Kurz darauf kommen nichtsahnend die Förster herausgeritten. Stülpner schickt ihnen sogleich zwei Kugeln entgegen und trifft das Pferd des Oberförsters Tölpel. Sofort machen sie kehrt, ziehen sich in die Burg zurück und verrammeln das Tor. Stülpner verbirgt sich nun etwas abseits am Burghang. Die Eingeschlossenen schreien aus den Fenstern hinab in den Ort, befehlen den Musketieren herauf zu kommen und Stülpner zu erledigen. Als diese nun fast an Stülpner vorbei sind, donnert er ihnen mit vorgehaltener Büchse einige Drohungen hinterher, sodass ihnen Angst und Bange wird, und sie sich ebenfalls in die Burg retten. Vielleicht haben sie auch keine Ambitionen, einen ehemaligen Regimentskameraden zu erschießen. Stülpner hat nun sein gesamtes Fangkommando in der Burg eingesperrt und bleibt den ganzen Tag, bis zum Einbruch der Nacht auf seinem Posten. Niemand traut sich heraus zu kommen. Erst als er abzieht, noch mal zur Mutter geht und dann Scharfenstein verlässt.
Diese Szene ist tatsächlich so passiert. Schönberg berichtet ausgiebig davon und es existiert ein Bericht, vom Oberförster Pügner selbst verfasst.

Das Jahr 1813 trifft das Erzgebirge noch mal hart. Russische, Österreichische und Preußische Truppen besetzten weite Teile; plündernd und marodierend holen sie sich, was sie kriegen können. Felder werden abgeerntet, das Vieh der Bauern wird geschlachtet, es soll zu Überfällen und Misshandlungen gekommen sein, Brennholz wird entweder wahllos geschlagen oder, als kein geschlagenes mehr da ist, einfach Dächer abgedeckt, Fenster und Türen zersägt. Eines Tages wird auch Scharfenstein von 200 Mann „sogenannter Bauerkosaken“ (Schönberg) überfallen. Bei Schönberg ist zu lesen:
Auch Stülpner blieb nicht verschont, indem ebenfalls alle seine und seiner Familie Habseligkeiten von diesem Raubgesindel gewaltsam mit fortgeführt wurden. Entrüstet über diese Frechheit, eilte Stülpner zwei Nachzüglern nach, und warf sie, nach einigen erst unsanft ausgetheilten Rippenstößen, in die Zschopau, um ihnen hier ein russisches Dampfbad zu bereiten. So befreite er kurz darauf das Dorf Griesbach, wo auch eine Menge Kosaken plünderten ... von diesen Räubern und hatte sich durch seine längst anerkannte Bravour und Kühnheit einen solchen Ruf erworben, daß er überall in der Umgegend, wo solche Plünderungen verübt wurden, zu Hilfe herbei gerufen wurde, und durch seine Geistesgegenwart und derben Fäuste so manche Misshandlung gegen die armen Einwohner, und Entreisung ihres Eigenthums unterdrückte.
Karl Sewart und Johannes Pietzonka bestätigen diese Geschichte in ihren Büchern.

Frage: Hat jemand eine Idee, was mit „russisches Dampfbad“ gemeint ist?

Eine Kuriosität ist mir eben noch eingefallen.
Stülpner behauptete stets: "Mich schießt keiner tot!" Dieses Selbstvertrauen bescherte ihm ein Talisman, den er von einem bömischen Mönch erhalten hatte. Dieser sollte allen Kugeln Trotz bieten. Schönberg äussert sich in seiner Stülpner-Biografie dazu in einem ironischen Tonfall. Alles hatte er Stülpner also nicht abgekauft...
 
Zuletzt bearbeitet:
Frage: Hat jemand eine Idee, was mit „russisches Dampfbad“ gemeint ist?

Tja tja, die gute alte Banja. Im Russischen Dampfbad klopft man sich mit Birkenzweigen ab bzw. man "beklopft" sich gegenseitig ... ich denke, es ist einfach eine Umschreibung dafür, jemanden mit Stecken zu verprügeln ...

Bye - und großes Lob! :)
 
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