Der Wassersturz am Bosporus

Ich finde das "Vollaufen" des Schwarzen Meeres einerseits aus klimageschichtlicher Perspektive interessant.

Andererseits halte ich es für weniger sinnvoll, dies mit der biblischen Sintflut oder gar mit dem Atlantis-Stoff zu verknüpfen. Das vernebelt uns nämlich die Sachlichkeit.

Eine neolithische Ausbreitung menschlicher Populationen kann, da schliesse ich mich an, primär nur übers Land aber partiell und daher sekundär auch über Wasser erfolgt sein, soweit die technischen Möglichkeiten vorhanden waren.
Das heisst aber auch, dass eine Besiedlung von Inseln zu jener Zeit den entsprechenden technischen Stand belegt. Damals wie heute kann eben niemand übers Wasser gehen...

Gruss Japhet
 
Was ich nicht so ganz nachvollziehen kann:

Wenn wir deiner Annahme und den Fakten folgen, dann sind spätestens gegen 5500 vor Christus ein entwickeltes Volk oder Gruppen aus der Region des Schwarzen Meeres ausgezogen. Warum finden sich dann keine Spuren dieser Leute? Warum sind dann alle Errungenschaften der Sesshaftigkeit in der Region der Levante, des Zagros und zwischen Euphrat und Tigres verortet? Sind die Gruppen gleich durchgezogen, oder haben sie trotz ihres fortschrittlichen Entwicklungsstands einfach keine Funde hinterlassen?
 
Ich beschränke mich an der Stelle einmal auf die Überflutung...

Auch wenn man einen größeren Zeitraum der Flut annimmt, 34 Jahre habe ich da gelesen, ist es doch vorstellbar, dass auch diese Flut relativ dramatische Züge angenommen hat und bei den Zeitgenossen und deren Überlieferungen einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Ein Anstieg des Wasserstands des Schwarzen Meeres um 120 Meter in 34 Jahren, selbst dies ist schon eine ziemlich gewaltige Umwälzung.

120 Meter in 34 Jahren entsprechen - wie leicht nachzurechen ist - einer Transgressionsrate von ca. 3,5 Metern pro Jahr.
Das ist in der Tat enorm; zum Vergleich: dagegen war die Littorina-Transgression, durch welche vor etwa 7000 Jahren beginnend die Festlandbrücke zwischen Südschweden und Dänemark überflutet wurde und der Osten Dänemarks sich in die heutigen Inseln aufteilte, geradezu lächerlich mit ihren 2,5 cm pro Jahr (15 Meter in ca. 600 Jahren).

Kannst Du Dir vorstellen, was dann ein derart starker Anstieg in einem solch kurzen Zeitraum hinsichtlich Veränderungen von Küstenlinien hinterlassen muß?
Ach ja; und wenn wir gar einem Tsunami o.ä. annehmen wollen, dann wäre die Wirkung noch stärker - vgl. dazu bspw. den Storegga-Effekt:
Stregga-Effekt schrieb:
Der größte bekannte solcher Abbrüche liegt im Storegga-Canyon vor der mittelnorwegischen Küste. Die auch als Storegga-Rutschmasse (engl. Storegga Slide) bekannte Schutt- und Geröllhalde erstreckt sich ca. 850 Kilometer weit Richtung Nordwesten und ist bis zu 400 Meter hoch. Etwa eine Fläche von der Größe Islands brach dabei in drei Schüben vor ca. 7000 bis 25.000 Jahren ab. Der entstehende Tsunami hat nachweislich die Küsten von Schottland und Island überrollt.

Noch ein allgemeiner Hinweis zur Transgression (Vorrücken des Meeres: Meerespiegelanstieg und die damit einhergehende Wanderung der Küstenlinie Richtung Land).
Das relative Ansteigen des Meeresspiegels mit Erosion von Küsten bzw. Küstenlinien ist dabei nur die halbe Wahrheit; gleichzeitig erfolgt zudem eine marine Sedimentation. Und - vereinfacht ausgedrückt - nur wenn das Ausmaß dieser Sedimentation(en) geringer als das der Erosion(en) ist, wandert die Küstenlinie effektiv auch wirklich ins Landesinnere. Es kann sich jedoch auch die Waage halten, und in einem solchen Fall (der nicht nur theoretisch ist; die Küste Namibias hat solche Beispiele) kann sich trotz Transgression die Küstenlinie sogar nahezu in dem Zustand erhalten, den sie vorher hatte.
 
Ein Argument dafür, dass eine frühe Besiedelung des nördlichen Schwarzmeerraumes schon sehr früh und einfach möglich war, zu Fuß über den Bosporus.

Warum zu Fuß? Auf Einbäumen oder Flößen ließen sich Saatgut und Haustiere viel leichter transportieren. Wir wissen, dass die Ausbreitung in Europa entlang der großen Flüsse, Donau, Rhein erfolgte und die frühen Landwirte Flussauen als erstes bebauten und dann sollen sie keine einfachen Boote genutzt haben?

Muss man solche detallierten Schilderungen (Metalle als Mauerüberzug...) für bare Münze nehmen? Immerhin spricht der ägyptische Priester von Ereignissen die lange zurückliegen. Es kann sich auch um mündliche Überlieferung handeln, die im Laufe der Zeit ordentlich ausgeschmückt wurden.
Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten Tagen von dieser Mythendissonanz gelesen habe und bessere Geschichtskenner als ich haben darauf hingewiesen, dass man nicht beides (oder Dreies) haben kann.

Entweder ist Atlantis ein Tatsachenbericht, dann muß alles stimmen oder es ist ein Mythos, dann wurde nur eine vage Geschichte immer wieder nacherzählt, verfälscht, übertrieben und dann kann man es nicht finden, weil die Kriterien viel zu ungenau wären.
Es könnte 3. sogar völlig frei erfunden sein, einschließlich des Namens und dann verstehe ich nicht, warum fast jede Diskussion über einen frühgeschichtlichen Fund mit dem Wort Atlantis verknüpft werden muß.


2. Religiöse Schriftzeichen
Es gilt als ziemlich sicher, dass die Germanischen und Awarischen Runen ausschließlich im religiös-kultischen Kontext benutzt wurden. Das sagt uns aber nichts über die Entstehung dieser Schriften, auch bei den Awarischen Runen nimmt man an, dass diese in einer anderen Sprache entstanden sind.
Die Zeichen interessieren mich auch, ich würde gerne näher untersuchen, wie lange die Idee zur Dokumentation, Warenkennzeichnung oder Götterzuschreibung brauchte, bis sie die gesamte Sprache ausdrücken wollte und konnte. http://www.geschichtsforum.de/431479-post4.html
 
Bei einem Tsunami, da gebe ich euch recht, müsste man in der Tat von großer Zerstörung ausgehen, die durch gewaltige Flutwellen und anderes bedingt ist. Aber bei einer Flut im herkömmlichen Sinne, erst recht wenn sie Monate oder Jahre andauert ist eine intakte Strandlinie mehr als wahrscheinlich.

El Quijote, das Szenario, dass du beschreibst bezieht sich ausschließlich auf einen Tsunami, außer das es Deichsysteme zu der damaligen Zeit natürlich noch nicht gegeben hat und diese auf Grund ihrer Natur bei Flut natürlich immer erhöhtem Druck ausgesetzt sind.
Bei dir habe ich das Gefühl, dass du schon aus Prinzip wiedersprichst.
 
Moment; bewiesen ist lediglich eine Überflutung in kataklystischer Weise bzw. einem Kataklysmus ähnlich: über Zeit, Zeitraum und Ausmaß bzw. Dimension der Wasseranstiegs besteht keine Einigkeit bzw. sind diese Punkte längst nicht geklärt.
Nach Ryan und Pitman (1997) geschah dies um 5500 v.Chr. und war mit einer Wasserspiegelanhebung von mehr als hundert Metern in kurzer Zeit.
Nach Haarmann (2003) fand die Überflutung jedoch bereits um 6700 v. Chr. statt, hob den Wasserspiegel um 100...120 m und dauerte zumindest einige Jahre.
Nach Giosan, Filip und Constatinescu (2009) lag der Wasserspiegel vor der Überflutung nur etwa 30 m tiefer als heute.



Siehe dazu die Kontroverse hinsichtlich Zeit, Zeitraum und Ausmaß bzw. Dimension der Wasseranstiegs - Anm. oben.
Aber selbst wenn wir eine Überflutung in kataklystischer Weise akzeptieren, stellt sich doch die Frage, ob das dann immer gleich zwangsläufig Atlantis sein muß...





Herleitungen dieser Art gehören wohl eher in eine Gesprächsrunde, wo man sich über die Romane von Robert E. Howard austauscht.
Anm.: Außerdem heißt es Vinča-Kultur... :fs:



Das ist keine Herleitung. Das ist eine sehr grobe Darstellung von Hypothesen, der Moderator hat es schon verstanden.

Und nun gut, der Zeitpunkt der Flut ist umstritten, allerdings ist die Datierung der jüngsten Frischwasserfauna von 5500 vor Christus unbestritten, da neige ich dazu die Aussagekraft der Studie von 2009 anzuzweifeln.
 
El Quijote, das Szenario, dass du beschreibst bezieht sich ausschließlich auf einen Tsunami, außer das es Deichsysteme zu der damaligen Zeit natürlich noch nicht gegeben hat und diese auf Grund ihrer Natur bei Flut natürlich immer erhöhtem Druck ausgesetzt sind.
Ich beziehe mich gar nicht ausschließlich auf Tsunamis. Ich versuche die Unterschiede zwischen einem allmählichen Wasseranstieg (1 cm/Tag in 34 Jahren) und einer plötzlichen, alles mitreißenden Flutwelle zu sehen.

Bei dir habe ich das Gefühl, dass du schon aus Prinzip widersprichst.

Ich versuche aus Prinzip die Behauptungen auf ihre Wahrscheinlichkeit abzutasten, um zu widersprechen, wenn es die Vernunft gebietet.
 
Bei den verschiedenen Datierungen der Überflutung und verschiedenen angenommenen Fließrichtungen stellt sich mir als erstes mal die Frage, ob es sich wirklich um ein Ereignis gehandelt hat oder ob es verursacht durch Veränderungen der Geologischen und hydrographischen Gegebenheiten nicht auch mehrere Ereignisse dieser Art gegeben haben könnte.
Bosporus und Dardanellen sind schließlich eine Engstelle, die sich sehr leicht verschließen und erst durch entsprechenden Staudruck aus der einen wie der anderen Richtung wieder aufbrechen kann.

Bei den Kulturen rund um das Schwarze Meer handelt es sich im übrigen,und das bitte ich zu berücksichtigen, um relativ primitve Ackerbaukulturen und nicht um irgendwelche Hochkulturen mit semiurbanen Zentren.Das erklärt die spärliche Fundlage und das Fehlen von differenzierten Bewässerungs- und Deichsystemen.
Ähnliche Probleme wurden m.W. schon mal im Zusammenhang mit der sogenannten "Doggerbank-Archäologie" und dem "Vinetaproblem" für Nord- und Ostsee erörtert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist immer vorteilhaft, wenn man sich bei der Diskussion eines möglichen Wassersturzes im Schwarzen Meer fortlaufend über die Entwicklung der Ergebnisse der Paläoozeanographie in dieser Frage unterrichtet.

Deshalb ist timotheus für den Hinweis auf die neue Arbeit von Giosan, Filip und Constatinescu (2009) zu danken. Diese Arbeit bringt Ergebnisse, die qualitativ übereinstimmen mit denen, die Kuprin und Sorokin für den nördlichen Sektor des Schwarzen Meeres veröffentlicht haben ( in „The Black Sea Flood Question: Changes in Coastline, Climate and Human Settlement“ von
Yanko-Hombach, V.; Gilbert, A.S.; Panin, N.; Dolukhanov, P.M. (Eds.)
2007) Dieses Buch umfasst interdisziplinär 35 neue wissenschaftliche Arbeiten, die, ausgehend von der These Ryans, die verschiedenen Aspekte der These vom „Wassersturz“ beleuchten. Kuprin und Sorokin weisen nach, dass der Anstieg des Spiegels von – 100 m synchron mit dem Schmelzen und dem Rückzug des Eisschildes bereits um 17.000 BP einsetzte und bis etwa 8.500 BP auf – 25/30 m führte. In den folgenden 1.000 bis 1.500 Jahren begann langsam das Eindringen mediterraner Fauna, einhergehend mit einem Anstieg auf – 20 m. Danach setzte die volle Transgression ein und führte auf den heutigen Meeresspiegel.

Ich habe hier in diesem Thread vor drei Jahren einmal geschrieben: „Insgesamt kann man sagen, dass nach dem heutigen Stand die "plötzliche" Füllung des Schwarzen Meeres vor etwa 8400 Jahren als wissenschaftlich weitgehend gesichert angenommen werden kann.“

Heute würde ich nicht mehr so weit gehen und halte die These vom kataklysmischen „Wassersturz“ angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnissse nicht mehr für haltbar. Man muss halt immer bereit sein, seine Meinung auch zu ändern.
 
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