Deutsch-sowjetischer Krieg

Man hat, gerade in den von @Ralf.M vorgestellten Übungsplätzen und Militärschulen, sehr viel vom russischen Militär gelernt, z.B. von den Fallschirmtruppen, oder von der beweglichen operativen Kriegsführung.

Zugleich wusste das deutsche Militär, dass die eigene
Ausbildung und die militärische Selbständigkeit, das eigenverantwortliche Handeln der Kampfeinheiten dem russischen Militär überlegen war.

Man setzte auf eine qualitative Überlegenheit, mit der man einen eigentlich quantitativ aussichtslos überlegenen Feind zu besiegen dachte.
Und überschätzte dabei die eigene Stärke masslos, unterschätzte die materiellen und technischen Möglichkeiten des Gegners.

Irgendwo habe ich gelesen dass die deutsche Marine und Luftwaffe zu keinem Zeitpunkt ausreichend Treibstoff hatten:
Wie bei den heutigen Schulkindern fehlte es auch im deutschen Militär an der Beherrschung des Dreisatzes.

Ich selber war verblüfft wie sehr die wieselflinke russische Beherrschung des Abakus dem trägen deutschen Denken ("da brauche ich erst mal meinen Taschenrechner...") voraus war.
 
Gut formuliert! Gefällt mir!

Dieses überhebliche arische Denken der Führungsclique kostete Millionen und Abermillionen Soldaten das Leben.

A.H. hatte um sich eine Clique die alle begeistert waren als der Termin 22.06.1941 festgezurrt wurde.
Habe noch nie gehört dass einer vom Hofstaat des Führers auftrat wie seinerzeit „Kassandra“ vor 1182 v.Chr.
 
@Ralf.M aber nein! Das genaue Gegenteil ist der Fall!!

Du erwähnst die https://de.wikipedia.org/wiki/Panzerschule_Kama und die https://de.wikipedia.org/wiki/Geheime_Fliegerschule_und_Erprobungsstätte_der_Reichswehr , und die waren nicht die einzigen versteckten/geheime Aktionen der Umgehung der militärischen Auflagen des Versailler Vertrags. Diese aus dem Vertrag von Rapallo resultierende militärische Zusammenarbeit (Technologieentwicklungen) muss für ihren Zeitraum (1919)-1922(Rapallo)-1925(Lipezk-Vertrag)-1932 auf beiden Seiten Kenntnisse der militärischen Möglichkeiten erbracht haben, denn man arbeitete ja zusammen!

Russen und Deutsche setzten sich schon vor Rapallo zusammen, um eine Zusammenarbeit auszuloten.

Hierzu ein sehr interessanter Literaturtipp:
Manfred Zeidler: Reichswehr und Rote Armee 1920 - 1933
 
Das war einmal eine begrenzte Kooperation, die Ausbildung und Entwicklung betraf und kein vollerwertiges Militärbündnis bei dem sich beide Seite darauf verpflichtet hätten, den Gegenüber umfassend in militärische Interna einzuweihen, die sonst in die Kategorie "Geheimsache" fallen.

Natürlich war es kein Militärbündnis. Es ging "nur" darum, unter schwierigen Bedingungen und mit beschränkten Mitteln überhaupt die Voraussetzung für eine Fähigkeit zur Rüstung zu schaffen, um künftigen Reichsregierungen die Möglichkeit einer modernen Armee zu schaffen. Hitler konnte dann ab 1933 die Früchte dieser temporären Zusammenarbeit für seine Zwecke nutzen.
 
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Dieses überhebliche arische Denken der Führungsclique kostete Millionen und Abermillionen Soldaten das Leben.

A.H. hatte um sich eine Clique die alle begeistert waren als der Termin 22.06.1941 festgezurrt wurde.
Habe noch nie gehört dass einer vom Hofstaat des Führers auftrat wie seinerzeit „Kassandra“ vor 1182 v.Chr.

Fragt sich bloß, ob es etwas genutzt hätte, selbst wenn jemand die Courage gehabt hätte.

Kassandra hatte wohl Apollon mal einen Korb gegeben, und dafür belegte Apollon sie mit einem Fluch: Ihre Horoskope und Prophezeiungen trafen immer ins Schwarze, doch Apollons Fluch bewirkte, dass ihre Ratschläge nie befolgt wurden.
 
Waren sie auch nicht.
Nur sind dumm zu sein und schlecht informiert zu sein, zum Teil ohne sich dessen bewusst zu sein, zwei verschiedene Dinge.
Man sollte nie die Kraft der Suggestion unterschätzen.

Es ist der Verhaltenspsychologie seit langer Zeit bekannt, dass der Mensch dazu neigt, sich charismatischen Persönlichkeiten unterzuordnen. Unbewusst neigen wir dazu, ostentatives Selbstbewusstsein für berechtigt zu halten. Hitler verstand das sehr wohl. Er verstand – so beschämend und unangenehm sich das anhören mag –, dass Menschen geführt werden wollen. Und zwar gerade auch die Intelligenten, den Intelligenz geht mit Zweifeln einher, und die meisten Menschen sind dankbar dafür, wenn man ihnen ihre Zweifel abnimmt.

Und dann ist da noch die Methode Trump: Es ist ebenfalls in vielen Studien gezeigt worden, dass bloße Wiederholung den Menschen erschreckend beeinflussen kann. Genauso wie ein Politiker hundert Millionen Menschen in einer Bildungsnation davon überzeugen konnte, ihm sei der Wahlsieg "gestohlen" worden, indem er diese Lüge nur unverdrossen wiederholte; genauso, wie es nachweislich den Serotonin-Spiegel deutlich erhöht, wenn man morgens dem eigenen Spiegelbild fünf Minuten lang Komplimente macht; genauso wird man auch bestens ausgebildete Generale, die es besser wissen müssten, durch repetitive Propagandaparolen von der Möglichkeit des Unmöglichen überzeugen können.
 
Es ist der Verhaltenspsychologie seit langer Zeit bekannt, dass der Mensch dazu neigt, sich charismatischen Persönlichkeiten unterzuordnen. Unbewusst neigen wir dazu, ostentatives Selbstbewusstsein für berechtigt zu halten. Hitler verstand das sehr wohl. Er verstand – so beschämend und unangenehm sich das anhören mag –, dass Menschen geführt werden wollen. Und zwar gerade auch die Intelligenten, den Intelligenz geht mit Zweifeln einher, und die meisten Menschen sind dankbar dafür, wenn man ihnen ihre Zweifel abnimmt.

Dem würde ich grundsätzlich nicht widersprechen.

Allerdings sehe ich das Problem 1940/1941 weiterhin eher in einem durch schlechte Informationslage völlig falsch eingeschätzten Kräfteverhältnis.

Es wird ja sehr gerne auf den immensen Ressourcenreichtum der Sowjetunion, ihre große Bevölkerung etc. hingwiesen, die Frage vor der die Militärs 1940/1941 aber standen, war doch in ganz erheblichem Maße diejenige, wie weit dieses Potential denn überhaupt aktiviert werden konnte.
Und da war, neben der Größe der Potentiale überhaupt einiger Raum für Irrtümer.

Neben der Frage, was die Rüstungsindustrie in der Sowjetunion tatsächlich konnte und Informationslücken in diesem Bereich, wäre da z.B. der Unsicherheitsfaktor, ab wann diese Potentiale denn tatsächlich auch im Rahmen forcierter Rüstung ausgefahren wurden.

Das konnte man auf deutscher Seite schwer abschätzen, allerdings konnt eine Umstellung ein Jahr früher oder später hier schon einen erheblichen Unterschied machen.



Und es kommt doch einfach hinzu, dass es durchaus ganz objektive Gründe gab, die Sowjetunion tatsächlich massiv zu unterschätzen.

Schaut man sich die Geschichte der frühen Sowjetunion an, dann ließt die sich bis zu zweiten Weltkrieg, abgesehen von der einigermaßen ruhigen Periode mitte der 1920er Jahre wie eine Aneinanderreihung von Katastrophen.

- 1914-1917 1. Weltkrieg, Verlust eines Teils der einigermaßen modernen wirtschaftlichen Kapazitäten des Zarenreiches (Polen dauerhaft, Ukraine zeitweilig)
- 1917-1921 Bürgerkrieg, inklusive der Mangelerscheinungen nach nicht weniger als 7 Jahren Auseinandersetzung.
Außerdem Flucht/Ausweisung alter zaristischer Eliten, die dem neuen System nicht mehr genehm waren, womit allerdings in diversen Bereichen Fachwissen abhanden kam, was um so schwerer wiegen musste, als dass unter den 7 Jahren Krieg natürlich auch Ausbildung und Nachwuchs gerade von Funktionseliten und Experten litten.
- Folgend 1921-1928 Stabilisierung auf niedrigem Niveau, während der Phase der NEP nach dem Scheitern des ersten Versuchs ein Wirtschaftssystem nach sozialistischem Muster durchzupeitschein.
- 1929-1931 (grob) Zwangskollektivierung mit ihren Folgen bis 1933/1934, unter Anderem der verheerenden Hungersnot in der Ukraine.
- 1935/1936-1938 Zeit des großen Terrors, der vollkommen unnötig neben den militärischen Experten auch andere Bereiche traf und durch die willkührliche Inhaftierung/Exekution von Fachkräften in diversen Bereichen die Effizient der sowjetischen Wirtschaft jedenfalls mal nicht unbedingt verbesserte.

Und das sind ja alles Dinge gewesen, die Europa und der übrigen Welt durchaus nicht verborgen blieben.
In den 1920er Jahren gab es sogar internationale Hilfskampagnen um die schlimmsten Folgen der Lebensmittelknappheit in der Sowjetunion abzuwenden, auch in den 1930er Jahren scheint es (Applebaum: "Roter Hunger, Stalins Krieg gegen die Ukraine") Versuche von Hilfsaktionen von außen gegeben zu haben, gleichzeitig eine Welle der Empörung über das "Hungergetreide", dass die Sowjetunion trotz der Zustände in der Ukraine und anderen Teilen des Landes weiterhin exportierte.

Die Sowjetunion hatte also seit 1914 in den etwa 25 Jahren bis 1940 7 Jahre offener kriegerischer Auseinandersetzung erlebt (bis 1917 als Teil des Zarenreiches), unter schweren menschlichen Verlusten, Verlusten eines Großteils der bis dahin entwickelten Wirtschaft und gravierender Vernutzung des Transportsystems, sie hatte zweimal den (selbstverschuldeten) Verlust eines Großteils der vorhandenen Fachkräfte verkraften müssen, sowohl durch die Emigration und Ausweisung während des Bürgerkriges und des Beginns der Sowjetunion unter Lenin, als auch durch die späteren brutalen Säuberungen Stalins, sie hatte in dieser Zweit zwei Hungerperioden und eine komplette Umwälzung der landwirtschaftlichen Strukturen hinter sich, während sie mit der Industrialisierung bis weit in die 1920er Jahre hinein deutlich hiterherhinkte.

Bei einer solchen Vielzahl von einschneidenden Ereignissen in kurzer Zeit und das vor dem Hintergrund eines intransparenten Systems in einer sich zunehmend abschottenden Gesellschaft, dürfte es einmal nicht ganz einfach gewesen sein realistisch einzuschätzen, wo die Sowjetunion eigentlich wirtschaftlich mittlerweile angekommen war und welche militärischen Möglichkeiten daraus resultierten.


Da würde ich durchaus Sachprobleme ernst nehmen und als wahrscheinlichere Erklärungen betrachten wollen, als psychologische Effekte und ideologische Verblendung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Natürlich war es kein Militärbündnis. Es ging "nur" darum, unter schwierigen Bedingungen und mit beschränkten Mitteln überhaupt die Voraussetzung für eine Fähigkeit zur Rüstung zu schaffen, um künftigen Reichsregierungen die Möglichkeit einer modernen Armee zu schaffen. Hitler konnte dann ab 1933 die Früchte dieser temporären Zusammenarbeit für seine Zwecke nutzen.

Mir ist klar wozu es gut war, ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, warum ich die Vorstellung, dass sich dadurch umfangreiche Kentnisse über Größe der Roten Armee und Kapazitäten der Rüstungswirtschaft hätten ableiten lassen, für eher abwegig halte.
Wäre das ein vollwertiges Militärbündnis mit gemeinsamen militärischen Planungen, Generalstabsbesprechungen etc. gewesen, dann hätte man daraus sicherlich Erkenntnisse über diese Bereiche erlangen können, aber nicht bei der auf Forschung und Ausbildung limitierten Kooperation.
 
Ich habe das Buch "Hitlers Heerführer- Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42" von Johannes Hürter gelesen. Da wird sehr deutlich das Barbarossa von ersten Tag an schief ging. Das es enorme Nervosität unter den Generälen gab und man auch im Sommer 1941 sehr beunruhigt über die Fähigkeiten und die Kampfkraft der Roten Armee war.

So schrieb Kluge schon Anfangs Juli an Guderian "ich habe etwas Sorge, da der Russe viel geschickter kämpft, als wir angenommen haben."

v. Weich schrieb nach dem Krieg "Man begann den Feldzug mit einer kaum zu übertreffenden Unterschätzung des Gegners und mit einer durch den überraschend schnellen Erfolg in den bisherigen Feldzügen verursachte Überheblichkeit."

Vor allem muss man auch erwähnen, dass bis weit nach 1942 die Generäle vor allem in Halder und nicht in Hitler den Hauptschuldigen für die missliche Lage sahen.

So schreibt der Autor im Buch "Der Diktator hatte im Oktober und November 1941 kaum mehr in die Operationsführung eingegriffen, sondern den Verlauf der von Halder betriebenen letzten Offensive gerade zu fatalistisch abgewartet. Doch als sich die schon lange drohende Krise des Ostfeldzuges wie ein "Menetekel" an einem Frontabschnitt deutlich ankündigte, suchte er die militärischen Entwicklungen wieder stärker zu beeinflussen."

Es ist nicht zuletzt Halders Schuld das Feldzug militärisch Scheitertet. Aber Hitler hatte ihn Befohlen und ihn von vornherein als Menschheitsverbrechen geplant. Doch die Generäle allen voran natürlich Halder und Brauchitsch machten mit.
 
Nicht nur Hürtner fällt in "Hitlers Heerführer- ..." ein sagen wir einmal kritisches Urteil über Halders Barbarossa Planung und seine Lenkung des Feldzuges. Auch Antony Beevor war in " Der zweite Weltkrieg" sehr kritisch was Halders Feldzugsführung betrifft. Genau so Nicholas Stargard in "Der deutsche Krieg 1939-1945".

Halder plante einen Feldzug gegen das größte Land der Welt in wenigen Wochen ohne Reserven ohne Plan B. Als es sich abzeichnet, dass die Sowjetunion nicht nach einigen großen Grenzschlachten zusammen fällt, ließ er die Wehrmacht immer weiter in ihr Verderben vormarschieren. Das Unternehmen Taifun – also der Angriff auf Moskau, war vor allem von ihm Inszeniert und immer wieder forderte er ein Vorrücken. Auch als immer mehr warnende Berichte kamen, dass die Truppe total erschöpft und ausgedünnt ist. Ebenfalls machte er immer wieder total unrealistische Forderungen an die Truppe geltend. So wollte er das die Heeresgruppe Nord noch im WINTER 1941/42 weit östlich von Leningrad vorstößt, um einem Zusammenschluss mit den Finnen zu erreichen. Auch sollte die Heeresgruppe Süd noch im WINTER 1941/42 an die Wolga und den Kaukasus vorstoßen. Dies war natürlich undurchführbar. Doch das zeigt welchen Geistes Kind er war. An Taifun hatte aber auch Bock eine große Schuld. Bock wurde aber abgesetzt, wenn auch wenig später zum Oberkommandierenden der Heeresgruppe Süd ernannt. Doch Halder blieb im Amt.

Ebenfalls darf man nicht vergessen, dass der erste Millionenmord des dritten Reiches auf das Konto der Wehrmacht geht. Das krepieren lassen der sowjetischen Kriegsgefangenen. Der Befehl kam von Hitler. Doch die Lager betrieb die Wehrmacht. Das stand unter der Verantwortung von Halder. Da kam auch nach dem Krieg nie ein Wort des Wiederspruches oder Bedauerns. Auch den Kommissarbefehl oder den Kriegsgerichtsbarkeitserlass hat er einfach geschluckt. Doch auch dies stand unter seiner Verantwortung wie die von Brauchtisch. Nicht das man mich falsch versteht, Hitler war verantwortlich für die Verbrechen und den ganzen Irrsinn. Aber der Feldzug wurde auch schlecht geführt und geplant. Eben vor allem von Halder und er ließ sich tief in die Verbrechen verstricken.

Das Jodel auf das Schafott musste aber keiner je auf die Idee kam Halder nur anzuklagen. Ein Irrwitz!
 
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