Kurz vor Kriegsbeginn standen noch weitere Kolonien kurz davor, dass sie sich rechneten.
Sieht man mal ab vom Erkenntnisstand von Büchern in "Altdeutsch", dann ist der Widerspruch von Shinigami zur obigen These berechtigt.
Zunächst ist jedoch anzumerken, dass die Reduzierung des Themas "Kolonien" auf die Frage einer Kosten-Nutzenrechnung illustriert, dass sich jemand nicht mit dem sehr komplexen Thema beschäftigt hat.
Generell war der Kolonialismus, auch als Form des Sozial-Imperialismus, ein integraler Bestandteil der Politik des Wilhelminischen Deutschlands (vgl. Smith, Kap. 9 und Wehler)
https://de.wikipedia.org/wiki/Sozialimperialismus
Von Anfang an, so Strandmann (S.9ff), hatte der Kolonialrat darauf gedrungen, dass erst nach umfangreichen Erschließungen und administrativen Durchdringungen sich die Privatwirtschaft bereit finden würde, als Arbeitgeber in den Kolonien in Erscheinung zu treten.
Dazu, so Kundrus, wurde eine umfangreiche mediale Kamapagne in Gang gesetzt, um die weit gesteckten Ziele der Agitatoren eines deutschen Kolonialreiches in die Praxis umzusetzen.
Alleine die Realität sah bis 1914 "herbe" aus und wurde zusätzlich durch die Kosten der Kriegsführung in den Kolonien belastet, "so wird man die deutschen Kolonien als nationales Verlustgeschäft ansehen müssen (Reichszuschüsse 1894-1914: 646 Mio Mark)" (Gründer & Graichen, S. 294). Ähnlich Speitkamp (S. 87) "Hinzu kam, dass die Kolonien nicht nur nicht die erhofften Gewinne abwarfen, sondern sich fast durchweg nicht trugen."
"Denn angesichts der hohen Erwartungen, die die frühere Expansionsagitation in den Handel mit Kolonien gesetzt hatte, sah die Bilanz der deutschen Kolonialwirtschaft geradezu mager aus." (Gründer & Graichen, S. 294)
Die Hoffnungen auf umfangreiche Auswanderungen aus Deutschland in die Kolonien erfüllten sich nicht und so waren die Kolonien weitgehend auf Arbeitskräfte aus den jeweiligen Kolonien angewiesen.(Speitkamp S. 74ff)
Die Investitionen in die Kolonien waren immens und die infrastrukturelle Erschließung durch Eisenbahnen erfolgte punktuell (Speitkamp, S. 85)
Und Speitkamp kommt zu dem Ergebnis: "Auch im Blick auf die volkswirtschaftliche Gesamtbilanz des Deutschen Reichs war der Befund ernüchternd. Entgegen allen Versprechungen machten die Kolonien nur einen vernachlässigbaren Anteil am deutschen Außenhandel aus."
Ein erstaunliches Ergebnis, zumal das DR im Rahmen der Venezuela Krise 1902-1903 (Mitchell: The danger of dreams) und dann vor Manila 1898 (Dülffer u.a: Vermiedene Kriege, S. 513 ff) an den Rand eines Krieges mit den USA gekommen war.
Insgesamt war die Frage des Imperialismus für das Deutsche Reich mit Nachteilen verbunden und der Scramble for Africa eher eine Belastung. Es waren eher ideologische Aspekte des Platzes an der Sonne, eingebunden in den Mahan`schen Navalismus, der auch das Deutsche Reich antrieb, sich um Kolonien zu bemühen.
Aber die reine Kosten-Nutzen-Betrachtung, jenseits der kritischen Sicht auf einen rassistisch motivierten europäischen Kolonialismus, fiel in jedem Fall negativ aus.
Gründer, Horst; Graichen, Gisela (2005): Deutsche Kolonien. Traum und Trauma. Unter Mitarbeit von Holger Dietrich. Berlin: Ullstein
Kundrus, Birthe (2003): Moderne Imperialisten: das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien. Köln, Weimar, Wien: Böhlau.
Pogge von Strandmann, H. (2009): Imperialismus vom Grünen Tisch. Deutsche Kolonialpolitik zwischen wirtschaftlicher Ausbeutung und "zivilisatorischen" Bemühungen. Berlin: Links
Smith, Woodruff D. (1978): The German colonial empire. Chapel Hill: University of North Carolina Press.
Speitkamp, Winfried (2014): Deutsche Kolonialgeschichte. Ditzingen: Reclam, Philipp
Wehler, Hans Ulrich (1976): Bismarck und der Imperialismus. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.