Obwohl hier teilweise bereits weiter oben referiert, nochmals retour zur anderen überlieferten Stelle des Gesprächs Baker-Gorbatschow vom 9.2., welches durchweg im Neuen Narrativ referiert und als Beleg für das angeblich 'gebrochene Versprechen', die NATO grundsätzlich künftig nicht nach Osten auszudehnen, notiert wird. (Q: Galkin u.a., Michail
Gorbatschow und die deutsche Frage (2011), S. 315 f.)
M. S. Gorbacˇev:
[...]
Ich würde Sie bitten, dem Präsidenten zu sagen, dass wir mit
Ihnen Kontakt halten sowie Informationen und, wenn erforderlich, Ideen zu diesem Problem austauschen wollen.
J. Baker:
Das werde ich unbedingt tun. Ich möchte, dass Sie verstehen: Ich sage nicht, dass wir der Welle der Emotionen nachgeben sollen. Aber ich glaube, dass die innere Integration Deutschlands bald eine Tatsache sein wird. Unter diesen Bedingungen ist es unsere Pflicht vor den Völkern, unsere Pflicht um des Friedens in der Welt willen, alles Mögliche zu tun, um solche äußeren Mechanismen zu schaffen, die die Stabilität in Europa gewährleisten. Deshalb habe ich den genannten Mechanismus [2+4-GesprächsMechanismus zur Herstellung der äußeren Bedingungen der deutschen Einheit, Anm. von mir] vorgeschlagen.
Was den ökonomischen Preis der Vereinigung angeht, so wird diese Frage wahrscheinlich im Verlaufe des Wahlkampfs erörtert werden. Aber ich denke, sie wird vom emotionalen Überschwang, vom Drang der Menschen, sich zu vereinigen und zusammen zu sein, überspült werden.
Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, auf die Sie jetzt nicht unbedingt eine Antwort geben müssen. Vorausgesetzt, die Vereinigung findet statt, was ist für Sie vorzuziehen: Ein vereinigtes Deutschland außerhalb der NATO, vollkommen selbstständig und ohne amerikanische Streitkräfte oder ein vereinigtes Deutschland, das seine Verbindungen zur NATO aufrechterhält, aber unter der Garantie, dass die Jurisdiktion oder die Streitkräfte der NATO sich nicht über die derzeitige Linie nach Osten ausbreiten?
M. S. Gorbacˇev:
Wir werden dies alles durchdenken. Wir beabsichtigen, alle [S. 316] diese Fragen auf der Führungsebene gründlich zu erörtern. Selbstverständlich ist es klar, dass eine Ausdehnung der NATO-Zone inakzeptabel ist.
J. Baker: Wir stimmen dem zu.
M. S. Gorbacˇev:
Es ist durchaus möglich, dass in der Lage, wie sie sich jetzt gestaltet, die Anwesenheit der amerikanischen Streitkräfte eine mäßigende Rolle spielen kann. Es ist möglich, dass wir mit Ihnen gemeinsam darüber nachdenken müssen, wie Sie gesagt haben, dass ein geeintes Deutschland vielleicht Wege zur Aufrüstung, wie das nach Versailles der Fall war, zur Schaffung einer neuen Wehrmacht, suchen wird. In der Tat, wenn es sich außerhalb der europäischen Strukturen befindet, dann kann sich die Geschichte wiederholen. Das technische und industrielle Potential gestattet es Deutschland, dies zu tun. Wenn es im Rahmen der europäischen Strukturen existiert, dann kann man diesen Prozess verhindern. Über alles dies muss man nachdenken.
Auch der vorlaufende Gesprächsabschnitt thematisierte ausnahmslos und direkt die deutsche Einheit, so wie der hier zitierte dies fortsetzt. Der größere, der unmittelbare und direkte Kontext belegt eindeutig genug, es ging und ging immer noch von Seiten Bakers um den Vorschlag der Nicht-Ausweitung der militärischen Strukturen der NATO auf das DDR-Gebiet im Zusammenhang mit einer kommenden deutschen Einheit, bei welchem das neue Gesamtdeutschland nach Bakers Vorschlag Mitglied der NATO ist, bleibt oder wird.
Die inhaltlich Konsistenz, wie die Bedeutung der Formel von der Nicht-Ausweitung der NATO nach Osten im damaligen Kontext überwiegend gemeint gewesen war, verstanden und medial rezipiert/transportiert wurde, wird durch die vorstehenden Beiträge und diesen Beitrag hinreichend sichtbar.
Genscher war der einzige der involvierten Spitzenakteure, welcher von sich aus gelegentlich und aus dem Kontext heraus identifizierbar/unterscheidbar eine generelle Nicht-Ausweitung der NATO vorschlug, natürlich immer vor dem Hintergrund mit seinen sonstigen Positionen:
- Gesamtdeutschland in der NATO
- Ablehnung eines neutralen Gesamtdeutschland
- DDR-Gebiet nicht in der Militärstruktur der NATO
Die Formel der
Nichtausweitung der NATO nach Osten nutzte Genscher wenige male ohne zusätzliche/weitere Differenzierung für beides, jedoch wiederum immer aus dem Kontext eindeutig erschließbar.
Diesen verifizierungsfähigen Kontext blendet das Neue Narrativ entsprechend aus.