Im besonderen Marokko II und (allerdings weniger bedeutsam) die Liman-von-Sanders-Krise
Deutschland hatte in allen von dir genannten drei Krisen überhaupt nicht die Absicht einen Krieg zu entfachen!
Das erscheint mir doch arg an den Haaren herbei gezogen! Die Bedingungen, wann genau der Bündnisfall für den einzelnen Dreibundpartner gegeben ist, ist vertraglich geregelt. Da ist vom Angriff zweier Mächte die Rede oder eines umprovozierten Angriffs Frankreichs die Rede. Davon konnte ja wohl keine Rede sein.
Bezüglich der beiden Marokkokrisen verwechselt du, so meine ich, Ursache und Wirkung. Wer hat denn das bestehende Völkerrecht gebrochen? Wer hat diesen Bruch des Völkerrechts sogar vertraglich vereinbart? Wer hatte Angst, das diese Vereinbarung das Licht der Welt erblickt?
Und du meinst, Deutschland solle sich im Voraus bei diesem Rechtsbruch mit Rom absprechen. Der Dreibundvertrag enthält des Weiteren keine Bestimmung, die den diplomatischen Aktionsradius der einzelnen vertragsschleißenden Parteien irgendwie einengt. Eine eigenartige Sichtweise hinsichtlich der Vertragsbestimmungen des Dreibundvertrages.
Marokko Teil 2 ist Marokko Teil 1 sehr ähnlich. Erneut liegt ein Rechtsbruch Frankreichs vor. Erneut bist du wohl der kuriosen Ansicht, Berlin hätte Rom konsultieren sollen.
Der europäische Frieden wurde durch den wiederholten Bruch des Völkerrechts, mit massiver britischer Unterstützung, gefährdet, nicht die Macht, die zugegeben mit viel Geschrei, auf diese Rechtsbrüche hinweist. Es wäre doch überhaupt nichts geschehen, wenn Paris vertragskonform gehandelt hätte. Aber das wollten die Staatsmänner in Paris eben nicht.
Die deutsche Diplomatie konnte sich aber auf eine Klausel im Dreibundvertrag berufen, in der sich die Partner in gemeinsam interessierenden Fragen gegenseitig internationale Unterstützung gewähren. Und Italien hatte kein Interesse an der Tunifizierung Marokkos. Und trotzdem gab es keine italienische Unterstützung auf der Konferenz von Algeciras und war damit Bruch des Dreibundvertrages.
Warum? Ganz einfach. Man wollte Frankreich nicht verprellen!
Übrigens gibt es hier einen Faden zu den beiden Marokkokrisen. Hast du den gelesen? Wenn ja, dann wüsstest du eigentlich, das deine Thesen unhaltbar sind.
Rom wurde im September vertragskonform von Aehrenthal über die bevorstehende Annexion informiert.
Wien und Berlin wurden von Rom über den Tripoloskrieg auf den allerletzten Drücker in Kenntnis gesetzt. Auch nicht im Sinne des Dreibundvertrages.
Rom ermutigte noch Montenegro am 08.Oktober 1912 zur Kriegserklärung an das Osmanische Reich. Das war eine unverantwortliche Kriegstreiberei. Da wurden gleich mehrere Verträge nicht eingehalten. Beispielsweise hatte die Italiener doch den Russen zugesagt, den Status Quo auf dem Balkan aufrecht erhalten zu wollen.
Im Zuge der Balkankriege wurde die Einigung der Großmächte systematisch verschleppt, um Montenegro es zu ermöglichen endlich Skutari, aus eigener Kraft war Montenegro dazu sowieso nicht in der Lage, zu erobern. So kam es den ja auch und die Situation eskalierte und ging bis hart an dem Krieg.
Während Rom, ohne dann beispielsweise ohne vorige Konsultation, die im Dreibundvertrag vorgesehen war, mal eben einen aggressiven, brutalen Kolonalkrieg gegen das Osmanische Reich beginnt und in dessen Folge der Ersten Balkankrieg, von den Staaten des Balkanbundes losgetreten, mit seinen ganzen Folgen, auch für das europäische Gleichgewicht ,ausbricht.
Im Falle der Streitigkeiten um Marokko würde sich, wenn die Krise tatsächlich in einen Krieg eskaliert wäre von italienischer Seite her also durchaus die Frage gestellt haben, ob hier der casus foederis gegeben gewesen wäre, da Berlin zwar an der Eskalationsschraube gedreht hatte, die ursprüngliche Herausforderung aber von Frankreich ausging.
Hier wurde mit dem europäischen Frieden in einer Weise gezockt, die Italien durchaus in einen daraus resultierenden Konflikt involvieren konnte und das wird man, da ohne detaillierte Rücksprache mit Rom und zudem völlig ohne Not, in Rom nicht gern gesehen haben.
Du verwechselt hier die Dinge ziemlich. Streitigkeiten? Bruch des Völkerrechts durch Frankreich und Großbritannien trifft es wohl erheblich genauer. Und du vertrittst ernsthaft die Ansicht, das Paris und London dazu das Recht hatten und Deutschland als Mitunterzeichner des Madrider Vertrages solle gefälligst die Klappe halten?
Ebenso das Österreichsiche Verhalten in Sachen nicht erfolgte Kompensationsangebote in Richtung Rom für die Annexion Bosniens und der Herzegowina, da sich aus dem Kommpensationsartikel ja, wenn man wollte durchaus herleiten ließe, dass Kompensation zum beidseiteigen Einvernehmen grundsätzlich dem Geist der Abmachung enspräche.
Schon wieder die Annexionskrise. Ich breche zusammen. Das ist schon jetzt Provokation pur!! Lies bitte endlich den von mir mit viel Arbeit und Mühe erstellten Faden durch. Kann natürlich auch lästig ein, wenn dort Dinge stehen, die du gar nicht wissen willst.
Ich habe dir x-mal erläutert, wie das im September 1908 gelaufen ist. Tittoni hatte zugestimmt und keine Kompensation für Italien in Anspruch genommen. Da ist nicht eimal im Ansatz etwas von einen nicht dem Geiste des Vertrages entsprechendes Handeln seitens Aehrenthals zu sehen.
Und wie nun im Zuge der Liman-von-Sanders-Krise der Dreibundvertrag nicht eingehalten wurde, das erschließt sich mit nun gar nicht. Es wurde vom Sultan, übrigens was das schon im Frühjahr 1913 Thema, explizit um eine deutsche Militärmission gebeten. Meinst du etwas, das Kaiser Wilhelm II. Italien um Erlaubnis bitten sollte? Und die Deutschen sahen ja schnell ein, man wollte die Krise eben nicht eskalieren, man wollte eben keine Krieg, etwas, was von Sasonow so nicht unbedingt behauptet werden kann, das man den Russen entgegenkommen müsse. Das wurde auch geleistet. Aber: Deutschland hat hier kein Recht gebrochen und die Krise nicht eskaliert, sondern einfach nachgegeben.
Also lassen wir doch diesen Unfug bleiben.
Ganz ehrlich: Ich verbitte mit solche Abqualifizierungen.
Lies dir bitte die umfängliche einschlägige Literatur. Du weigerst dich ja schon den Faden zur Bosnischen Krise zu lesen. Jedenfalls wirst du in der Fachliteratur häufiger davon lesen und zur Kenntnis nehmen dürfen, das die von mir genannten Beispiele nicht dem Geist des Dreibundvertrages entsprechen.
Ach ja, ehe ich es vergesse. Der traurige Höhepunkt wurde dann 1915 erreicht. Rom kündigte des Dreibundvertrag. Doof nur, das dieser überhaupt gar keine Kündigungsklausel enthielt. Und dann der "krönende" Abschluss: Rom erklärte den langjährigen Bündnispartnern den Krieg.