Flüchtlinge aus Ostpreußen

"An fremden Wassern Weinen"!

Hallo,
Ich mache gerade ein Referat über das Thema "Integration der Flüchtlinge aus Ostpreußen"
und habe folgende Frage:
Wie wurden die Flüchtlinge nach dem 2. Wetkrieg aufgenommen?

Bekommt man da was im Internet raus oder gibt es Bücher über dieses Thema?

Wüde mich über Antworten freun
lg

@Gast, hallo!

Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller, Arno Surminski, hat seine Flucht aus Ostpreußen und seine Zeit als Flüchtling in Trittau bei Hamburg m. E. sehr realistisch und zeitgetreu in seinen Romanen dargestellt.

--Sehr empfehlenswert!


1.) Jokehnen oder: Wie lange fährt man von Ostpreußen nach Deutschland.
Roman 1974, gebunden Ullstein 15,95 € Hörkassette mit Peter Striebeck 24,00 €
Taschenbuch Ullstein 8,95 € Dreiteiliger ZDF-Film mit Armin Müller-Stahl 1987,
Thema: Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen 1945

2.) Kudenow oder: An fremden Wassern weinen.
Roman 1978, gebunden
Taschenbuch Ullstein 8,95 € Zweiteiliger ZDF-Film 1981
Thema: Die Nachkriegsjahre in einem Schleswig-Holsteinischen Dorf.

Mit bestem Gruß

Simplicissimus
 
Zuletzt bearbeitet:
Was heutzutage allzu oft geschieht,den es ist ja bequemer als mal nachhaltiger,zu recherchieren!

Vielleicht habe ich ja etwas übersehen, aber außer der Studie, die Silesia angeführt hat, ist wenig wissenschaftlich brauchtbares angeführt worden, um die Thesen über die mangelnde Integrationsbereitschaft in Westdeutschland zu analysieren.

Das wäre ein Einstieg in eine angemessene Diskussion über die soziologischen und sozialstrukturellen Auswirkungen der Vertreibungen im Anschluss an den WW2 und ihrer sozialen, kulturellen und politischen Bewältigung.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Was heutzutage allzu oft geschieht,den es ist ja bequemer als mal nachhaltiger,zu recherchieren!

Vielleicht habe ich ja etwas übersehen, aber außer der Studie, die Silesia angeführt hat, ist wenig wissenschaftlich brauchtbares angeführt worden, um die Thesen über die mangelnde Integrationsbereitschaft in Westdeutschland zu analysieren.

Das wäre ein Einstieg in eine angemessene Diskussion über die soziologischen und sozialstrukturellen Auswirkungen der Vertreibungen im Anschluss an den WW2 und ihrer sozialen, kulturellen und politischen Bewältigung.

Möglicherweise ist es dir ja auch entgangen, dass das Geschichtsforum auch eine Diskussionsplattform für Geschichtsinteressierte, die nicht Historiker sind, ist.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Zöpfe ab, Hosen an! Die Fünfzigerjahre auf dem Land in Baden-Württemberg

Hrsg. von der Landesstelle für Museumsbetreuung Baden-Württemberg und der Arbeitsgemeinschaft der regionalen ländlichen Freilichtmuseen Baden-Württemberg. Tübingen: Silberburg 2002. 216 Seiten, 193 zum Teil farbige Abbildungen, kartoniert. ISBN 3-87407-505-2. EUR 16,90 (www.silberburg.de)

Die Städte B-Ws waren weitgehend kriegszerstört, war zusätzlicher Wohnraum einfach nicht vorhanden, deshalb kamen die meisten Flüchtlinge zunächst aufs "Land".

Hier ist einiges zu finden.
ZB:
Die 1946 über Österreich aus der Slowakei kommende Flüchtlingsgruppe die nach Walldürn in das Flüchtlingslager "Teufelsklinge" kommt. Die Erwachsenen sind sich recht sicher, dass es sich um ein "Vernichtungslager" handelt und vernichten alles an Papieren die irgendwo einen "Hakenkreuzstempel" aufweisen. (Bitte vor Kritik selbst nachlesen)

Manche Flüchtlinge treffen auf offene und verdeckte Ablehnung. Sie treffen aber auch selbstlose Hilfe.
Kommunalpolitiker, Kirchen spielen bei der Lösung der Probleme eine große Rolle.
Insgesamt wird die Rolle der Landwirtschaft bei der Lösung der anfänglichen Probleme aus Flucht und Vertreibung sehr hoch eingeschätzt.
Anfangs, Arbeit gegen Wohnraum, später Zuerwerb und schließlich Kapitalbeschaffung.
 
Die Städte B-Ws waren weitgehend kriegszerstört, war zusätzlicher Wohnraum einfach nicht vorhanden, deshalb kamen die meisten Flüchtlinge zunächst aufs "Land".

Das war im Nordwesten auch nicht anders. Es gab in den Städten nicht genug Wohnraum, daher wurden die Vertriebenen auf ländliche Gegenden verteilt, wo sie bei Bauern lebten und arbeiteten. Die Geschichte des Grenzdurchgangslagers
Animositäten sind unter solchen Bedingungen unvermeidlich. Letztendlich handelte es sich nur um die wenigen Jahre direkt nach dem Krieg.
Schon nach der Währungsreform nahmen viele eine regulär bezahlte Arbeit an und bereits Anfang der 50er wurden erfolgreiche Wohnungsbauprogramme gestartet, so dass man die Vertriebenen ab Mitte der 50er als gut integriert bezeichnen kann.
Ich habe mich als Kind von Vertriebenen nie anders wahrgenommen als meine Klassenkameraden ohne Vertriebenenhintergrund und meine Chancen waren auch nicht schlechter.
Das ist für mich ein wichtiges Kriterium, um eine gelungene Integration zu beurteilen. Im Vergleich zu späteren Migrationen könnte man untersuchen, was bei der Vertriebenenintegration anders gelaufen ist und warum sie mE erfolgreicher war als spätere.
Es gibt bestimmt Gegenbeispiele, man kann die Einzelschicksale von Menschen schwer statistisch und soziostrukturell betrachten.
 
Möglicherweise ist es dir ja auch entgangen, dass das Geschichtsforum auch eine Diskussionsplattform für Geschichtsinteressierte, die nicht Historiker sind, ist.

Nein ist es mir nicht. Nur verstehe ich es nicht, wenn ein Forumsteilnehmer eine ernsthaftere Debatte über das Thema einklagt und dann nicht selber ernsthaft auf das Thema via Studie einsteigt.
 
Ich habe Ihr Beispiel nicht als Gesamtbild genommen,ich möchte nur darauf hinweisen,dass man nicht nur das Positive ( Ihre Geschichte,Lastenausgleich- Gesetz u.s.w.) in den Vordergrund stellt.
Was heutzutage allzu oft geschieht,den es ist ja bequemer als mal nachhaltiger,zu recherchieren!
Bitte genau lesen: ich habe nicht nur das Positive in den Vordergrund gestellt, sondern zum Gesamturteil auf eine Studie verwiesen. Ergänzend wurden hier mehrfach neuere Literaturbeiträge genannt, die allerdings Einzelaspekte (zB regional) fokussieren. Also bitte nicht die Worte herumdrehen.




Behauptet hat keiner etwas, es war eine vorbeugende Feststellung meiner Seite aus!
Merkwürdig. Dann hatte ich das wohl mißverstanden.


Dank an Repo zu dem Hinweis auf den Beitrag der Landwirtschaft.
An anderer Stelle (DDR/BRD/Kriegsfolgen) hatte wir schon einmal den Hinweis auf Arbeitskräfte und Arbeitsqualifikationen. Neben der Integration eines schlagartigen, hohen zweistelligen "Bevölkerungszuwachses" im Westen ist umgekehrt der Beitrag der Flüchtlinge zum Wiederaufbau zu erwähnen.
 
Wie wurden die Flüchtlinge nach dem 2. Wetkrieg aufgenommen?

Bekommt man da was im Internet raus oder gibt es Bücher über dieses Thema?

Das waren die Fragen,vom Gast!
Die ersten Antworten waren,Hinweise auf Internet-Seiten.Die aber nicht,auf die Frage eingehen. Die erste Internet - Seite die die Frage annähernd beantwortet ist Die von Mitglied "silesia",aber auch nur spezifisch Raum Westdeutschland.
Wen ich wissenschaftlich an die Sache angehen möchte,dann gehe ich wissenschaftlich an die Frage ran und bombardiere dem Gast mit Internet - Seiten und Literatur - Hinweisen zu.
Ich hatte es schon mal in einer anderen Diskussion erwähnt - Geschichte Lebt von Geschichten und das hier Geschichten mehr aussagen können als Zahlen,zeigt ja das Interesse in dieser Plattform!!!
Was der Gast nachher damit anfängt ist seine Sache, ich möchte ihm nur einen Hinweis geben.
 
Animositäten sind unter solchen Bedingungen unvermeidlich. Letztendlich handelte es sich nur um die wenigen Jahre direkt nach dem Krieg.
Schon nach der Währungsreform nahmen viele eine regulär bezahlte Arbeit an und bereits Anfang der 50er wurden erfolgreiche Wohnungsbauprogramme gestartet, so dass man die Vertriebenen ab Mitte der 50er als gut integriert bezeichnen kann.
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Das stimmt, schon ca. 1954 hat man um jeden der wieder wegzog "getrauert" eine Arbeitskraft weniger...

In der von mir genannten Publikation der "Landesstelle für Museumsberatung BW" heißt es, dass sich das Landleben noch nie innerhalb weniger Jahre so gewandelt hätte, wie in den 40/50ern
 
Nochmals zur Ernährungslage in der franz. Zone,:
die franz. Soldaten und Beamte haben vielfach ihre Familien nachkommen lassen. Wodurch sich die Gesamtzahl deutlich über die knapp 70.000 Soldaten erhöht, außerdem wurden Erholungsheime zB für franz. Kinder eingerichtet.

OT: eine Zeitzeugin hat mir erst vor kurzem wieder erzählt, wie die franz. kinder "überzähliges Weißbrot" absichtlich in den Dreck traten, während sie nicht einmal wusste, wie sowas schmeckt

TT: Ich habe es oben in einem "Geschichtchen" anklingen lassen, was natürlich auch zu Nicklichkeiten führte, Flüchtlinge/Vertriebene aus dem Nordosten hielten die schwäbischen Dialektsprecher anfangs für Hinterwäldler/Halbdeppen, nach dem Motto "lernen sie zuerstmal richtig deutsch".
Mit den Banatern, Donauschwaben und Siebenbürgersachsen gab es die Probleme natürlich nicht.
 
"Wie wurden die Flüchtlinge nach dem 2. Wetkrieg aufgenommen?"

Einfache Frage, einfach beantwortet: schlecht.

Vom Westen aus betrachte: Es ist schwer, wenn zerlumpte, verlauste, traumatisierte Menschenmassen auf (noch relativ) gutsituierte treffen und behaupten, sie seien etwas Besseres gewesen. Es ist schwer, wenn man mit solchen "Gestalten" teilen muss.

Ich möchte behaupten, das die Flüchtlinge und Vertriebenen sich selbst integriert
haben, nicht zuletzt deshalb, indem sie einfach nur jahrzehntelang die Klappe gehalten haben, weil man mit niemand seine Trauer über die ermordeten, gefallenen, verhungerten Verwandten teilen konnte, weil das Wort "Flüchtling" auf viele wie ein rotes Tuch wirkt (ich will nicht politisieren, aber noch heute ist es so, dass Flüchtlinge und Vertriebene automatisch als rechtsradikal eingeteilt werden), weil weil weil ...

Fakten sind:
* Es gab keinerlei psychologische Hilfe für einfach oder vielfach vergewaltigte Frauen und Mädchen,
* keinerlei für spätheimkehrende durch sibirische Lager traumatisierte Männer, Frauen und Kinder (Motto: Das ist vorbei. Wir wollen davon nichts hören.)
* Es gibt mittlerweile medizinische Studien über Posttraumata der Kriegs- und Nachkriegskinder
 
"Wie wurden die Flüchtlinge nach dem 2. Wetkrieg aufgenommen?"

Einfache Frage, einfach beantwortet: schlecht.

So einfach kann man mE die Frage nicht beantworten. Es ist zu unterscheiden, ob von Flüchtlingen während der Endphase des Krieges die Rede ist, wie vielen Ostpreußen oder von Vertriebenen nach dem Krieg.

Vom Westen aus betrachte: Es ist schwer, wenn zerlumpte, verlauste, traumatisierte Menschenmassen auf (noch relativ) gutsituierte treffen und behaupten, sie seien etwas Besseres gewesen. Es ist schwer, wenn man mit solchen "Gestalten" teilen muss.
Bei den Vertriebenen z.B. aus Schlesien lief das wesentlich geordneter ab. Die lebten z.T. noch bis 1946 unter russischer Besatzung und manche haben ihre Häuser noch einige Monate mit den ihrerseits vertriebenen Ostpolen geteilt. Auch wenn das zynisch klingt, die kannten ihre Nachfolger und erlebten nicht nur rachsüchtige Sieger, sondern Menschen, die genauso entwurzelt waren, wie es ihnen bevorstand.


Ich möchte behaupten, das die Flüchtlinge und Vertriebenen sich selbst integriert
haben, nicht zuletzt deshalb, indem sie einfach nur jahrzehntelang die Klappe gehalten haben, weil man mit niemand seine Trauer über die ermordeten, gefallenen, verhungerten Verwandten teilen konnte, weil das Wort "Flüchtling" auf viele wie ein rotes Tuch wirkt (ich will nicht politisieren, aber noch heute ist es so, dass Flüchtlinge und Vertriebene automatisch als rechtsradikal eingeteilt werden), weil weil weil ...

Natürlich haben sie sich im wesentlichen selbst integriert, was blieb ihnen auch anderes übrig. Der Rückweg war ihnen verbaut und damit haben sich die meisten sehr schnell abgefunden und pragmatisch nach vorne geschaut und wiederaufgebaut, genauso wie ihre neuen Nachbarn. Aber sie hatten auch Hilfe, günstige Kredite, um Eigenheime zu bauen, Lastenausgleich, Anerkennung von Rentenanwartschaften und Bildungsabschlüssen.

Der angeblichen rechtsradikalen Einordnung der Vertriebenen möchte ich vehement widersprechen. Meine Eltern waren ein Leben lang im BdV, bes. für meine Mutter war das aber eher ein Heimat- und Nostalgieverein und sie hat oft genug über den Hupka und die anderen "Vorsitzenden" geschimpft, sie waren ihr teilweise richtig peinlich.
Die meisten Vertriebenen aus der Generation meiner Eltern haben immer betont, dass sie zwar gern an ihre Kindheitsheimat denken aber da sie sich ihr Erwachsenenleben woanders aufgebaut hatten, wollten sie nie zurückkehren.

Manchmal, wenn ich die Vertriebenenschicksale mit den späteren Einwanderern vergleiche, denke ich, dass diese Gewißheit, nie mehr zurückzukönnen, auch ein Vorteil sein kann.

Fakten sind:
* Es gab keinerlei psychologische Hilfe für einfach oder vielfach vergewaltigte Frauen und Mädchen,
* keinerlei für spätheimkehrende durch sibirische Lager traumatisierte Männer, Frauen und Kinder (Motto: Das ist vorbei. Wir wollen davon nichts hören.)
* Es gibt mittlerweile medizinische Studien über Posttraumata der Kriegs- und Nachkriegskinder

Heutige psychologische Hilfen kann man mMn nicht für ein Land in einer Ausnahmesituation einklagen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Iraker und Afghanen mit einer solch professionellen Traumatabehandlung rechnen können.
 
Vom Westen aus betrachte: ... auf (noch relativ) gutsituierte treffen und behaupten, sie seien etwas Besseres gewesen. Es ist schwer, wenn man mit solchen "Gestalten" teilen muss.

Das ist ein Irrtum.
Auffangstation für die Vertriebenen waren keinesfalls nur einige idyllische/kriegsverschonte ländliche Gebiete.

Ein großer Teil wurde in den ausgebombten oder in der Endphase des Krieges durch die Kampfhandlungen großflächig zerstörten Städten untergebracht. "Gutsituiert" für den Großteil der westlichen Bevölkerung ist eine Fehleinschätzung. In den Städten mischten sich Ausgebombten (die ebenfalls alles verloren hatten) mit Flüchtlingen, wobei den Familien die vermißten/gefangenen Soldaten gemeinsam waren.

Ansonsten kann ich mich nur rena8 anschließen.
 
Nun ja, es kam halt drauf an, woher man geflüchtet bzw. vertrieben war. Klar, ausgebombt kann man objektiv nicht als gut situiert betrachten. Wenn man dagegen kein Dach über dem Kopf hat, hungernd, zerrissen, verungeziefert mit Säugling, Kindern und Schlaganfall-Oma von Haus zu Haus fragen geht, dann ist ausgebombt im zugigen Keller noch Luxus.

Es gibt übrigens Karten der Bundesländer, die zuerst und die später aufnehmend waren.
@rena8: ich freue mich für euch, dass es euch so gut gegangen ist. Und: Es sind Fakten!
 
"Wie wurden die Flüchtlinge nach dem 2. Wetkrieg aufgenommen?"

Einfache Frage, einfach beantwortet: schlecht.

...


* keinerlei für spätheimkehrende durch sibirische Lager traumatisierte Männer, Frauen und Kinder (Motto: Das ist vorbei. Wir wollen davon nichts hören.)
* Es gibt mittlerweile medizinische Studien über Posttraumata der Kriegs- und Nachkriegskinder


Einfache Frage, einfach beantwortet: Den Umständen entsprechend nicht schlecht.

Fakten sind:
* Es gab keinerlei psychologische Hilfe für einfach oder vielfach vergewaltigte Frauen und Mädchen,
Das ist richtig. Aber! auch die franz. Kolonialtruppen vergewaltigen umfassend. In den franz. eroberten Gebieten musste eine Frau schon Glück haben, wenn nicht.
Ärtzliche Hilfe bekamen die Frauen aber ohne weiteres.

* keinerlei für spätheimkehrende durch sibirische Lager traumatisierte Männer, Frauen und Kinder (Motto: Das ist vorbei. Wir wollen davon nichts hören.)

Und auch da muss ich widersprechen. Der Bruder meines Vaters kam Weihnachten 55, (ein hagerer großer Mann der Berlinerte, und ich musste Onkel zu ihm sagen...)
Es gab erhebliche Eingliederungshilfe.

Es waren Massenschicksale, da braucht es keine Psychologen
 
Zuletzt bearbeitet:
Es wäre mal interessant, eine aktuelle Bevölkerungsstatistik zu erheben, wer in der heutigen Jugend ein Abkömmling von Flüchtlingen oder Vertriebenen ist. Schleswig-Holstein und Meck-Pomm hatten 1946 ihre Bevölkerungszahl quasi verdoppelt. Ich bin mit einem eingesessenen Vater und einer Berliner Mutter selbst in meiner Generation schon fast eine Ausnahme, fast alle Klassenkameraden hatten mindestens einen Elternteil aus Schlesien, Pommern oder Ostpreussen. Wenn die alle Frau Steinbach zujubeln würden...
 
Klar, ausgebombt kann man objektiv nicht als gut situiert betrachten. Wenn man dagegen kein Dach über dem Kopf hat, hungernd, zerrissen, verungeziefert mit Säugling, Kindern und Schlaganfall-Oma von Haus zu Haus fragen geht, dann ist ausgebombt im zugigen Keller noch Luxus.

Mir ist bei diesen Aussagen nicht so klar, ob mich der polemische Unterton der Vergleichs oder der Zynismus gegenüber den Bombenopfern mehr stört.

Da ich keine "Roten" als Bewertung aus Prinzip vergebe möchte ich im Forum dennoch auch meine subjektive Meinung äußern gegen diese Form der Meinungsäußerung und sagen, dass ich persönlich eine derartige Bewertung historischer Ereignisse als ein sehr problematisches Niveau in diesem Forum empfinde.
 
Nun ja, es kam halt drauf an, woher man geflüchtet bzw. vertrieben war. Klar, ausgebombt kann man objektiv nicht als gut situiert betrachten. Wenn man dagegen kein Dach über dem Kopf hat, hungernd, zerrissen, verungeziefert mit Säugling, Kindern und Schlaganfall-Oma von Haus zu Haus fragen geht, dann ist ausgebombt im zugigen Keller noch Luxus.
Bist du dir sicher? Weißt du, wie es den späteren Trümmerfrauen und ihren Kindern während des Krieges ging, was die Waisenkinder des Krieges erlebten, daß die eben auch oft nix zu essen und Ungeziefer hatten und nicht wussten, wo sie einigermassen sicher schlafen konnten?

Glaubst du, dass ein Schrecken das andere aufwiegen kann? Klar, jeder meint immer sein persönliches Schrecken wäre schlimmer, als alles andere. Aber kein Schrecken und Trauma ist für das "Opfer" einfacher zu bewältigen, als das andere.

Und doch, was gibt es Schlimmeres für ein Kind, als zuzusehen wie Mutter, Geschwister und/oder Freunde von Bomben, Granaten, oder was auch immer zerfetzt werden, verbrannt oder von Trümmern verschüttet und erschlagen werden. Willst du mir allen Ernstes erzählen, dass eine Flucht mit den Eltern und Geschwistern schlimmer war, als die Familie im Krieg zu verlieren und nicht zu wissen, wie und wovon man Überleben sollte?

Von den Vergewaltigungen wollen wir gar nicht erst reden ...

Viele Kriegskinder z.B. konnten das Erlebte kaum erzählen, haben sogar ihre "Stimme", zumindest vorübergehend verloren, konnten gar nicht mehr sagen, wie sie heissen, siehe Trauma und partieller Gedächtnisverlust ...

Nachtrag:
„Leben kann man nicht gegen Leben aufrechnen, Schmerz nicht gegen Schmerz. Todesangst nicht gegen Todesangst, Vertreibung nicht gegen Vertreibung, Grauen nicht gegen Grauen, Entwürdigung nicht gegen Entwürdigung. Menschliches Leid kann man nicht saldieren, es muß gemeinsam überwunden werden durch Mitleid, durch Besinnung und durch lernen für die Zukunft.“
Roman Herzog, Bundespräsident, bei der Gedenkfeier 1995 zum 50. Jahrestag der Zerstörung Dresdens
 
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Es wäre mal interessant, eine aktuelle Bevölkerungsstatistik zu erheben, wer in der heutigen Jugend ein Abkömmling von Flüchtlingen oder Vertriebenen ist. Schleswig-Holstein und Meck-Pomm hatten 1946 ihre Bevölkerungszahl quasi verdoppelt. Ich bin mit einem eingesessenen Vater und einer Berliner Mutter selbst in meiner Generation schon fast eine Ausnahme, fast alle Klassenkameraden hatten mindestens einen Elternteil aus Schlesien, Pommern oder Ostpreussen. Wenn die alle Frau Steinbach zujubeln würden...

Da würde ich inzwischen von 100% ausgehen.
Ich selbst bin 100% Schwabe. Meine Frau ist 50%Westpreußin und zu 50% eine Hinterpommersche.
Meine Töchter haben sich für die Muttersprache entschieden, mein Sohn neigt derzeit zur "Vatersprache".
Per Saldo würde ich sagen es ist OK.
 
"Mir ist bei diesen Aussagen nicht so klar, ob mich der polemische Unterton der Vergleichs oder der Zynismus gegenüber den Bombenopfern mehr stört." Entschuldigung, ich hätte nie gedacht, dass meine Aussage so rüberkommen könnte. Meine Grundstimmung war eher traurig als ich das schrieb. Bei meinem Posting vom 23.02.2010, 22:00 kann ich allerdings nur Sachlichkeit entdecken.

"Weißt du, wie es den späteren Trümmerfrauen und ihren Kindern während des Krieges ging, was die Waisenkinder des Krieges erlebten" Leider weiß ich es nur zu genau: Königsberger Trümmer, Bomben in Dresden, Fliegerbeschuss, verlorene Kinder (Wolfskinder)...

"Willst du mir allen Ernstes erzählen, dass eine Flucht mit den Eltern und Geschwistern schlimmer war, als die Familie im Krieg zu verlieren und nicht zu wissen, wie und wovon man Überleben sollte?" Auch Flüchtlingskinder haben Eltern bzw. Familie verloren. Leid eignet sich nicht zum Vergleich und zum
Aufrechnen.
 
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