Freiheits-Gerechtigkeits-Paradoxon

Endlich wieder offen:winke:

Mir ist aufgefallen, dass in den letzten Beiträgen und auch in den älteren immer wieder die Begriffe Freiheit-Gleich-Gerechtigkeit genannt werden und jeder sie persönlich anders definiert!
Ich finde, dass wir auf eine gemeinsame Definition dieser Begriffe zugehen sollten, also eine Basis, auf der wir diskutieren könne, ohne dass uns die Diskussion wieder ins Persönliche reinläuft.

Ohne dass wir uns jetzt streiten, wär das ein akzeptabler Vorschlag?
Man könnte z.B. gleich zu Anfang mehrere Definitionen der Lexika posten und dann an diesen seine Argumentation führen!?:winke:
 
In einem Punkt muss ich Robert Lee zustimmen.
Nähmlich das Religion (Christentum, Islam ec.) und Ideologie (Kommunismus, Faschismus, Demokratie ec.) durchaus ihre Gemeinsamkeit hat.
Beide bieten ein Vorbild von gesellschaftlichem und geistigem Zusammenleben.
Beide verheißen sie Möglichkeiten von einem gerechtem und freiheitlichem Zusammenleben von Gruppen, Völkern, Nationen ec.
Natürlich jede für sich, unter unterschiedlichen Vorraussetzungen (Diktatur, Demokratie, Kirche ec.).

Aber keine von Beiden ist in der Lage wirkliche Freiheit und Gerechtigkeit zu erlangen.
Denn sind nicht Freiheit und Gerechtigkeit in erster Linie individuell getroffene Standpunkte?
Was dem Einen Gerecht ist, ist für den Anderen nicht Gerecht genug.

In einem Kollektiv, egal ob staatliches oder geistiges, muss sich das Individum den Bedürfnissen einer Gruppe unterordnen. Muss also persönliche Freiheiten aufgeben um darin und mit ihm existieren zu können.

In einer Diktatur oder einer religiösen Ordnung z.B. wird die Auffassung von Freiheit und Gerechtigkeit von einer Elite oder gar von einer Person bestimmt, welche die Gesellschaft die darin lebt akzeptieren muss.

In einer Demokratie muss sich das Individum freiwillig dem freiheitlichem Anspruch einer Gesellschaft anschliesen. Freiheit wird hier also auf den kleinsten gemeinsamen Nenner der Gesellschaft gebracht.
Dem Individum bietet sich hier lediglich (aber auch nicht immer) die Möglichkeit einer geistigen Freiheit. Aber auch hier muss es seine Aufassung von Gerechtigkeit dem Gerechtigkeitanspruch der Gemeinschaft (Gewaltmonopol des Staates) unterordnen, alles andere würde als Selbstjustiz aufgefasst werden.

So. Ich hoffe es war verständlich worauf ich hinaus will.
Ich bin kein großer Redner oder Schreiberling.

Jedoch bin ich der Meinung, dass Gerechtigkeit und Freiheit in keiner gesellschaftlichen Ordnung, weder ideologischen noch religiösen, möglich ist.
Dies zu versuchen ist paradox.
 
Zuletzt bearbeitet:
In einer Diktatur oder einer religiösen Ordnung z.B. wird die Auffassung von Freiheit und Gerechtigkeit von einer Elite oder gar von einer Person bestimmt, welche die Gesellschaft die darin lebt akzeptieren muss.

Zur Theorie:
Die Diktatur des Proletariats hat nichts mit einer Diktatur im klassischem Sinn zu tun, da alle menschen sozusagen Proletarier sind und welcher Proletarier ist dann gleicher als gleich?
Nehmen wir das Christentum als Beispiel, so gibt es nur Gott und auch hier sind alle Menschen gleich,denn sie sind von der Liebe zu Gott erfüllt und erfüllen seinen Willen. Eine Obrigkeit gibt es hier auch nicht.

Zur Praxis:
Die sieht bisher anders aus. Das ist mir bekannt. ;)


Def.Die Handlungsfreiheit ist ein Begriff aus der Philosophie und der Rechtswissenschaft. Sie bezeichnet das Vermögen eines Lebewesens, seiner Natur, seinen Interessen oder seinen Neigungen zu folgen.

Die große und spannende Frage zu dem Thema Freiheit: Hat der Mensch bei Erfüllung der kommunistischen Theorie oder auch dem erfülltem und gottesfürchtigen Leben nach dem Bild des Jesus überhaupt das Bedürfnis nach Freiheit im klassischem Sinne, oder ist es sogar schon diese?

Im Prinzip kann er ja tun und lassen was er will. Die einzigste Einschränkung wäre beim Kommunismus die Unterordnung unter die Gemeinschaft und die im Christentum unter Gott.
 
Joinville schrieb:
Aber keine von Beiden ist in der Lage wirkliche Freiheit und Gerechtigkeit zu erlangen.
Denn sind nicht Freiheit und Gerechtigkeit in erster Linie individuell getroffene Standpunkte?
Was dem Einen Gerecht ist, ist für den Anderen nicht Gerecht genug.

Da gebe ich dir recht. Freiheit oder Gerechtigkeit sind frei interpretierbar für jeden Menschen. Um den Zustand totaler Freiheit oder Gerechtigkeit zu gelangen, müsste man eine starre Definition von beiden aufstellen, was nur möglich wäre, wenn es eine Art Einheitsmensch gebe, die alle die gleichen Moralvorstellungen hätten und alle an die gleichen Ideologien glauben würden!
Eine andere Möglichkeit wäre, dass ein einzelner Mensch, allein für sich in einem bestimmten Areal leben würde. Dieser hätte dann die absolute Freiheit, denn er wäre keinen Zwängen unterworfen, die durch das Zusammenleben mit anderen Leben entstehen, wie auch der Wunsch oder die Vorstellung von Gerechtigkeit.

Da ich die erste Möglichkeit glaube ich ausschließen kann, bringt mich das, unter Berücksichtigung der zweiten Erkenntniss, zu der These:
Sobald ein menschliches Zusammenleben existiert, wird Freiheit unmöglich, und der Gerechtigkeitswunsch tritt auf, welcher gleichzeitig durch verschiedene Ideologien, Erziehung usw, nicht klar definierbar ist!
Man könnte sagen es ist ein Teufelskreis: Durch das Zusammenleben entsteht der Freiheitswunsch, denn wenn man alleine lebt ist dieser doch sinnlos, oder, und gleichzeitig wird er unmöglich.
 
Mercy schrieb:
Kommt mir auch so vor; aber welches von den vielen Paradoxa trifft hier zu?

Ich wusste das da noch was kommt.

Na ja. Sowohl Ideologie als auch Religion versprechen Freiheit und Gerechtigkeit obwohl sie, um diese Ziele zu erreichen, Beides einschränken.
Nach dem Motto "der Zweck heiligt die Mittel".
Wie man das jetzt nennt weiß ich auch nicht.:red:


Da fällt mir ein, dass Freiheit und Gerechtigkeit der Natürlichkeit des Menschen wiedersprechen.
Denn seine natürliche Herkunft zwingt den Menschen Beides aufzugeben um in einer Gemeinschaft überleben und sich forpflanzen zu können (Mann+Frau).
Jedoch könnte das Individum sowohl Freiheit und Gerechtigkeit erreichen, wenn er auf Beide Triebe verzichtet.

z.B.: Wenn ein Mensch sich entscheidet außerhalb einer Gemeinschaft (Ehe, Familie, Stamm, Volk, Nation) zu leben, kann er Freiheit und Gerechtigkeit für sich deffinieren.
Muß jedoch damit rechnen nicht lange überleben zu können und muss auch einen Verzicht auf Fortpflanzung in kauf nehmen.
 
z.B.: Wenn ein Mensch sich entscheidet außerhalb einer Gemeinschaft (Ehe, Familie, Stamm, Volk, Nation) zu leben, kann er Freiheit und Gerechtigkeit für sich deffinieren.

Gewissen Zwängen unterliegt er aber auch als Eremit auf einer einsamen Insel. Über Naturgesetze, die ihm bestimmte Handlungsweisen aufzwingen werden. Auch somit wäre er in seiner Freiheit doch wieder beschnitten.
 
Robert_Lee schrieb:
Zur Theorie:
Die Diktatur des Proletariats hat nichts mit einer Diktatur im klassischem Sinn zu tun, da alle menschen sozusagen Proletarier sind und welcher Proletarier ist dann gleicher als gleich?
...

Aber würde diese kommunistische Ordnung das Annehmen aller Menschen (Proletarier), im Sinne der Gleichheit, eines allgemein gültigen Gemeinschaftskodex (z.B. Gesetz) vorraus setzen um Gleichheit garantieren zu können.
Diesem Kodex müssten sich alle Menschen (Proletarier) unterordnen und demzufolge individuelle Freiheiten aufgeben.

Robert_Lee schrieb:
...
Nehmen wir das Christentum als Beispiel, so gibt es nur Gott und auch hier sind alle Menschen gleich,denn sie sind von der Liebe zu Gott erfüllt und erfüllen seinen Willen. Eine Obrigkeit gibt es hier auch nicht.
...

Gott ist die Obrigkeit. Zumindest wenn wir das Christentum als Beispiel nehmen.
Er bestimmt die Voraussetzungen des Gemeinlebens (z.B. zehn Gebote) um zu erreichen das alle Menschen vor ihm gleich sind.
Also ist Gott, im weitesten Sinne, ein Diktator.

Robert_Lee schrieb:
...
Im Prinzip kann er ja tun und lassen was er will. Die einzigste Einschränkung wäre beim Kommunismus die Unterordnung unter die Gemeinschaft und die im Christentum unter Gott.

Und schon gäbe es keine Freiheit mehr.
 
Robert_Lee schrieb:
Gewissen Zwängen unterliegt er aber auch als Eremit auf einer einsamen Insel. Über Naturgesetze, die ihm bestimmte Handlungsweisen aufzwingen werden. Auch somit wäre er in seiner Freiheit doch wieder beschnitten.

Das stimmt.
Nicht nur seine natürliche Herkunft, sondern auch die Natur selbst setzt der Freiheit des Individums Grenzen.

Da hab ich nicht aufgepasst.
 
Gaius Marius schrieb:
...
Um den Zustand totaler Freiheit oder Gerechtigkeit zu gelangen, müsste man eine starre Definition von beiden aufstellen, was nur möglich wäre, wenn es eine Art Einheitsmensch gebe, die alle die gleichen Moralvorstellungen hätten und alle an die gleichen Ideologien glauben würden!
...

Korrekt.
Ein anderes Wort für Einheitsmensch wäre: Maschine.
 
Zuletzt bearbeitet:
fingalo schrieb:


Zschuldigung fingalo

Ab Beitrag 50 oder so hab ich aufgehört zu lesen:S und hab angefangen selber nachzudenken.
Deshalb verweise ich auch gerne auf deine Beiträge.
 
Robert_Lee schrieb:
Im Prinzip kann er ja tun und lassen was er will. Die einzigste Einschränkung wäre beim Kommunismus die Unterordnung unter die Gemeinschaft und die im Christentum unter Gott.
Nur die Konsequenzen beim Verstoß sind andere:

"Mein ist die Rache, spricht der Herr". Zu deutsch: Lasst das Böse gewähren. Die Strafe ist meine Sache.

Beim Kommunismus muss das gleich geregelt werden. Da muss an Stelle Gottes die Gemeinschaft selbst Hand anlegen. Und das geht nicht ohne Gewalt!

Wenn ich das Jenseits hinzunehme, gehts dem Übeltäter in beiden Fällen schlecht - einmal hier, einmal im Jenseits. Lasse ich das Jenseits weg und beschränke ich mich auf das Diesseits, dann führt die Aufforderung zum Gewaltverzicht zu einer Minderung (nicht zu einem Ende) der Gewalt.

Das Entscheidende ist doch, dass die heile Welt auf Erden nicht vom Menschen selbst hervorgebracht werden kann - so das Christentum. Die babylonische Sprachverwirrung, die in der Genesis erzählt wird, betrifft ja nicht die Sprache allein (man hätte ja Dolmetscher einsetzen können; damit wird man ja heute auf den Baustellen auch fertig), sondern die Zielsetzung und Ethik. Dehalb liefen die Menschen in dieser Geschichte auseinander. Man verstand einander in einem viel tieferen Sinne nicht mehr. Und das ist heute ja nicht anders. Wenn ich mir die moralischen Vorstellungen der Muslime ansehe, dann verstehen wir hier nur einen Bruchteil davon. Das Familienbild in Afrika ist ein prinzipiell anderes als in Europa.
 
Wenn ich das Jenseits hinzunehme, gehts dem Übeltäter in beiden Fällen schlecht - einmal hier, einmal im Jenseits. Lasse ich das Jenseits weg und beschränke ich mich auf das Diesseits, dann führt die Aufforderung zum Gewaltverzicht zu einer Minderung (nicht zu einem Ende) der Gewalt.


Aber das Jenseits gehört dazu wie Gott auch.
Ansonsten könnte allein schon der Gedanke an das schlimme Jenseits seelische Qualen hervorrufen. Die wären dann allerdings ziemlich irdisch. ;)


Das Entscheidende ist doch, dass die heile Welt auf Erden nicht vom Menschen selbst hervorgebracht werden kann - so das Christentum.

Die Bergpredigt ist nach meinem Verständnis doch die Aufforderung par exellence zum Besserwerden!
 
Die Diktatur des Proletariats hat nichts mit einer Diktatur im klassischem Sinn zu tun, da alle menschen sozusagen Proletarier sind und welcher Proletarier ist dann gleicher als gleich?

Marx hat manch gutes geschrieben, aber das mit der Diktatur des Proletariats war eine verhängnisvolle Idee. Damit ließ sich vieles rechtfertigen. Stalins Verfolgung der Kulaken, die chinesische Kulturrevolution, Pol Pots "Steinzeitkommunismus" - da schwang immer diese Vorstellung mit. Auf der harmloseren Seite: wenn man in der DDR bessere Karrierechancen hatte, wenn man selbst noch ein Handwerk erlernt hatte, oder der Vater, oder der Großvater. Wie ich schon einmal geschrieben habe, lässt sich dies sogar im Sinne einer historischen Gerechtigkeit durchaus nachvollziehen: die Schicht, die sich über Jahrhunderte kaputt geschuftet hatte, verdient es, auch mal zu regieren. Aber tatsächlich hat das wegen der hierarchischen Struktur in den kommunistischen Staaten nicht funktioniert - wer ein proletarischer Bauer war und wer ein hemmungsloser Besitzbauer, wurde in der Sowjetunion wieder von oben bestimmt.

Nehmen wir das Christentum als Beispiel, so gibt es nur Gott und auch hier sind alle Menschen gleich,denn sie sind von der Liebe zu Gott erfüllt und erfüllen seinen Willen. Eine Obrigkeit gibt es hier auch nicht
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Nur sind - zumindest meiner Ansicht nach - auch in der Bibel einige Menschen gleicher als die anderen gewesen, nämlich die Propheten, denen er sich direkt offenbarte.
 
Marx hat manch gutes geschrieben, aber das mit der Diktatur des Proletariats war eine verhängnisvolle Idee.

Aber das war nicht Marxens Idee. Den Begriff hatte er von den französischen Sozialisten übernommen.

Ansonsten würde ich den Realexistierenden Sozialismus und schon gar nicht Pol Pots Ideen (was auch immer das war, mit Marx hatte es gewiß nur sehr wenig Gemeinsamkeiten) mit dem theoretischem Kommunismus gleichsetzen. Da gibt es schon noch viele Unterschiede.
Natürlich kann man jetzt jedes Gesellschaftssystem mit Marx vergleichen und wird mehr oder weniger Unterschiede finden, aber jede Spinnerei, die unter dem Namen "Kommunismus" versucht wurde auch als Kommunismus zu definieren finde ich dann doch zu einfach.

Nur sind - zumindest meiner Ansicht nach - auch in der Bibel einige Menschen gleicher als die anderen gewesen, nämlich die Propheten, denen er sich direkt offenbarte.

In welcher Beziehung hatten die Apostel Vorteile außer das sie als erste Jesus Reden hören durften? ;)
 
Robert_Lee schrieb:
Die Bergpredigt ist nach meinem Verständnis doch die Aufforderung par exellence zum Besserwerden!
Aber aus dem Besserwerden seiner Anhänger wird nirgends eine gute Welt versprochen!
"Jeder nehme seiun Kreuz auf sich." Damit er zwar besser, das Kreuz verschwindet aber nicht.
 
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