Zur Diskussion:
1. Zur generellen quantitativen Überlegenheit der Perser und dem zwangsläufig damit zu erwartenden Sieg: Durch die hohe Beweglichkeit und Flexibilität der Makedonen sowie ihrer hervorragenden Kommunikation untereinander (auch bei Staub! ;-)) gelang es ihnen meist, an den neuralgischen Stellen eine punktuelle Gleichwertigkeit oder sogar Überlegenheit gegen die Perser zu schaffen.
Man darf aber anderseits nicht generalisieren dass eine zahlenmäßig überlegene „Volksarmee“ einem „Berufsheer“ grundsätzlich unterlegen sein soll. Zudem trifft eine solche Einschätzung meiner Meinung nach nicht auf die persische Armee bei Gaugamela per se zu (Streit-Elefanten, Sichelwägen, Söldner, Die Unsterblichen, … - Persische Rüstungen hatten den Ruf, die Besten Ihrer Zeit zu sein, …).
2. Ich gehe nicht davon aus, dass die Dareios dienenden griechischen Söldner (in Massen) überliefen: Wenn Alexander eines war dann konsequent in seinen Taten.
3. Die Schlacht wurde von persischer Seite ausgiebig vorbereitet, das vorgesehene Gefechtsfeld z.B. für den Einsatz von Sichelwägen eingeebnet.
Frage: Gegen WAS erwartete Darios eigentlich WIE anzutreten? :grübel:
Konkret: Wie kann man auch nur auf die Idee kommen mit Sichelwägen eine intakte makedonische Phalanx frontal angreifen zu wollen?
a) Sichelwägen können nur bei "mehr oder weniger aufgelockerter Aufstellung" des Gegners Wirkung entfalten bei welchem die Pferde ausreichend Raum haben (bzw. für sich verspüren).
b) Legt man Wert auf die Vermeidung eigener Verluste verbietet sich ihr Einsatz im fortgeschrittenen Kampfgetümmel. Es stellt sich also die berechtigte die Frage ob bzw. was Darios plante bzw. tat um die Phalangen vor dem Einsatz der Sichelwägen geeignet zu schwächen – Ich erkenne hier nichts.
c) Die makedonische Phalanx war für die Abwehr von Reiterangriffen ausgerüstet (Eine Sarisse hatte zwei Spitzen) und die Phalangisten entsprechend ausgebildet / gedrillt.
d) Die Sichelwägen konnten alternativ nur in den Freiräumen zwischen den Phalangen hindurchfahren. Seitlich gehaltende Sarissen sorgten für die Wahrung eines ausreichenden Abstands um keine/kaum Wirkung auf die Phalangen zu erzielen. (Anmerkung: Ich bezweifle, dass die Phalangen den Sichelwägen wie oft beschrieben auswichen – Dazu waren sie meines Erachtens auf Grund der dichten Zusammendrängung und der langen Sarissen in sich zu unbeweglich/unflexibel).
e) Letztendlich konnte das „Gefecht der verbundenen Waffen" auf Seiten der Makedonier die Sichelwägen recht schnell und effektiv (= vollständig) ausschalten.
f) Die vermutlich von Darios erhoffte psychologische Wirkung des Einsatzes verkehrte sich damit ins absolute Gegenteil: Die eine Seite hatte die "Superwaffen" mühelos vernichtet, die andere Seite sah, dass "mit das Beste, was man hatte" (Umfangreiche Vorbereitungen für ihren Einsatz!) recht schnell niedergerungen wurde und dazu auch noch kaum Wirkung beim Gegner zeigte.
g) Nach dem Ausfall der Sichelwägen kam das von Darios präparierte Terrain den makedonischen Phalangen zu Gute (Umkehrschluß zur Schlacht von Pydna: keine Büsche, Bäume, Sträucher, Löcher, Kuppen, …) - Ein weiterer ungewollter taktischer UND psychologischer Effekt.
4. Alexander war einzig und allein auf den "Köpfungsschlag" aus :devil: - schon in Issos versucht er, diese Strategie umzusetzen, ebenso hier. Dahinter stand ein wohlüberlegter Grundgedanke, der auf einer genauen Kenntnis der Gesellschafts- und Machtstrukturen des achämenidischen Reiches fusst (Er hatte jahrelang sehr genau seinen Erzfeind studiert): Er musste nicht das ganze gegnerische Heer (100.000 Mann oder mehr) besiegen sondern nur "der Schlange den Kopf abschlagen" (1 Mann) - Und alleine darauf war er in der Schlacht aus. Die diesbezüglich von ihm angewendete Taktik (Vorrangig defensive Infanterie + Kavallerie in schneller Bewegung um eine Lücke in die persische Fomation zu reißen -> Gezielter schneller und massiver Vorstoß auf Dareios) zeigte sich zielführend und hat in meinen Augen (zumindest konkret an dieser Stelle) überhaupt nichts mit Größenwahn zu tun: Er hatte gar nicht die Absicht mit seinem zahlenmäßig unterlegenem Heer 100.000 oder mehr Gegner töten zu wollen.
Ich gehe davon aus, dass sich zumindest einige (viele?) höherrangige Perser bei der Schlacht auch eher als Zuschauer denn als Mitwirkende des lange schwelenden und vorbereiteten Duells zwischen Alexander (= Bereits Herscher über die westlichen Gebiete!) und Dareios (= „Noch-Herrscher“ über die östlichen Gebiete) um das Amt des „Königs der Könige“ betrachteten: Warum sammelte sich anschließend die Mehrheit des persische Heers / der persischen Adeligen sonst nicht nochmals unter Dareios sondern taten vielmehr das Gegenteil?
Während Alexander bereit war, um das Amt des „Königs der Könige“ persönlich zu kämpfen und sein Leben dafür auf’s Spiel zu setzen, war dies Dareios augenscheinlich nicht – Eventuell erkannte er einfach auch nur nicht die an ihn gestellten „Duell-Erwartungen“.
Fazit:
Meiner Einschätzung nach ging Alexander in im Wettstreit um das Amt des „Königs der Könige“ in den Augen Aller (insbesondere eben der persischen Adeligen, Stammes- und Heerführern) bei Gaugamela als „würdiger“ im Vergleich zu Dareios hervor - Andernfalls hätte Gaugamela nur eine Episode in einer Reihe von (weiteren) Schlachten sein müssen: Schließlich wurde analog Issos das persische Heer bei Gaugamela nicht vernichtet sondern eigentlich nur vertrieben: Als Darios floh war das Ziel beider Seiten erreicht und die Schlacht damit (eigentlich) beendet.
P.S.:
- Gibt es eigentlich in den Quellen irgendwelche Zahlen zu Verlusten auf beiden Seiten? Möglichst in Relation zu der in der Quelle ebenfalls angegebenen Gesamttruppenstärke (Ich las einmal etwas von 40.000 Gefallenen auf persischer Seite – leider ohne Bezug zu einer Gesamtzahl)
- @Quintus Fabius: Falls diese Schlachtaufstellung
The Battle of Gaugamela (Arbela) - All Empires einigermaßen stimmt waren es a) ohnehin nur vergleichsweise wenige Bogenschützen (zumindest zu Fuß / im Zentrum) und b) diese zudem durch das verhaltene Vorgehen sowie den Rechtsruck der Makedonier anschließend ungünstig positioniert / blieben außer Reichweite (= Gute Taktik von Alexander).
P.P.S.: Sorry: Vielleicht etwas zu lang für einen ersten Beitrag :scheinheilig: