Geschichte der Zensur

Dass man eine Erlaubnis des Generalvikariats benötigt, um an ein Buch zu kommen?
Nein – in der Uni-Bibliothek genügte Studentenausweis, in der Staatsbibliothek brauchte man aber einen vom Professor unterschriebenen Schrieb, denn ohne den hast du irgendein Nazibuch – z.B. „Der Jude als Verbrecher“ aus dem Jahr 1937 oder auch Mein Kampf (sonst auf Flohmärkten für 20-40 DM erhältlich) – nicht bekommen.
 
Mephisto von Klaus Mann war in der Bundesrepublik lange verboten, weil der Protagonist Hendrik Höfgen kaum verschleiert auf der Person von Gustaf Gründgens basierte. Der hatte seine Persönlichkeitsrechte eingeklagt. Meine Mutter bat Bekannte aus der DDR das Buch zu kaufen. Wobei ich dann irgendwann die Ausgabe mit Klaus Maria Brandauer auf dem Schutzumschlag las (Verfilmung 1981), das kann also nicht das Buch gewesen sein, welches meine Mutter von unseren Bekannten aus der DDR bezogen hatte.
Wir haben das Buch in der Schule im Deutsch Leistungskurs gelesen. Das müsste 1993 oder 1994 gewesen sein. Der Alleinerbe von Gründgens war mit einer Klage gegen die Nymphenburger Verlagshandlung erfolgreich. 1981 wurde das Buch in Westdeutschland von Rowohlt veröffentlicht. Der Erbe hätte erneut klagen müssen, was er aber unterliess.
Mephisto (Roman) – Wikipedia
 
Wie zu Zeiten von Metternich und seinen Nachfolgern, z.B. Hitler.

Selbst Bonapartisten, die Metternich gerne verteufeln, werden wahrscheinlich der Meinung sein, dass das eindeutig zu weit geht. Aber damit kriegen wir die Kurve zu einem anderen Freund der Zensur:
Über Napoleon I. fand ich folgendes interessantes Zitat, das ich allerdings nicht zeitlich einordnen kann*:

"Ich will keine Zensur, weil ich nicht für Dummheiten verantwortlich sein will, die man drucken darf."

Tatsächlich war die Art der napoleonischen Zensur etwas anders, radikaler:
Unliebsame Zeitungen wurden gleich ganz verboten, die einst blühende Vielfalt aus Revolutionszeiten wurde immer weiter reduziert bis auf einige wenige.
Und wer es wagte, Bücher oder Pamphlete zu drucken, die nicht auf Linie waren, musste mit dem Tode rechnen.
Bekanntestes Beispiel ist Johann Philipp Palm.

*"passen" könnte es in Verbindung mit der neueren Verfassung nach der Rückkehr von Elba - in der übrigens auch die Sklaverei wieder abgeschafft wurde
 
Außerdem wird – wie in den Diktaturen – finanzieller Druck auf Verlage ausgeübt, um sie zu disziplinieren. Beispiel: Wird ein Buch nachträglich von der Bundesprüfstelle auf den Index gesetzt, so gilt für das Buch der verminderte Mehrwertsteuersatz für Bücher nicht mehr, sondern der Verlag muss nachträglich 19 % entrichten, was er für die bereits verkauften Bücher von den Buchhändlern nicht mehr eintreiben kann: Er muss die Differenz aus eigenen Mitteln zahlen, was einem kleinen Verlag, neben den ev. Gutachter- und Prozesskosten, das Genick brechen kann.

Unfug das.
Wenn ein Verlag ein Buch veröffentlicht, bei dem wegen des Inhalts von vorn herein klar ist, dass es sich gegebenenfalls mit gesetzlichen Bestimmungen beißen könnten, ist der Verleger selbst Schuld, wenn er das kauft, vervielfältigen und verteiben lässt, ohne vorher die Rechtslage geklärt zu haben.
Wenn ein Verleger so handelt, anschließend von der Justiz zurückgepfiffen wird und auf den Kosten sitzen bleibt, ist das eigene Selbstschuld und dann hat der Verleger auf deutsch gesagt seinen Beruf verfehlt.

Ein Verleger sollte Skripte, die ihm angeboten werden inhaltlich zur Kenntnis nehmen, dabei müssten potentielle juristische Probleme zu Tage kommen (angesichts der wenigen Bereiche, die Einschränkungen unterliegen ist duchauch zumutbar festzustellen, ob der Inhalt entsprechende Bereiche berühren könnte).

Sollte er entsprechende Inhalte feststellen, stehen ihm die Möglichkeiten zur Verfügung entweder zur Bedingung für das Verlegen des Buchs zu machen, dass die entsprechenden Stellen geändert und juristische Schwierigkeiten damit umgangen werden, oder aber das vor dem Kauf und dem Verlegen des Buches die juristischen Fragen geklärt werden.
Entweder in einem Modell, in dem der Schriftsteller, der das eingericht hat die Kosten für die juristische Prüfung vorschießt oder aber in einem Modell in dem der Verlag das vorschießt, im Vorhinein aber dafür ein Vorkaufsrecht für das Buch und seitens des Autoren eine Vollmacht erhält, etwaige juristisch beanstandete Stellen eigemächtig, oder in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller so abzuändern, dass das Werk ohne juristischer Bedenken verlegt und aus dem Profit die Kosten für die juristische Klärung wieder hereingeholt werden können.

Wenn ein Verlag das nicht tut und einfach auf gut Glück Geschäfte macht, von denen er wissen müsste, dass sie sich in einer juristischen Grauzone bewegen, selbst schuld.
Das hat nichts mit Zensur und Repression zu tun, sondern mit gewissenhaftem Arbeiten.

Wenn ein Verlag der Meinung ist, Prozesskosten, Kosten für vorherige Begutachtungen etc. nicht aufbringen zu können, sollte er keine Geschäfte in juristischen Grauzonen machen.

Genau so wie jemand, der nicht weiß, ob er hinreichende Sicherheitvorkehrungen auf die Beine stellen kann, keine Großveranstaltungen ausrichten sollte, wenn er nicht riskieren will, das ihm Gerichte und Ordnungsorgane die Veranstaltung dicht machen und er auf den Kosten sitzen bleibt.

Ist ganz das gleiche.
Der Staat ist nicht dafür verantwortlich, wenn akteure im wirschaftlichen Bereich ihrer unternehmerischen Eigenverantwortung und der damit verbundene gebotenen Sorgfalt nicht entsprechend nachkommen.

Das nennt man nicht "Diktatur", sondern "Kapitalismus".
 
Zuletzt bearbeitet:
Nein – in der Uni-Bibliothek genügte Studentenausweis, in der Staatsbibliothek brauchte man aber einen vom Professor unterschriebenen Schrieb, denn ohne den hast du irgendein Nazibuch – z.B. „Der Jude als Verbrecher“ aus dem Jahr 1937 oder auch Mein Kampf (sonst auf Flohmärkten für 20-40 DM erhältlich) – nicht bekommen.

Geschlossene Magazine, mit Büchern, an die man ohne besondere Erlaubnis nicht herankommt, gibt es auch an den meisten Universitäten.
Nur hat das nicht zwangsläufig irgendetwas mit den Inhalten dieser Bücher zu tun, sondern mitunter werden die einfach deswegen gesondert behandelt, weil eine Wiederbeschaffung möglicherweise relativ schwierig und Verlust oder Beschädigung daher sehr problematisch wären.

Ich habe mich an der Uni mal für ein Buch über Feldeisenbahnwesen im 1. Weltkrieg interessiert, das tatsächlich im "Sperrschrank" steht und dessen Ausleihe/Ausgabe gesondert beantragt werden musste.

Hatte aber offensichtlich nichts mit dem Inhalt zu tun, welche juristisch heiklen Bereiche, hätte eine Abhandlung zu diesem Thema aus der Weimarer Zeit berühren können?
Keine, das Buch stand offensichtlich aus anderen Gründen unter besonderer Kuratell.
 
Das wird dann aus stark angegriffenen Industriepapier bestanden haben und in besonders basischer Umgebung aufbewahrt sein (also vermutlich in einem Spezialkarton), die den Zerfall des säurehaltigen Papiers aufhalten oder zumindest verlangsamen soll-
 
Das wird dann aus stark angegriffenen Industriepapier bestanden haben und in besonders basischer Umgebung aufbewahrt sein (also vermutlich in einem Spezialkarton), die den Zerfall des säurehaltigen Papiers aufhalten oder zumindest verlangsamen soll-

Auch das ist durchaus denkbar.

Wenn Dion weiter oben einen Schrieb aus den 1930er Jahren anführt, da mögen die Gründe ähnliche sein.

Möglicherweise Notwendigkeit zur besonderen Lagerung oder Probleme bei Verlust Ersatz aufzutreiben.

Bei "Mein Kampf" dürfte das eher nicht das Problem gewesen sein und Widerbeschaffung wäre für die Bibliothek wahrscheinlich auch keine so große Sache gewesen, ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass man das möglicherweise auch unter bessonderem Verschluss gehalten hat, um Diebstählen oder politisch motivierten Beschädigungen vorzubauen.

Jeglicher Versuch dieses Buch, von dem jeder weiß, dass es noch Millionenfach auf Dachspeichern, in Kellern und sonstwo herumlag per Erschwerung des Zugangs aus der Öffentlichkeit quasiverbannen zu wollen, wäre lächerlich gewesen.
 
Um mal wieder auf das eigentliche Thema zu kommen

Im Vormärz gab es die Zensur vor der Drucklegung (Vorzensur) und die Zensur nach der Drucklegung. Die Zensur vor der Drucklegung betraf Schriften von bis zu 320 Seiten (oder 20 Druckbögen), alles darüber wurde erst nach der Drucklegung zensiert. Die Idee hinter dieser Regel war, Flugschriften zu zensieren, weil man davon ausging, dass insbesondere in kleineren Schriften aufwieglerische Dinge verbreitet wurden (und 320 Seiten ist ja auch nicht gerade wenig). Deshalb versuchten Schriftsteller wie Heine ihre Erzeugnisse in Büchern zu publizieren, die jeweils mehr als 320 Seiten bzw. 20 Druckbögen stark waren, damit die Zensur eben erst dann zuschlug, wenn einige Exemplare schon auf dem Markt waren.

Unter anderen Wilhelm Bleek erläutert diese Praxis recht ausführlich in seinem Werk über den Vormärz.

Ein Werkt, dass auch ein recht interssantes Panorama über die Restaurationszeit in Europa und die damit zusammenhängende konservative-reaktionäre Politik und ihre Beweggründe bietet, ist Adam Zamoyskis "Phantome des Terrors, Die Angst vor der Revolution und die Unterdrückung der Freiheit", dass ich nebenbei sehr empfehlen kann.
Da beschreibt Zamoyski unter anderem, die Parxis der Bespitzelung der europäischen Gesellschaften durch die Poliziministerien und deren "Spionagenetzwerke"
Vor allem am Beeispiel Frankreichs, aber auch an anderen Beispielen.

Beim Lesen wird allerdings der Eindruck vermittelt, dass das sehr schnell wachsende Apparate waren, die in keiner Weise wirklich zielbewust koordiniert waren und deren Spitzel, oft genug mit zweifelhaftem Ruf und fehlgeleiteten (nicht immer unbedingt wahrheitsgetreuen) Methoden wahrscheinlich mehr Datenmüll produziert haben, als alles andere.

Unter anderem wird davon berichtet, dass sich Spitzel des französischen Polizeiministers, die voneinander nichts wussten gegenseitig und mit offensichtlich fingierten Verdächtigungen bei ihren Chefs anschwärzten.


Die Arbeit der hauptberuflichen Zensoren in den Zensurstellen, die sich mit Zeitschriften, Flugblätter u.ä. zu befassen hatten, werden da zielsicherer und koordinierter vorgegangen sein.
Wenn allerdings, das Bespitzelungssystem tatsächlich dermaßen ineffektiv war, wie Zamoyski das beschreibt und die Behördern mehr damit zu tun hatten irgendwelchen Phantomen hinterher zu rennen, die zwilichtige Informanten in die Welt gesetzt hatten um ihr Honorar zu rechtfertigen und die Spitzel ebenfalls aus Rechtfertigungsgründen Unmengen von Datenmüll produzierten, aus dem das Relevante erstmal herausgefiltert und überprüft werden musste wobei bei diversen übertriebenen Meldungen tatsächlich wichtige Dinge heruaszufiltern schwierig gewesen sein dürfte und wegen der schieren Masse vieles einfach unter den Tisch gefallen sein wird, könnte ich mir vorstellen, das klandestine Druckereien in irgendwelchen Privaträumen, die illegale Flugblätter und Zeitschriften druckten, dies de facto möglicherweise sehr lange tun konnten, wenn sie nicht so unvorsichtig war die Erzeugnisse gleich vor Ort zu verteilen, weil das Chaos im völlig überdimensionierten Spitzelsystem von tatsächlich relevanten Entwicklungen und Aktivitäten möglicherweise eher ablenkte.
 
@Shinigami diese Spitzeleien wurden u.a. "geheimpolizeilich" weiter betrieben im 19.Jh.: z.B. die Familie Wagner wurde in Venedig bespitzelt/überwacht - die Wagner-Biographie von Gregor-Dellin dröselt das auf (mit Quellen), liest sich übrigens wie eine sehr gute Geschichte des 19. Jhs.
 
Wie vorsintflutlich die Zensur war und ist, zeigt die neue Praxis der Bundesprüfstelle: Wird ein Werk nach 25 Jahren nicht erneut auf den Index gesetzt, wird es aus der Liste der indizierten Werke gelöscht. Das zeigt, dass die Verbote und Indizierungen sehr von dem Zeitgeist abhängen, denn heute kann man nur lachen über das, was die Jugendschützer früher als jugendgefährdend ansahen: Man hält es vielleicht für undenkbar, aber selbst Micky Maus Comics wurden bei uns zensiert.

Selbst ein im Jahr 1984 beschlagnahmter Film, also ein Film, der auch für Erwachsene* verboten wurde, ist seit 2016 bzw. 2017 aufgrund gerichtlicher Entscheidungen frei ab 16 Jahren verfügbar. Aber Sony Pictures Home Entertainment musste dafür vor 5 Gerichten gegen 8 Verbotsentscheidungen vorgehen. Es ist klar: Ein Filmverlag mit weniger juristischen Kompetenz und weniger finanziellen Mitteln hätte diesen Kampf gegen Zensur, die es in diesem Land angeblich gar nicht gibt, nicht erfolgreich durchführen können.

* Dass dieser Staat mir, einem Erwachsenen, vorschreiben darf, was ich lesen, sehen oder hören darf und was nicht, ist eine Anmaßung und damit ein Skandal ersten Ranges.
 
Ist ganz das gleiche.
Der Staat ist nicht dafür verantwortlich, wenn akteure im wirschaftlichen Bereich ihrer unternehmerischen Eigenverantwortung und der damit verbundene gebotenen Sorgfalt nicht entsprechend nachkommen.

Das nennt man nicht "Diktatur", sondern "Kapitalismus".

Es ist ja nicht so, dass immer bereits Gesetze bestehen würden, an denen man sich orientieren könnte, ob es ein Buch durch die Zensur schafft oder nicht. Als in den 70er Jahren Jacques Mesrine seinen "Todestrieb" veröffentlichen liess, gab es in seiner Biographie keine einzige Stelle, welche unter die Zensur gefallen wäre. Erst nach dem Erscheinen wurde das Buch verboten, weil das französische Parlamente das "Loi Mesrine" erliess, welches grundsätzlich Geschäfte mit Publikationen von inhaftierten Verbrechern verbot.
(Meines Wissens ist das Gesetz schon seit längerem wieder aufgehoben).
 
@Armer Konrad

Bei allem Respekt, aber das von dir genannte Beispiel liegt annähernd ein halbes Jahrhundert zurück und betrifft als ein französisches Gesetz auch in keinster Weise die Situation in Deutschland.

Was Dion da erzählt, dass Verlage laufend fürchten müssten, dass die von ihnen vertriebenen Werke rückwirkend als zu beanstanden eingestuft, vom Merkt herunterzensiert und darüber Verlage regelmäßig finanziell in den Ruin getrieben würden ist ganz einfach mal verschwörungstheoretisches Blech.

Wie viele Gesetze sind in Deutschland in den letzten 20-30 Jahren gemacht worden, die Verlage, dazu zwangen Publikationen vom Markt zu nehmen?
Wegen des Rückwirkungsverbots können die Verlage nicht für den Vertrieb von Werken die vor einer Gesetzesnovelle legal vertrieben werden konnten, belangt oder haftbar geacht werden und sofern sie sich gegenüber den Schriftstellern, denen sie die Vorlagen abgekauft haben, für den Fall von gesetzlichen Änderungen, dahingehend abgesichert haben, dass sie die Möglichkeit haben darauf zu reagieren und eventuell problematische Stellen im Falle einer solchen Gesetzsänderung verändern zu dürfen um den weiteren Vertrieb zu ermöglichen, sollte das eigentlich kein größeres Problem für die Verlage sein.

Zumal man davon ausgehen kann, dass die Interssenverbände der Verlage den Gesetzgebungsprozess zu allem, was das Verlagswesen betrifft aufmerksam verfolgen und ihre Mitglieder bei einschneidenden Änderungen vorwarnen, so dass diese bereits im Vorhinein reagieren und umstellen können.


Davon ab:

Dion sprach nicht von Gesetzesänderungen, sondern von Angeordneter Einstellung des Vertriebs von Werken auf Grund bestehender Gesetzeslage.
Und die kann ein Verlag, bevor er die Rechte an irgendeimen Buch erwirbt klären.
Genau so wie die Möglichkeit Änderungen vorzunehmen, sollte es in Zukunft zu Problemen durch juristische Neusetzung oder neue Interpretationen bestehender Grenzen kommen.

Wenn er es nicht tut und deswegen auf den Kosten für etwas sitzen bleibt, dass er nicht in der Form vertreiben darf, wie er sich das vorgestellt hat, ist das eigene Selbstschuld.

Und vor allem hat das nichts mit Zensur zu tun.
 
@Shinigami diese Spitzeleien wurden u.a. "geheimpolizeilich" weiter betrieben im 19.Jh.: z.B. die Familie Wagner wurde in Venedig bespitzelt/überwacht - die Wagner-Biographie von Gregor-Dellin dröselt das auf (mit Quellen), liest sich übrigens wie eine sehr gute Geschichte des 19. Jhs.

Ja, geheimpolizeilich bespitzelt hat man im 19. Jahrhundert sehr gern und mitunter auch jenseits der Grenzen. Auch Marx wäre z.B. als Ziel solcher geheimpolizeilicher Bespitzelungen zu nennen.

Aber das waren eben Leute, die bereits durch entsprechendes Auftrteten auf sich aufmerksam gemacht hatten und deren Aktivitäten nicht erst noch aufgedeckt und festgestellt werden mussten.
Und ich würde meinen, da harkte es im 19. Jahrhundert bei den Überwachungsmechanismen deutlich.

Das überdimensionierte Spitzelnetzwerke in aller Regel vor allem Datenmüll produzieren, mit dem sich in der Masse wenig anfangen ließ, das kennt man ja auch aus anderen Kontexten.
In der DDR sind durch den völlig überdehnten IM-Apparat ja auch unmengen von Daten dem MfS zugeflossen, von denen wohl der größte Teil als nicht wirklich interessant/brauchbar im Sinne einer Überwachung/Bespitzelung durch die Staatsmacht betrachtet wurde.
Alibi-Meldungen halt, weil die Spitzel, sofern sie freiwillig aggierten ihren Einsatz und ihre Bezahlung/Privilegien (sofern sie welche erhielten) rechtfertigen mussten oder, sofern sie nicht freiwillig sondern gepresst waren, um sich selbst zu schützen und nicht als "unkooperativ" zu gelten.

Das wird im Vormärz nicht anders gewesen sein, allerdings mit dem Unterschied, dass das MfS durchaus auch eine größere eingespielte Analyseabteilung besaß, die sich einigermaßen professionell mit dem Zufluss an Information befasste.
Genau dieser Überbau dürfte den Spitzelapparaten im Vormärz allerdings gefehlt haben, was es mit sicherheit deutlich schwieriger bis unmöglich gemacht hat, den ganzen Datenmüll abzuarbeiten und wichtiges von irrelevantem zu trennen.

Das die Zensur bekannter, regelmäßig und legal erscheinender Presserzeugnisse im Vormärz sehr gut im Sinne der Obrigkeit funktionierte, daran habe ich keinen Zweifel, das bekamen die hin.
Massive Defizite würde ich aber im Bereich der Aufdeckung subversiver Aktivitäten abseits der bekannten Presseorgane und bekannten Persönlichkeiten, die durch öffentliches Aufteten eine Ablehnende Haltung gegenüber den herrschenden Verhältnissen und das Kundtun dessen bereits allgemein aufgefallen waren, sehen.
 
Aber das waren eben Leute, die bereits durch entsprechendes Auftrteten auf sich aufmerksam gemacht hatten und deren Aktivitäten nicht erst noch aufgedeckt und festgestellt werden mussten.
ich formuliere das mal anders:
aber das waren eben Leute, die wegen ihrer Werke/Leistungen nicht aus der Kulturgeschichte wegzudenken sind - und da erhält doch die schäbige Zensur samt Spitzelei einen besonders unangenehmen Beigeschmack...
Ich will dir nicht widersprechen, nur anregen, es auch mal so zu sehen (Pech für das Königreich Sachsen, welches sich so bescheuert geriert hatte, dass die Leute 1848 auf die Barrikaden gingen, und doppelt Pech für das Königreich Sachsen, dass sich unter denen, die auf den Barrikaden waren, ein musikalisches und ein architektonisches Genie befanden - Wagner und Semper)
In der DDR sind durch den völlig überdehnten IM-Apparat
ich glaube nicht, dass die DDR als Vergleich zum 19. Jh. besonders ergiebig ist...
 
Was Dion da erzählt, dass Verlage laufend fürchten müssten, dass die von ihnen vertriebenen Werke rückwirkend als zu beanstanden eingestuft, vom Merkt herunterzensiert und darüber Verlage regelmäßig finanziell in den Ruin getrieben würden ist ganz einfach mal verschwörungstheoretisches Blech.
Du, @Shinigami, hast wie üblich, wenn du gegen mich polemisierst, keine Ahnung – Zitat aus einem Interview mit dem Verleger Achim Schnurrer (Alpha Comic Verlag), Fettschreibung durch mich:

Im Juli 1995 kam der Alpha Comic Verlag, der Comics für Erwachsene, wie zum Beispiel das "Kondom des Grauens" von Ralf König publiziert, in Konflikt mit der Justiz, was ihn an den Rand des Ruins brachte. 40 Polizisten durchsuchten die Räume des Alpha Comic Verlags, 150 Bücher und Comics wurden wegen des Verdachts auf Verbreitung gewaltverherrlichender, pornographischer und den Nationalsozialismus verherrlichender Schriften beschlagnahmt. Gemeint waren damit Comics, die zwar nicht von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPS) auf den Index gesetzt wurden, sich aber dennoch manchmal an der Grenze des Erlaubten bewegen.

Im April letzten Jahres startete dann eine umfangreiche Durchsuchung bei den Abnehmern der Comics, den Buchhandlungen. Der Börsenverein des deutschen Buchhandels bezeichnete den Vorgang als größte Welle an Beschlagnahmungen und Durchsuchungen seit 1993. Präziser gesagt, wurden laut Monika Soßdorf, Oberstaatsanwältin in Meiningen, 5620 Exemplare von elf Büchern konfisziert.

Neben Comics aus dem Alpha Verlag wurden laut Alpha- Comic-Geschäftsführer Achim Schnurrer auch Bücher von anderen Verlagen (Eichborn, Rowohlt, Carlsen) beschlagnahmt.
(…)
„Es gibt reichlich Anlässe, bei denen Künstler und Verlage mit Zensurprozessen zu tun haben, und die diese häufig wegen finanziellen Problemen nicht durchstehen können."
(…)
Wie geht es weiter mit dem Verlag?


"Den tatsächlichen wirtschaftlichen Schaden, der uns entstanden ist, wird die CD nicht decken können. Wir haben in jahrelanger Arbeit Buchhändler davon überzeugt, Comics mit ins Programm aufzunehmen. Das Vertrauen ist jetzt natürlich zerstört. Die meisten Händler haben sich einschüchtern lassen, was vermutlich auch Sinn und Zweck dieser Übung war. Unsere Waren gelten nach solch einer Aktion vielen plötzlich als anrüchig, was allgemein gesehen einer gezielten Rufmord- Kampagne nicht unähnlich ist.“

In dem Interview wird noch davon gesprochen, dass die Justiz den Verlag an den Rand des Ruins brachte, aber im Jahr 2000 war dann tatsächlich soweit – Zitat aus Wikipedia:

Aufgrund mehrerer durch die Staatsanwaltschaft Meiningen angestrengter Verfahren, unter anderem gegen Das Kondom des Grauens von Ralf König, kam es zu einer breiten Solidarisierungbewegung in Comicszene und Musikerkreisen,[1] die jedoch, obwohl es zu keiner Verurteilung kam, aufgrund der Prozesskosten und dem durch Beschlagnahme und Prozessdauer entstandenen wirtschaftlichen Schaden den Konkurs nicht verhindern konnte.

Bei der bundesweiten Durchsuchung der Buchhandlungen durch Polizisten im Zivil wurde auch ein von den Buchhandlungen seit 1990 vertriebenes Plakat Art Spiegelmans beschlagnahmt, einem Juden und Pulitzer-Preisträger, wegen des Verdachts der NS-Propaganda.
Das hat man davon, wenn man Polizisten zu Hilfszensoren macht. Und all das geschah nicht in den 1950er Jahren, sondern 40 Jahre später und damit ziemlich am Ende der Kanzlerschaft Helmut Kohls, der gleich am Anfang seiner Kanzlerschaft die geistig-moralische Wende propagierte, weil die 1970er-Freiheiten ihm und vielen anderen zu weit gingen.
 
Du, @Shinigami, hast wie üblich, wenn du gegen mich polemisierst[...]

Gut, da du bisher offensichtlich nicht in der Lage warst den Inhalt meiner Beiträge zur Kenntnis zu nehmen, hier der nächste Versuch:

Zu den Themen den Nationalsozialismus verherrlichende Schriften, Gewaltdarstellungen, Jugendschutz etc. gibt es einschlägige gesetzliche Regelungen und Einschränkungen.

Diese sollten einem Verleger durchaus bekannt sein.

Deswegen sollte einem Verleger, der ein Werk von einem Schriftsteller Zeichner oder whatever ankauft durchaus bekannt sein dass er sich je nach Inhalt möglicherweise in problematischen Grauzonen bewegt.

Wenn er das feststellt und das trotzdem kauft und einfach mal verlegt, ohne vorher feststellen zu lassen, ob sich das im Rahmen der geltenden Gesetze bewegt und er fällt damit auf die Nase - selbst schuld -.
 
Nun ist Maus aber keine NS-verherrlichende Schrift, ganz im Gegentum.

Dennoch musste dem Verlag aber klar sein, dass Comics, die mit dem NS-Regime als Inhalt spielten in Deutschland ein heißes Eisen sind.
Heißt, dass man vernünftigerwise das Ganze zuvor juristisch hätte prüfen lassen können.

Es geht mir ja nicht darum, die Auslegung bestehender Gesetze und ihre Interpretation in jedem Fall zu rechtfertigen, sondern darum, dass die bei Dion implizierte Behauptung, dass im Prinzip jeder Verlag durch beliebige Nachzensur grundsätzlich in seiner Existenz bedroht wäre Unsinn ist.

Wer sich daruf einlässt mit Veröffentlichungen von Inhalten die Bereiche berühren, in denen es Einschränkungen gibt und damit juristisches Konfliktpotential, sein Geld zu verdienen, der weiß das vorher und der entscheidet sich für dieses Risiko und wenn er vernünftig ist, unternimmt er proaktiv Schritte zur eigenen Absicherung.

Das völlig nichtsahnende Verlage, komplett willkürlich der Nachzensur anheimfallen würden, ist einfach eine Falschdarstellung.
 
Dennoch musste dem Verlag aber klar sein, dass Comics, die mit dem NS-Regime als Inhalt spielten in Deutschland ein heißes Eisen sind.
Heißt, dass man vernünftigerwise das Ganze zuvor juristisch hätte prüfen lassen können.

Es geht mir ja nicht darum, die Auslegung bestehender Gesetze und ihre Interpretation in jedem Fall zu rechtfertigen, sondern darum, dass die bei Dion implizierte Behauptung, dass im Prinzip jeder Verlag durch beliebige Nachzensur grundsätzlich in seiner Existenz bedroht wäre Unsinn ist.
Natürlich rechtfertigst du die Auslegung der Gesetze, Kunst betreffend. Das tust du, weil du nach wie vor Tatsachen nicht zur Kenntnis nimmst – Beweis: Ich habe oben zitiert bzw. gesagt, dass das Plakat Art Spiegelmans seit 1990 im Verkauf war und 1996, also 6 Jahre später, trotzdem beschlagnahmt wurde.

Warum konnte das passieren? Weil die Staatsanwaltschaft Meiningen erst so spät von dem Plakat erfuhr, denn es gilt nach wie vor: Wo kein Kläger, da kein Richter. Das hört sich zwar gut an, kann aber zum Bumerang werden, wenn sich der Zeitgeist ändert, weil Bilder, Filme, Bücher und Skulpturen, die Jahre oder Jahrzehnte als Kunst angesehen wurden, plötzlich den geänderten Gesetzen zum Opfer fallen können.

Es ist einfach so, dass jeder in diesem Land eine Anzeige gegen ihm Missliebiges erstatten kann, und wenn er einen Staatsanwalt findet, der die gleiche Meinung vertritt, dann passiert eben, dass die Polizei wegen angeblicher Gefahr in Verzug die Buchläden durchsucht und "missliebige" Kunst konfisziert.

Solche Aktionen haben Wirkung nicht nur auf Verlage und Buchhandlungen, sondern auch auf Künstler, die fortan u.U. mit Schere im Kopf arbeiten, wie weiland unter Metternich oder Hitler. Das entspricht in keiner Weise dem Postulat des Grundgesetzes, nachdem die Kunst frei zu sein hat, d.h. keiner Zensur unterworfen.
 
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