Gibt es einen Zusammenhang zw. Christentum und Demokratie?

aber in jüngerer Zeit Staaten wie Japan, Südkorea, Taiwan oder Indien.

Bei anderen Staaten, die sich von selbst aus autoritären Systemen zu Demokratien entwickelten, sollte man dennoch nicht den Einfluss vergessen, den demokratische Vorbilder haben konnten.

Die Bedingungen in Japan, Südkorea, Taiwan und Indien waren sicher unterschiedlich. In der südkoreanischen Demokratiebewegung spielten allerdings die Kirchen eine gewichtige Rolle.

 
Christentum als Gesamt von zahllosen sehr differierenden Teilmengen - die Bibel, das NT in den vielen Ausgaben & Übersetzungen durch die Zeiten & Regionen, Kulturen & Länder; die zahllosen verschiedenen Kirchen durch die Jahrhunderte, Regionen & Länder; die zahllosen Kirchengemeinden; die unterschiedlichsten von Zeitgeist & Traditionen geprägten, beeinflußten bzw. geformten Erscheinungen der Christentümer usw. - stellt (bildet) keine durchgehende genuine, notwendige Basis für das Konzept der Republik, des Parlamentarismus, der politischen Mitwirkung, von allgemeinen & freien Wahlen, der Repräsentation dar, scheint mir.
Da darf man sich eher bei immer wieder neu aktualisierten Anleihen bei der vorchristlichen Antike bedanken, bei Wohlstand, Bildung usw.
 
Zeitgeist & Traditionen geprägten, beeinflußten bzw. geformten Erscheinungen der Christentümer usw. - stellt (bildet) keine durchgehende genuine, notwendige Basis für das Konzept der Republik, des Parlamentarismus, der politischen Mitwirkung, von allgemeinen & freien Wahlen, der Repräsentation dar, scheint mir.
Naja, aber bei Protestanten entscheiden die Kirchengemeinderäte über den Pastor, hier finden wir zumindest demokratische Anklänge.
 
In der katholischen Kirche werden Äbte direktdemokratisch von ihren Mönchen (also ihren künftigen Untergebenen) gewählt.

Auch bei der Bischofsbestellung entscheidet zum Teil das Domkapitel mit (im Mittelalter hatten Domkapitel zum Teil volles Wahlrecht), und die Päpste werden von den Kardinälen gewählt.
 
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In der katholischen Kirche werden Äbte direktdemokratisch von ihren Mönchen (also ihren künftigen Untergebenen) gewählt.

Auch bei der Bischofsbestellung entscheidet zum Teil das Domkapitel mit (im Mittelalter hatten Domkapitel zum Teil volles Wahlrecht), und die Päpste werden von den Kardinälen gewählt.
Ja, aber hier ist dann ja die Gemeinde, die es direkt betrifft, kaum/gar nicht beteiligt.
 
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Ja, aber hier ist dann ja die Gemeinde, die es direkt betrifft, kaum/gar nicht beteiligt.

Bei der Abtswahl ist es die "Gemeinde, die es direkt betrifft", nämlich die Mönchsgemeinde.
Ein Bischof steht keiner Kirchengemeinde vor.

Dass die Kirchengemeinden ein Mitspracherecht bei der Pfarrerwahl haben, war in Mitteleuropa bis ins 19. Jahrhundert kaum der Fall, noch nicht einmal in der Schweiz (Heraushebungen von mir):

"Die Reformation machte die Kirchgemeinde als Ort der Verkündigung und sichtbaren Erscheinung der Kirche zum zentralen Element der kirchlichen Verfassung (Evangelisch-reformierte Kirchen). Diese Stärkung des Gemeindeprinzips stützte sich auf die spätmittelalterliche kommunale Entwicklung und entsprach weitgehend den Vorstellungen, welche in den zwölf Artikeln von Memmingen der bäuerlichen Gemeinden während des Bauernkriegs von 1525 zum Ausdruck kamen. Konkrete Forderungen nach Gemeindeautonomie im kirchlichen Bereich, nach Pfarrerwahl und Verfügung über den Zehnten blieben in der Folge aber unerfüllt. In den reformierten Orten wurde wohl mit der Reformation die Kirchgemeinde als Körperschaft begründet, jedoch eingebunden in obrigkeitlich bestimmte staatskirchliche Ordnungen: Die Pfarrer wurden von obrigkeitlichen Kirchenbehörden eingesetzt, das Kirchengut ebenfalls von diesen verwaltet, die kirchliche Lehre staatlich kontrolliert. Mitwirkung in der Gemeinde bestand in der Verwaltung von lokalem Sondergut, im Unterhalt kirchlicher Bauten und in der Besetzung der Kirchenämter (Kirchmeier und Sigrist) und Sittengerichte (Chorgerichte, Bannbrüder usw.), welche die alten bischöflichen Offizialgerichte weitgehend ersetzten.

[...]

Im 19. Jahrhundert wandelten sich in den einzelnen Kantonen die Staatskirchen des Ancien Régime vielfach zu kantonalen Landeskirchen. In der Regenerationszeit erhielten die Kirchgemeinden hauptsächlich in den reformierten Kantonen, parallel zu politischen Demokratisierungsprozessen, unter dem Einfluss liberalen Gedankenguts grösseren rechtlichen Handlungsspielraum im Sinne einer verstärkten Gemeindeautonomie. [...] Seit dem 19. Jahrhundert wurde zum Teil unter liberalem Druck und in Anpassung an die Rechtsverhältnisse in den reformierten Kantonen, auch in mehreren katholischen Kantonen neben der im kirchlichen Recht verankerten Pfarrei die staatskirchenrechtliche Institution der Kirchgemeinde geschaffen. Ihre Befugnisse lagen wesentlich in vermögensrechtlichen und verwaltungstechnischen Angelegenheiten. Komplizierter waren in katholischen Gebieten die Verhältnisse bei der gemeindlichen Beteiligung an der Pfarrerbesetzung. Die bei den Kantonen liegenden Patronatsrechte verblieben zum Teil bei diesen, andere wurden an die Kirchgemeinden bzw. an kantonale Synoden abgetreten. Dabei entwickelten sich unterschiedliche Verfahren der Präsentation, Wahl und Approbation durch Kirchgemeinde, kantonale Behörden, Synoden und den Bischof.​
 
Es gibt in Schottland die Free Church of Scotland, eine Abspaltung der Church of Scotland. Die Lairds bestimmten immer die Presbyter, der natürlich dem Laird gefällig predigte und das wollten sich manche der Gläubigen nicht mehr gefallen lassen und gründeten daher die Free Church, wo sie den Presbyter selbst bestimmten. Da die Lairds aber alles Land besaßen, bekamen die Freechurchers oft kein Bauland für ihre Gotteshäuser. Sie bauten daher schwimmende Kirchen, die auf den Lochs verankert waren.
 
Naja, aber bei Protestanten entscheiden die Kirchengemeinderäte über den Pastor, hier finden wir zumindest demokratische Anklänge.
Mein Beitrag bezieht sich nicht auf die Gegenwart der demokratisch verfassten Staaten in Teilen Europas.
Wahlen allein machen noch keine Demokratie aus. Demokratisch werden Wahlen, wenn sie z.B. regelmäßig statt finden, regulär in festgelegten Abständen, außerregulär auch nach kürzerer Zeit - und dabei der Amtsinhaber auch wieder real und ohne Gefahr abgewählt und vom Amt entfernt werden kann.

Demokratisch werden Wahlen, wenn der/die Gewählte nach Amtsantritt z.B. durch eine Mehrheit im Parlament, einer Versammlung 'zurück' getreten werden kann.
Demokratisch werden Wahlen, wenn der/die Gewählte durch Kontrollorgane wie Ausschüsse mit diversen Befugnissen, Untersuchungsausschüsse und eine institutionell verankerte Opposition kontrolliert werden kann. Usw. usw.
Kleinigkeit am Rande: Die Teilnehmer der Wahlversammlung werden selber ebenfalls demokratisch gewählt, siehe Bundestag, der den BK wählt.
Siehe Papstwahl durch das Kardinalskollegium, die Kardinäle wurden von einem Papst zum Kardinal ernannt.

In den protestantischen Landeskirchen im Alten Reich hatten die Kirchengemeinden regulär weder Wahl- noch Mitspracherechte, meine ich.
Das dürfte für weite Teil der Katholiken in Europa ebenso gegolten haben.
Aktuell bestimmen z.B. in der evang. Württembergischen Landeskirche keineswegs die KirchenGemeinderäte den zukünftigen Pfarrer, sie wählen ihn auch nicht. Vielfach folgt der zuständige Dekan und der Oberkirchenrat dem Wunsch eines Kirchengemeinderates, manchmal auch nicht. Wenn der Pfarrer, die Pfarrerin sich danach als Enttäuschung entpuppen, kann kein Kirchengemeinderat, keine Kirchengemeinde die Pfarrperson abwählen oder 'zurücktreten', ein Misstrauensvotum aussprechen usw.

Auch Fürsten wurden im Alten Reich zu Königen, zu Kaisern gewählt. Das ergab und ergibt noch keine Demokratie.
Dass das vermeintlich demokratische Mitbestimmungselement bei Kirchenwahlämtern u.ä. früher nicht zur 'Demokratie' geführt hatte, belegen inzwischen einige Jahrhunderte außereuropäische und europäische Christen- und Kirchengeschichte. Altorientalische und Orthodoxe Kirchen waren und sind vielleicht noch weniger ein Hort des eher liberal geprägten Demokratie - Konzepts.
 
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Ein Bischof steht keiner Kirchengemeinde vor.
Das kommt auf die Gemeinde an. In italienischen Kommunen des Mittelalters war der Bischof, wenn schon nicht kirchenrechtlich, dann doch faktisch ein Annex der Kommune. Und kirchenrechtlich wäre ich mir da auch nicht so sicher. Bischöfe sind Domherren und damit sehr wohl Vorstände einer Kirchengemeinde. Die definiert sich allerdings nicht zwingend demokratisch. Die Gleichung Wahl=Demokratie ist sicherlich falsch.
 
Bischöfe sind Domherren und damit sehr wohl Vorstände einer Kirchengemeinde. Die definiert sich allerdings nicht zwingend demokratisch. Die Gleichung Wahl=Demokratie ist sicherlich falsch.

Bischöfe und Domherren sind zwei Paar Stiefel. Domherren waren seit alters her Kanoniker, die im Dienst eines Bischofs stehen, der Begriff ist heute deckungsgleich mit dem des Domkapitulars.

Was machen die Domkapitulare und Domherren?

Vorweg: Domkapitulare und Domherren sind identisch. Beide Ausdrücke sind korrekt, wobei Domkapitular der geläufigere Begriff ist. Die wichtigste Aufgabe des Domkapitels ist die Wahl eines neuen Bischofs.

Heutigen Dompfarreien steht in der Regel ein Dompfarrer vor, der ist dann wohl Mitglied des Domkapitels, aber nicht mit dem Bischof identisch.
 
Im Neuen Testament bezeichnen die griechischen Wörter epískopos (ἐπίσκοπος, „Aufseher“), presbýteros (πρεσβύτερος, „Ältester“, die Wurzel des Wortes „Priester“) und diákonos (διάκονος, „Diener“) Dienste in der Gemeinde. Der Bischof ist demnach zunächst einmal der oberste Seelenhirte in seinem Sprengel, üblicherweise das direkte Oberhaupt einer Hauptkirche. Die Domherren/Kanoniker an der Hauptkirche haben normalerweise Weihen (die Ausnahme bestätigt die Regel), sind also wenigstens theoretisch in die Seelsorge involviert. In der mittelalterlichen Kirche lässt sich der Pfarrer meist von Vikaren vertreten, so dass er für den Bischof Aufgaben übernehmen kann. Noch heute spricht man ja von der "Gemeinde". Das zeigt, dass Kirchenvolk und die Ortskirche samt ihren Gliedern zwingend zusammengehören.

Im Mittelalter waren Bischöfe oft zuvor Domherren und Domherren wurden wiederum häufig vom Adel ernannt, was auch die Bischöfe in der Regel waren. Sie waren Teil desselben hohen Klerus, wobei der Bischof eine höhere Position innehatte, die er entweder direkt erworben hat oder durch die Wahl des Domkapitels, das ein autonomes Wahlgremium war, erhalten hatte. Sozial betrachtet blieben die meisten Bischöfe also "Domherren", d.h. "Herren" in dem Sinn, dass sie z.T. sogar adelig sein mussten. Die damit verbundene "Herrschaft" des Bischofs war durch die Mitherrschaft des Domkapitels und kirchenrechtliche Bestimmungen beschränkt, erfasste im Übrigen aber alle geistlichen und weltlichen Bereiche seiner Bischofskirche. Insofern war der Bischof sehr wohl "Herr" seiner Kirche.
 
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Im Neuen Testament bezeichnen die griechischen Wörter epískopos (ἐπίσκοπος, „Aufseher“), presbýteros (πρεσβύτερος, „Ältester“, die Wurzel des Wortes „Priester“) und diákonos (διάκονος, „Diener“) Dienste in der Gemeinde.
Du brauchst Dein Unwissen nicht noch zu demonstrieren, indem Du Wikipedia-Texte kopierst. Dass vor ca. 1800 Jahren der Episkopos eine Rolle einnahm, die eher dem heutigen Gemeindepfarrer entspricht, ist ja bekannt. Wie Du dem Wiki-Artikel hättest entnehmen können, setzte aber schon damals die Entwicklung ein, die dem Bischof übergemeindliche Funktionen zuwies.
Und seit langem ist die Aufgabe eines Bischofs halt nicht mehr die Leitung einer einzelnen Kirchengemeinde. Herr Stocker ist auch nicht der Bürgermeister von Wien und Herr Merz nicht der Bürgermeister von Berlin.



Im Mittelalter waren Bischöfe oft zuvor Domherren
Ja, ja, Adenauer war mal Bürgermeister von Köln, Brandt war mal Bürgermeister von Berlin und Scholz war mal Bürgermeister von Hamburg (und Stocker immerhin mal Vizebürgermeister in Wiener Neustadt), also ist ein Bundeskanzler, "sozial betrachtet", doch eigentlich dasselbe wie ein Bürgermeister.
 
In der mittelalterlichen Kirche lässt sich der Pfarrer meist von Vikaren vertreten, so dass er für den Bischof Aufgaben übernehmen kann.
Das halte ich für unzutreffend.

Viel mehr ließen sich so lange die Laieninvestitur noch eine Rolle spielte und im Fall von Ämterhäufungen in Mittelalter und FNZ Bischöfe durchaus öfters mal bei ihren geistlichen Aufgaben vertreten oder unterstützen.
Das einfache Gemeindepfarrer in ihren jeweiligen Gemeinden nicht dauerpräsent waren, kam durchaus vor, dass hatte aber oft einfach den Hintergrund, dass es sich um kleine Gemeinden handelte, die allein keine vollständige Pfarrstelle tragen konnten und so ein Pfarrer mehrere kleinere Ortschaften zu versorgen hatte und dementsprechend pendelte.

Für die Übernahme einfacher, nicht geistlicher Aufgaben, musste man keine ordinierten Priester irgendwo abziehen, dafür gab es anderes Personal.

Im Mittelalter waren Bischöfe oft zuvor Domherren und Domherren wurden wiederum häufig vom Adel ernannt, was auch die Bischöfe in der Regel waren. Sie waren Teil desselben hohen Klerus, wobei der Bischof eine höhere Position innehatte, die er entweder direkt erworben hat oder durch die Wahl des Domkapitels, das ein autonomes Wahlgremium war, erhalten hatte. Sozial betrachtet blieben die meisten Bischöfe also "Domherren", d.h. "Herren" in dem Sinn, dass sie z.T. sogar adelig sein mussten. Die damit verbundene "Herrschaft" des Bischofs war durch die Mitherrschaft des Domkapitels und kirchenrechtliche Bestimmungen beschränkt, erfasste im Übrigen aber alle geistlichen und weltlichen Bereiche seiner Bischofskirche. Insofern war der Bischof sehr wohl "Herr" seiner Kirche.
Domherren wurden nicht vom Adel ernannt, sondern es handelte sich um Personen, die in die Dienste der Kriche getreten waren und ein Anrecht auf eintsprechende Pfründe hatten. Das war in der Regel das Ergebnis einer Vereinbarung der jeweiligen adligen Familie mit dem Bischof.

Domherren gehörten nicht zwangsläufig auch dem Domkapitel an und hatten von demher auch mit der Wahl eines Bischofs nicht zwingend etwas zu tun, sie mussten auch nicht zwangsläufig ordinierte Priester sein.
Durch diese beinden Umstände, waren Stellen als Domherren, in Mittelalter und FNZ insofern bevorzugte Unterbringungsmöglichkeiten für nachgeborene Adelssöhne, weil dadurch erstmal die Versorgung gesichert war, während gleichzeitig, das Verbleiben im weltlichen Stand bzw. im Niederklerus, ohne die Priesterweihe, es relativ einfach machte dort wieder heraus zu kommen, respektive in den weltlichen Stand zurück zu wechseln, was wichtig war, damit die Person als Ersatzerbe, sollte der ältere Bruder früh und kinderlos versterben, einspringen konnte, um bei Bedarf die Familie fortzuführen.
Theoretisch war auch der Wechsel eines ordinierten Priesters zurück in den weltlichen Stand zwar möglich, erforderte aber, wenn das auf einigermaßen ehrenhaftem Weg passieren sollte einen Dispens, von den Pflichten des geistlichen Amtes, der deutlich schwieriger zu bekommen war, als bei Personen, die lediglich die niederen Weihen empfangen hatten.

Insofern haut das auch mit der "Mitherrschaft" nicht so unbedingt hin.
In bestimmten gesitlichen Fragen hatte das Domkapitel ein paar Dinge mitzureden, aber dem gehörte ein Domherr aus einer adligen Familie nicht zwangsläufig auch an.

In weltlichen Dingen gab es da jedenfalls nach dem Investiturstreit nichts mit zu reden, weil Fürstbischöfe zwar geistliches Amt als Träger der Bischofswürde und weltliche Herrschaft auf dem Gebiet eines Hoch- oder Erzstiftes auf ihre Person vereinigen konnten, die Befugniss zur Ausübung weltlicher Macht, im jeweiligen Stiftsterritorium aber getrennt von den kirchlichen Ämtern und Würden qua Investitur durch den König oder Kaiser verliehen wurde und nicht zur geistlichen Sphäre gehörte.
 
Das einfache Gemeindepfarrer in ihren jeweiligen Gemeinden nicht dauerpräsent waren, kam durchaus vor, dass hatte aber oft einfach den Hintergrund, dass es sich um kleine Gemeinden handelte, die allein keine vollständige Pfarrstelle tragen konnten und so ein Pfarrer mehrere kleinere Ortschaften zu versorgen hatte und dementsprechend pendelte.

In der Realität hatte der Gläubige in einem Dorf mit einem Vikar zu tun und nur selten mit einem Pfarrer. Die Vorstellung dass ein Pfarrer "einfach" ist, ist in der Sache falsch. Ein Pfarrer war eine übergeordnete Person, deutlich über dem normalen Laienpriester, in aller Regel wesentlich besser bepfründet.

Für die Übernahme einfacher, nicht geistlicher Aufgaben, musste man keine ordinierten Priester irgendwo abziehen, dafür gab es anderes Personal.

Bitte präzisieren. In der Regel benötigte man für höhere Verwaltungsaufgaben geistliches Personal, im Spätmittelalter wurde das natürlich anders, weil die Leute lesen und schreiben konnten. Vorher lag es nahe, Leute zu nehmen, die über eine gute Pfründe verfügten, das waren z.B. Pfarrerpfründe. Da Pfründen oft mit Seelsorgepflichten verbunden waren, ließen sich die betreffenden Personen durch Vikare vertreten. Für die Landesfürsten des Spätmittelalter blieb dieses Modell attraktiv, weil sie auf diese Weise Räte und gelehrte Gefolgsleute "unterbringen" konnten.

Domherren wurden nicht vom Adel ernannt, sondern es handelte sich um Personen, die in die Dienste der Kriche getreten waren und ein Anrecht auf eintsprechende Pfründe hatten. Das war in der Regel das Ergebnis einer Vereinbarung der jeweiligen adligen Familie mit dem Bischof.

Die Domkapitel rekrutierten sich vielfach selbst. In zahlreichen Kapiteln gab es faktisch nur Adelige, weil Privilegien deren Stellung sicherten, sogar gegenüber der Kirche in Rom. Kaiser und Papst war es kaum möglich, daran etwas Grundlegendes zu ändern. Bischöfliche Besetzungsrechte waren vielfach rein formeller Natur. Einzelheiten dieser Art waren vielfach durch Stiftsstatuten geregelt. Es gab auch Domherren, die keine Weihen hatten und kein Teil des Kapitels waren. Logisch, da hohe Adelige ihre gottesdienstlichen Aufgaben ohnehin meist durch andere vertreten ließen (Weiterer Grund: Wenn ein Domherr kein Teil des Domkapitels war, dann auch deshalb, weil er z.B. ein Stiftsfremder war oder bürgerlich war und auf eine Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen de jure verzichtet hatte. Das war aber nicht die Regel).
Natürlich gab es auch Landesbistümer, das wäre wieder ein Extrakapitel. Hier konnten die Herrscher und Päpste Einfluss nehmen.

In weltlichen Dingen gab es da jedenfalls nach dem Investiturstreit nichts mit zu reden, weil Fürstbischöfe zwar geistliches Amt als Träger der Bischofswürde und weltliche Herrschaft auf dem Gebiet eines Hoch- oder Erzstiftes auf ihre Person vereinigen konnten, die Befugniss zur Ausübung weltlicher Macht, im jeweiligen Stiftsterritorium aber getrennt von den kirchlichen Ämtern und Würden qua Investitur durch den König oder Kaiser verliehen wurde und nicht zur geistlichen Sphäre gehörte.

Die Verleihung der weltlichen Lehen war nach dem Invesitutstreit ebenfalls ein weitgehend formeller Akt, was die Domkapitel natürlich stärkte und zur Verweltlichung der Hochstifte beitrug. Die Wahl eines Bischofs war nördlich der Alpen meist Sache einiger weniger führenden Familien. Gegenbeispiele gibt es natürlich immer.

@Sepiola Der Bischof ist immer der oberste Priester seiner Diözese und damit der erste Priester der Hauptkirche dieser Diözese, gleich ob er dort Messe liest oder nicht bzw. sich von einem Vikar/Domprediger etc. vertreten lässt. Falls du anderer Meinung bist, ersuche ich Dich, den kirchenrechtlichen Gegenbeweis zu erbringen. Der Vergleich mit dem Kanzler ist schlecht. Der hat nämlich auch einen Wahlkreis, den er fast nie aufsucht. In Rom ist ja auch der Papst Ortsordinarius, auch wenn der Kardinalvikar bzw. Pro-Generalvikar dort die Geschäfte wahrnimmt.
 
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@Sepiola Der Bischof ist immer der oberste Priester seiner Diözese

Das ist ja toll, was Du da herausgefunden hast! Dann recherchiere mal fleißig weiter, vielleicht findest Du noch den Unterschied zwischen Diözese und Pfarrei heraus.


In Rom ist ja auch der Papst Ortsordinarius

Das heißt, der Papst ist der Bischof von Rom? Wer hätte das gedacht!




Der Vergleich mit dem Kanzler ist schlecht. Der hat nämlich auch einen Wahlkreis, den er fast nie aufsucht.

Du hast den Vergleich anscheinend nicht verstanden: Dein "Argument" war: Bischöfe sind Domherren, weil: Bischöfe waren vor ihrer Wahl zum Bischof oft Domherren. Das ist vergleichbar mit dem "Argument": Bundeskanzler sind Bürgermeister, weil: Bundeskanzler waren vor ihrer Wahl zum Bundeskanzler oft Bürgermeiste.

Falls Du vergessen haben solltest, wovon wir sprachen:


Bischöfe sind Domherren

Bischöfe und Domherren sind zwei Paar Stiefel.

Im Mittelalter waren Bischöfe oft zuvor Domherren
 
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@Sepiola Domherren und Bischöfe sind nur dann zwei Stiefel, wenn man unterstellt, dass die Bischöfe nicht aus den Reihen der Domherren gewählt wurden. Das kam vor, war aber in den wichtigen Hochstiften nördlich des Reiches meist nicht üblich. Eher noch in kleinen, unbedeutenden Hochstiften, die unter der Kuratel von Landesfürsten standen.

Viele Bischöfe waren gleichzeitig Domherren, weil sie oft im Domkapitel Mitglied waren. Das Domkapitel war die geistliche Gemeinschaft am Dom, die aus Weltklerikern bestand, meist Bischöfen, Kanonikern oder anderen Geistlichen. Diese Mitglieder waren für die Verwaltung des Doms, die Betreuung der Gottesdienste sowie die Unterstützung des Bischofs bei seiner Amtsführung zuständig. Der Bischof selbst war oft das Oberhaupt des Domkapitels, und in vielen Fällen war das Domkapitel eine wichtige Institution, die den Bischof bei der Ausübung seiner Aufgaben beriet und bei der Leitung des Bistums mitwirkte. Die Mitglieder des Domkapitels hatten auch Mitspracherecht bei der Wahl des Bischofs und bei wichtigen Entscheidungen innerhalb des Bistums.

Was ist falsch daran? Ich verstehe das Problem nun wirklich nicht. Bundeskanzler waren vor ihrer Wahl sehr selten Bürgermeister, sondern sie auch nach ihrer Wahl sehr oft Bundestagsabgeordnete in Personalunion. Ein Bischof "darf" in Personalunion auch Mitglied des Domkapitels und damit Domherr sein, auch wenn es zufällig Domherren gibt, die nicht Teil des Domkapitels sind. Sonderfälle können kein Argument für die Regel sein. Natürlich mag es auch Bischöfe gegeben haben, die nicht in einem Domkapitel saßen. In bestimmten Fällen, besonders in kleineren oder weniger entwickelten Bistümern, gab es kein ausgeprägtes Domkapitel, oder das Kapitel war nur schwach ausgeprägt. Theoretisch konnte ein Bischof sogar Domherr in einem fremden Hochstift sein. Das Domkapitel des Mittelalters und der Neuzeit kann mit dem heutigen Domkapitel nicht 1:1 verglichen werden, darin liegt Dein Denkfehler.

KI schreibt: "Eine Personalunion von Bischof und Domherr gab es historisch in der Person eines Fürstbischofs, der sowohl die geistliche Macht als Bischof als auch die weltliche Herrschaft über ein Territorium ausübte, wobei er im Domkapitel als Mitglied und oft als dessen Leiter (z.B. als Propst) eine Doppelrolle innehatte. Die Funktionen konnten in einer Person verschmelzen, was zu einer Bündelung von Macht in der kirchlichen und weltlichen Sphäre führte."
 
KI schreibt: "Eine Personalunion von Bischof und Domherr gab es historisch in der Person eines Fürstbischofs, der sowohl die geistliche Macht als Bischof als auch die weltliche Herrschaft über ein Territorium ausübte, wobei er im Domkapitel als Mitglied und oft als dessen Leiter (z.B. als Propst) eine Doppelrolle innehatte. Die Funktionen konnten in einer Person verschmelzen, was zu einer Bündelung von Macht in der kirchlichen und weltlichen Sphäre führte."

Was für Blödsinn eine KI schreiben kann, kannst Du tagtäglich in verschiedenen Diskussionen dieses Forums nachlesen. Ein paar Beispiele aus den letzten Tagen.

Es ist nicht für sinnvoll, hier "KI"-Antworten einzustellen. Die KI "halluziniert", sie "ernährt" sich von Infos aus dem Internet, auf analog eröffentlichte Informationen greift sie nicht zu und sie hat Schwierigkeiten den Wert dessen, was sie findet, zu evaluieren. Billige KIs wie ChatGPT, Gemini oder DeepSeek sind - wie ein Informatiker aus unserem Betrieb meinte - im Prinzip Statistik und Stochastik. D.h. sie setzen Worte hintereinander, wie sie ein Mensch mutmaßlich setzen würde.

...ich habe zwei KIs zur Festung Borkum konsultiert... Zeitverschwendung war´s. Erst musste ich etlichenUnsinn korrigieren, danach dann erbrachten die KI-Recherchen die Borkumbeiträge hier im GF als Quellen :D :D :D :D

Aktuell gibt es mal wieder Schlagzeilen über die KI-Chat-Bot "Grok", der den "Holocaust leugnet" bzw. die Sachlage völlig falsch wiedergegeben hat. Die KI phantasierte die Gaskammern in Auschwitz seien gar nicht dazu dagewesen sei Häftlinge umzubringen sondern nur zur Desinfektion gedient habe.
Elon Musks Chatbot Grok leugnete den Holocaust

Warum sich der Chat-Bot das so herbeihalluziniert hat, bleibt unklar. Die Vermutung, dass Pamphlete von Holocaust-Leugnern zitiert wurden, liegt nahe, ist aber im Detail nicht nachvollziehbar.

Wenn ein Chat-Bot selbst bei so glasklaren Fakten(!) irgendwelchen Bullshit produziert, ist er schlicht unbrauchbar.

Ein Artikel aus der Zeit zum Thema: Wikipedia: Als die Wikipedia begann zu halluzinieren

Wikipedia-Community diskutiert alle Beiträge, die mit KI erstellt wurden, nach dem Erkennen sofort zu löschen. Die Vorständin von Wikipedia Deutschland Franziska Heine stellt fest, dass der Einsatz generativer KI fundamental im Widerspruch zu den Grundprinzipien dr Plattform steht.
KI sei eine "Plausibilitätsmamschine, die aufgrund von Mustern und Wahrscheinlichkeiten Texte erzeugen, ohne echtes Wissen zu besitzen, oder die Relevanz von Informatione zu bewerten. Dies steht im direkten Gegensatz zu den zentralen Werten von Wikipedia: der kollaborativen Wissensproduktion, die auf Transparenz, Quellenangaben, und der Fähigkeit zu kritischen Auseinandersetzung basiert." Qualitäten, die KI nicht gewährleisten können. Die KI ging in einzelnen Fällen plausible Quellen zu ihren plausiblen Texten zu erfinden. Dies fiel auf, weil Links falsch waren, oder ISBN-Nummern in den Quellinformationen über Veröffentlichungen nicht stimmten.

Abgesehen von Wiki-Plagiaten und KI-generiertem Gewäsch: Auf Pseudodiskussionen mit Leuten, die jeweils "vergessen" haben, was sie im vorletzten Beitrag geschrieben haben, habe ich keine Lust.
 
Die Grundbotschaft war: KI weiß mehr. Doppelfunktionen dieser Art waren nichts Ungewöhnliches. Die prosopographische Analyse lehrt uns, dass die aussage so grundfalsch nicht ist:

Heinrich von Schwarzburg (gestorben 1496) war z.B. Propst zu Jechaburg (1451–1459), Domherr zu Köln (1453), Domherr zu Merseburg (1457), Rektor der Universität Erfurt (1458), Domherr zu Halberstadt (1458), Domherr zu Mainz und Propst von St. Peter (1465), als Heinrich II.Erzbischof von Bremen (1463–1496), als Heinrich III. Bischof von Münster (1465–1496).

Sein Verwandter Gerhard war Domherr im Naumburger Dom (1354) und kaiserlicher Hofkapellan (–1357), Propst im Stift zur Alten Kapelle in Regensburg (1354–1355), Domherr im Magdeburger Dom (1355–1359), Dompropst zu Magdeburg (1357–1363), Domherr im Würzburger Dom, Bamberger Dom und Straßburger Münster (1358), Elekt (1359), Bischof von Naumburg (1366–1372), Domkellner zu Straßburg und Domherr im Mainzer Dom und Kölner Dom (1363), Bischof von Würzburg (1372–1400), Apostolischer Vikar (1377–1381), Pfleger des Stiftes Fulda (1391).

Dessen Verwandter Günther war immatrikuliert an der Universität Bologna (1398–1399), immatrikuliert an der Universität Padua und Universität zu Köln (1400), Propst zu Jechaburg (1393–1404), Domherr zu Köln (1394–1401), Domherr zu Naumburg (1394), Domherr zu Mainz, Bamberg und Speyer (1397–1401), Dompropst in Mainz, Administrator und Erzbischof von Magdeburg (1403–1445).

Markwart von Randeck war erwählter Bischof und Domprobst von Bamberg. Auch in Ungarn und Böhmen lassen sich eine solche Personalunionen nachweisen.

Diese Doppelfunktionen zeigen, dass Bischöfe nicht parallel zu Domkapiteln existierten, sondern Teil davon waren. Selbstverständlich lag es meistens nahe, z.B. als Bischof das Amt eines Propstes abzulegen, doch heißt das nicht, dass das überall der Fall gewesen sein muss (vor allem in sehr kleinen Bistümern). Hätte z.B. Ein Suffraganbischof auf seinen Domherrensitz verzichten sollen? Adelige Bischöfe waren selbstverständlich Domherren. Auch die Germania Sacra sehen diese scharfe Trennlinie nicht.

Ein Bischof kann auch nach heutigem Kirchenrecht zum Ehrendomherrn ernannt werden, und ein Domherr kann unter bestimmten Umständen zum Bischof geweiht werden. Das ist ein Relikt dieser Zeit. Allerdings sind die beiden Ämter traditionell mit unterschiedlichen Rollen und Hierarchien verbunden: Der Bischof leitet eine Diözese, während ein Domherr dem Domkapitel angehört. Im Mittelalter und der Neuzeit war diese Trennlinie nicht so scharf. Wer in schwarz-weiß denkt, ist schlecht beraten.
 
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