Also wenn das südliche Germanien bis zur Elbe ähnlich romanisiert worden wäre wie Gallien oder Britannien,....
Britannien ist gar nicht so nachhaltig romanisiert worden wie die Geschichte trotz sehr langer Zugehörigkeit zum RR zeigt.
Das war m. E. erst viel später - die Legionen der Augustus-Zeit bestanden zum größten Teil noch aus Römern bzw. Italikern, nur die Hilfstruppen waren angeworbene Söldner bzw. Bündnispartner.
Jein, die einfachen Legionäre in den Armeen des Julius Caesars die Gallien und Europa westlich des Rheines eroberten, waren im Wesentlichen romanisierte Einwohner der Provinzen Gallia Cisalpina und Gallia Narbonensis mit reichlich vielen Hilfstruppen. Aber es ist schon wahr, dass die Legionen (zumindest) in ihrem Kern so stark romanisiert waren, dass sie selbst Motor in der Romanisierung der eroberten Provinzen werden konnten. Insofern hast du also nicht so Unrecht.
@Expansion:
Ausbreitung.
Substantiell wichtig für den Erfolg wie den Bestand der römischen Expansion ist die Tatsache, dass die Römer niemals „einfach wild“ eroberten. Sie annektierten nur Gebiete die etwas boten und in einem akzeptablen Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen standen. Ein schönes Beispiel für diese Praxis ist die Südgrenze des RR im heutigen Algerien. Dort wurde letztlich Schub um Schub nur der landwirtschaftlich nutzbare Teil annektiert und eine Sicherungslinie vorgeschoben. Die Expansion endete an der Wirtschaftlichkeit!
Gerne betonen römische Autoren daher wie „unnütz“ die Gebiete der Germanen sind und fragen unterschwellig was es denn für einen Sinn mache sie zu annektieren? Welch schreckliche Wälder, eisige Kälte und dergleichen bargen doch anscheinend die germanischen Weiten? Das ist zum Teil natürlich Propaganda: Die Römer eroberten auch (anfänglich) weitaus ‚unnützere Weltgegenden’ und teils blühten diese in der Folge sogar wirtschaftlich auf! Auch in Italien gab und gibt es Sümpfe (man denke allein an jene Malariaverseuchten Gebiete im weiteren Umfeld von Rom, die erst unter Mussolini weitgehend bereinigt wurden!) und ‚schreckliche Wälder’. Germanien hatte bestimmt aus Geowirtschaftlichen Gesichtspunkten eine gewisse potentielle Attraktivität und aus strategischer Sicht war die Elbgrenze vorteilhafter als die Rheingrenze! Woran scheiterte es dann letztlich? Spätestens mit der Varusschlacht und den anschließenden Zügen des Germanicus zeigte sich das der Aufwand, hier militärisch zu erobern extrem hoch sein würde, die Aufbaukosten dagegen nicht abzusehen.
Noch wichtiger aber war wohl das es sich als noch schwieriger erwies großflächig die Stämme des inneren Germaniens zu romanisieren. Der kulturelle Schritt zwischen ihnen und den Römern war einfach zu groß, wie in der lesenswerten Zusammenstellung „Imperium Romanum“ in einem Artikel nachzulesen ist. Es gelang nur völlig geschlagene und gegen mächtigere Germanenstämme verfeindete Stämme wie die Ubier und einige andere Stämme (die wohl auch ein gewisses keltisches Substrat einschlossen) zu Romanisieren. Rom verlegte sich auf eine andere Strategie, die lange genug Erfolg haben sollte:
Grenzsicherung nach der Expansion:
Sie suchten die Grenzgebiete zu ihrem Reich mehrfach ziemlich rücksichtslos heim. Die romfeindlichen Stämme wurden geschwächt, Kriegsgefangene ins Innere des Reiches deportiert (und damit auf lange Sicht romanisiert) und der restliche Stamm vertrieben. So wurden etwa die Markomannen aus ihren Heimatsitzen am Main nach Böhmen abgedrängt. Indem Rom anfangs deren Herrscher Marbod stützte war deren Potential zusätzlich kanalisiert worden. Stattdessen förderte man die Ansiedlung verbündeter (foederierter) Stämme, am liebsten kleinerer Stämme nahe den Grenzen. Sie übernahmen eine Art Vorfeldsicherung gegen feindliche Gruppen, trieben Handel mit den Römern, stellten Rekruten für die Hilfstruppen und konnten so im Laufe der Zeit zum Teil sehr deutlich von den Römern beeinflusst werden. Zumindest ihre Oberschicht wurde durch die Jahrhunderte zum teil romanisiert, Soldaten in römischen Diensten wurden ebenfalls empfänglich für diese Kultur. Freundlich gesinnte germanische Adelige bekamen die Chance gegen Wohlverhalten und Grenzsicherungsdienste durch Zahlungen ihre eigene Macht zu stärken... Kurz gesagt profitierten jene Stämme von den Römern, die mit ihnen kooperierten. Innerhalb der Stämme profitierte die Oberschicht, welche die Wohltaten der Römer weiter verteilen konnte am meisten davon. Dabei waren die Römer nicht wirklich an die Bevorzugten gebunden, sie konnten bei Schwierigkeiten beliebig ihre kleinen Juniorpartner wechseln. Ein Verfahren das zu mancher innergermanischen Fehde beitrug und die Macht wie den Einfluss Roms stärkte! Auf den Limes muss ich wohl nicht weiter eingehen?
Scheitern der Assimilierung:
Auf sehr lange Sicht gesehen wurden Germanen auf diese Weise für die Romanisierung bereit. Ich sage nicht dass dies genau so der Plan - welches römischen Kaisers auch immer - gewesen sei, aber es wirkte auf genau diese Weise. Schließlich wurde der Dienst für Rom immer angesehener, beliebter und lukrativer für die Germanen – nicht zuletzt stellten sie einen erheblichen Teil spätantiker römischer Heere!
Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass diese Entwicklung zu einer wirklichen Einbindung der Germanen ins Reich hätte führen können. Unter einigen römischen Kaisern werden deutliche Schritte in diese Hinsicht erkennbar. Obwohl von ihnen besiegt genossen etwa die römischen Kaiser Aurelian oder Konstantin der Große ungeheures Ansehen und Respekt bei germanischen Stämmen. So macht es auf mich den Eindruck, dass die Völkerwanderung nach dem Einbruch der Hunnen einer weiteren Fortsetzung dieser Entwicklung (wie sie etwa von Stilicho betrieben wurde, der selbst ein Produkt dieser Politik war) ein vorzeitiges Ende bereitete. Nicht unwesentlich hat aber auch eine Ablehnung der (weil eher kaisertreuen) Germanen durch die römischen Oberschichten in diesen kritischen Zeiten verhindert, dass sich Römer und Germanen auf dieser Basis näher kommen konnten!