»Guéridon« – Etymologie

Im Ballett jedenfalls gab es eine solche Figur. Oder meinst Du, dass die Verwendung im Refrain ein Zufall gewesen sein könnte, entstanden aus unbedachter Lautmalerei, zwei Jahre nach Aufführung des Balletts, da der Name irgendwo im Hinterkopf existent war?

Ich meine, der Refrain wurde wohl nicht im Moment der Uraufführung des Ballets abgeschafft, sondern der wurde einfach weitergesungen. Und ja, es hängt vom Zufall (oder besser gesagt: von der jeweiligen Melodie) ab, ob man "tirili-tirila oder "toure-loure-loure" oder "gueridon-don-don" für den Refrain verwendet.
 
Im Lied wird gewitzelt, dass ein Kind der Königin schwarz wäre, weil es vom Marquis d’Ancre wäre. Concino Concini, Marquis d’Ancre, wurde 1617 erschossen und seine Leiche dann geschändet und verbrannt, letzteres wohl der Grund für die Farbe des Kindes.

Nein, das ist es nicht. Concino Concino wurde über Jahre angefeindet als einflußreicher Ratgeber und italienischer Einfluß auf Maria di Medici, vor allem als Geliebter der Königswitwe.

Der Witz des Couplets liegt im mehrfachen und schillernden Wortspiel mit dem Titel "Marquis d'Ancre" und dem Wort "Encre" für Tinte, vor allem da ein Italiener sich mit den feinen sprachlichen Nuancen schwer tut.
Und natürlich auch Wortspiele mit dem Wort "Ancre" für Anker.

Also ein tintenschwarzes Balg von dem Marquis d'Ancre, dem Günstling der Königin.

Die Anfeindungen gegen Concino gingen über mehrere Jahre, wegen Bereicherung und massiver Steuererhöhungen. Der Hass gegen ihn war so groß dass auch seine Frau hingerichtet wurde.
Als "Marquis der Tinte" sah er sich selbst, er der mit den Geldern der Königin und für diese unvorteilhafte Verträgen sich in der Piccardie in Ancre eine Herrschaft und einen Titel erkauft hatte:
"Il C. scherzò sulla sua nuova posizione con il duca di Guisa, spiegando che egli era nato nella casa dei conti della Penna e ora era divenuto un marchese di Inchiostro (encre); al che il Guisa replicò che egli aveva ancora bisogno di un ducato di Carta."
Also er sagte dass er es vom Grafen von Penna zum "Marquis der Tinte" gebracht habe, worauf der Herzog von Guisé ihm antwortete, dass er jetzt nur noch ein Fürstentum von Carta (also der Blankopapiere) benötige.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei den schönen Quellenangaben findet sich doch einiges, das "Guéridon" als satirischen zeitgenössischen (1614) Namen für Concino Concini erkennen lässt.

Sollte der Günstling der Königin Namensgeber eines dreibeinigen Tischchens gewesen sein, wäre das ein wenig platter Humor.
 
Ich meine, der Refrain wurde wohl nicht im Moment der Uraufführung des Ballets abgeschafft, sondern der wurde einfach weitergesungen. Und ja, es hängt vom Zufall (oder besser gesagt: von der jeweiligen Melodie) ab, ob man "tirili-tirila oder "toure-loure-loure" oder "gueridon-don-don" für den Refrain verwendet.
Da kann ich Dir nicht folgen. Das Spottlied sei ja »1617 oder kurz danach« entstanden.(#37) Aus dem Ballett von 1614 sei, soweit ich es sehe, bzgl. »guéridon« nur « Guelindon dans une caisse : comme venant de Provence » erhalten (siehe Annonce @ Opéra Baroque), d.h. weder ein Text mit einem »guéridon-don«-Refrain, noch ein Hinweis auf einen Fackelträger, sondern nur eine Figur namens »Guelindon«, die früheste Erwähnung von »Guéridon«.

Es handelt sich nicht um "ein" Lustspiel, sondern
a) um einen Refrain, der um 1600 namengebend für einen Liedtyp war, und […]
Was lässt eigentlich auf einen Liedtyp guéridon um 1600 schließen?

Wie dem auch sei, entscheidend ist zum Thema, dass »Guéridon« eine Theaterfigur war und der Ausdruck auch in Refrains dem inhaltslosen Geträller diente. Letzteres kann man als schmückendes Beiwerk verstehen; wenigstens eine Gemeinsamkeit mit dem späteren Leuchtenständer. Außerdem muss jener »Guelindon« eine tragende Figur :D in der Darbietung gewesen sein… Alles in allem sehr mager, um damit die Benennung des Leuchtenständers zu begründen.


Nein, das ist es nicht. Concino Concino wurde über Jahre angefeindet als einflußreicher Ratgeber und italienischer Einfluß auf Maria di Medici, vor allem als Geliebter der Königswitwe.

Der Witz des Couplets liegt im mehrfachen und schillernden Wortspiel mit dem Titel "Marquis d'Ancre" und dem Wort "Encre" für Tinte, vor allem da ein Italiener sich mit den feinen sprachlichen Nuancen schwer tut.
Und natürlich auch Wortspiele mit dem Wort "Ancre" für Anker.

Also ein tintenschwarzes Balg von dem Marquis d'Ancre, dem Günstling der Königin.

Die Anfeindungen gegen Concino gingen über mehrere Jahre, wegen Bereicherung und massiver Steuererhöhungen. Der Hass gegen ihn war so groß dass auch seine Frau hingerichtet wurde.
Als "Marquis der Tinte" sah er sich selbst, er der mit den Geldern der Königin und für diese unvorteilhafte Verträgen sich in der Piccardie in Ancre eine Herrschaft und einen Titel erkauft hatte:
"Il C. scherzò sulla sua nuova posizione con il duca di Guisa, spiegando che egli era nato nella casa dei conti della Penna e ora era divenuto un marchese di Inchiostro (encre); al che il Guisa replicò che egli aveva ancora bisogno di un ducato di Carta."
Also er sagte dass er es vom Grafen von Penna zum "Marquis der Tinte" gebracht habe, worauf der Herzog von Guisé ihm antwortete, dass er jetzt nur noch ein Fürstentum von Carta (also der Blankopapiere) benötige.
An »encre« hab’ ich gar nicht gedacht, sondern den Namen nur mit »ancre« (›Anker‹) in Verbindung gebracht, was mir belanglos schien. Bedeutender fand ich (und finde immer noch) die Datierung des Spottliedes, d.h. den Grund, warum es erst nach dem Tod des Marquis entstanden sein soll, als dessen Leiche verkohlt war.

Danke für den Hinweis! :) Bzgl. »guéridon« kann man jedenfalls festhalten, dass sich das Lied in keiner Weise auf einen dunkelhäutigen Sklaven bezog.


Apropos Concini: 1618 soll es ein Ballet de la Furie de Roland gegeben haben, die Furie auf Concino Concini bezogen. (« Mythes et ballet de cour au XVIIe siècle », Cairn.info)


Sollte der Günstling der Königin Namensgeber eines dreibeinigen Tischchens gewesen sein, wäre das ein wenig platter Humor.
So richtig schwarzhumorig wäre es, wenn die verkohlte Leiche der Namensgeber wäre.(und die Nachwelt daraus einen Sklaven macht…)
 
Im von @Carolus verlinkten Theaterstück Conférence d’Antitus, Panurge et Guéridon, der Farce von 1614, tritt Guéridon als Bauer auf und spricht einen Dialekt aus dem Poitou oder der benachbarten damaligen Provinz Marche. In dem Stück werden mehrmals sinnreiche Verse als Guéridons bezeichnet.
Bemerkenswert ist die in der Farce vorkommende Frage: Dictes-moy, je vous prie, faut-il dire Guéridon ou Guérindon?
Der Fragesteller macht sich dann im weiteren lustig über die gebildeten Franzosen, die nichts anderes zu tun haben, als sich darüber zu streiten ob es nun Guéridon oder Guérindon heisst.

1614 war die richtige Schreibweise wahrscheinlich bereits ein Diskussionsthema. Die Form guérindons findet sich erstmals in einem Werk von 1597 von Guillaume de Reboul La Cabale des reformez, tiree nouvellement du puits de Democrite.

Neptune, grand dieu de la mer,
Vous qui commandez ses rivages,
faictes un peu ses vents calmer,
Et me gardez de ses naufrages.
Si j'arrive à Saint Borondon
Je vous donneray mon bourdon.
Pauvres huguenots, que le coeur vous tremble,
Quand l'aigle et le lys se sont joints ensemble.
Guerindon, guerindon, guerindaine, guerindon.


Dies unterstreicht imho, dass es sich bei guerindon zuerst um so etwas wie Trallala in Liedern handelte.
Quelle: Analectes du bibliophile

Édouard Fournier — Wikipédia in seinem Variétés historiques et littéraires/Tome VIII, schlägt übrigens vor, dass guéridon von Guéret, der Hauptstadt der Provinz Marche abgeleitet sein könnte, aber nur "weil er keine wahrscheinlichere Erklärung sieht".
 
Im von @Carolus verlinkten Theaterstück Conférence d’Antitus, Panurge et Guéridon, der Farce von 1614, tritt Guéridon als Bauer auf und spricht einen Dialekt aus dem Poitou oder der benachbarten damaligen Provinz Marche. In dem Stück werden mehrmals sinnreiche Verse als Guéridons bezeichnet.
Bemerkenswert ist die in der Farce vorkommende Frage: Dictes-moy, je vous prie, faut-il dire Guéridon ou Guérindon?
Der Fragesteller macht sich dann im weiteren lustig über die gebildeten Franzosen, die nichts anderes zu tun haben, als sich darüber zu streiten ob es nun Guéridon oder Guérindon heisst.

1614 war die richtige Schreibweise wahrscheinlich bereits ein Diskussionsthema. Die Form guérindons findet sich erstmals in einem Werk von 1597 von Guillaume de Reboul La Cabale des reformez, tiree nouvellement du puits de Democrite.

Neptune, grand dieu de la mer,
Vous qui commandez ses rivages,
faictes un peu ses vents calmer,
Et me gardez de ses naufrages.
Si j'arrive à Saint Borondon
Je vous donneray mon bourdon.
Pauvres huguenots, que le coeur vous tremble,
Quand l'aigle et le lys se sont joints ensemble.
Guerindon, guerindon, guerindaine, guerindon.


Dies unterstreicht imho, dass es sich bei guerindon zuerst um so etwas wie Trallala in Liedern handelte.
Quelle: Analectes du bibliophile

Édouard Fournier — Wikipédia in seinem Variétés historiques et littéraires/Tome VIII, schlägt übrigens vor, dass guéridon von Guéret, der Hauptstadt der Provinz Marche abgeleitet sein könnte, aber nur "weil er keine wahrscheinlichere Erklärung sieht".
Danke! Und es ist auch Édouard Fournier, der schreibt:
« Ainsi, dans le Branle de la Torche, déjà si fameux au temps d'Olivier de La Mancha et à l'époque de Henry Estienne, on donnoit, du moins sous Louis XIII, le nom de Guéridon au personnage qui, pendant que les autres tournoient en rond et s'embrassoient autour de lui, étoit condamné à avoir en main un flambeau, ou, si vous aimez mieux, à tenir la chandelle, pour me servir d'une locution qui doit certainement venir de là. » (Fournier, op.cit., Fn. 372 @ gutenberg.org)
 
Da kann ich Dir nicht folgen.
Siehe Beitrag 22.

Es gibt eine große Zahl lautmalender Refrains, manche sind deutbar, manche mögen nur aus Spaß am Klang entstanden sein. Zu unzähligen Kombinationen verbunden wird dondaine, hier mal ein volkstümliches Beispiel (die Silbe gué ist hier auch enthalten):
Sous le pont de Lyon
Belle dame se baigne,
Gué la dondaine,
Belle dame se baigne,
Gué la dondon.
La chanson populaire et la vie rurale des Pyrénées à la Vendée. Préface de Paul Sébillot : Trébucq, Sylv : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

Lied- oder Verstypen, die nach Nonsens-Refrains benannt sind, sind nichts Ungewöhnliches, so gibt es Lieder, die als vaduries bezeichnet werden (mit Refrains wie "dorelot vadi vadoie" oder "vadeurelidet, vadeurelido").


Was lässt eigentlich auf einen Liedtyp guéridon um 1600 schließen?

Die Verse selber werden als guéridons bezeichnet: "dites nous encore quelque guéridon, compère".

Die häufige Verwendung desselben Refrains gab, wie in so vielen anderen Fällen, dem Liede selbst den Namen. So heisst es (1616) bei Tallement des Réaux, Historiettes de Bois-Robert von einem Bekannten B.-Roberts, dass er die ganze Bibel in Vaudevilles gesetzt habe, "qu'on appelle guéridons".

Gustav Thurau, Der Refrain in der französischen Chanson. Beiträge zur Geschichte und Charakteristik des französischen Kehrreims, Berlin 1901, S. 181
 
Siehe Beitrag 22.

Es gibt eine große Zahl lautmalender Refrains, manche sind deutbar, manche mögen nur aus Spaß am Klang entstanden sein. Zu unzähligen Kombinationen verbunden wird dondaine, hier mal ein volkstümliches Beispiel (die Silbe gué ist hier auch enthalten):
Sous le pont de Lyon
Belle dame se baigne,
Gué la dondaine,
Belle dame se baigne,
Gué la dondon.
La chanson populaire et la vie rurale des Pyrénées à la Vendée. Préface de Paul Sébillot : Trébucq, Sylv : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

Lied- oder Verstypen, die nach Nonsens-Refrains benannt sind, sind nichts Ungewöhnliches, so gibt es Lieder, die als vaduries bezeichnet werden (mit Refrains wie "dorelot vadi vadoie" oder "vadeurelidet, vadeurelido").




Die Verse selber werden als guéridons bezeichnet: "dites nous encore quelque guéridon, compère".

Die häufige Verwendung desselben Refrains gab, wie in so vielen anderen Fällen, dem Liede selbst den Namen. So heisst es (1616) bei Tallement des Réaux, Historiettes de Bois-Robert von einem Bekannten B.-Roberts, dass er die ganze Bibel in Vaudevilles gesetzt habe, "qu'on appelle guéridons".

Gustav Thurau, Der Refrain in der französischen Chanson. Beiträge zur Geschichte und Charakteristik des französischen Kehrreims, Berlin 1901, S. 181
Vielen Dank für die Erläuterungen, Sepiola!

Habe noch versucht, mehr zu Fourniers »Branle de la Torche« in Erfahrung zu bringen. Es soll einige Arten des Tanzes Branle gegeben haben (siehe auch »Branle«, de. Wikipedia), allen voran den »Bransle de Poictou«. Beim »Branle de la Torche« », der nicht in der Kreisform getanzt wird, soll eine Fackel oder ein Leuchter von einem Tänzer zum nächsten weitergereicht werden«, schreibt die BR-Klassik und bezieht sich dabei auf Thoinot Arbeau (1520–1595).(»Branle : Beliebter Tanz der Renaissance und des Barocks« @ BR-Klassik) Es scheint also ein Tanzspiel gewesen zu sein, denn auch Fournier schreibt in der erwähnten Fußnote über eine Tänzerin, sie habe sich lachend darüber beklagt, immer die Rolle des Guéridon erhalten zu haben, da der Fackel meist zu ihr zurückgekehrt sei. Klar ist aber, dass Fournier nicht speziell das Ballet des Argonautes meint.

Es muss aber Jahrzehnte später einen Grund für die Benennung des Leuchtenständers/Piedestals gegeben haben, wobei jener »Branle de la Torche« am wahrscheinlichsten wirkt. Es ist eigentlich egal, was der »Guelindon« 1614 auf der Bühne getrieben hatte (der Name wohl eine Abwandlung von »Guerindon«, siehe Naresuans Beitrag #45), wichtig ist nur, dass in jenem Tanzspiel, das im 17. Jh. offenbar mehrmals dargeboten wurde, der Verlierer einen Fackel, quasi als Schwarzen Peter halten musste und »Guéridon« hieß.
 
Fournier schreibt in der erwähnten Fußnote über eine Tänzerin, sie habe sich lachend darüber beklagt, immer die Rolle des Guéridon erhalten zu haben, da der Fackel meist zu ihr zurückgekehrt sei. Klar ist aber, dass Fournier nicht speziell das Ballet des Argonautes meint.
[...]
wichtig ist nur, dass in jenem Tanzspiel, das im 17. Jh. offenbar mehrmals dargeboten wurde, der Verlierer einen Fackel, quasi als Schwarzen Peter halten musste und »Guéridon« hieß.

Und eben das ist nicht richtig. Die Stelle, die Fournier hier gründlich fehlinterpretiert, lautet im Original

«Cela me donne, disoit-elle, un million de commodités: je fais et dis tout ce qu’il me plaît.» Elle est gaie, et ne craint point du tout la mort: elle danse le branle de la torche, quand elle est en liberté, et dit que la torche ne lui manque jamais à proprement parler. «Je suis, dit-elle, le guéridon de la compagnie.»
Les Historiettes/Tome 3/53 - Wikisource

Madame Pilou beklagt sich überhaupt nicht, im Gegenteil. Den Guéridon zum Schwarzen (Peter) zu machen, klappt also auch diesmal nicht...
 
Und eben das ist nicht richtig. Die Stelle, die Fournier hier gründlich fehlinterpretiert, lautet im Original

«Cela me donne, disoit-elle, un million de commodités: je fais et dis tout ce qu’il me plaît.» Elle est gaie, et ne craint point du tout la mort: elle danse le branle de la torche, quand elle est en liberté, et dit que la torche ne lui manque jamais à proprement parler. «Je suis, dit-elle, le guéridon de la compagnie.»
Les Historiettes/Tome 3/53 - Wikisource

Madame Pilou beklagt sich überhaupt nicht, im Gegenteil. Den Guéridon zum Schwarzen (Peter) zu machen, klappt also auch diesmal nicht...
Damit hast Du absolut recht, wie ich es dann auch feststellen musste. :oops:

Um den »Schwarzen Peter« in meinem vorigen Beitrag zu korrigieren, hier noch der Beschrieb des Tanzes »branle du chandelier« durch Thoinot Arbeau (Orchesographie, 1589, S. 86f; Scan, Gallica, BnF.) dem Sinn nach:

Der Branle de la torche ist ein Tanz mit binärem Rhythmus[2/4 od. 4/4] und moderatem Tempo, ähnlich der Allemande[siehe @ Wikipedia] und mit den gleichen Schritten. Er beginnt damit, dass ein Mann eine Kerze, einen Leuchter oder eine Fackel nimmt und damit 1–2 Runden tanzt/schreitet, während er eine Dame aussucht, mit der er dann kurz paar Schritte tanzt, bevor er sich vor ihr verbeugt und ihr die Kerze[o.Ä.] reicht, um sich dann zurückzuziehen. Die Dame sucht sich darauf einen jungen Mann aus, etc., etc. Man nennt diesen Tanz auch »Une les autres«.​

Demnach war die Fackel/Kerze höchstens für schüchterne Personen ein ›Schwarzer Peter‹. Ansonsten war es eindeutig ein Kompliment, immer wieder ausgesucht zu werden. Die Rolle des Guéridon war also eine Ehre, weder komödiantisch noch lächerlich.
 
Vielen Dank an alle Beteiligten für die Hilfe bei der Suche nach den Ursprüngen des Ausdrucks »Guéridon« und den Gründen für die Benennung des Möbels, insbesondere an Sepiola.

Eure Beiträge waren sehr hilfreich! :)
 
Um dem Thema gerecht zu werden, doch ein Nachtrag:


Die ersten Erwähnungen von »guéridon« für ›Leuchterständer‹

Die eigentliche Quelle der Angabe, die ersten Guéridon-Möbel hätten Mohren-Figuren als Untergestell gehabt, stammt von Jean Loret (1595–1665), La Muze Historique, 1658:

Dez. 1650 (@ Google Books):
En écrans, tant grands que petits,
En guéridons, façon d’ébeine,
Ɛn grands vazes de pourceleine,

Juni 1651 (@ Google Books):
A l’entour de la meſme[même] Sale,
Ɛt dans vne diſtance êgale,
Des Mores noirs, & non pas blonds,
Faits en formes de Guéridons,
Vn grand plat de viande ſa preſte[prête],
Et deux autres, en leurs deux mains,
Les vns remplis de Maſſepains,
Ɛt les autres de Marmelades,
Biſques, Tourtes, Fruits & Salades,


Henry Havard (1838–1921) listet in seinem Dictionnaire de l'ameublement et de la décoration aus 1894 außerdem (@ Gallica):
• aus dem Inventar des erhabenen Sohnes von Anne d’Autriche (vmtl. Lous XIV), o.D. (nach 1651): « Deux guéridons à figures de Maures, d’argent vernis de noir, cizeléz sur le pied des armes de feue la Reyne mère, haults de 4 pieds 3 pouces, pesans ensemble 378 m. »
« Inventaire de Paul de Chantelou », o.D. (1657 od. später): « Six guéridons de bois, représentant deux d’iceux des Mores, deux autres des jeunes Bacus et deux autres des Nimphes, doréz, prisés ensemble six cens livres. »
« Inventaire du surintendant Fouquet », 1661: « deux guéridons de bois noyer ».
« Inventaire de la baronne de Castelmauron », 1668: « deux guarnidons painz en noir, en forme d’ébène ».

Daraus schließt Havard: « Ces guéridons, en forme de Mores soutenant un plateau, furent très à la mode durant le XVIIe siècle. » und sieht sogar einen Einfluss der Gestaltung des Möbelstücks auf die dunkelhäutige Dienerschaft:
« Nous venons de constater que ces premiers guéridons affectaient l’apparence de petits personnages, surtout de Mores, c’est-à-dire de nègres au de sauvagés, car à cette époque la qualification de More avait une signification moins précise, et par conséquent plus étendue que de nos jours. »
Etwas weiter meint er sogar enthusiastisch: « Puis, vers ce même temps, on prit aussi la columne d’appeler tous les petits Mores, qui alors servaient de grooms, du nom original de guéridon, et quand un sculpteur ingénieux eut l’idée de combinet ces petites tablettes portées par une figure humaine, comme la physionomie étrange et le riche costume de ces jeunes serviteurs étaient fort décoratifs, en leur faisant soutenir un plateau sur leur tête, ce qui rentrait au surplus dans leurs attributions. De là vint le nom singulier de guéridon donné à ces petits meubles, nom qui s’est fidèlement transmis jusqu’à nous. »
(frei übersetzt: Etwa zur gleichen Zeit diente die Säule[Piedestal?], um alle kleinen Mohren zu benennen, die damals als Kämmerlinge dienten, [hergeleitet] vom ursprünglichen Namen „guéridon“, und als ein genialer Bildhauer auf die Idee kam, diese kleinen Tabletts mit menschlichen Figuren zu kombinieren, zumal die fremde Physiognomie und die reiche Tracht dieser jungen Diener sehr dekorativ waren, während sie auf dem Kopf eine Platte stützten, trug dies zu ihrem Zuständigkeitsbereich bei. Von dort stammt der einzigartige Name „guéridon“, der diesen kleinen Möbelstücken gegeben wurde, ein Name, der uns treu überliefert ist.) Das Zitat verdeutlicht den sorglosen Rassismus Havards und seiner Zeit und bringt gleichzeitig die neue These, das Piedestal sei zuvor generell als »guéridon« bezeichnet worden.

Mal abgesehen von der Verlässlichkeit der Angaben von Jean Loret in seiner boulevardesken La Muze Historique, worin die Mohren an jenen Guéridons eindeutig als Dienerschaft dargestellt gewesen seien, ist dies aus den weiteren Erwähnungen nicht ersichtlich, sofern ihre Funktion als Untergestell/Gebälkträger/Karyatide nicht per se als Dienerschaft intrepretiert wird, auch wenn die Herabsetzung bei der Darstellung in dieser Rolle zur ursprünglichen Absicht der Antike gehörte, womit aber schlicht der Sieg über die Abgebildeten gemeint war.(siehe auch Vitruv zum Atlanten, De Architectura, I., 1, 6)

Dass die Darstellung von dunkelhäutigen Dienern im 17. Jh. weniger aus Frankreich, sondern eher aus England und Venedig stammt, lässt sich auch aus dem Artikel “Serving as Ornament: The Representation of African People in Early Modern British Interiors and Gardens” von Hannah Lee folgern (British Art Studies, Issue 21), worin ein Kupferstich von Jean Le Pautre (get. 1618–1682) als (einziges) französisches Beispiel aufgeführt wird, das allerdings einen bewaffneten Osmanen als Schalenträger zeigt. So ist auch in Lees Artikel das früheste, eindeutig als Sklave dargestellte Untergestell jener englische Schalenträger aus 1680/1700 (Inv. NT 452977.2, Dyrham collection, Gloucestershire).


(Mein) Fazit

Nebst Édouard Fourniers negativer Deutung der Tanzrolle des guéridon aus 1857 dürfte Havards Dictionnaire aus 1894 mit der ausführlichen Insistenz auf den dunkelhäutigen Diener als ursprünglicher Untersatz die heute übliche Herleitung der Möbelbezeichnung maßgeblich beeinflusst haben. Unbeachtet blieb hierbei, dass im Brandle de la torche die Rolle des Guéridon nichts mit Dienerschaft zu tun hatte, was die Benennung eines Möbelstücks mit einem Diener als Träger nicht nachvollziehen lässt. Havard folgte bei seinen etymologischen Angaben dem Nouveau Dictionnaire françois aus 1709, der den Ursprung des Wortes nach Afrika verortet. Wäre dies wahr und um 1650 im allgemeinen Bewusstsein noch stark genug präsent gewesen, um das Leuchtergestell zu bezeichnen, wäre die Benennung des erwählten Fackelträgers im Tanzspiel des Adels, was ja ein Kompliment war, kaum nachvollziehbar. Auch wäre der Link vom tanzenden Fackelträger zum Fackelständer weg und es bliebe nur die Assoziation der Hautfarbe mit Ebenholz, was man auch auf viereckige Beistelltische hätte übertragen können…

Ehrlicherweise muss ich aber hinzufügen, dass ich die nachträgliche Fußnote 11 in Les Histoirettes von Gédéon Tallemant des Réaux (@ Wikisource), sowie Fourniers Folgerung, Madame Pilou beziehe in « Je suis, dit-elle, le guéridon de la compagnie[11] » die Bezeichnung »guéridon« zweifellos auf die Rolle des Fackelträgers im Tanzspiel Branle, nur mit etwas Skepsis teile.

Wie dem auch sei, die einzige Quelle für die fragwürdige Herleitung der Möbelbezeichnung bleibt Jean Lorets Reimerei mit dem höhnischen Hinweis auf die Hautfarbe der Figur « des Mores noirs, & non pas blonds ».
 
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