Hat die Politik weltweit aus der halbdemokratischen Machtübernahme Hitlers gelernt?

rena8

Aktives Mitglied
Da würde ich zustimmen wegen der Tagespolitik...

Zum Abschluss noch eine weitere Theorie von mir, die damit halbwegs zusammenhängt.

Gerade wenn man sich heute alte Leute anschaut, scheinen die doch etwas aus der Zeit gefallen zu sein.

-Im Altersheim wird beim Gemeinschaftsessen jahrelang nicht mit dem Tischnachbarn geredet (was soll ich mit dem) aber Wohlstand gerne vorgezeigt. Ärzte sind uneingeschränkte Autoritäten.

-Es ist die Generation die beim Schwiegervater förmlich um die Hand der Tochter angehalten hat und beim Musikantenstadl halbdebil mitklatscht...

-Es wird alles sehr ernst genommen, bis hin zu Stoibers Erzählungen bezüglich Problembär und Transrapid, wo jüngere Leute sich nur weglachen...:grübel:

Was heute 80 und drüber ist, ist also mental noch eine völlig andere Generation von Deutschen. Die über die schon die Briten gelästert haben sie könnten nur an Fasching "auf Kommando lustig" sein.

Meiner Theorie nach war die ganze Außendarstellung der NSDAP auf diese Generation Deutscher maßgeschneidert. So wird auch das seltsam-theatralische Gebaren Hitlers verständlich, was uns heute etwas ratlos zurücklässt.

Das ist mir zu pauschal. Sicher war Zeitgeist und Kultur anders, nicht nur in Deutschland.
In der Rückschau sind die 3. Reich-Zeitgenossen eine andere Generation, dass die sich aber alle von H. Schreierei verführen ließen, weil sie zum preussischen Kadavergehorsam erzogen wurden, läßt die basisdemokratischen 20er unter den Tisch fallen, die jene Generation erst gerade durchlebt hatte.

Daraus ergibt sich aber auch eine Gefahr, die heute evtl. etwas unterschätzt wird. Es ist klar, dass wir immer achtgeben müssen, dass sich "sowas wie das Dritte Reich" nie wiederholt, darüber besteht Konsens. Ich frage mich nur, ob das "vierte Reich" vom Feeling her so daherkommen würde wie das Dritte. Ich glaube nämlich nicht! Reden halten wie Hitler wird natürlich nicht funktionieren. Insofern sind Szenarien wie z.B. in G.Pausewangs "Schlund" eher unwahrscheinlich. Das vierte Reich würde doch eher, wenn es einigermaßen clever konzipiert ist, vom "allgemeinen Gefühl" her wieder genau auf die Stimmungslage großer Bevölkerungsteile abgestimmt sein. Und darin liegt für mich die größere Gefahr, das wir -die ja alles so gründlich und effektiv angehen- erst dann merken, dass wir einen Riesenmist gebaut haben, wenn Befreiungstruppen mal wieder Berlin eingekesselt haben...

Und dann wird wieder jemand kommen und fragen: wussten wir schon vorher, welche Entwicklung wir Jahre zuvor anstießen?

Will sagen, wenn man mit seinem Konzept die Stimmungslage trifft und plausibel erscheint, sowie die Mittel hat, es zu verbreiten, geht wahrscheinlich alles. In einer Demokratie ist das ja das wesentliche Element, der Wettstreit von Meinungen und Konzepten. Vielen Wählern erschien die NSDAP 1929 - 1933 offenbar als das beste Angebot. Dazu kam in diesem Fall noch ein Versagen von Institutionen.

Wenn man sich das Wort "erschien" im Kontext der Fragestellung anschaut, bekommt das Thema noch einen erkenntnistheoretischen Dreh. Was wusste der Wähler und was glaubte er subjektiv zu wissen...
Wie unsicher wir in der Zukunftsprognose sind, die wir hier jedoch nicht äußern dürfen, läßt mich Verständnis für die mangelhafte Vorausschau der Anfang der 30er lebenden Menschen haben.
 
basisdemokratischen 20er

Naja die theoretisch basisdemokratischen 20er...

Am Anfang ständig Zoff zwischen Rechts und Links, Hyperinflation, ein mit Notverordnungen zu regieren versuchender Reichspräsident. Es sei denn du meinst mit "basisdemokratisch Reichstagswahlen alle paar Monate ;) (jedoch ohne nennenswerte Fortschritte).

Gefühlt gut wurden von der Mehrheit vielleicht die Jahre 25 bis 28 wahrgenommen, ansonsten hatten sehnten sich sicher viele auch an das gemütliche Kaiserrreich zurück.

In der Rückschau sind die 3. Reich-Zeitgenossen eine andere Generation, dass die sich aber alle von H. Schreierei verführen ließen, weil sie zum preussischen Kadavergehorsam erzogen wurden,

Meiner Meinung wertest du hier zu stark. Mir scheint es jedenfalls so, als hätten sich mit Hitler (und wie er sich in den Medien darstellte) und einem guten Teil des Volkes zwei gefunden, die gut zueinander passten... Hitler war natürlich ein Populist, und es ist auch eine gute Frage, ob er berechnend bestimmte Gruppen ansprechen wollte, oder ob sich das von sich aus ergab - was bedeuten würde, dass sich nicht nur viele mit ihm identifizieren konnten, sondern ihm tatsächlich ähnlich waren (z.B. von Werten und Einstellungen her).
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch alte Menschen verändern sich. Manche Leute die in ihrer Jugend kritisch und aktiv waren sitzen im Alter nur noch vor dem Fernseher und glauben alles. Dazu ist wohl noch zu sagen, dass die heute "alten" Jahrgänge im Nationalsozialismus groß geworden sind.der 1921er Jahrgang ist heute 90 Jahre alt und war 1933 noch viel zu jung um zu wählen. Im Gegenzteil diese Generation wurde ducrch Nationalsozialismus und Zusammenbruch erheblich geprägt. Nicht umsonst entstand in den 50er Jahren der "motorisierte Biedermeier" aus dieser Generation.
 
Naja die theoretisch basisdemokratischen 20er...

Am Anfang ständig Zoff zwischen Rechts und Links, Hyperinflation, ein mit Notverordnungen zu regieren versuchender Reichspräsident. Es sei denn du meinst mit "basisdemokratisch Reichstagswahlen alle paar Monate ;) (jedoch ohne nennenswerte Fortschritte).
Gefühlt gut wurden von der Mehrheit vielleicht die Jahre 25 bis 28 wahrgenommen, ansonsten hatten sehnten sich sicher viele auch an das gemütliche Kaiserrreich zurück.

Das politische System stand am Anfang, da war nichts eingespielt, keine 5-%-Klausel usw. Das meinte ich aber gar nicht, ich sprach vom politischen Interesse großer Teile der Bevölkerung, engagiert und unerfahren.
Das wären sie doch nicht gewesen, wenn sich alle nach der gemütlichen Sicherheit des Kaiserreichs zurückgesehnt hätten.

Meiner Meinung wertest du hier zu stark. Mir scheint es jedenfalls so, als hätten sich mit Hitler (und wie er sich in den Medien darstellte) und einem guten Teil des Volkes zwei gefunden, die gut zueinander passten... Hitler war natürlich ein Populist, und es ist auch eine gute Frage, ob er berechnend bestimmte Gruppen ansprechen wollte, oder ob sich das von sich aus ergab - was bedeuten würde, dass sich nicht nur viele mit ihm identifizieren konnten, sondern ihm tatsächlich ähnlich waren (z.B. von Werten und Einstellungen her).

Welche Werte und Einstellungen meinst du?
 
Am Anfang ständig Zoff zwischen Rechts und Links, Hyperinflation, ein mit Notverordnungen zu regieren versuchender Reichspräsident. Es sei denn du meinst mit "basisdemokratisch Reichstagswahlen alle paar Monate ;) (jedoch ohne nennenswerte Fortschritte).

Ich bin der Meinung, das die Weimarer Republik auch sehr schwierige Startbedinungen hatte. Die Demokratie wurde ja quasi auf außen aufgezwungen und des Weiteren müssen wir auch die sehr schweren Rahmenbedinungen berücksichtigen.
 
Ich bin der Meinung, das die Weimarer Republik auch sehr schwierige Startbedinungen hatte. Die Demokratie wurde ja quasi auf außen aufgezwungen und des Weiteren müssen wir auch die sehr schweren Rahmenbedinungen berücksichtigen.

Der Untergang der Weimarer Republik hat eine Fülle von Ursachen. Da ist zunächst die unvollendete Revolution von 1918, insbesondere das Fortbestehen der alten Eliten des Kaiserreichs. Dann die Schwäche der demokratischen Parteien und ihre mangelnde Fähigkeit, Kompromisse zu schließen. Der bürgerliche Mittelstand war geschwächt durch Inflation und Wirtschaftskrise. Die radikalen Parteien NSDAP und KPD waren stark und es setzte eine Radikalisierung des öffentlichen Lebens in der Endphase der Republik ein, mit antidemokratischen Tendenzen in Militär, Justiz und Beamtenschaft.

Zu nennen ist aber auch das Intrigenspiel der letzten Reichskanzler Papen und Schleicher und die Unfähigkeit führender Politiker, die gewalttätige NSDAP in ihre Schranken zu weisen. Der Reichspräsident, der ein Machtwort hätte sprechen können, war ein Greis und unterlag dem unheilvollen Einfluss seiner Berater (Kamarilla).

Katastrophal für das demokratische System wirkte sich die Massenarbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise aus, was die NSDAP durch massenwirksame Propaganda mit der Führungsfigur Hitler nutzte, der sich als Heilsbringer darstellte und den "Novemberverbrechern" und dem "Weltjudentum" als Sündenböcken die Schuld an der ganzen Misere gab. Auf diese Argumentation fielen nahezu 50% der deutschen Bevölkerung bei den letzten Wahlen 1933 rein, sodass es durch vage Versprechungen Richtung Zentrum zu einer Dreiviertelmehrheit im Reichstag für das Ermächtigungsgesetz langte - und das war bekanntlich der letzte Todesstoß für die Demokratie!
 
Der Untergang der Weimarer Republik hat eine Fülle von Ursachen. Da ist zunächst die unvollendete Revolution von 1918, insbesondere das Fortbestehen der alten Eliten des Kaiserreichs. Dann die Schwäche der demokratischen Parteien und ihre mangelnde Fähigkeit, Kompromisse zu schließen. Der bürgerliche Mittelstand war geschwächt durch Inflation und Wirtschaftskrise. Die radikalen Parteien NSDAP und KPD waren stark und es setzte eine Radikalisierung des öffentlichen Lebens in der Endphase der Republik ein, mit antidemokratischen Tendenzen in Militär, Justiz und Beamtenschaft.

Zu nennen ist aber auch das Intrigenspiel der letzten Reichskanzler Papen und Schleicher und die Unfähigkeit führender Politiker, die gewalttätige NSDAP in ihre Schranken zu weisen. Der Reichspräsident, der ein Machtwort hätte sprechen können, war ein Greis und unterlag dem unheilvollen Einfluss seiner Berater (Kamarilla).

Katastrophal für das demokratische System wirkte sich die Massenarbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise aus, was die NSDAP durch massenwirksame Propaganda mit der Führungsfigur Hitler nutzte, der sich als Heilsbringer darstellte und den "Novemberverbrechern" und dem "Weltjudentum" als Sündenböcken die Schuld an der ganzen Misere gab. Auf diese Argumentation fielen nahezu 50% der deutschen Bevölkerung bei den letzten Wahlen 1933 rein, sodass es durch vage Versprechungen Richtung Zentrum zu einer Dreiviertelmehrheit im Reichstag für das Ermächtigungsgesetz langte - und das war bekanntlich der letzte Todesstoß für die Demokratie!

Das ist ja alles richtig, was du über die Gründe des Scheiterns der WR schreibst, Dieter. Das kann man überall nachlesen.
Daraus ergibt sich aber auch eine Gefahr, die heute evtl. etwas unterschätzt wird. Es ist klar, dass wir immer achtgeben müssen, dass sich "sowas wie das Dritte Reich" nie wiederholt, darüber besteht Konsens. Ich frage mich nur, ob das "vierte Reich" vom Feeling her so daherkommen würde wie das Dritte. Ich glaube nämlich nicht! Reden halten wie Hitler wird natürlich nicht funktionieren. Insofern sind Szenarien wie z.B. in G.Pausewangs "Schlund" eher unwahrscheinlich. Das vierte Reich würde doch eher, wenn es einigermaßen clever konzipiert ist, vom "allgemeinen Gefühl" her wieder genau auf die Stimmungslage großer Bevölkerungsteile abgestimmt sein. Und darin liegt für mich die größere Gefahr, das wir -die ja alles so gründlich und effektiv angehen- erst dann merken, dass wir einen Riesenmist gebaut haben, wenn Befreiungstruppen mal wieder Berlin eingekesselt haben...

Und dann wird wieder jemand kommen und fragen: wussten wir schon vorher, welche Entwicklung wir Jahre zuvor anstießen?

Will sagen, wenn man mit seinem Konzept die Stimmungslage trifft und plausibel erscheint, sowie die Mittel hat, es zu verbreiten, geht wahrscheinlich alles. In einer Demokratie ist das ja das wesentliche Element, der Wettstreit von Meinungen und Konzepten. Vielen Wählern erschien die NSDAP 1929 - 1933 offenbar als das beste Angebot. Dazu kam in diesem Fall noch ein Versagen von Institutionen.

Wenn man sich das Wort "erschien" im Kontext der Fragestellung anschaut, bekommt das Thema noch einen erkenntnistheoretischen Dreh. Was wusste der Wähler und was glaubte er subjektiv zu wissen...
Wenn ich rrttdd richtig verstanden habe, ging es ihm um die Lehre aus dieser Zeit.
Für mich ergibt sich daraus, dass junge Demokratien eine längere Zeit brauchen, bis sie in der Lage sind, aus den polarisierenden Extrempositionen einen konsensfähigen Mittelweg zu finden, mit dem möglichst viele leben können.
Wenn allerdings dieser ausgewogene Mittelweg, der jeden einigermaßen mitnimmt und leben läßt, verlassen wird, kann sich ein Populist von jeder Seite vor die Masse der Unzufriedenen stellen und die passenden Parolen ausgeben.
Da ich nicht in Tagespolitik abgleiten möchte, wäre ich für entsprechende weltweite Beispiele aus der jüngeren Geschichte dankbar.
 
Für mich ergibt sich daraus, dass junge Demokratien eine längere Zeit brauchen, bis sie in der Lage sind, aus den polarisierenden Extrempositionen einen konsensfähigen Mittelweg zu finden, mit dem möglichst viele leben können.
Wenn allerdings dieser ausgewogene Mittelweg, der jeden einigermaßen mitnimmt und leben läßt, verlassen wird, kann sich ein Populist von jeder Seite vor die Masse der Unzufriedenen stellen und die passenden Parolen ausgeben.
Da ich nicht in Tagespolitik abgleiten möchte, wäre ich für entsprechende weltweite Beispiele aus der jüngeren Geschichte dankbar.

Leider stellt sich das mit dem Wachsen einer jungen Demokratie nicht immer linear dar. Wenn politische Umbrüche, Inflation und Massenarbeitslosigkeit eintreten, vielleicht noch kriegerische Entwicklungen hinzukommen, kann jederzeit das gleiche Szenarium abrollen, wie wir das nach 1929 zu Weimrer Zeiten hatten. Ich bin da überaus pessimistisch, was sowohl Rassismus als auch autoritäre Systeme und Diktaturen angeht. Dabei folge ich eher den Thesen Goldhagens, der das so erklärt:

Warum fand Hitler für sein Ziel – die Vernichtung der Juden – so viel Unterstützer und warum traf er auf so wenig Widerstand? Wie konnten die Deutschen so beispiellose Verbrechen verüben bzw. zulassen? So lautete die Frage, und die bisherigen Antworten sind für Goldhagen nicht überzeugend: Der angebliche Befehlszwang war eine bloße Schutzbehauptung der Täter; von der angeblichen Staatshörigkeit der Deutschen war in den chaotischen Jahren zwischen 1918 und 1933 wenig zu spüren; der angebliche Gruppenzwang erklärt das Verhalten einzelner, aber nicht das der Gruppe als ganzer, die diesen Druck ja selbst erst erzeugt; der angebliche Karrierismus der Täter konnte nur in Ausnahmefällen durch eine besonders eifrige Teilnahme am Massenmord befriedigt werden; das angebliche Unwissen über die mörderischen Folgen seiner Taten konnte niemanden befallen, der seine Opfer von Angesicht zu Angesicht quälte und erschoss.[4] Goldhagen vertritt die These, dass die Taten der Deutschen nicht von solchen äußeren Zwängen oder Anreizen herrührten, sondern von inneren Überzeugungen. Die Deutschen wurden nicht gezwungen, Juden zu töten; sie taten es freiwillig, sie waren willige Vollstrecker.

Man muss nicht mit allen Thesen Goldhagens einverstanden sein, aber es steckt eine gehörige Portion Wahrheit darin.
 
Das ist ja alles richtig, was du über die Gründe des Scheiterns der WR schreibst, Dieter. Das kann man überall nachlesen.

Wenn ich rrttdd richtig verstanden habe, ging es ihm um die Lehre aus dieser Zeit.
Für mich ergibt sich daraus, dass junge Demokratien eine längere Zeit brauchen, bis sie in der Lage sind, aus den polarisierenden Extrempositionen einen konsensfähigen Mittelweg zu finden, mit dem möglichst viele leben können.
Wenn allerdings dieser ausgewogene Mittelweg, der jeden einigermaßen mitnimmt und leben läßt, verlassen wird, kann sich ein Populist von jeder Seite vor die Masse der Unzufriedenen stellen und die passenden Parolen ausgeben.
Da ich nicht in Tagespolitik abgleiten möchte, wäre ich für entsprechende weltweite Beispiele aus der jüngeren Geschichte dankbar.


Ich denke auch, dass es die Republik von Weimar hätte schaffen können.
Schon eine 5% Klausel wäre evt. ausreichend gewesen. Mit irgendeinen v-beliebigen Unsinn könnte man auch heute bundesweit 60.000 Stimmen zusammenkriegen.
Und dann... aller materiellen Sorgen ledig.
Aber einen unregierbaren Staat.
 
H.s Hauptwählerpotential war vor 1933 die Mittelschicht, das wurde in einem früheren Thread herausgearbeitet. Den ich gern verlinken würde, wenn ich ihn fände, damit nicht bei dieser Diskussion alles wieder von vorn aufgerollt werden muß.
Die Eingangsschüleranfrage hat durch aktuelle Beiträge u.a. von rrttdd nach den Lehren aus dieser Zeit eine neue interessante Richtung bekommen.
Deshalb möchte ich meine Frage nach den Beispielen wiederholen, wo sich ein Populist mithilfe einer unzufriedenen Mittelschicht halbdemokratisch an die Macht schlich.
Mir ist bis jetzt kein Beispiel eingefallen und das gibt mir Hoffnung und läßt mich Dieters pessimistischer Einschätzung widersprechen.
 
Der Rat der Volksbeauftragten wäre gut beraten gewesen, in einigen wichtigen Punkten Fakten zu schaffen, anstatt alles einen späteren bzw. der verfassungsgebenden Versammlung zu überlassen. Das demokratische Bewußtsein ehrt die sechs Herren, war aber leider sehr unvorteilhaft für die spätere Entwicklung der Republik.
 
Wenn politische Umbrüche, Inflation und Massenarbeitslosigkeit eintreten, vielleicht noch kriegerische Entwicklungen hinzukommen, kann jederzeit das gleiche Szenarium abrollen, wie wir das nach 1929 zu Weimarer Zeiten hatten. Ich bin da überaus pessimistisch, was sowohl Rassismus als auch autoritäre Systeme und Diktaturen angeht.

Ich teile @Dieters Pessimismus.
Nach dem 2.WK wollten viele im Osten Dt. alles richtig machen, mit ganz neuen Ideen und sind dennoch in einer Diktatur gelandet. Und auch dort gab es lange keinen (nennenswerten) Widerstand! Auch dort haben die Menschen mitgemacht!

In der Summe ist es wohl schwierig, eine Situation zu beschreiben, die eine Diktatur befördert. Ich halte es daher für gefährlich, sich in Sicherheit zu wiegen.

Zu glauben, der Mensch hätte aus seiner Vergangenheit gelernt, geht völlig fehl. Der Mensch wird immer der Gleiche bleiben.

Zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit mögen dies illustrieren:
Als das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre heraufgesetzt wurde - und das trotz einem Arbeitslosenheer, das in die Millionen ging -, gab es wohl 10000 Menschen, die in Berlin demonstrierten. Um die Fußballnationalmanschaft als Vizeweltmeister zu empfangen kam 1 Million.

Die Proteste gegen das Zwischenlager in Gorleben hielten sich in Grenzen, waren in der Summe auf die Grünen und die Betroffenen reduziert. Den Rest hat es nicht interessiert, es betraf sie ja nicht. Plötzlich, nach Fokushima die Wende! Plötzlich war das Problem im Wohnzimmer! (Im Grunde auch ein Beleg dafür, was Medien vermögen können!)

Der rasante Demokratieabbau und die Entwicklung zum Überwachungsstaat in verschiedenen demokratischen Gesellschaften wurde und wird von den meisten "mündigen Bürgern" doch gar nicht oder kaum zur Kenntnis genommen, und von Massenmedien kaum thematisiert. Videoüberwachung, Privatisierung öffentlicher Räume, zunehmende Verzahnung privater Sicherheitsunternehmen mit staatlichen "Gefahrenabwehrbehörden", Schleierfahndung und biometrische Daten, verdachtsunabhängige Kontrollen, das sind doch Phänomene die von der Masse gar nicht begriffen werden, weil es ihnen die meisten Massenmedien verschweigen oder ihnen glauben machen wollen, das diene ihrer Sicherheit.

Die Rhetorik gleicht sich. Bei Hitler wurden die Juden, die Kommunisten ... als die Schuldigen benannt, heute sind es die Terroristen. Und der entscheidene Punkt: Die Rhetorik bedient ein Urinstinkt des Menschen: die Angst! Die Angst, etwas zu verlieren.

Grüße
excideuil
 
Ich teile @Dieters Pessimismus.
Nach dem 2.WK wollten viele im Osten Dt. alles richtig machen, mit ganz neuen Ideen und sind dennoch in einer Diktatur gelandet. Und auch dort gab es lange keinen (nennenswerten) Widerstand! Auch dort haben die Menschen mitgemacht!

Auch wenn sie alles richtig machen wollten, bei ihrer Abhängigkeit vom großen Bruder UDSSR, wäre eine Arbeiter- und Bauerndemokratie kaum möglich gewesen. Die DDR hatte nach dem 3. Reich gar keine Chance, eine Demokratie zu entwickeln.



In der Summe ist es wohl schwierig, eine Situation zu beschreiben, die eine Diktatur befördert. Ich halte es daher für gefährlich, sich in Sicherheit zu wiegen.

Zu glauben, der Mensch hätte aus seiner Vergangenheit gelernt, geht völlig fehl. Der Mensch wird immer der Gleiche bleiben.

Zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit mögen dies illustrieren:
Als das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre heraufgesetzt wurde - und das trotz einem Arbeitslosenheer, das in die Millionen ging -, gab es wohl 10000 Menschen, die in Berlin demonstrierten. Um die Fußballnationalmanschaft als Vizeweltmeister zu empfangen kam 1 Million.

Die Proteste gegen das Zwischenlager in Gorleben hielten sich in Grenzen, waren in der Summe auf die Grünen und die Betroffenen reduziert. Den Rest hat es nicht interessiert, es betraf sie ja nicht. Plötzlich, nach Fokushima die Wende! Plötzlich war das Problem im Wohnzimmer! (Im Grunde auch ein Beleg dafür, was Medien vermögen können!)

Fukushima ist kein Medienprodukt. Es kann in Deutschland als letztes Argument vielleicht deshalb den Wandel einleiten, weil die Auseinandersetzung mit der Atomkraft hier eine lange Tradition hat.

Ich würde gerne andere nicht tagespolitische Beispiele finden, die eure pessimistische These stützen.
Irgendwo auf der Welt ist doch bestimmt eine junge hoffnungsvolle Demokratie durch schwierige äußere Umstände auf die schiefe Bahn geraten. Militärputsche wie in Chile oder vielen afrikanischen Ländern zählen natürlich nicht.


Die Rhetorik gleicht sich. Bei Hitler wurden die Juden, die Kommunisten ... als die Schuldigen benannt, heute sind es die Terroristen. Und der entscheidene Punkt: Die Rhetorik bedient ein Urinstinkt des Menschen: die Angst! Die Angst, etwas zu verlieren.

Das ist ja richtig und solche Populisten scheint es in jedem europäischen Land zu geben. Ist von 1950 - 2000 in irgendeinem Land ein Teil der Wählerschaft darauf hereingefallen?
 
Zuletzt bearbeitet:
excideuil schrieb:
Zu glauben, der Mensch hätte aus seiner Vergangenheit gelernt, geht völlig fehl. Der Mensch wird immer der Gleiche bleiben.

Zwei Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit mögen dies illustrieren:
Als das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre heraufgesetzt wurde - und das trotz einem Arbeitslosenheer, das in die Millionen ging -, gab es wohl 10000 Menschen, die in Berlin demonstrierten. Um die Fußballnationalmanschaft als Vizeweltmeister zu empfangen kam 1 Million.

Ich teile deine Einschätzung.

Der Katalog ließe sich beliebig fortsetzten. Betrachte, unabhängig davon ob nun richtig oder falsch, nur einmal den Widerstand der Bevölkerung gegen die Nachrüstung der amerikanischen Raketen in den 80zigern auf deutschen Boden.

Oder der schon sehr harte Widerstand gegen den Bau des Atomkraftwerkes in Brokdorf. Das war schon heftig was dort abging.

In Schleswig-Holstein wurde der kostenfreie Schülertransport gestrichen. Aber gleichzeitig sind Milliarden für die HSH Nordbank vorhanden.

Aktuell bezweifel ich, ob eine Bevölkerungsmehrheit hinter dem Kurs der Regierung steht, alles zu tun, das heisst immer neue Milliarden in die Hand zu nehmen, ob den Teuro um fast jeden Preis zu retten.

Und interessiert es die Politik? Wohl eher nicht.
 
Hinweis der Moderatoren

Liebe Mitdiskutanten

Darf ich euch daran erinnern, dass wir folgendes in den Forenregeln stehen haben:

Für Diskussionen über aktuelle politische Themen ist das Geschichtsforum nicht der richtige Platz. Ebensowenig ist das Forum eine Plattform für politische, religiöse und sonstige weltanschauliche Glaubensbekenntnisse.

Also kommt doch bitte wieder auf das eigentliche Thema zurück.

Vielen Dank
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Rat der Volksbeauftragten wäre gut beraten gewesen, in einigen wichtigen Punkten Fakten zu schaffen, anstatt alles einen späteren bzw. der verfassungsgebenden Versammlung zu überlassen. Das demokratische Bewußtsein ehrt die sechs Herren, war aber leider sehr unvorteilhaft für die spätere Entwicklung der Republik.

Woran denkst Du da konkret? Welche Fakten hätte der Rat schaffen sollen?
 
Auch wenn sie alles richtig machen wollten, bei ihrer Abhängigkeit vom großen Bruder UDSSR, wäre eine Arbeiter- und Bauerndemokratie kaum möglich gewesen. Die DDR hatte nach dem 3. Reich gar keine Chance, eine Demokratie zu entwickeln.

Mein Anliegen war, dass die Ursachen/Anzeichen einer Diktatur schwierig zu beschreiben sind, das Beispiel DDR belegt zudem, dass es trotz (vermeintlich) verantwortungsvollem politischen Handeln der Menschen dazu kommen kann.

Grüße
excideuil
 
michaell schrieb:
Woran denkst Du da konkret? Welche Fakten hätte der Rat schaffen sollen?


Personelle Veränderungen in der Justiz, Armee und des sonstigen Verwaltungsapparats. Es wäre m.E. sehr wichtig gewesen, über einen republiktreuen Apparat zu verfügen.

So hat beispielseweise der Staatssekretär des AA, vormaliger Staatssekretär des Reichskolonialamtes, Solf, eine geheime Botschaft an die Westmächte geschickt, in der sie gebeten wurden, eine Erklärung abzugeben, aus der hervorgeht, das bei einen Überhandnemen der radikalen Kräfte mit einer militärischen Intervention zurechnen sei. Der Rat der Volksbeauftragten hatte keine Kenntis von diesem Schritt.

Man hätte sich auch über das Rückgrat des Kaiserreichs Gedanken machen müssen, also über die Armee, die ostpreußischen Großgrundbesitzer und die treuen Anhänger der Monarchie in der Industrie. Möglicherweise durch Veregesellschaftung. Die gesamte Führungselite der Armee bestand aus wilhelminschen Offizieren, die die Reichswehr zu einem Staat im Staate formten.
Jedenfalls wurden hier keine Vorkehrungen für eine gesicherte Zukunft der Demokratie geschaffen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein Anliegen war, dass die Ursachen/Anzeichen einer Diktatur schwierig zu beschreiben sind, das Beispiel DDR belegt zudem, dass es trotz (vermeintlich) verantwortungsvollem politischen Handeln der Menschen dazu kommen kann.

Grüße
excideuil

Schleichende Gefahren, die demokratische Strukturen aushöhlen, kann es auch in Zukunft geben. Darum ist Wachsamkeit anzuraten.

Die Demokratie als Regierungsform hat sich in den letzten 60 Jahren trotzdem robuster gezeigt als es am Ende des 2. Weltkrieges zu erwarten gewesen wäre. Das ist natürlich ein weltweiter Prozeß. Für Deutschland kann man vielleicht doch feststellen, dass bei der Gestaltung der Strukturen aus den Fehlern der WR gelernt wurde. Und die Wähler doch ein bißchen genauer hingeschaut haben, als ihre unerfahrenen Vorfahren von 1929 - 1933.
 
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