"haud procul" und seine Bedeutung bei Tacitus

. Chatten und Marser mussten auf jeden Fall die Lippe-Linie überschreiten, die fest in römischer Hand war. Dieses Argument lässt sich nicht von der Hand weisen. Es wird meiner Ansicht nach nur überbewertet.

MfG

Dar verstehe ich nicht. Marser und Chatten hätten die Lippe-Linie doch östlich umgehen können. Das Argument der Marschreichweite zieht hier nicht, da die durchziehenden Kontingente ihre Vorräte doch bei befreundeten Stämmen hätten ergänzen können, zumal sie mit ihrer eher leichten Bewaffnung ohnehin mehr Proviant schleppen konnten als die Römer. Zur Deckung ihrer Heimat hätten sie ja einige Verbände zurücklassen können.
Woher kommt der Adler der Marser, wenn diese an der Schlacht nicht hätten teilnehmen können ?
Außerdem: von den fünf Legionen am Rhein waren doch 3 schon im Feld, wie hätte auf eine etwaige Bedrohung Varus noch ausreichend reagiert werden können ?
Ich meine, dass man, die Stärke der Römer kennend (=Arminius), durchaus Einiges hätte in Marsch setzen können. Und Arminius wird bei der Teilnahme am panonischen Krieg wohl auch einiges über die Begrenztheit der römischen Streitmacht dazugelernt haben.
 
Und Arminius wird bei der Teilnahme am panonischen Krieg wohl auch einiges über die Begrenztheit der römischen Streitmacht dazugelernt haben.

Wenn er denn am pannonischen Krieg tatsächlich teilgenommen hat. Bei Velleius steht nur, dass er "comes" bei der "militiae nostrae prioris", also bei "unserem vorigen Kriegsdienst" war, wie auch immer das zu verstehen ist. Meist wird das als Teilnahme am pannonischen Krieg interpretiert, aber Sicherheit ist etwas anderes.
 
Wenn er denn am pannonischen Krieg tatsächlich teilgenommen hat. Bei Velleius steht nur, dass er "comes" bei der "militiae nostrae prioris", also bei "unserem vorigen Kriegsdienst" war, wie auch immer das zu verstehen ist. Meist wird das als Teilnahme am pannonischen Krieg interpretiert, aber Sicherheit ist etwas anderes.

Velleius Paterculus, der Blödmann. Der hat sich eindeutig zu früh entschieden zu sterben. Wenn er noch leben würde, hätten wir uns hier einige Beiträge sparen können. =)
Im Ernst, ich mag den.

Was Du sagst stimmt aber. Wobei, ich kann ihn mir aufgrund seiner Jugend (geb. 17 / 18 v. Chr.) als Einheitenführer bei früheren Feldzügen nicht so recht vorstellen.
 
Was Du sagst stimmt aber. Wobei, ich kann ihn mir aufgrund seiner Jugend (geb. 17 / 18 v. Chr.) als Einheitenführer bei früheren Feldzügen nicht so recht vorstellen.

Du meinst Arminius, einen Mann Mitte 20? Das war doch das beste Alter.
Drusus war mit 26 der Oberbefehlshaber der Rheinarmee. Warum sollte also ein Spross aus einem der führenden Häuser der Cherusker mit Mitte 20 nicht der Befehlshaber einer cheruskischen Auxiliareinheit gewesen sein?
 
Wenn er denn am pannonischen Krieg tatsächlich teilgenommen hat. Bei Velleius steht nur, dass er "comes" bei der "militiae nostrae prioris", also bei "unserem vorigen Kriegsdienst" war, wie auch immer das zu verstehen ist. Meist wird das als Teilnahme am pannonischen Krieg interpretiert, aber Sicherheit ist etwas anderes.

Als "Konservativer" unterstütze ich diesen Beitrag uneingeschränkt!
 
Es ist offenbar nicht möglich das Schlachtfeld im "Teutoburger Wald" aufgrund von altrömischen Literaturstellen alleine eindeutig zu bestimmen.
Also führt doch nur eine ganzheitliche Betrachtung weiter:
- Ein Militärexperte müßte sich das infragekommende Gebiet anschauen und sich in die Rolle des Germanicus und des Varus hineinversetzen. Wie würde er mit den damaligen Mitteln vorgehen?
- Eine wesentliche Rolle für das römische Nachschubwesen bildeten flachgängige Schiffe, die große Mengen Nachschub über die Flüsse transportieren konnten.
- Wo befanden sie damals bereits Kastelle und MIlitärlager der Römer entlang welcher Linie, usw.
- Welche Marschleistungen waren für ein Dreilegionenheer mit Troß möglich? Auf welchen Wegen?
- Und so weiter.

Und wenn ein Militärfachmann diese Voraussetzungen beurteilt und diese wiederum mit den spärlichen Angaben eines Tacitus und eines Dio kombiniert oder abgleicht, dann läßt sich das infragekommende Gelände der Niederlage des Varus schon eher eingrenzen.

Die letzte Entscheidung liegt aber bei der Spatenforschung, und nach all dem, was man über Kalkriese lesen kann, gibt es dort offenbar nicht hinreichende Funde, die auf eine große Schlacht hindeuten, sondern eher auf ein Reitereitreffen.

Möglicherweise kommen wir weiter durch die moderne Methode der LASER-Bodenveränderungsbeurteilungsmethode, aber das muß sich in den kommenden Jahren erst noch erweisen.
 
Die letzte Entscheidung liegt aber bei der Spatenforschung, und nach all dem, was man über Kalkriese lesen kann, gibt es dort offenbar nicht hinreichende Funde, die auf eine große Schlacht hindeuten, sondern eher auf ein Reitereitreffen.

Wie kommst du darauf? Nur weil man u.a. Ausrüstungsgegenstände von Reitern fand?
Man fand auch Ausrüstungsgegenstände von Legionären, man fand Luxusgegenstände, jede Menge Geld, Gegenstände und Tierüberreste, die eindeutig einem Tross zuzuweisen sind und sogar Gegenstände, die einer Frau zuzuordnen sind (was aber nicht zwingend bedeuten muss, dass dort auch eine Frau war, obwohl dies ziemlich wahrscheinlich ist). Die Interpretation eines "Reitertreffens" in Kalkriese ist in Anbetracht der Breite des Fundmaterials kaum überzeugend.

Aber hier soll es nicht um die Interpretation von Kalkriese gehen, sondern um die Interpretation von haud procul. Bisher sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass - wenn Tacitus haud procul schreibt - er meist eine geringe Entfernung von bis zu 15 km vor Augen hat, in Einzelfällen aber - gerade jenseits der Reichsgrenzen - auch größere Entfernungen damit meint. Insofern ist Kalkriese unter dem Aspekt des haud procul nicht auszuschließen, wie dies Neubourg vor 120 Jahren in seinen Angriffen auf Mommsen zu beweisen können vermeinte.
 
Hat man schon einmal daran gedacht,

Literatur zu vergleichendem militärischem Vorgehen heranzuziehen?
Spontan fällt mir hierzu das Vordringen neuenglischer und französischer Siedler, später begleitet oder geführt von regulären Truppen des neglischen bzw. des französischen Königs, in das nordamerikanische Waldland ein.
Parallelen:
Flüsse als Hauptbewegungstrasse in weithin unerforschtes Waldland im Nordosten des nordamerikanischen Kontinents.
Eingeborene, die sich sehr gut in ihrer Gegend auskennen, allerdings gegenüber den regulären franz. und engl. Truppen waffenmäßig unterlegen waren, allerdings auch nicht zu gemeinsam kordinierten guerillaähnlichen Abwehraktionen gegen die weißen Siedler, Trapper und Linientruppen in der Lage waren.
Das Anlegen von Forts dürfte unter militärischen Gesichtspunkten in etwa dem Anlegen von römischen Kastellen in Germanien entsprochen haben.
Daß die Indianer keinen "Arminius" hervorgebracht haben wie damals die germanischen Stämme, bleibe hier unberücksichtigt.
Strafexpeditionen der europäischen Militärs gegen indianische Siedlungen und Dorfgemeinschaften dürften auch weitgehend dem römischen Vorgehen entsprochen haben, nur daß letztere abgefeimte Sklavenjäger waren, die einen fortwährenden Bedarf an Sklaven aus dem von ihnen unterworfenen Gebieten hatten.
 
Angesichts dieser Überlegungen - wobei mir auf Anhieb mindestens zwei Persönlichkeiten einfielen, die erfolgreich gegen die US-Soldaten kämpften und vor der Unanbhängigkeit wird es andere gegeben haben, Cochise und Sitting Bull - frage ich mich, ob dir das uns heutigen Lesern von Tacitus gestellte haud procul-Problem wirklich klar geworden ist, bzw. was es in diesem Zusammenhang mit den beiden Flüssen auf sich hat.
Ja, insbesondere die Lippe war ein Aufmarschweg, an dem viele Lager errichtet waren. Ja, in dem speziellen Fall der Rachefeldzüge des Germanicus wurde auch die Ems als Aufmarschweg benutzt, was allerdings offenbar nicht der Regelfall war, was man u.a. daran sieht, dass die Römer mit den Gezeiten im Wattenmeer keine Erfahrung hatten. Aber was hat das mit dem haud procul-Problem zu tun?
 
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