Historizität Jesu von Nazareth

Woran liegt es eigentlich, dass sich die Gelehrten so uneins sind, ob es einen jüdischen Wanderprediger namens Jesus von Nazareth, auf den sich das frühe Christentum gegründet hat, tatsächlich gegeben hat oder ob es solch eine historische Persönlichkeit nicht gegeben hat?

a) Liegt das daran, dass die Quellenlage objektiv betrachtet einfach beide Antwortmöglichkeiten voll und ganz zulässt und keine der beiden bevorzugt?
b) Oder liegen der Diskussion zu sehr weltanschauliche Motivationen zugrunde, die einen Konsens verhindern?
c) Oder ist es die Mischung aus a) und b)?
d) Oder liegt es an etwas ganz anderem?
ich tendiere zu a)
b) reimt sich nicht mit der Gewissenhaftigkeit des Vorgehens
c) geht in dieselbe Richtung wie b)
d) sprengt meine naive Vorstellungskraft :)

Wobei ich zu a) meine, dass die Quellenlage zu dünn, zu spärlich ist - im Vergleich mit anderen Zeitgenossen wie Tiberius, an dessen Existenz vermutlich keine Zweifel bestehen.
 
Es liegen wohl in erster Linie weltanschauliche Motive dahinter, die erstens die Erkenntnis verweigern, dass es sich bei den Evangelien um eine eigenständige Quellengattung handelt (und eben nicht um Biographien!) und zweitens, dass man die Evangelien nicht so behandelt wie jede andere Quelle auch und an sie Anforderungen stellt, die man an keine andere Quelle stellen würde. Zumindest letzteres ist weltanschaulich bedingt.
Es ist bei der Quellenlage schlicht irrational an der Existenz des Menschen Jesus zu zweifeln.
 
Es ist bei der Quellenlage schlicht irrational an der Existenz des Menschen Jesus zu zweifeln.
es gibt eine irgendwie bestürzende Erzählung von Andre Gide: irgendwann, quasi in seiner Pensionierungszeit, wird Pilatus gefragt, ob er sich an den Wanderprediger Jesus erinnere - Pilatus erinnert sich nicht (findet sich z.B. im sehr lesenswerten "Lesebuch" von Karl-Josef Kuschel)

Ich weiß, das ist keine Quelle und auch keine historische Wissenschaft, sondern "nur" schöngeistige Literatur - aber irgendwie ist die Position dieser Erzählung faszinierend. Pilatus als hoher römischer Beamter, als administrativer und politischer Karrierist, und er kann sich in seinem wohlverdienten senatorischen Ruhestand nicht an einen Wanderprediger namens Jesus erinnern - also Jesus als Bagatelle, welche der römischen Administration gar nicht weiter aufgefallen war.

Und da stellt sich die Frage: geben die Quellen mehr her als nur eine Bagatelle? Und daran schließen sich andere Fragen an: wie viele namentlich bekannte, eindeutig überlieferte Wanderprediger (und ähnliches "fahrendes Volk") haben wir aus der römischen Antike? Klar, wir haben infolge von Kenotaphen etc. mal hier einen Weinhändler, mal da einen Offizier (und ich mache da keine Späße: die spärlichen Notizen über das "normale Leben", die sich in solchen Hinterlassenschaften finden, sind berührend!) -- die Frage aber ist: warum sollte ausgerechnet dieser eine antike Wanderprediger, dieser eine von vermutlich sehr vielen, umfangreich überliefert sein?

Wir haben wenig genug aus dem Leben des einfachen Volks: weder antike noch mittelalterliche Quellen geben da umfangreich Auskunft - hingegen über Senatoren, Kriegsherren, Könige und Kaiser haben wir einiges. Aber wie viel "fahrendes Volk" der Antike ist uns eindeutig, namentlich, individuell überliefert? Und da setzt dann, gemessen an der Wahrscheinlichkeit, ein gewisses Staunen ein: ausgerechnet jener Wanderprediger, aus dem man später einen Religionsstifter konstruierte (um´s mal so zu nennen), ausgerechnet der ist überliefert? Ja grenzt das nicht geradezu an ein Wunder? ...und schon kommen wir in den ideologischen und in den religiösen Bereich...

wie dem auch sei: die Erzählung von Gide regt zum nachdenken an
 
Überliefert wurde er ja von seinen eigenen Anhängern und alle anderen berufen sich mehr oder weniger auf ihn.

Warum diese Anhänger nach dem Tot ihres Meisters auf die Idee kamen, er sei Auferstanden von den Toten ist jetzt Million Dollar Frage. Ich bin kein Psychologe um Hypothesen zu erstellen warum und wahrscheinlich ist auch eine Diagnose nach 2000 unmöglich.
 
Es liegen wohl in erster Linie weltanschauliche Motive dahinter, die erstens die Erkenntnis verweigern, dass es sich bei den Evangelien um eine eigenständige Quellengattung handelt (und eben nicht um Biographien!) und zweitens, dass man die Evangelien nicht so behandelt wie jede andere Quelle auch und an sie Anforderungen stellt, die man an keine andere Quelle stellen würde. Zumindest letzteres ist weltanschaulich bedingt.
Es ist bei der Quellenlage schlicht irrational an der Existenz des Menschen Jesus zu zweifeln.

Das sehe ich genauso, und ich empfinde es ehrlich gesagt nicht nur in diesem, sondern auch in anderen Threads als ärgerlich und irritierend mit welcher Behäbigkeit "den Gelehrten", "der Geschichtsschreibung" oder anderen Diskutanten unterschwellig oder offen unterstellt wird, sie hätten ein ideologisches Brett vor dem Kopf und die weltanschauliche Beschränktheit und ideologische Positionierung hindere einen daran, einzugestehen, was offensichtlich ist: Genaues weiß man man nicht, das was man weiß, ist von "der Kirche" gefälscht und konstruiert und daher unglaubwürdig.

Es stimmt, Jesus war einer von vielen Wanderpredigern, seine Tätigkeit war möglicherweise relativ kurz, es sind keine persönlichen Schriften von ihm überliefert, und er wurde nach einer Wirkungsdauer von vielleicht nicht viel mehr als einem oder wenigen Jahren von Pontius Pilatus gekreuzigt. Von seiner Existenz hat die römische Welt kaum Notiz genommen.

Er hatte aber Anhänger, die ihn persönlich kannten, und relativ kurze Zeit nach seinem Tod existierten Gemeinden in Palästina, Kleinasien und Griechenland. Ein gewisser Paulus unternahm Missionsreisen, und beim 1. Großen Brand Roms 64 waren die Anhänger dieses Wanderpredigers nicht nur so zahlreich, dass Rom Notiz von ihnen nahm, sondern bedeutsam genug, dass man ihnen den Brand in die Schuhe schieben konnte. Die Schüler und Anhänger riskierten, auf sehr unerfreuliche Árt ums Leben gebracht zu werden, was kaum der Fall gewesen wäre, hätten sie sich diesen Jesus von Nazareth selbst ausgedacht und konstruiert.


Neutrale zeitnahe nichtchristliche Quellenbelege sind relativ spärlich. Außer Tacitus und der etwas undurchsichtigen Chrestusgeschichte bei Sueton, gibt es nur eine möglicherweise christlich kontaminierte Stelle bei Flavius Josephus. Aus schriftlichen Quellen wie dem NT, archäologischen Zeugnissen und Erkenntnissen der Judaistik ist das was an FAKTEN über die historische Person Jesus von Nazaret bekannt ist wesentlich mehr, als man über Arminius weiß, dessen Existenz nicht bestritten wird.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das sind ja beileibe nicht alles Spinner. Viele von ihnen werden der Frage nach dem historischen Jesus langjährig und gewissenhaft unter historischen Gesichtspunkten nachgegangen sein.
Das hat ja noch nicht viel zu sagen.
Andere ehrbare Gelehrte haben viel Zeit und Akribie darauf verwendet, um z. B. 2000 Jahre ägyptische Geschichte oder z. B. Karl den Großen für fiktiv zu erklären.

Woran liegt es eigentlich, dass sich die Gelehrten so uneins sind, ob es einen jüdischen Wanderprediger namens Jesus von Nazareth, auf den sich das frühe Christentum gegründet hat, tatsächlich gegeben hat oder ob es solch eine historische Persönlichkeit nicht gegeben hat?
"So uneins" ist vielleicht übertrieben. Dass das Christentum auf einen jüdischen Wanderprediger namens Jesus zurückgeht, wird von den allermeisten Historikern akzeptiert.


Auffällig uneins sind sich eher die Jesus-Mythos-Befürworter:
- Laut Earl Doherty geht Jesus auf ein philosophisches Konzept zurück, das den griechischen "Logos" mit der jüdischen "Weisheit" vereinigt.
- Laut John M. Allegro ist Jesus auf den Fliegenpilz zurückzuführen, um dessen Rauschgift sich ein Kult gebildet habe.
Kein Witz!
- Laut Alvar Ellegård hätte der "historische" Jesus hundert Jahre früher gelebt und sei mit dem "Lehrer der Gerechtigkeit" der Qumran-Schriftrollen identisch. Dieser sei Paulus in Visionen erschienen. Die späteren Evangelienschreiber hätten Paulus' Visionen für bare Münze genommen und deswegen den historischen Jesus in die Zeit von Pontius Pilatus verlegt.
- Laut Thomas L. Brodie ist Jesus eine literarische Figur. Kreative Plagiatoren hätten die Elia-Erzählung und andere alttestamentliche Geschichten verwurstet.

 
es gibt eine irgendwie bestürzende Erzählung von Andre Gide: irgendwann, quasi in seiner Pensionierungszeit, wird Pilatus gefragt, ob er sich an den Wanderprediger Jesus erinnere - Pilatus erinnert sich nicht (findet sich z.B. im sehr lesenswerten "Lesebuch" von Karl-Josef Kuschel)

Ich weiß, das ist keine Quelle und auch keine historische Wissenschaft, sondern "nur" schöngeistige Literatur - aber irgendwie ist die Position dieser Erzählung faszinierend. Pilatus als hoher römischer Beamter, als administrativer und politischer Karrierist, und er kann sich in seinem wohlverdienten senatorischen Ruhestand nicht an einen Wanderprediger namens Jesus erinnern - also Jesus als Bagatelle, welche der römischen Administration gar nicht weiter aufgefallen war.

Und da stellt sich die Frage: geben die Quellen mehr her als nur eine Bagatelle? Und daran schließen sich andere Fragen an: wie viele namentlich bekannte, eindeutig überlieferte Wanderprediger (und ähnliches "fahrendes Volk") haben wir aus der römischen Antike? Klar, wir haben infolge von Kenotaphen etc. mal hier einen Weinhändler, mal da einen Offizier (und ich mache da keine Späße: die spärlichen Notizen über das "normale Leben", die sich in solchen Hinterlassenschaften finden, sind berührend!) -- die Frage aber ist: warum sollte ausgerechnet dieser eine antike Wanderprediger, dieser eine von vermutlich sehr vielen, umfangreich überliefert sein?

Wir haben wenig genug aus dem Leben des einfachen Volks: weder antike noch mittelalterliche Quellen geben da umfangreich Auskunft - hingegen über Senatoren, Kriegsherren, Könige und Kaiser haben wir einiges. Aber wie viel "fahrendes Volk" der Antike ist uns eindeutig, namentlich, individuell überliefert? Und da setzt dann, gemessen an der Wahrscheinlichkeit, ein gewisses Staunen ein: ausgerechnet jener Wanderprediger, aus dem man später einen Religionsstifter konstruierte (um´s mal so zu nennen), ausgerechnet der ist überliefert? Ja grenzt das nicht geradezu an ein Wunder? ...und schon kommen wir in den ideologischen und in den religiösen Bereich...

wie dem auch sei: die Erzählung von Gide regt zum nachdenken an


Andre Gide mag zum Nachdenken anregen, zur historischen Persönlichkeit Jesus von Nazareth, kann er aber nicht viel beitragen.
Wieviel man auf das Erinnerungsvermögen von Politikern geben kann, ist eine ganz andere Frage. Deine aber greife ich gerne auf, zumal sie literarisch ist: "Warum ausgerechnet der?"

Ich halte es für wahrscheinlich, dass sich Pilatus an Jesus schon erinnern konnte, mochte es auch in Judäa noch mehr Messiaskandidaten gab, als bei Monty Pythons "Life of Brian". Pilatus (epigraphisch gesichert als Präfekt von Judäa) saß gemütlich in Caesarea maritima, kassierte Bestechungsgelder, konnte sich dort Gladiatorenkämpfe und Wagenrennen ansehen und schob eine ruhige Kugel.

Dann musste er auf Dienstreise: Konferenz mit Herodes Antipas in Jerusalem. Nach Jerusalem? Das war keine "Reise nach Jerusalem". Dort wimmelte es von Terroristen, Zeloten, Priestern und gläubigen Juden. Ständig gab´s da Ärger, Zoff und Zores, und all diese Gläubigen, Andenkenläden, Wechselstuben. "Die spinnen die Juden", dachte sich Pontius Pilatus , sie haben keine eigene Währung, überall im Land rollt der Denar, in Jerusalem aber gibt es Spielgeld, tyrische Schekel, rituell reines Geld für den einzigen Gott, bzw. für den Kauf von Tauben und Lämmern, die geopfert werden. In Jerusalem Attentäter, Aufrührer in Menge, rauhes Bergklima und dann noch ein Arbeitsessen mit Herodes dem Kleinen Antipatros.

Pilatus muss von seiner bequemen Residenz Caesarea nach Jerusalem reisen, stressig, stressig, und dann belästigen die Juden einen noch Bagatellen und Petitessen. Religiöse Streitereien, die Stadt steht permanent am Rande des Aufruhrs, und wegen einem Feiertag, keine Ahnung was die feiern, Passah oder Pessach, halten sich doppelt soviele Leute in der Stadt auf, die sica vermutlich schon geschliffen und den Dolch im Gewande griffbereit. Mit Sorgen um die Provinz belastet, belästigt Pontius Pilatus jetzt noch das Sanhedrion mit irgendwelchen religiösen Disputen. Oh ihr Götter, schon wieder ein Messiaskandidat!
Wie hieß der doch gleich? Jeschua Ben Josef aus Dingsda...sagdochmal? Angeklagt wegen Gotteslästerung, Erregen öffentlichen Ärgernisses, dringend des Terrorismus verdächtigt. Hat im größten Heiligtum randaliert und Geldwechsler angegriffen. Wer Banken angreift, ist zu allem fähig.
Kleiner Dienstweg ausgeschlossen, Schauprozess erforderlich um Judäa zu befrieden, denkt sich Pilatus. Leider aber ist 1 Amnestie fällig wegen des Pessachfestes. Zur Wahl stehen Jeschuah Ben Josef, Beruf Wanderprediger, gelernter Bauhandwerker und Jeschuah Barrabas, gelernter Bandit.
 
Erst mal danke an Euch Fünf für Eure Einschätzungen bezüglich meiner Frage.
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[...] die Frage aber ist: warum sollte ausgerechnet dieser eine antike Wanderprediger, dieser eine von vermutlich sehr vielen, umfangreich überliefert sein?
[...] ausgerechnet jener Wanderprediger, aus dem man später einen Religionsstifter konstruierte (um´s mal so zu nennen), ausgerechnet der ist überliefert?
Ich finde bezüglich dieser Frage Zockis Hinweis auf den Glauben an die Auferstehung Jesu nicht verkehrt. Mir scheint, als wären die zeitgenössischen Anhänger jenes bestimmten Wanderpredigers tatsächlich davon überzeugt gewesen, dass er von den Toten auferstanden ist (mal ganz unabhängig davon, was man mit der Erzählungen von der Auferstehung Jesu unter historischer Fragestellung angefangen kann). Wenn sie davon wirklich überzeugt waren, ist verständlich, dass ausgerechnet dieser eine Wanderprediger eine ganz andere Wirkungsgeschichte und Überlieferung nach sich zog als die ganzen anderen jüdischen Wanderprediger jener Zeit, die irgendwo im Grab ruhten und bald auch von ihren einstigen Anhängern vergessen waren.
Zum zweiten finden wir ja auch zu verschiedenen Rabbinen reiche Überlieferungen (allerdings zugegeben mehr zu ihren Lehren und Aussprüchen, weniger zu ihrem Leben), mittels deren ihre Schüler und Schul-Anhänger zwangsläufig auch das Andenken an diese Rabbinen hochhielten. So isoliert steht die Überlieferung zum Rabbi Jesus vielleicht im Judentum jener Zeit gar nicht da.
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Aus schriftlichen Quellen wie dem NT, archäologischen Zeugnissen und Erkenntnissen der Judaistik ist das was an FAKTEN über die historische Person Jesus von Nazaret bekannt ist [...]
Was gibt es denn für archäologische Zeugnisse und Erkenntnisse der Judaistik, die tatsächlich Fakten zur histor. Person Jesus selbst liefern (und nicht nur zur frühen Christenbewegung oder zur neutestamentl. Zeitgeschichte)?
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"So uneins" ist vielleicht übertrieben. Dass das Christentum auf einen jüdischen Wanderprediger namens Jesus zurückgeht, wird von den allermeisten Historikern akzeptiert.

Es ist bei der Quellenlage schlicht irrational an der Existenz des Menschen Jesus zu zweifeln.

Könnte man Eurer Einschätzung nach sagen, dass die Vertreter des "Jesus Mythos" im Großen und Ganzen wissenschaftliche Aussenseiter sind?
 
Könnte man Eurer Einschätzung nach sagen, dass die Vertreter des "Jesus Mythos" im Großen und Ganzen wissenschaftliche Aussenseiter sind?

Ob es sich grundsätzlich um wissenschaftliche Außenseiter handelt, darüber will ich mir kein Urteil anmaßen (allenfalls bei dem Fliegenpilztypen, John Allegro), man kann ja durchaus für einige Arbeiten zu Recht ein positives peer review erhalten und trotzdem anderswo unwissenschaftlich arbeiten. Ihr ideologisches Interesse, ganz besonders deutlich bei Carrier, der sozusagen die Infidels darstellt, ist aber eine denkbar schlechte Grundlage für einen wissenschaftlichen Diskurs. Ich glaube hier liegt auch der Grundedanke: Um zu beweisen, dass die christliche Religion falsch sei - die Argumentation ist eben nicht wirklich historisch/geschichtswissenschaftlich motiviert -, verleugnet man die Existenz der Person, auf der die christliche Religion aufbaut. Dabei ist die Existenz dieser Person in der Umkehr überhaupt nicht geeignet, die Richtigkeit dieser Religion zu beweisen.
 
Ich glaube hier liegt auch der Grundedanke: Um zu beweisen, dass die christliche Religion falsch sei - die Argumentation ist eben nicht wirklich historisch/geschichtswissenschaftlich motiviert -, verleugnet man die Existenz der Person, auf der die christliche Religion aufbaut.
das wäre die eine Sorte von Motivation
eine gegenteilige könnte umgekehrt er hat existiert, ergo ist die christl. Religion die einzig wahre vorbringen

ich sehe, du hast die gegenteilige schon vorweg genommen:
Dabei ist die Existenz dieser Person in der Umkehr überhaupt nicht geeignet, die Richtigkeit dieser Religion zu beweisen.
ob sich dieser vernünftige Gedanke wirklich durchsetzt?
 
Und da stellt sich die Frage: geben die Quellen mehr her als nur eine Bagatelle? Und daran schließen sich andere Fragen an: wie viele namentlich bekannte, eindeutig überlieferte Wanderprediger (und ähnliches "fahrendes Volk") haben wir aus der römischen Antike? Klar, wir haben infolge von Kenotaphen etc. mal hier einen Weinhändler, mal da einen Offizier (und ich mache da keine Späße: die spärlichen Notizen über das "normale Leben", die sich in solchen Hinterlassenschaften finden, sind berührend!) -- die Frage aber ist: warum sollte ausgerechnet dieser eine antike Wanderprediger, dieser eine von vermutlich sehr vielen, umfangreich überliefert sein?

Wir haben wenig genug aus dem Leben des einfachen Volks: weder antike noch mittelalterliche Quellen geben da umfangreich Auskunft - hingegen über Senatoren, Kriegsherren, Könige und Kaiser haben wir einiges. Aber wie viel "fahrendes Volk" der Antike ist uns eindeutig, namentlich, individuell überliefert? Und da setzt dann, gemessen an der Wahrscheinlichkeit, ein gewisses Staunen ein: ausgerechnet jener Wanderprediger, aus dem man später einen Religionsstifter konstruierte (um´s mal so zu nennen), ausgerechnet der ist überliefert? Ja grenzt das nicht geradezu an ein Wunder? ...und schon kommen wir in den ideologischen und in den religiösen Bereich...

wie dem auch sei: die Erzählung von Gide regt zum nachdenken an

Jesus hat keine Schriften hinterlassen, einige Historiker vermuten, dass seine Tätigkeit als Prediger wenig länger dauerte, als etwa ein Jahr, und sein Wirken beschränkte sich im Wesentlichen auf Galiläa und die Gegend um den See Genezareth.
Vermutlich hatte er nicht die Absicht, eine neue Religion zu gründen, laut den Evangelien sagte er aus, er sei nicht gekommen, das (mosaische) Gesetz aufzuheben, sondern zu erfüllen. Von seinem Leben und Tod, hat die Welt kaum Notiz genommen, und hätten sich seine Anhänger nach der Kreuzigung in alle Winde zerstreut, wäre es tatsächlich eine Episode, eine Bagatelle geblieben.

Das war aber nicht der Fall, seine Schüler und Anhänger sammelten seine Lehren, missionierten und riskierten dafür Verfolgung und Tod. Bereits 1-2 Generationen nach seinem Tod nahm man auch in Rom, im Zentrum des Imperiums, nicht nur Notiz vom Christentum, sondern musste sich damit auseinandersetzen. Der jüngere Plinius d. J. hielt es anscheinend für wichtig genug, seinen Chef Trajan um Rat zu fragen wie er mit bithynischen Christen verfahren solle.


Die Exekution eines als Aufrührers hingerichteten galiläischen Wanderpredigers war aus Sicht der römischen Eliten sicher eine Bagatelle, von daher ist auch kaum zu erwarten, dass darüber viel berichtet wurde. Das NT ist abgesehen von fragmentarischen Erwähnungen bei Tacitus, Sueton, Plinius dem Jüngeren und einer vielleicht christlich polierten Stelle bei Josephus Flavius die wichtigste historische Quelle für das Leben Jesu. Die Evangelien, die Apg und die echten Paulusbriefe, ergänzt durch Erkenntnisse der Alten Geschichte, Altphilologie, Judaistik und Archäologie enthalten ausreichend neutrale Details, dass man daraus einiges zur Person Jesus von Nazareth eruieren kann, und zwar wesentlich mehr, als zu Persönlichkeiten wie Boudicca, Spartacus und Arminius bekannt ist, deren historische Existenz nicht angezweifelt wird.


El Quichote hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich um eine besondere Quellengattung handelt, die vernünftigerweise nicht 1:1 wörtlich genommen werden kann. Ich wiederhole seine Frage, weshalb man diese Quellen nicht behandelt wie andere historische Quellen auch.

Dass ein Wanderprediger aus Galiläa zum Stifter einer neuen Religion wurde, deren bedeutendste Filiale sich heute noch in Rom befindet und eine jüdische Sekte zur Testamentsvollstreckerin des Imperiums Romanums wurde, ist erstaunlich, und man möchte sich wundern darüber, mit Wundern aber hat das wenig zu tun, auch wenn das Christentum Wunder reklamierte.

Aus Andre´ Gides Aphorismus wird auch umgekehrt ein Schuh. Wer wüsste heute etwas von Pontius Pilatus, hätte er nicht Jesus kreuzigen lassen. Die evangelien exculpieren ihn, und in der armenischen und koptischen Kirche ist er sogar zum Heiligen avanciert. Er der, will man Josephus Glauben schenken, ein unerfreulicher Zeitgenosse war. Ich glaube, Josephus nennt ihn einen gierigen Schwamm gewesen, lüstern nach Blut und Geld. Er wäre bestenfalls eine Fußnote im Inschriftenverzeichnis der Epigraphik geworden, denn der Fund der Inschrift, in der er als Präfekt von Judäa bezeichnet wird, ist noch nicht so sehr lange her.

Das hat auch mit Ideologie und weltanschaulicher Ausrichtung nichts zu tun. Die Historizität Jesus von Nazareth ist Communis Opinio der überwältigenden Mehrheit aller seriösen Historiker.

Das ist jetzt unfair, das ich alleine deinen Beitrag zitiere, da das Zitat nicht von dir ist, aber Aussagen "die Gelehrten sind sich uneins über die Historizität Jesus von Nazaret". "das können nicht alles Spinner sein",
sind, Verzeihung, Quatsch.

Wenn jemand schlau genug ist, einen Verlag für seine Hypothesen und Verschwörungstheorien zu finden, ist das kein Qualitätssiegel.
 
das wäre die eine Sorte von Motivation
eine gegenteilige könnte umgekehrt er hat existiert, ergo ist die christl. Religion die einzig wahre vorbringen

Eben genau das funktioniert ja nicht. Die Existenz des Protagonisten der Evangelien Jeschua Ben/Bar Mariam ist kein Beweis für die Richtigkeit einer Religion. Das wäre dann aber auch keine historische sondern eine theologische Frage.
 
Ob es sich grundsätzlich um wissenschaftliche Außenseiter handelt, darüber will ich mir kein Urteil anmaßen (allenfalls bei dem Fliegenpilztypen, John Allegro), man kann ja durchaus für einige Arbeiten zu Recht ein positives peer review erhalten und trotzdem anderswo unwissenschaftlich arbeiten.
Auch Allegro hat ursprünglich ganz professionell an der Erforschung der Qumran-Schriften gearbeitet.
Dann hat er allerdings seinen Ruf ruiniert, spätestens mit dem Fliegenpilz-Buch.
 
Eben genau das funktioniert ja nicht. Die Existenz des Protagonisten der Evangelien Jeschua Ben/Bar Mariam ist kein Beweis für die Richtigkeit einer Religion.
aber lässt sich denn eine strikte Trennung zwischen nachgewiesener Existenz des Protagonisten und von ihm, der realen Person abgelöst, der auf ihn als Messias gegründeten (späteren) Religion überzeugend darstellen?
 
eine gegenteilige könnte umgekehrt er hat existiert, ergo ist die christl. Religion die einzig wahre vorbringen

Ich habe schon viele absurde Argumentationen gelesen, aber die wäre mir neu.

Hat irgendjemand jemals versucht, so zu argumentieren?

z. B. "Karl Marx hat existiert, also ist der Marxismus die einzig wahre Lehre"?
 
[...] aber Aussagen "die Gelehrten sind sich uneins über die Historizität Jesus von Nazaret". "das können nicht alles Spinner sein",
sind, Verzeihung, Quatsch.

Wenn Dich dieser Quatsch zur Abfassung Deiner ausgezeichneten Beiträge gereizt hat, war er es allemal wert, dass ich ihn formuliert habe.:winke:
 
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Was gibt es denn für archäologische Zeugnisse und Erkenntnisse der Judaistik, die tatsächlich Fakten zur histor. Person Jesus selbst liefern (und nicht nur zur frühen Christenbewegung oder zur neutestamentl. Zeitgeschichte)?
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Könnte man Eurer Einschätzung nach sagen, dass die Vertreter des "Jesus Mythos" im Großen und Ganzen wissenschaftliche Aussenseiter sind?

Ad 1) Ich dachte dabei zuerst an die Qumran Rollen und die archäologischen Ausgrabungen in Kafernaum. http://de.wikipedia.org/wiki/kafernaum
 
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