Und da stellt sich die Frage: geben die Quellen mehr her als nur eine Bagatelle? Und daran schließen sich andere Fragen an: wie viele namentlich bekannte, eindeutig überlieferte Wanderprediger (und ähnliches "fahrendes Volk") haben wir aus der römischen Antike? Klar, wir haben infolge von Kenotaphen etc. mal hier einen Weinhändler, mal da einen Offizier (und ich mache da keine Späße: die spärlichen Notizen über das "normale Leben", die sich in solchen Hinterlassenschaften finden, sind berührend!) -- die Frage aber ist: warum sollte ausgerechnet dieser eine antike Wanderprediger, dieser eine von vermutlich sehr vielen, umfangreich überliefert sein?
Wir haben wenig genug aus dem Leben des einfachen Volks: weder antike noch mittelalterliche Quellen geben da umfangreich Auskunft - hingegen über Senatoren, Kriegsherren, Könige und Kaiser haben wir einiges. Aber wie viel "fahrendes Volk" der Antike ist uns eindeutig, namentlich, individuell überliefert? Und da setzt dann, gemessen an der Wahrscheinlichkeit, ein gewisses Staunen ein: ausgerechnet jener Wanderprediger, aus dem man später einen Religionsstifter konstruierte (um´s mal so zu nennen), ausgerechnet der ist überliefert? Ja grenzt das nicht geradezu an ein Wunder? ...und schon kommen wir in den ideologischen und in den religiösen Bereich...
wie dem auch sei: die Erzählung von Gide regt zum nachdenken an
Jesus hat keine Schriften hinterlassen, einige Historiker vermuten, dass seine Tätigkeit als Prediger wenig länger dauerte, als etwa ein Jahr, und sein Wirken beschränkte sich im Wesentlichen auf Galiläa und die Gegend um den See Genezareth.
Vermutlich hatte er nicht die Absicht, eine neue Religion zu gründen, laut den Evangelien sagte er aus, er sei nicht gekommen, das (mosaische) Gesetz aufzuheben, sondern zu erfüllen. Von seinem Leben und Tod, hat die Welt kaum Notiz genommen, und hätten sich seine Anhänger nach der Kreuzigung in alle Winde zerstreut, wäre es tatsächlich eine Episode, eine Bagatelle geblieben.
Das war aber nicht der Fall, seine Schüler und Anhänger sammelten seine Lehren, missionierten und riskierten dafür Verfolgung und Tod. Bereits 1-2 Generationen nach seinem Tod nahm man auch in Rom, im Zentrum des Imperiums, nicht nur Notiz vom Christentum, sondern musste sich damit auseinandersetzen. Der jüngere Plinius d. J. hielt es anscheinend für wichtig genug, seinen Chef Trajan um Rat zu fragen wie er mit bithynischen Christen verfahren solle.
Die Exekution eines als Aufrührers hingerichteten galiläischen Wanderpredigers war aus Sicht der römischen Eliten sicher eine Bagatelle, von daher ist auch kaum zu erwarten, dass darüber viel berichtet wurde. Das NT ist abgesehen von fragmentarischen Erwähnungen bei Tacitus, Sueton, Plinius dem Jüngeren und einer vielleicht christlich polierten Stelle bei Josephus Flavius die wichtigste historische Quelle für das Leben Jesu. Die Evangelien, die Apg und die echten Paulusbriefe, ergänzt durch Erkenntnisse der Alten Geschichte, Altphilologie, Judaistik und Archäologie enthalten ausreichend neutrale Details, dass man daraus einiges zur Person Jesus von Nazareth eruieren kann, und zwar wesentlich mehr, als zu Persönlichkeiten wie Boudicca, Spartacus und Arminius bekannt ist, deren historische Existenz nicht angezweifelt wird.
El Quichote hat bereits darauf hingewiesen, dass es sich um eine besondere Quellengattung handelt, die vernünftigerweise nicht 1:1 wörtlich genommen werden kann. Ich wiederhole seine Frage, weshalb man diese Quellen nicht behandelt wie andere historische Quellen auch.
Dass ein Wanderprediger aus Galiläa zum Stifter einer neuen Religion wurde, deren bedeutendste Filiale sich heute noch in Rom befindet und eine jüdische Sekte zur Testamentsvollstreckerin des Imperiums Romanums wurde, ist erstaunlich, und man möchte sich wundern darüber, mit Wundern aber hat das wenig zu tun, auch wenn das Christentum Wunder reklamierte.
Aus Andre´ Gides Aphorismus wird auch umgekehrt ein Schuh. Wer wüsste heute etwas von Pontius Pilatus, hätte er nicht Jesus kreuzigen lassen. Die evangelien exculpieren ihn, und in der armenischen und koptischen Kirche ist er sogar zum Heiligen avanciert. Er der, will man Josephus Glauben schenken, ein unerfreulicher Zeitgenosse war. Ich glaube, Josephus nennt ihn einen gierigen Schwamm gewesen, lüstern nach Blut und Geld. Er wäre bestenfalls eine Fußnote im Inschriftenverzeichnis der Epigraphik geworden, denn der Fund der Inschrift, in der er als Präfekt von Judäa bezeichnet wird, ist noch nicht so sehr lange her.
Das hat auch mit Ideologie und weltanschaulicher Ausrichtung nichts zu tun. Die Historizität Jesus von Nazareth ist Communis Opinio der überwältigenden Mehrheit aller seriösen Historiker.
Das ist jetzt unfair, das ich alleine deinen Beitrag zitiere, da das Zitat nicht von dir ist, aber Aussagen "die Gelehrten sind sich uneins über die Historizität Jesus von Nazaret". "das können nicht alles Spinner sein",
sind, Verzeihung, Quatsch.
Wenn jemand schlau genug ist, einen Verlag für seine Hypothesen und Verschwörungstheorien zu finden, ist das kein Qualitätssiegel.