Johanna von Orleans: "Heilige" oder "Ketzerin"?

Und das hat er glücklicherweise sofort aufgeschrieben, versiegelt und noch bevor die Prophezeiung eintrat an alle wichtigen Fürstenhöfe gemeldet?

Nein, so ist es wohl nicht gewesen! Dies entspräche natürlich auch nicht normal menschlichem Verhalten. Er wird die VORHERSAGE Johannas vermutlich ohne Wertung- oder mit Skepsis - lediglich zur Kenntnis genommen haben. Am Vorabend einer Entscheidungsschlacht gehen einem sicherlich viele Dinge durch den Kopf. Zumal, wenn man selbst mit in die Schlacht ziehen muss.

Aber als die VORHERSAGE eingetreten war mag er ihre BEDEUTUNG erkannt und es vielleicht für seine PFLICHT gehalten haben, sie mitzuteilen.
Letztlich steht und fällt diese Sache natürlich mit der "Glaubwürdigkeit" des Mönches. Aber das mit der "Glaubwürdigkeit" ist ja generell ein Problem bei antiken oder mitteralterlichen Texten.

Ich neige dazu, erst einmal davon auszugehen, dass meist nicht vorsätzlich "gelogen" wurde.
 
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Mir wären ja Vorhersagen lieber, die eindeutig vor einem Ereignis auch festgehalten und publiziert wurden und wo man dann nach dem Ereignis verwundert sagen kann: "Oh, die ist ja tatsächlich eingetreten." Vorhersagen wo Person A im stillen Kämmerlein zu Person B irgendetwas gesagt haben soll und die dann nach dem eingetretenen Ereignis veröffentlicht werden, die fordern Treu und Glauben. Glauben gehört aber, wie schon mein sehr katholischer Physiklehrer immer sagte, nicht in die Wissenschaft, sondern in die Kirche.
Gerade im katholischen Bereich ist aber, was Wundertätigkeit einer Person angeht auch ein weitergehendes Interesse damit verknüpft, nämlich einerseits die Heiligsprechung, die Wundertätigkeit (auch nach dem Tod des Heiligen) voraussetzt, zum anderen knallharte wirtschaftliche Interessen. Ein - auch nach dem Tod noch Wunder wirkender - Heiliger zieht Pilger und Pilger bedeuten für ein Kloster Einnahmen. Die meisten hagiographischen Texte des Mittelalters sind v.a. aus diesem Motiv verfasst worden.
Ich will damit gar nicht in Abrede stellen, dass Jeanne d'Arc eine charismatische Frau war, die aufgrund ihres Charismas und ihres Mutes und wohl auch Sendungsbewusstseins die französischen Truppen motivierte, jedoch sollten wir doch bitte auf dem Boden der Tatsachen bleiben und uns nicht an irgendwelchen Wundergeschichten ergötzen.
 
Mir wären ja Vorhersagen lieber, die eindeutig vor einem Ereignis auch festgehalten und publiziert wurden und wo man dann nach dem Ereignis verwundert sagen kann: "Oh, die ist ja tatsächlich eingetreten." Vorhersagen wo Person A im stillen Kämmerlein zu Person B irgendetwas gesagt haben soll und die dann nach dem eingetretenen Ereignis veröffentlicht werden, die fordern Treu und Glauben. Glauben gehört aber, wie schon mein sehr katholischer Physiklehrer immer sagte, nicht in die Wissenschaft, sondern in die Kirche.
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Das mit dem "stillen Kämmerlein" bezieht sich auf diese eine Prophezeiung. Die anderen waren öffentlich. Im Übrigen war sie selber die "Erfüllung" einer im Volke bestehenden "Prophetie". Ich zitiere aus dem Zeit-online Text (stehen eher nicht im Verdacht eine gläubig-konspirative Quelle zu sein):

"So grandios erscheint sie, so spektakulär ihre Geschichte, dass man sie für eine bloße Sagenheldin halten könnte. Doch sie hat gelebt, und ihre Geschichte ist wahr. Vor genau 600 Jahren, am 6. Januar 1412, kam sie in dem lothringischen Ort Domrémy an der Maas zur Welt. Sie war angekündigt worden: Eine alte Prophezeiung besagte, dass eine Jungfrau aus dem Volke Frankreich retten werde, nachdem eine Königin aus der Fremde es fast zugrunde gerichtet habe. Wer die Königin war, wusste man, denn die spielte ihre unheilvolle Rolle seit 1385. Elisabeth aus dem Hause Wittelsbach, genannt Isabeau de Bavière, Gemahlin König Karls VI. von Frankreich, konspirierte offen mit dem Feind. Vielleicht wurde ihr armer Mann darüber wahnsinnig. Jedenfalls stieg Isabeau an der Seite des geistig umnachteten Monarchen zur Regentin auf und verhandelte mit dem Hause Burgund, das dem englischen König Unterstützung versprach bei seinem Griff nach der französischen Krone. Isabeau ging so weit, den eigenen Sohn und Thronfolger Karl für illegitim zu erklären, um den Weg für den englischen Prätendenten frei zu machen."
 
Im Übrigen war sie selber die "Erfüllung" einer im Volke bestehenden "Prophetie". Ich zitiere aus dem Zeit-online Text (stehen eher nicht im Verdacht eine gläubig-konspirative Quelle zu sein):

"So grandios erscheint sie, so spektakulär ihre Geschichte, dass man sie für eine bloße Sagenheldin halten könnte. Doch sie hat gelebt, und ihre Geschichte ist wahr. Vor genau 600 Jahren, am 6. Januar 1412, kam sie in dem lothringischen Ort Domrémy an der Maas zur Welt. Sie war angekündigt worden: Eine alte Prophezeiung besagte, dass eine Jungfrau aus dem Volke Frankreich retten werde, nachdem eine Königin aus der Fremde es fast zugrunde gerichtet habe. Wer die Königin war, wusste man, denn die spielte ihre unheilvolle Rolle seit 1385. Elisabeth aus dem Hause Wittelsbach, genannt Isabeau de Bavière, Gemahlin König Karls VI. von Frankreich, konspirierte offen mit dem Feind. Vielleicht wurde ihr armer Mann darüber wahnsinnig. Jedenfalls stieg Isabeau an der Seite des geistig umnachteten Monarchen zur Regentin auf und verhandelte mit dem Hause Burgund, das dem englischen König Unterstützung versprach bei seinem Griff nach der französischen Krone. Isabeau ging so weit, den eigenen Sohn und Thronfolger Karl für illegitim zu erklären, um den Weg für den englischen Prätendenten frei zu machen."

Du überstrapazierst hier ein wenig den Zeit-Artikel, der lediglich referiert.
Aber stellen wir doch mal Fragen an den Text: "Eine alte Prophezeiung besagte..."
Das ist schon mal furchtbar unkonkret. Es ist kein Datum genannt und keine Quelle. Woher stammte diese Prophezeiung? Wann ist sie das erste Mal belegt? Wie lautete sie genau?

Oder taucht diese "alte Prophezeiung" etwa nur in den Quellen zu Jeanne auf?! :pfeif:
Auch dies entspräche nämlich durchaus mittelalterlichem Geschichtsdenken: Was alt ist ist edel und gut. Je älter etwas ist, desto ehr- und glaubwürdiger.
 
Du überstrapazierst hier ein wenig den Zeit-Artikel, der lediglich referiert.
Aber stellen wir doch mal Fragen an den Text: "Eine alte Prophezeiung besagte..."
Das ist schon mal furchtbar unkonkret. Es ist kein Datum genannt und keine Quelle. Woher stammte diese Prophezeiung? Wann ist sie das erste Mal belegt? Wie lautete sie genau?

Oder taucht diese "alte Prophezeiung" etwa nur in den Quellen zu Jeanne auf?! :pfeif:
Auch dies entspräche nämlich durchaus mittelalterlichem Geschichtsdenken: Was alt ist ist edel und gut. Je älter etwas ist, desto ehr- und glaubwürdiger.

Ich komme jetzt doch ein wenig an meine "Grenzen". Ich bin kein "Jean d`Àrc"-Experte und insgesamt auch nur ein "geschichtlich- interessierter" Mensch. Also ein Laie :)
Ich frage mich aber gerade, ob dieser "streng-wissenschaftliche" Ansatz, den du anscheinend vertrittst, wirklich auf die Antike oder das Mittelalter angewandt werden kann. Ohne ein gewisses Grundvertrauen in die Richtigkeit und Stimmigkeit und Quellentexten geht es doch eigentlich nicht weiter. Da könnte man ja auch von "De bello Gallico" sagen: "Das Meiste hat er (Caesar) sich schön ausgedacht" oder "Das hat er bestimmt nicht selber geschrieben " usw
 
Man muss an jede Quelle Quellenkritik anbringen. Es gibt die innere und die äußere Q-Kritik. Die äußere Q-Kritik fragt v.a. nach der Überlieferung der Quelle, die innere nach internen Widersprüchen, der Motivation des Verfassers und derlei Dingen. Natürlich stehen Quellen im Idealfall nicht isoliert da, deshalb kann man für die innere Q-Kritik auch andere Quellen heranziehen und überprüfen, ob z.B. von einander unabhängige Quellen dieselben Sachverhalte berichten oder ob zwei Quellen voneinander abhängig sind.
Ziemlich viele mittelalterliche Quellen paraphrasieren z.B. ganze Passagen aus der Vulgata, setzen nur statt der biblischen zeitgenössische Namen ein: Da wird es dann für den Historiker zum Problem, wie viel soll er davon übernehmen?
Auch bei Caesar ist es so, dass er seine Motivation zwar im Dunkeln lässt, diese aber ganz offensichtlich darin liegt die Deutungshoheit über seine Taten an sich zu ziehen und sich in einem besseren Lichte darzustellen, trotz seiner Kompetenzüberschreitungen.
Was der grundsätzliche Unterschied zwischen Caesar und hagiographischen Quellen ist, ist, dass die Berichte Caesars nicht unserem Erfahrungswissen widersprechen. Und das tun nun mal hagiographische Quellen, die mindestens einen, wenn nicht mehr, Wunderberichte beinhalten. Im Mittelalter hat man das geglaubt. Wenn du allerdings heute diesen Quellenberichten Glauben schenken willst, dann ist das eher deine Privatsache. Der Historiker interessiert sich mehr für die Motivation des Geschichtsschreibers, diese aufzuschreiben.
Und wenn du christlichen Wunderberichten Glauben schenkst, weil sie in historischen Quellen aufgeführt sind, dann musst du auch islamischen, buddhistischen und animistischen Wunderberichten Glauben schenken, denn die sind mit denselben Mitteln überliefert, mit einem Schreibstoff und einer Schreibunterlage.
Nun gibt es ja seit dem 15. Jahrhundert eine starke Johannentradition in Orléans. Und richtig, warum hat die Frau überhaupt den Beinamen "von Orléans"? Da stammt sie doch gar nicht her? Nanu... Und da muss man sich dann mal fragen, ob das nicht vielleicht daran liegt, dass die Stadt ein Interesse an Pilgerströmen hatte und daher die Mönche in ihren Klöstern beauftragte von der wunderbaren Befreiung der statt durch die Gottesbotin Johanna zu berichten, das hier also eine Traditionsbildung stattgefunden hat.
 
Über die gute Johanna wird auf franz.Foren so viel gestritten,wie hier über die Schlacht am Teutoburger Wald.
:D:D:D so hat halt jede Nation ihre Eigenheiten: bei muosse au chocolat die Johanna, bei Sauerkraut der Teutoburger Wald

Spaß beiseite: ich kann nichts verwerfliches daran finden, wenn man sich mit wissenschaftlicher Methodik und Akkuratesse mittelalterlichen und antiken Texten, Überlieferungen, Hinterlassenschaften zuwendet - man will doch gerne möglichst etwas über die früheren Zeiten wissen. Und allerlei Wundergeschichten sind Zeugnisse der damaligen Denkweisen, die recht vielfältig sein können, wie ElQ doch am Beispiel der Heiligenverehrung deutlich gezeigt hat.
 
Man muss an jede Quelle Quellenkritik anbringen. Es gibt die innere und die äußere Q-Kritik. Die äußere Q-Kritik fragt v.a. nach der Überlieferung der Quelle, die innere nach internen Widersprüchen, der Motivation des Verfassers und derlei Dingen. Natürlich stehen Quellen im Idealfall nicht isoliert da, deshalb kann man für die innere Q-Kritik auch andere Quellen heranziehen und überprüfen, ob z.B. von einander unabhängige Quellen dieselben Sachverhalte berichten oder ob zwei Quellen voneinander abhängig sind.
Ziemlich viele mittelalterliche Quellen paraphrasieren z.B. ganze Passagen aus der Vulgata, setzen nur statt der biblischen zeitgenössische Namen ein: Da wird es dann für den Historiker zum Problem, wie viel soll er davon übernehmen?
Auch bei Caesar ist es so, dass er seine Motivation zwar im Dunkeln lässt, diese aber ganz offensichtlich darin liegt die Deutungshoheit über seine Taten an sich zu ziehen und sich in einem besseren Lichte darzustellen, trotz seiner Kompetenzüberschreitungen.
Was der grundsätzliche Unterschied zwischen Caesar und hagiographischen Quellen ist, ist, dass die Berichte Caesars nicht unserem Erfahrungswissen widersprechen. Und das tun nun mal hagiographische Quellen, die mindestens einen, wenn nicht mehr, Wunderberichte beinhalten. Im Mittelalter hat man das geglaubt. Wenn du allerdings heute diesen Quellenberichten Glauben schenken willst, dann ist das eher deine Privatsache. Der Historiker interessiert sich mehr für die Motivation des Geschichtsschreibers, diese aufzuschreiben.
Und wenn du christlichen Wunderberichten Glauben schenkst, weil sie in historischen Quellen aufgeführt sind, dann musst du auch islamischen, buddhistischen und animistischen Wunderberichten Glauben schenken, denn die sind mit denselben Mitteln überliefert, mit einem Schreibstoff und einer Schreibunterlage.
Nun gibt es ja seit dem 15. Jahrhundert eine starke Johannentradition in Orléans. Und richtig, warum hat die Frau überhaupt den Beinamen "von Orléans"? Da stammt sie doch gar nicht her? Nanu... Und da muss man sich dann mal fragen, ob das nicht vielleicht daran liegt, dass die Stadt ein Interesse an Pilgerströmen hatte und daher die Mönche in ihren Klöstern beauftragte von der wunderbaren Befreiung der statt durch die Gottesbotin Johanna zu berichten, das hier also eine Traditionsbildung stattgefunden hat.

Wie gesagt,ich will hier nicht mit den franz.Streiteren anfangen.Hierzu nur so wiel;Die Kirche hat Johanna und ihre Legende nicht aufgebaut,die Kirche hat Sie eher bekämpft.Selig und Heilig gesprochen wurde Sie ja erst im 20 Jhd,man kann sagen durch politischen Druck.

Die vielen Johannastatuen die in den lothringer Kirchen stehen, sind nicht älter als hundert Jahre.

Die Kirche hat Johanna verurteilt und verbrannt.Durch Druck der weltlichen Macht wurde das Urteil aufgehoben.
 
Was der grundsätzliche Unterschied zwischen Caesar und hagiographischen Quellen ist, ist, dass die Berichte Caesars nicht unserem Erfahrungswissen widersprechen.

Ich denke, dass du hier einen Punkt ansprichst, der zumTeil unsere wohl eher gutartige "Meinungsverschiedenheit" ausmachen könnte. ( abgesehen von Deinen sicherlich größeren geschichtlichen Kenntnissen )

Meinem Erfahrungswissen entspricht das "Übernatürliche" durchaus. Das will ich aber nicht weiter ausführen, nur zwei kurze Anmerkungen. In einer kurzen, dunklen Phase meines Lebens habe ich mal Spiritismus betrieben und auch später als Christ habe ich (zumindest glaube ich das) "Übernatürliches" erlebt. Dies fließt natürlich, ob ich will oder nicht, in die Betrachtung des "Johannaphänomens" mit ein.

Wenn ich anfangs geschrieben habe, dass ich "mich eines Urteils ausdrücklich enthalten wolle", so bezog sich dies nicht auf das Phänomenale, sondern auf die Quelle des "Übernatürlichen".

Grundsätzlich möchte ich sagen, dass ich so gut wie jedes andere Erfahrungswissen und die daraus resultiereden Sichtweisen respektiere! Übrigens wäre das mal eine interessante geschichtsphilosophische Diskussion: "Geschieht Geschichte zufällig oder gibt es Hinweise auf eine Geschichtslenkung?" Um den alten Goethe zu zitieren: "Man glaubt zu schieben und wird doch geschoben!" Nun ja, auch nur eine Meinung :)
 
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Zu den Stimmen oder Visionen der guten Johanna noch eine kleine Geschichte.

Ein Trupp braver lothringer Kinder machte ein Ausflug nach Domremy.Hinter dem Geburtshaus der Johanna,wo Johanna das erste Mal die Stimmen hörte wurden die Kinderlein im Kreis versammelt,und die Lehrerin fragte"was sagte Gott zu der Johanna?"Keine Antwort.

"Gut Kinder, ihr braucht die Antwort doch nur vom Schild abzulesen,was da angebracht ist."

Die Kinder schauten sich um,und da sprach ein Mädchen,"betreten des Rasen verboten."
 

@Mauerblume

Roma locuta, causa finita.

Seit 1920 gibt es in Bezug auf Deine Protagonistin kirchenrechtlich nichts mehr zu diskutieren, Can. 1187, Codex Iuris Canonici, Stand 1983.

"Wunder" entziehen sich jeglicher historischer Quellenanalyse und historischen Bewertung. Vielmehr können solche Diskussionen zu Frustrationen und gegenseitigen Irritationen führen.

M. :winke:
 
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@Mauerblume


"Wunder" entziehen sich jeglicher historischer Quellenanalyse und historischen Bewertung. Vielmehr können solche Diskussionen zu Frustrationen und gegenseitigen Irritationen führen.

M. :winke:

Ich kann dies, ehrlich gesagt, nicht so richtig nachvollziehen! Wenn antike oder mittelalterliche Autoren von "außergewöhnlichen Phänomen" berichten und dies nicht erkennbar als "Legende, Märchen, etc" kennzeichnen, ist doch erst einmal davon auszugehen, - das sie jenseits einer etwaigen Deutung - von Fakten berichten. Wie wir ja bei den "normalen" Dingen ja auch davon ausgehen, dass Fakten berichtet werden und uns keine "Lügengeschichten" aufgetischt werden.

Wie wir dann mit den berichteten Fakten, seien sie nun "normal" oder "wundersam", ist eine zweite Sache. Eine Deutung wird jeder dann gemäß seines Hintergrundes vornehmen oder aber die Sache offen lassen. Ein Ausblenden der berichteten Fakten halte ich für die schlechteste aller "Lösungen"
 
Wie wir dann mit den berichteten Fakten, seien sie nun "normal" oder "wundersam", ist eine zweite Sache. Eine Deutung wird jeder dann gemäß seines Hintergrundes vornehmen oder aber die Sache offen lassen. Ein Ausblenden der berichteten Fakten halte ich für die schlechteste aller "Lösungen"

Historiker müssen sich bei der Bewertung historischer Personen an Fakten halten. Was "Wunder" angeht, so kann man nur sagen, dass Menschen zu allen Zeiten einige Phänomene als Wunder bezeichnen und davon überzeugt sind. Das kann dann dazu führen, dass die Wundergläubigkeit sogar den Lauf realer Ereignisse verändert, wie das bei Jeanne d'Arc der Fall war, die viele als von Gott gesandt betrachteten. Dazu zählen auch die Stimmen und Erscheinungen, die angeblich zu ihr sprachen. Das führte schließlich zu ihrer Heiligsprechung im Jahr 1920.

Ob es sich nun wirklich um "Wunder" handelte, mag jeder für sich selbst entscheiden. Für die einen sind es wirkliche Wunder, für den anderen nur neurotische Störungen oder schizophrene Schübe. Ein Urteil kann sich keiner anmaßen.
 
Hallo Mauerblume,

es gibt einen Reisebericht eines Ritters aus dem Spätmittelalter, Arnold von Harff. Der reist aus dem Kölschen über Ägypten nach Jerusalem und von dort aus durch die osmanischen Besitzungen und besucht auch die Kreuzritterorden auf Rhodos etc. bis er wieder nach Hause kommt.
Sein Bericht ist alles in allem sehr nüchtern gehalten, er gibt immer Entfernungsangaben in "Leugen", wohl "welsche Meilen", nur bei den "Spaniern" regt er sich sehr auf (im Rahmen einer ersten Pilgerreise nach Santiago de Compostela), dass das solche Bürokraten sind und die ständig Wegezoll verlangen. Desweiteren liefert er uns in jeder Sprache, die in einem der Reisegebiete gesprochen wurde, wie ein moderner Sprachreiseführer, ein Grundvokabular. Zahlen bis 20 und so nette Sätze wie "schöne Frau, komm bei mir schlafen" und was man so als Tourist benötigt, also die Fragen nach Brot, Wasser und Wein und den Kosten für ein Bett etc. Er ist so eine frühe Quelle sowohl für das Albanische als auch für das Baskische geworden, Sprachen, die erst sehr spät eine eigene Schriftlichkeit entwickelt haben.
Alles in allem ist er also ein äußerst verlässlicher Berichterstatter. Nur... als er sich in Ägypten befand, da überkam es ihn - laut seinem Reisebericht - von seiner Route nach Jerusalem abzuweichen, plötzlich wird aus dem nüchternen, selten von persönlichen Äußerungen unterbrochenen Reisebericht, ein phantastisches Gemälde und er begegnet all den Wesen, die man auf mittelalterlichen Weltkarten am rechten Rand (=Süden) sehen kann (vgl. Ebstorfer Weltkarte, London Psalter Map etc.): Kopffüßern, Zwitterwesen aus Mensch und Tier, Rumpfgesichtern etc. Auf seinem weiteren Weg nach Jerusalem und zurück in seine Heimat ist er dann wieder genauso nüchtern wie zuvor.
Wenn man nun deine "Methode" auf die Quellen anwenden würde, dann müsste man den Südexkurs von der Reiseroute des Arnold von Harff genau so ernst nehmen, wie den Rest des Berichtes uns annehmen, dass es in Äquatornähe durchaus im Mittelalter noch solche Wesen gegeben habe.
 
Hallo Mauerblume,
...
Wenn man nun deine "Methode" auf die Quellen anwenden würde, dann müsste man den Südexkurs von der Reiseroute des Arnold von Harff genau so ernst nehmen, wie den Rest des Berichtes uns annehmen, dass es in Äquatornähe durchaus im Mittelalter noch solche Wesen gegeben habe.

Das "in dubio pro reo" gilt natürlich nicht für "zweifelsfreien" Blödsinn. Obwohl da natürlich wirklich die Frage auftaucht, wo man die Grenze zieht. Alle wundersamen Berichte per se von der geschichtlichen Betrachtung und Wertung auszuschließen, hielte ich allerdings für einen Fehler. Wie folgendes kleine Beispiel demonstrieren soll:

Ist ein erfüllter Orakelspruch nun der statische Zufall, der irgendwann einmal eintreten musste, oder steckt vielleicht doch mehr dahinter? Wie auch immer man so eine Frage persönlich beantwortet oder vielleicht auch gar nicht erst zu erklären versucht, kritisch wird es dann, wenn man sagt: "Die Beschäftigung mit dem Phänomen erfüllter Orakelsprüche ist generell irrelevant, kein Gegenstand geschichtlicher Betrachtung." Oder etwas drastischer formuliert: "Esoterischer Unsinn!"

Orakelwesen war in der Antike ein weit verbreitetes Phänomen und mit teilweise recht erstaunlichen Treffern (Krösus). Dies zu ignorieren, wäre in meinen Augen eine allzu "bequeme" Selbstbeschränkung. Und dies träfe - meines Erachtens- auch auf "wundersame" Phänomen Johanna von Orleans zu.
 
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