Man muss an jede Quelle Quellenkritik anbringen. Es gibt die innere und die äußere Q-Kritik. Die äußere Q-Kritik fragt v.a. nach der Überlieferung der Quelle, die innere nach internen Widersprüchen, der Motivation des Verfassers und derlei Dingen. Natürlich stehen Quellen im Idealfall nicht isoliert da, deshalb kann man für die innere Q-Kritik auch andere Quellen heranziehen und überprüfen, ob z.B. von einander unabhängige Quellen dieselben Sachverhalte berichten oder ob zwei Quellen voneinander abhängig sind.
Ziemlich viele mittelalterliche Quellen paraphrasieren z.B. ganze Passagen aus der Vulgata, setzen nur statt der biblischen zeitgenössische Namen ein: Da wird es dann für den Historiker zum Problem, wie viel soll er davon übernehmen?
Auch bei Caesar ist es so, dass er seine Motivation zwar im Dunkeln lässt, diese aber ganz offensichtlich darin liegt die Deutungshoheit über seine Taten an sich zu ziehen und sich in einem besseren Lichte darzustellen, trotz seiner Kompetenzüberschreitungen.
Was der grundsätzliche Unterschied zwischen Caesar und hagiographischen Quellen ist, ist, dass die Berichte Caesars nicht unserem Erfahrungswissen widersprechen. Und das tun nun mal hagiographische Quellen, die mindestens einen, wenn nicht mehr, Wunderberichte beinhalten. Im Mittelalter hat man das geglaubt. Wenn du allerdings heute diesen Quellenberichten Glauben schenken willst, dann ist das eher deine Privatsache. Der Historiker interessiert sich mehr für die Motivation des Geschichtsschreibers, diese aufzuschreiben.
Und wenn du christlichen Wunderberichten Glauben schenkst, weil sie in historischen Quellen aufgeführt sind, dann musst du auch islamischen, buddhistischen und animistischen Wunderberichten Glauben schenken, denn die sind mit denselben Mitteln überliefert, mit einem Schreibstoff und einer Schreibunterlage.
Nun gibt es ja seit dem 15. Jahrhundert eine starke Johannentradition in Orléans. Und richtig, warum hat die Frau überhaupt den Beinamen "von Orléans"? Da stammt sie doch gar nicht her? Nanu... Und da muss man sich dann mal fragen, ob das nicht vielleicht daran liegt, dass die Stadt ein Interesse an Pilgerströmen hatte und daher die Mönche in ihren Klöstern beauftragte von der wunderbaren Befreiung der statt durch die Gottesbotin Johanna zu berichten, das hier also eine Traditionsbildung stattgefunden hat.