Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

@El Quijote

Dir ist aber schon klar, dass auch römische Truppen so etwas wie Arbeitsteilung kannten?

Ist in den Quellen überliefert, wer die Vorhut für die Marschkolonne übernahm? Ansonsten könnte das von den Römern fatalerweise an germanische Verbündete "outgesourct" worden sein, wahrscheinlich mit der Begründung, dass sie ortskundig waren.
 
@Wilfried: Man muss sich fragen, was Varus mit seinen Truppen überhaupt in der Region wollte. Aus den Schriftquellen kann man eigentlich nur schließen, dass er sich nicht auf einem "Feldzug" befand - besser: dass er glaubte, nicht auf einem Feldzug zu sein. Das stellte sich ja dann als fataler Irrtum heraus.

Als er dann im Herbst den Rückmarsch antrat, hat er sicher nicht mehr so furchtbar viele Vorräte bei sich gehabt. Viel Zeit für lange Militäraktionen hatte er auch nicht mehr. Es war ja schon September. Da ist es kaum anzunehmen, dass er sich weit von seinem "normalen" Marschweg entfernt hätte. Hätte er annehmen müssen, dass die Niederschlagung des Aufstands ein größerer Akt werden könnte, dann wäre es aus seiner Sicht klüger gewesen, erstmal heimzugehen, alles schön ordentlich vorzubereiten und im nächsten Frühjahr mit aller Pracht und römischen Waffenmacht zurückzukehren.

Dass er sich entschieden hat, während des Rückwegs und quasi im Vorbeigehen den "Aufstand" niederzuschlagen, kann nur bedeuten, dass er annahm, diese Aufgabe wäre ohne nennenswerte Vorbereitungen zu erledigen. Einen kurzen Abstecher machen, schnell ein paar Leute verdreschen und dann heim in die luxuriöse Villa. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er weit von seinem eigentlichen Marschweg abgewichen wäre, sein Heer auf völlig unbekannte Wege geführt oder gar sich selbst durch weglose Sümpfe und Urwälder gequält hätte.

Ganz sicher hatte er aber keine Lust, so kurz vor dem Winter mit einem schnellen Überfall noch die elbgermanischen Stämme aufzuscheuchen, damit die anschließend ein paar Monate Zeit haben, sich ungestört zu Racheaktionen zu verabreden. Zu dem Zeitpunkt war der pannonische Krieg noch im Gange und Varus musste darauf bedacht sein, dafür zu sorgen, dass Marbod und die mit ihm verbandelten Elbgermanen sich da nicht auch noch einmischten.

MfG
 
Der Wall belegt durch seine Existenz, dass die Erbauer mit einer größeren Auseinandersetzung gerechnet haben.
d'accord.
Der Wall existierte, und er läßt auf die Erwartung einer größeren Auseinandersetzung schließen.

Das wirft die nächste Frage auf: Wenn der erwartete Gegner so stark war, dass die Germanen einen (für sie untypischen) Wall für nötig hielten - woher wussten sie dann zwei oder drei Tage im Voraus, dass der Gegner genau an dieser Stelle vorbeikommen würde? Es erscheint mir eher zweifelhaft, dass sie einen so stark eingeschätzten Feind mehrere Tage lang wie eine Hammelherde vor sich hertreiben und unausweichlich zu diesem Punkt dirigieren konnten. Es erscheint auch zweifelhaft, dass sie zudem noch in der Lage gewesen sein sollen, von dieser Treibjagd genug eigene Kräfte abzuziehen, um sie zum Wallbau vorauszuschicken.

Das würde sich aus einem Marsch der Römer inkl. Tross nördlich des Wiehengebirges plausibel erklären lassen. Die bewaldeten Pässe sind nach meiner Kenntnis der Region- zumal in der Regenzeit im Herbst - leicht sperrbar und sogar unpassierbar, mindestens für den Tross.

Es ließe sich sogar eine "überholende Verfolgung" denken, wenn sich eine kleinere Gruppe der Germanen südlich vom Zug auf den Kammlagen bewegt.

Mit der Bewegung in Generalrichtung nach Westen (zB von Minden aus Richtung Lippe), nördlich der Gebirge, fällt dann die endgültige Entscheidung zur Schlacht bei Kalkriese.

Zur Verfolgung ist kein "Vor-sich-hin-Treiben" erforderlich, wenn das Ziel des römischen Zuges bereits bekannt ist.


Er MUSSTE wissen, welchen Weg Varus nehmen würde.
Das sehe ich auch so, und der Marsch wird das bestätigt haben.

Aber egal ob Varus oder nicht: Das alles würde natürlich bedeuten, dass die Kämpfe erst in der Nähe von Kalkriese begonnen haben. Zu einem Zeitpunkt jedenfalls, als die Römer selbst keine sinnvolle alternative Marschroute mehr gesehen haben, auf die sie hätten abbiegen können.

Wieso das?
Die kleineren Kämpfe zur Schwächung und "Beschäftigung" können sich mit Beginn des Zuges ergeben haben. Die Nadelstiche der Angreifer werden durch die Marschlänge des Zuges von mehreren Kilometern begünstigt. Nehmen wir mal verieinfachend drei Säulen an, würde die Spitze bei Angriffen auf die Nachhut allein 1-2 Stunden bis zum Eintreffen benötigen, wodurch übrigens auch das Marschtempo abgebremst wird. Das hintere "Drittel" wird einen unruhigen Verlauf gehabt haben, ohne das man den Gegner stellen kann.

Das Szenario hängt wesentlich davon ab, wie lange die römische Truppe am Tross festgehalten hat, und welche Größe und Bedeutung dieser hatte. Möglicherweise bis kurz vor Kalkriese?:D

So ähnlich hatten wir das schon einmal vor gefühlt 1000 Beiträgen durchgespielt.

Ersetzt man See durch Sumpf, und dreht die Nord-Süd-Richtung um, und verzichtet man auf den Wall (der hier seine Gründe gehabt haben muss), gibt es eine "militärgeographische Blaupause"
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ließe sich sogar eine "überholende Verfolgung" denken, wenn sich eine kleinere Gruppe der Germanen südlich vom Zug auf den Kammlagen bewegt.

Natürlich! Steht ja auch bei Tacitus (I,63):
"Caecina, who commanded a division of his own, was advised, though he was returning by a route which he knew, to pass Long Bridges with all possible speed. This was a narrow road amid vast swamps, which had formerly been constructed by Lucius Domitius; on every side were quagmires of thick clinging mud, or perilous with streams. Around were woods on a gradual slope, which Arminius now completely occupied, as soon as by a short route and quick march he had outstripped troops heavily laden with baggage and arms."

Gruß
jchatt
 
Ganz so einfach ist es nicht. Immer vorausgesetzt, dass die Germanen den Wall gebaut haben und dass er sich gegen die Römer richtete, stellt allein die Tatsache, dass dieser Wall errichtet worden ist, das "Eingeständnis" der Erbauer dar, dass ihr erwarteter Feind mit starken Kräften eintreffen würde. Hindernisse oder Befestigungen auf einem Gefechtsfeld dienen ja dazu, vermutete oder tatsächliche eigene Schwächen möglichst auszugleichen.

Ich würde nicht sagen, um die eigenen Schwächen auszugleichen, sondern um sich einen (weiteren) Vorteil zu verschaffen. Selbst wenn man stärker ist, bietet Kampf doch immer die Gefahr, dass etliche der eigenen Leute verletzt oder getötet werden.


Das wirft die nächste Frage auf: Wenn der erwartete Gegner so stark war, dass die Germanen einen (für sie untypischen) Wall für nötig hielten - woher wussten sie dann zwei oder drei Tage im Voraus, dass der Gegner genau an dieser Stelle vorbeikommen würde? Es erscheint mir eher zweifelhaft, dass sie einen so stark eingeschätzten Feind mehrere Tage lang wie eine Hammelherde vor sich hertreiben und unausweichlich zu diesem Punkt dirigieren konnten. Es erscheint auch zweifelhaft, dass sie zudem noch in der Lage gewesen sein sollen, von dieser Treibjagd genug eigene Kräfte abzuziehen, um sie zum Wallbau vorauszuschicken. Zudem hätten sie die Wallbau-Abteilung so früh losschicken müssen, dass die auch noch zwei oder drei Tage Vorsprung vor dem getriebenen Feind herausarbeiten konnte. Den Germanen muss also in einer sehr frühen Phase klar gewesen sein, dass der Marsch nirgendwo sonst als an jenem Wall enden konnte. Fünf Tage vor der Schlacht?

Wenn man die Römer einmal am Wiehengebirge hatte, musste man ihnen ja nur suggieren, dass es schwieriger sei, das Wiehengebirge zu queren, als eben parallel immer weiter daran entlang zu marschieren. Sprich: Sobald sie nach Süden oder zurück nach Osten wollten, musste man den Widerstand intensivieren, der Querungsversuch musste als zu teuer erkauft erscheinen.

Hätten die Germanen genügend Truppen gehabt, um all diese Aufgaben zu bewältigen, dann hätten sie den Wall nicht gebraucht, um die Römer zu besiegen. Sie hätten sich auch die mehrtägige Treibjagd sparen können.

Wieso? Ein Vorteil bleibt ein Vorteil.



Ist in den Quellen überliefert, wer die Vorhut für die Marschkolonne übernahm?

Nein, leider nicht. Bei Cassius Dio wird lediglich berichtet, dass die Verschworenen zunächst Geleit gaben, aber da die Truppen durch angeblich freundlich gesinntes Gebiet marschierten sich beurlaubten, um Hilfstruppen zu sammeln, in Wirklichkeit aber nur die Führung der schon bereitstehenden Kontingente übernahmen (Cassius Dio, Rom. Hist. II, 19, 4).

Mit der Bewegung in Generalrichtung nach Westen (zB von Minden aus Richtung Lippe), nördlich der Gebirge, fällt dann die endgültige Entscheidung zur Schlacht bei Kalkriese.

Ems! ;)

Ersetzt man See durch Sumpf, und dreht die Nord-Süd-Richtung um, und verzichtet man auf den Wall (der hier seine Gründe gehabt haben muss), gibt es eine "militärgeographische Blaupause"
Das müsstest du erläutern.




Ebenso nennt Paterculus nur "ein[en] Legat des Varus", der mit der Reiterei getürmt ist. Müsste Varus nicht auch drei Legaten dabeigehabt haben?

Bei Tacitus heißt es: "referebant hic cedisse legatos" (Tac. ann. I 61, 4): "...sie berichteten, hier fielen die Legaten..."

Hab noch was gefunden: Tac. ann. I, 59, 3, Arminius im Jahre 15 paraphrasierend: "sibi tres legiones, totidem legatos procubuisse" - "vor ihm seien drei Legionen und ebenso viele Legaten gefallen".
 
15 k m im Schnitt am Tag, mit Lager abbau und Aufbau ...
jeden Tag, auf recht unbefestigten Wegen ist für eine Truppe schon ordentlich. Ein Mensch ohne viel Gepäck und oder einem Tragtier (Pferd/Maultier) schafft ~30 km am Tag über längere Zeit, stimmt. Die ganze Truppe aber, mit Platz erkundung, Flankensicherung und Voraussicherung ist eben deutlich langsamer.
Die Ruhetage für die Tiere müssen ja auch eingerechnet werden. Dazu die Zeiten, in denen Wege für die Massen eben geebnet werden müssen.
Da ist 15 km am Tag garnicht so bummelig. Die Truppe soll ja kamfbereit am Ziel ankommen und nicht Urlaubsreif

Dazu gibt es einige Untersuchungen und antike Quellen. Je nach Gelände und Wetter geht man von 15-20 römischen Meilen (bis zu 30km) in ca. 6-8h aus. Danach wurde das Lager gebaut. Eilmärsche ohne Tross sollen nochmals 5 Meilen länger gewesen sein. Marschiert wurde in moderneren Armeen niemals länger als 4 tage am Stück ohne Ruhetag, da sonst die Marschleistung in den Keller geht. Das wussten die Römer sicher auch.

Wenn das Gelände allerdings wirklich so schwierig war, wie antike Quellen behaupten und ein rechtes deutsches Sauwetter herrschte, dann könnten eher schmale 15 km durchaus möglich sein.
 
Wenn man die Römer einmal am Wiehengebirge hatte, musste man ihnen ja nur suggieren, dass es schwieriger sei, das Wiehengebirge zu queren, als eben parallel immer weiter daran entlang zu marschieren. Sprich: Sobald sie nach Süden oder zurück nach Osten wollten, musste man den Widerstand intensivieren, der Querungsversuch musste als zu teuer erkauft erscheinen.

Ems! ;)

Das müsstest du erläutern.

1. Sorry, Ems statt Lippe.
2. wenn der Querungsversuch des Trosses an den Pässen bei Regenwetter überhaupt möglich war.
3. die Anspielung bezog sich rein auf das militärgeographische "Schlachtfeld-Motiv" Hügel/Berg - Passage/Wege/Engpass - See/Sumpf/schwer passierbares Gelände, und ohne "Querriegel". Die Kolonnenlänge erleichtert das Anpacken in der Flanke, erlaubt dem Angreifer die Wahl von Schwerpunkten und stoppt den Zug ab. Bei Kalkriese haben wir noch den Wall, der dem Angreifer das Abwarten ermöglicht.

Wenn das Gelände allerdings wirklich so schwierig war, wie antike Quellen behaupten und ein rechtes deutsches Sauwetter herrschte, dann könnten eher schmale 15 km durchaus möglich sein.

Nimmt man die Erfahrungen mit Gespannen in russischen Wälder in der Regenperiode, Sand- oder Lehmböden abseits befestigter Wege (kann für die Pässe Bedeutung haben) kann das Marschtempo auch noch wesentlich darunter oder nahe Null liegen.
 
Nimmt man die Erfahrungen mit Gespannen in russischen Wälder in der Regenperiode, Sand- oder Lehmböden abseits befestigter Wege (kann für die Pässe Bedeutung haben) kann das Marschtempo auch noch wesentlich darunter oder nahe Null liegen.

zur Troßproblematik auch Sueton, Tiberius Kapitel 18
"Bei seinen Rheinübergängen ließ er den gesammten Wagentroß, den er auf ein bestimmtes Maß eingeschränkt hatte, nicht eher über die Brücke gehen, als bis er selbst, am Ufer stehen, die Ladungen der Wagen genau untersucht hatte, damit nichts als das Erlaubte und Notwendige mitgenommen würde"

Möglicherweise auch ein Grund für die fehlende Terra Sigilata...?

Gruß
jchatt
 
nun, meine Quelle bezüglich der Marschleistung sind die Erzählungen meines Vaters.
Er war am Rußlandfeldzug als VB-Funker der bespannten Artillerie beteiligt.
Man darf nicht vergessen, das die Verbindung in einer solchen Marschkolonne von vorn nach hinten und umgekehrt gehalten werden muß. Die Melder haben denn so ~die doppelte Marschleistung zu bringen. Mit den 4 Tagen Marsch /die Woche sind dann eben mehr als 15km im Schnitt auf Sand etc. nicht drin.

Zum Vergleich, die Marschgeschwindigkeit der Bundeswehr auf Landstraßen lag zu meiner Zeit bei 25 km/h, der Kolonnenletzte fuhr dann gelegentlich schon 60 km/h, um den Anschluß nicht zu verlieren. Schon kleine Störungen führen ja bei Kolonnen zu "Stau". Das kennt wohl jeder von der Autobahn
 
Das würde sich aus einem Marsch der Römer inkl. Tross nördlich des Wiehengebirges plausibel erklären lassen. Die bewaldeten Pässe sind nach meiner Kenntnis der Region- zumal in der Regenzeit im Herbst - leicht sperrbar und sogar unpassierbar, mindestens für den Tross.
Meine Kenntnis der Region ist sehr begrenzt. Deshalb will ich Dir da nicht grundsätzlich widersprechen. Ich merke nur an, dass ein zentraler Grund für die militärischen Erfolge römischer Legionen in den Leistungen liegt, zu denen ihre Pioniere fähig waren. Sie - die Römer - waren in der Lage, selbst die Alpenpässe zu überwinden. Mit Tross. Das Wiehengebirge wäre jedenfalls kein größeres Hindernis gewesen. Wenn man Sperren hätte beseitigen können. Hier liegt die entscheidende Frage: Was hätten die Germanen aufbieten müssen, um die Römer daran zu hindern, von ihrem Weg abzuweichen? Konnten sie das, was nötig war, aufbieten? Hintergründiger gefragt: Wäre den Römern nicht aufgefallen, dass sie daran gehindert werden sollten, von ihrer Route abzuweichen?

Es ließe sich sogar eine "überholende Verfolgung" denken, wenn sich eine kleinere Gruppe der Germanen südlich vom Zug auf den Kammlagen bewegt.
Das habe ich nicht bestritten. Ich habe nur gefragt, wann eine "überholende Verfolgung" begonnen werden muss, damit die Überholenden zwei oder drei Tage Vorsprung herausarbeiten können. Ich habe hier von fünf Tagen vor Schlachtbeginn gesprochen, was meiner Ansicht nach ziemlich "ambitioniert" ist. Abgesehen davon, dass die überholende "kleine Gruppe" groß genug gewesen sein muss, um binnen zwei oder drei Tagen einen 400 Meter langen, zwei Meter hohen und fünf Meter breiten Wall aufzuwerfen. Welche kurzen Wege mögen die Germanen gekannt haben, um die Strecke so abkürzen zu können? @El Quijote hat unter Verweis auf den Bericht von Cassius Dio mehrfach scherzhaft geschrieben, dass die Römer es wohl mit wasserfesten Super-Germanen zu tun hatten. Nun muss man diskutieren, ob die Supergermanen nicht nur wasserfest waren, sondern vielleicht auch noch fliegen konnten.

Zur Verfolgung ist kein "Vor-sich-hin-Treiben" erforderlich, wenn das Ziel des römischen Zuges bereits bekannt ist.
Stimmt. Jedoch: Wenn das Ziel bereits bekannt ist, ist die Verfolgung gar nicht nötig. Dann kann man einfach abwarten, bis der Gegner eintrifft. Genau das wollte ich ja andeuten: Wenn die Wall-Erbauer wussten, dass die Römer an diesem Punkt vorbeiziehen würden, dann konnten sie ihren Wall bauen, sich dahinter hocken und einfach abwarten. Dann wäre es auch überflüssig gewesen, Pässe zu sperren, verfolgend zu überholen oder den Zug (lange) vor Erreichen des Walls anzugreifen. Im Gegenteil: Es wäre klug gewesen, ganz still und unsichtbar zu bleiben. Jede "Störung" des römischen Marsches hätte die Römer ja vielleicht zweifeln lassen, ob es eine gute Idee ist, auf dem einmal gewählten Weg, der mit Sicherheit den Feinden bekannt war (da man den Feind ja selbst informiert hatte!), weiterzuziehen. Bei "Störungen" hätten die Römer auf die Idee kommen können, dass es vielleicht besser ist, einen anderen Weg zu nehmen. Auch wenn man diesen Weg vielleicht erstmal freikämpfen muss. Dass sie fähig waren, Wege "freizukämpfen", haben sie hinreichend bewiesen. Und nicht erst am Harzhorn.

Wieso das?
Die kleineren Kämpfe zur Schwächung und "Beschäftigung" können sich mit Beginn des Zuges ergeben haben. Die Nadelstiche der Angreifer werden durch die Marschlänge des Zuges von mehreren Kilometern begünstigt. Nehmen wir mal verieinfachend drei Säulen an, würde die Spitze bei Angriffen auf die Nachhut allein 1-2 Stunden bis zum Eintreffen benötigen, wodurch übrigens auch das Marschtempo abgebremst wird. Das hintere "Drittel" wird einen unruhigen Verlauf gehabt haben, ohne das man den Gegner stellen kann.
Ich habe gerade nach einem Smiley für den "springenden Punkt" gesucht. Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Als die Römer losmarschiert sind, hatten sie einen Plan. Der sah "gemütliches Heimgehen" mit einer Pause zum "Germanenklatschen" vor. In dem Moment, da der Zug angegriffen wurde, war klar, dass dieser Plan gescheitert war. In genau diesem Moment mussten die Römer nachdenken, ob sie den Plan einhalten oder ändern wollen.

Okay, es hätte mindestens eine, eher zwei Stunden gedauert, die Nachricht vom Angriff im ganzen Zug zu verbreiten. Aber danach hätten Gegenreaktionen einsetzen oder zumindest erwogen werden müssen. Das Szenario der überholenden Verfolgung setzt aber voraus, dass die Angriffe MINDESTENS FÜNF TAGE vor dem blutigen Finale am Abschnittswall begannen. Und es setzt voraus, dass die Römer unterwegs keine Chance hatten, einen anderen Weg zu wählen. Es fällt mir schwer, das zu glauben. Was Militärtaktik angeht, standen die Römer in ihrer Zeit unangefochten an der "Spitze der Nahrungskette". Gleiches gilt hinsichtlich der persönlichen Ausrüstung der einzelnen Soldaten.

Egal wie man es dreht und wendet: Hätten die Angriffe fünf Tage vor Kalkriese begonnen, dann würde ich sofort zum Anhänger unseres doppelt vergeistigten Mitdiskutanten Marcus Caelius konvertieren. Dann wären die Legionen nämlich in einer Formation in den Engpass einmarschiert, die ihnen nicht bloß die Wahl gelassen hätte, ob sie sich vor dem Wall abschlachten lassen oder möglichst schnell durchziehen wollen. Dann hätte die Vorhut beim Anblich des Abschnittswalls sofort das Signal "Das Ganzen HALT!" gegeben und Minuten später wäre eine formierte Legion gegen den Wall vorgegangen. In diesem Fall würde es keine Kampfspuren westlich des Walls geben, denn entweder die Legionen hätten gesiegt und die Truppen wären anschließend unbehelligt durchgezogen, oder sie hätten verloren, und der Rest der Mannschaft wäre östlich des Walls erledigt und geplündert worden.

Der Wall war eine Überraschung, der die Römer nicht mehr ausweichen konnten. Nur so ist die Fundlage zu erklären.

Das Szenario hängt wesentlich davon ab, wie lange die römische Truppe am Tross festgehalten hat, und welche Größe und Bedeutung dieser hatte. Möglicherweise bis kurz vor Kalkriese?:D
Welche Größe der Tross hatte, ist in der Tat eine entscheidende Frage. Welche Bedeutung er hatte, hingegen nicht. Der Tross entschied über Leben und Tod. Mittelbar kann man das aus den Folgen der Schlacht ablesen: Tiberius hat angeordnet, dass im Tross künftig nur noch das Allernötigste mitgeführt werden durfte. Er hat außerdem angeordnet, dass wichtige Befehle nur noch in Schriftform übermittelt werden dürfen, woraus man schließen kann, dass der "Verrat" nach dem ersten Angriff noch weiterging. Dass der Tross lebenswichtig war, wussten jedenfalls auch die römischen Truppen, die bei Kalkriese am Abschnittswall vorbeigezogen sind. Hätten sie FRÜH GENUG gewusst, dass am Abschnittswall die Existenz ihres Trosses in Frage steht, hätten sie Vorkehrungen treffen können. Und fünf Tage sind genug Zeit, um solche Vorkehrungen zu treffen. Hätten sie fünf Tage Zeit gehabt, wären am Abschnittswall keine Trossteile gefunden worden.

Ich würde nicht sagen, um die eigenen Schwächen auszugleichen, sondern um sich einen (weiteren) Vorteil zu verschaffen. Selbst wenn man stärker ist, bietet Kampf doch immer die Gefahr, dass etliche der eigenen Leute verletzt oder getötet werden.
Selbstverständlich. Wenn man genug Zeit hat, nutzt man jede Chance, die man bekommt. Aber wenn man stärker ist, dann verschwendet man nicht die Kampfkraft von hunderten von Soldaten, um sich eine Chance zu sichern, die man VIELLEICHT in fünf Tagen bekommt. Wer immer den Wall gebaut hat um gegen wen immer besser Chancen zu haben, wusste mit großer Sicherheit mehrere Tage im Voraus, dass es sich "lohnt", ganz genau dort hunderte von Soldaten einzusetzen, um einen Wall zu bauen.

Wenn man die Römer einmal am Wiehengebirge hatte, musste man ihnen ja nur suggieren, dass es schwieriger sei, das Wiehengebirge zu queren, als eben parallel immer weiter daran entlang zu marschieren. Sprich: Sobald sie nach Süden oder zurück nach Osten wollten, musste man den Widerstand intensivieren, der Querungsversuch musste als zu teuer erkauft erscheinen.
Stimmt. Nur: Es wären beträchtliche Truppenaufgebote nötig gewesen, um den Römern zu suggerieren, dass es besser ist, weiterzuziehen anstatt zu kämpfen. Und zwar viele dieser Truppenaufgebote, denn es gab nicht nur eine einzige Möglichkeit, das Wiehengebirge zu überqueren oder umzukehren oder nach Norden abzuschwenken. Es muss im Laufe von fünf Marschtagen viele Möglichkeiten dazu gegeben haben. Es gab auch immer die Möglichkeit, einfach anzuhalten, ein Lager aufzuschlagen und auf Angriffe zu warten (das deutet Tacitus ja an) oder von diesem Lager aus gesperrte Wege zu "öffnen". Ich denke einfach, dass ein Heerführer, dem man mindestens fünf Tage Zeit lässt, mitbekommt, wenn der Feind ihn auf einem bestimmten Weg halten will.

Das hat zwar jetzt nicht direkt etwas mit Militär zu tun, aber wenn ich im täglichen Leben merke, dass mich jemand in eine bestimmte Richtung drängen will, dann bleibe ich stehen und frage mich: Was könnte es ihm nutzen, wenn ich in diese Richtung gehe? Schon aus angeborener Boshaftigkeit heraus überlege ich dann gleichzeitig, welche alternativen Wege ich denn wählen könnte.

Wie angedeutet: Ich bin kein Soldat. Ich bin Betriebsrat. Aber das ist auch manchmal Krieg :devil:.

MfG
 
nun, alles gut und schön, für den Fall, das das "Dogma" Roms Macht endetn an der Leine/innerste. Funde deuten aber an, das Roms macht mindestens bis in den Westlichen Südharz reichte. Also die Behauptung, das Imperium reiche bis zur Elbe vielleicht etwas großspurig war, aber das Imperium zumindest bis in den Ostharz reichte.
Da dann den Verrat des Arminius feststellen,-kein Aufstand-, von den dortigen "getreuen" um das "verräterische" Cheruskerland herum ...
 
Ich habe nur gefragt, wann eine "überholende Verfolgung" begonnen werden muss, damit die Überholenden zwei oder drei Tage Vorsprung herausarbeiten können. Ich habe hier von fünf Tagen vor Schlachtbeginn gesprochen, was meiner Ansicht nach ziemlich "ambitioniert" ist. Abgesehen davon, dass die überholende "kleine Gruppe" groß genug gewesen sein muss, um binnen zwei oder drei Tagen einen 400 Meter langen, zwei Meter hohen und fünf Meter breiten Wall aufzuwerfen. Welche kurzen Wege mögen die Germanen gekannt haben, um die Strecke so abkürzen zu können? @El Quijote hat unter Verweis auf den Bericht von Cassius Dio mehrfach scherzhaft geschrieben, dass die Römer es wohl mit wasserfesten Super-Germanen zu tun hatten. Nun muss man diskutieren, ob die Supergermanen nicht nur wasserfest waren, sondern vielleicht auch noch fliegen konnten.

Jedoch: Wenn das Ziel bereits bekannt ist, ist die Verfolgung gar nicht nötig. Dann kann man einfach abwarten, bis der Gegner eintrifft. Genau das wollte ich ja andeuten: Wenn die Wall-Erbauer wussten, dass die Römer an diesem Punkt vorbeiziehen würden, dann konnten sie ihren Wall bauen, sich dahinter hocken und einfach abwarten. Dann wäre es auch überflüssig gewesen, Pässe zu sperren, verfolgend zu überholen oder den Zug (lange) vor Erreichen des Walls anzugreifen. Im Gegenteil: Es wäre klug gewesen, ganz still und unsichtbar zu bleiben. Jede "Störung" des römischen Marsches hätte die Römer ja vielleicht zweifeln lassen, ob es eine gute Idee ist, auf dem einmal gewählten Weg, der mit Sicherheit den Feinden bekannt war (da man den Feind ja selbst informiert hatte!), weiterzuziehen. Bei "Störungen" hätten die Römer auf die Idee kommen können, dass es vielleicht besser ist, einen anderen Weg zu nehmen. Auch wenn man diesen Weg vielleicht erstmal freikämpfen muss. Dass sie fähig waren, Wege "freizukämpfen", haben sie hinreichend bewiesen. Und nicht erst am Harzhorn.


Das Szenario der überholenden Verfolgung setzt aber voraus, dass die Angriffe MINDESTENS FÜNF TAGE vor dem blutigen Finale am Abschnittswall begannen. Und es setzt voraus, dass die Römer unterwegs keine Chance hatten, einen anderen Weg zu wählen. Es fällt mir schwer, das zu glauben. Was Militärtaktik angeht, standen die Römer in ihrer Zeit unangefochten an der "Spitze der Nahrungskette". Gleiches gilt hinsichtlich der persönlichen Ausrüstung der einzelnen Soldaten.

Egal wie man es dreht und wendet: Hätten die Angriffe fünf Tage vor Kalkriese begonnen, dann würde ich sofort zum Anhänger unseres doppelt vergeistigten Mitdiskutanten Marcus Caelius konvertieren. Dann wären die Legionen nämlich in einer Formation in den Engpass einmarschiert, die ihnen nicht bloß die Wahl gelassen hätte, ob sie sich vor dem Wall abschlachten lassen oder möglichst schnell durchziehen wollen. Dann hätte die Vorhut beim Anblich des Abschnittswalls sofort das Signal "Das Ganzen HALT!" gegeben und Minuten später wäre eine formierte Legion gegen den Wall vorgegangen. In diesem Fall würde es keine Kampfspuren westlich des Walls geben, denn entweder die Legionen hätten gesiegt und die Truppen wären anschließend unbehelligt durchgezogen, oder sie hätten verloren, und der Rest der Mannschaft wäre östlich des Walls erledigt und geplündert worden.


MfG

Es gibt bei Tacitus eine wunderschöne Textstelle die ein solches Szenario beschreibt:

„Volk und Adel, alte und junge Leute stürzten sich plötzlich auf die römische Marschkolonne und brachte sie in Verwirrung. Zuletzt suchten sie sich einen Kampfplatz aus, der vom Fluss und Wald umschlossen war und in dem sich eine schmale sumpfige Fläche befand. Auch um das Waldgebiet zog sich ein tiefer Sumpf, nur eine Seite hatten die Angrivarier durch einen breiten Damm erhöht, der die Grenzlinie zu den Cheruskern bilden sollte.“ Tacitus Ann. II/19

Die Germanen wussten welchen Weg die Römer nehmen werden (müssen). Die Angriffe im Vorfeld hatten nur den Zweck die römische Marschsäule zu verlangsamen um in Ruhe ihren ausgewählten Kampfplatz vorzubereiten.
 
Es gibt bei Tacitus eine wunderschöne Textstelle die ein solches Szenario beschreibt:

„Volk und Adel, alte und junge Leute stürzten sich plötzlich auf die römische Marschkolonne und brachte sie in Verwirrung. Zuletzt suchten sie sich einen Kampfplatz aus, der vom Fluss und Wald umschlossen war und in dem sich eine schmale sumpfige Fläche befand. Auch um das Waldgebiet zog sich ein tiefer Sumpf, nur eine Seite hatten die Angrivarier durch einen breiten Damm erhöht, der die Grenzlinie zu den Cheruskern bilden sollte.“ Tacitus Ann. II/19

Die Germanen wussten welchen Weg die Römer nehmen werden (müssen). Die Angriffe im Vorfeld hatten nur den Zweck die römische Marschsäule zu verlangsamen um in Ruhe ihren ausgewählten Kampfplatz vorzubereiten.
Idistaviso und Angrivariewall waren also nur "Finten", um die Römer in eine Lage zu locken, in der sie für "Volk und Adel, alte und junge Leute" gleichzeitig angreifbar waren? Alles geplant? Diese Taktik ist so alt wie der Krieg selbst. Aber die Beschreibung im vorliegenden Fall riecht nicht danach.

Und ich bleibe dabei: Im Kalkriese-Szenario bestand keine Notwendigkeit, die römische Marschsäule zu verlangsamen. Es war sogar kontraproduktiv. Die Marschsäule zu verlangsamen, hätte im schlimmsten Fall dazu führen können, dass sie abschwenkt und gar nicht zum vorbereiteten Hinterhalt gelangt. Im besten Fall hätte es dazu geführt, dass jene römische Marschsäule in Alarmzustand und für die Schlacht gerüstet zum Abschnittswall gelangte.

MfG
 
Und ich bleibe dabei: Im Kalkriese-Szenario bestand keine Notwendigkeit, die römische Marschsäule zu verlangsamen. Es war sogar kontraproduktiv. Die Marschsäule zu verlangsamen, hätte im schlimmsten Fall dazu führen können, dass sie abschwenkt und gar nicht zum vorbereiteten Hinterhalt gelangt. Im besten Fall hätte es dazu geführt, dass jene römische Marschsäule in Alarmzustand und für die Schlacht gerüstet zum Abschnittswall gelangte.

Wenn man voraussetzt dass es sich bei Kalkriese um den Ort der Varusschlacht handelt, dann hättest du mit deinen Ansichten Recht. Jeder vorherige Angriff hätte Varus veranlasst seine Marschrichtung und sein Marschziel zu überdenken. Dann aber hätte die Kalkrieser Senke ein vollkommen intaktes römisches Heer erreicht und in Ruhe einen Angriff nach allen Regeln der römischen Kriegskunst vorbereitet. Es hätte keinen Hinterhalt gegeben, denn die römische Aufklärung hätte die Lage sondiert und Varus hätte ohne Not noch jeden denkbaren Handlungsspielraum, bis hin zum Rückzug.

Beim Rückmarsch des römischen Heeres nach der Schlacht bei Idistaviso zurück zur Ems war der Marschweg und das Ziel der Römer den Germanen offensichtlich bekannt, denn um von der mittleren Weser zur Ems zu gelangen führte der nach logischen und logistischen Maßstäben sicher gangbare Weg für ein so gewaltiges Heer durch die Niewedder Senke. Wichtig war hier für Arminius einen Zeitvorsprung zu erhalten, um entsprechende Vorbereitungen für den Ausbau einer Stellung und einer Strategie zu erarbeiten.
 
Dass der Tross lebenswichtig war, wussten jedenfalls auch die römischen Truppen, die bei Kalkriese am Abschnittswall vorbeigezogen sind. Hätten sie FRÜH GENUG gewusst, dass am Abschnittswall die Existenz ihres Trosses in Frage steht, hätten sie Vorkehrungen treffen können. Und fünf Tage sind genug Zeit, um solche Vorkehrungen zu treffen. Hätten sie fünf Tage Zeit gehabt, wären am Abschnittswall keine Trossteile gefunden worden.

Das verstehe ich nicht ganz.

Selbstverständlich. Wenn man genug Zeit hat, nutzt man jede Chance, die man bekommt. Aber wenn man stärker ist, dann verschwendet man nicht die Kampfkraft von hunderten von Soldaten, um sich eine Chance zu sichern, die man VIELLEICHT in fünf Tagen bekommt. Wer immer den Wall gebaut hat um gegen wen immer besser Chancen zu haben, wusste mit großer Sicherheit mehrere Tage im Voraus, dass es sich "lohnt", ganz genau dort hunderte von Soldaten einzusetzen, um einen Wall zu bauen.

Völlig d'accord.

Funde deuten aber an, das Roms macht mindestens bis in den westlichen Südharz reichte. Also die Behauptung, das Imperium reiche bis zur Elbe vielleicht etwas großspurig war, aber das Imperium zumindest bis in den Ostharz reichte.

Welche Funde sollen das denn genau sein?

Es gibt bei Tacitus eine wunderschöne Textstelle die ein solches Szenario beschreibt:

„Volk und Adel, alte und junge Leute stürzten sich plötzlich auf die römische Marschkolonne und brachte sie in Verwirrung. Zuletzt suchten sie sich einen Kampfplatz aus, der vom Fluss und Wald umschlossen war und in dem sich eine schmale sumpfige Fläche befand. Auch um das Waldgebiet zog sich ein tiefer Sumpf, nur eine Seite hatten die Angrivarier durch einen breiten Damm erhöht, der die Grenzlinie zu den Cheruskern bilden sollte.“ Tacitus Ann. II/19

Die Germanen wussten welchen Weg die Römer nehmen werden (müssen). Die Angriffe im Vorfeld hatten nur den Zweck die römische Marschsäule zu verlangsamen um in Ruhe ihren ausgewählten Kampfplatz vorzubereiten.

Beim Rückmarsch des römischen Heeres nach der Schlacht bei Idistaviso zurück zur Ems war der Marschweg und das Ziel der Römer den Germanen offensichtlich bekannt, denn um von der mittleren Weser zur Ems zu gelangen führte der nach logischen und logistischen Maßstäben sicher gangbare Weg für ein so gewaltiges Heer durch die Niewedder Senke. Wichtig war hier für Arminius einen Zeitvorsprung zu erhalten, um entsprechende Vorbereitungen für den Ausbau einer Stellung und einer Strategie zu erarbeiten.

Ich weiß wirklich nicht, wie oft wir das schon mit dir durchgekaut haben maelo, aber der Angrivarierwall und Kalkriese passen topographisch nun wirklich nicht zusammen. Ich erlaube mir daher Beitragsrecycling von einem Beitrag von 2009:

1.) Beim Angrivarierwall hatten die Germanen den Sumpf im Rücken.
:rechts: In Kalkriese hatten sie den Berg im Rücken.
2.) Die Römer haben den Angrivarierwall beschossen.
:rechts: In Kalkriese gibt es keine Spuren eines Wallbeschusses.
3.) Tacitus spricht von der Begrenzung des Schlachtfeldes durch einen flumen.
:rechts: Die nächsten Gewässer von Kalkriese aus, die die Bezeichnung flumen rechtfertigen, sind die Ems und die Weser, die jeweils etwa 50 km von Kalkriese entfernt fließen.
4.) Die Anlage des Walls von Kalkriese von etwa 400 m Länge, ein taktisches Bauwerk.
:rechts: Dagegen der Angrivarierwall, der nach dem Tacitustext kein taktisches Bauwerk war, sondern als Grenzbauwerk zu verstehen ist. Warum sollte Tacitus, abgesehen davon, dass er mit dem Plusquamperfekt von extollere den Aufwurf des Angrivarierwalls in eine Zeit weit vor der Schlacht verlegt, betonen, dass der Wall zwischen den Angrivariern und den Cheruskern trennte? ("...nisi quod latus unum Angrivarii lato aggere extulerant quo a Cheruscis dirimerentur.") Das ergibt für den geschilderten Schlachtverlauf überhaupt gar keinen Sinn. Hieraus ergibt sich der nächste Punkt:
5.) Der Kalkrieser Wall ist für ein singuläres Ereignis vorbereitet worden, er stellt keine Fluchtburg dar und ist für einen räuberischen Überfall auf einzelne Durchreisende und kleinere Gruppen viel zu aufwändig.
:rechts: Die Schlacht am Angrivarierwall war aber ein Spontanereignis: Die Germanen hatten gerade eine Schlacht (Idistaviso) verloren, Arminius hatte mit Müh und Not und nur dank der Chauken, die seine Identität nicht offenbarten, überlebt. So jedenfalls Tacitus. Sie wähnten aber die Römer im Siegesrausch und wagten daher einen erneuten Überfall, bei dem sie sich schließlich hinter den Angrivarierwall zurückzogen. Es ist doch bezeichnend, dass dieser die Schlacht am Angrivarierwall als spontanes Umdenken der Germanen beschreibt und die Varusschlacht in den Quellen als gut vorbereitetes Unternehmen beschrieben wird.
6.) Die Anwesenheit von Frauen: Funde sprechen dafür, dass in Kalkriese Frauen anwesend waren.
:rechts: Dies entspricht eher einem Varus, der sich im Freundesland wähnte, als einem Germanicus, der sich auf einem Rachefeldzug tief im Feindesland befindet.

Mit Tacitus' Beschreibung der Schlacht am Angrivarierwall - und das ist bzgl. des Angrivarierwalls die einzige Quelle - lässt sich Kalkriese überhaupt nicht in Übereinstimmmung bringen.
 
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Außerdem ist der Fund von Waffen,Rüstungen,Münzen kein Anhaltspunkt zum Austragungsort der Varusschlacht. Es gibt übrigens Anhaltspunkte dass zum Zeitpunkt von 6 nach Christi Geburt bis 9 n.C. vermehrt Meutereien in der Truppe gab.
 
Außerdem ist der Fund von Waffen,Rüstungen,Münzen kein Anhaltspunkt zum Austragungsort der Varusschlacht. Es gibt übrigens Anhaltspunkte dass zum Zeitpunkt von 6 nach Christi Geburt bis 9 n.C. vermehrt Meutereien in der Truppe gab.


Warum ist die Befundlage von Kalkriese "kein Anhaltspunkt zum Austragungsort der Varusschlacht"?

Welche Anhaltspunkte für Meutereien in der Truppe gab es? Spontan fallen mir Berichte über Meutereien nach dem Tod des Augustus ein (aber das war 14 n. Chr.).
 
Außerdem ist der Fund von Waffen,Rüstungen,Münzen kein Anhaltspunkt zum Austragungsort der Varusschlacht.


Anhaltspunkt sicher. Wären in Kalkriese Massen von Münzen aus der Zeit ab 20 n. Chr. gefunden worden, käme niemand auf die Idee dort die Varusschlacht zu verorten.
Es gibt übrigens Anhaltspunkte dass zum Zeitpunkt von 6 nach Christi Geburt bis 9 n.C. vermehrt Meutereien in der Truppe gab.


Welche Anhaltspunkte?
 
Wird ein Varusschlachtszenario nach Cassius Dio vorausgesetzt, nachdem Varus von einem Sommerlager an der Weser zum Schlachtfeld Kalkriese gezogen ist um auf seinem Marsch zu einem Aufstand entfernter Germanen zu gelangen, dann passt so einiges nicht. Wenn Varus schon auf halben Weg dorthin angegriffen wurde, so hatte er keinerlei Veranlassung weiterzuziehen(wohin denn auch?), denn dann hätte er schon frühzeitig seinen Aufstand gehabt. Er hätte sich der Auseinandersetzung gestellt und sich dem gewidmet wozu er aufgebrochen ist, und alles daran gesetzt zu diesem frühen Zeitpunkt von seinem Standort aus die Situation zu bereinigen.
Hätte Varus erst vor oder in der Kalkrieser Senke den ersten Kontakt mit den aufständigen Germanen gehabt so hatte er keine Veranlassung durch die Kalkrieser Senke zu ziehen um diesem Aufstand auszuweichen. Er hatte doch hier das gehabt wozu er aufgebrochen ist. Hier waren die Germanen die sich der römischen Macht widersetzten. Er hätte sich mit voller intakter Heeresmacht dem Aufstand entgegengeworfen und nicht vor einem lächerlich erscheinenden Wall kapituliert.
 
Ich weiß wirklich nicht, wie oft wir das schon mit dir durchgekaut haben maelo, aber der Angrivarierwall und Kalkriese passen topographisch nun wirklich nicht zusammen.

Es lohnt sich dieses Alles noch einmal durchzukauen, ich verspreche es!

Wir finden bei Kalkriese alle topographischen Attribute die Tacitus für die Schlacht am Angrivarierwall beschreibt.
Der Fluss- hier die Hunte in etwa 10 Kilometer Entfernung.
Den Berg-hier der Kalkrieser Berg.
Die schmale sumpfige Fläche- hier der Niedermoorstreifen zwischen Hangsandzone und Flugsandrücken.
Der tiefe Sumpf- hier das Große Moor nördlich der Flugsandzone vorgelagert.
Der Wald – hier die bewaldeten Zonen in der Niewedder Senke zur Zeitwende.
Der Wall – hier der Wall von Kalkriese.


In Kalkriese gibt es keine Spuren eines Wallbeschusses.
Diese Aussage trifft nicht zu. Es gibt sehr wohl reichhaltige Zeugnisse für einen Wallbeschuss. Nachzulesen in: Kalkriese 4/ Katalog der Römischen Funde vom Oberesch 2008 / Schnitte 1-22. Hier werden 4 Geschossspitzen (davon eine als Wurfgeschoß) und eine Pfeilspitze aufgeführt.Und in Kalkriese 5 / Katalog der römischen Funde vom Oberesch 2011 / Die Schnitte 23-39. Hier gibt es sogar 13 Geschossspitzen und zwei Pfeilspitzen.

Hier einmal OT. Ich betrachte es fast als Unverschämtheit letztendlich erst 2011 im Katalog auf die große Menge der Geschossspitzen hinzuweisen. In keiner vorhergehenden Literatur zu den Ausgrabungsergebnissen war von diesem Befund die Rede. Man schreibt sich hier (und nicht nur hier) auf über dreitausend Beiträge die Finger wund auf der Basis eines unvollständig publizierten Ausgrabungsergebnisses, wohlwissend das dieser Befund Kalkriese in einem neuen Licht erscheinen lässt. Es gibt noch weitere Dinge die mich an eine grundsätzliche Integrität zweifeln lassen. Dazu vielleicht später mehr.

Dieser Befund wirft das ganze vorgestellte Varusschlachtszenario über den Haufen, denn demnach sind die Römer nicht wie eine Hammelherde an dem Wall vorbeigezogen und haben sich quasi wehrlos abschlachten lassen. Die Römer hatten genügend Raum und Gelegenheit um ihre Fernwaffen einzusetzen. Also nichts mit dem tollen Kugelmodell im Kalkrieser Museum, denn die Katapulte können nicht über den Köpfen vorbeiziehender Legionäre abgefeuert werden.
 
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