Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Aber wo suchen? Kalkriese wird im Kontext der Varusschlacht gedeutet. Wenn wir davon ausgehen, dass hier tatsächlich Teile der Varuslegion geschlagen wurden, heißt es ja nicht, dass auch in Kalkriese der Tumulus gebaut worden sein muß. Vielleicht gab es einen noch unbekannten Ort, an dem andere Teile der Legionen vernichtet wurden und dort wurde der Tumulus errichtet (und wieder zerstreut). Der dürfte sich dann in Abstand von etwa x km von Kalkriese entfernt befinden.

Eben. Die Varusschlacht war ja offenbar nicht eine klassische Schlacht mit einem einzigen Schlachtfeld, sondern war sowohl räumlich als auch zeitlich durchaus etwas ausgedehnter. Es ist daher ein schlechtes Argument zu sagen, im Text steht dieses und jenes, wir haben es aber in Kalkriese nicht, also kann Kalkriese nicht der Ort der Schlacht sein.
 
...
Und welche Grabbeigaben?
Das Schlachtfeld ist gründlichst geplündert worden bis hin zur Leichenfledderei.
Da gab es wohl nicht mehr viel, was man als Grabbeilage nutzen konnte. ...

Moin

Ich denke hier sind eher Grabbeigaben durch die Truppen des Germanicus gemeint!

Doch was sollten die Truppen an wertvollen Sachen mit sich geführt haben, das als Grabbeigabe getaugt hätte? Waffen wohl kaum! ;)

Gruß
Andreas
 
Moin

Ich denke hier sind eher Grabbeigaben durch die Truppen des Germanicus gemeint!

Doch was sollten die Truppen an wertvollen Sachen mit sich geführt haben, das als Grabbeigabe getaugt hätte? Waffen wohl kaum! ;)

Gruß
Andreas

Richtig.:winke:
Genau das meinte ich. Persönliche Gegenstände der gefallenen Legionäre aus der Varusschlacht waren wohl nicht mehr vorhanden. Und die Legionäre des Germanicus haben ihre Ausrüstungsgegenstände sicherlich nicht zur Verfügung gestellt. Die Germanicus Legionen wußten, daß sie in der Arminius Koalition einen durchaus ebenbürtigen Gegner hatten. Diese Bestattungen sind sicherlich eilig erfolgt. Wer will schon länger als nötig auf dem Gebiet einer solch katastrophalen Niederlage bleiben?

Meine persönliche Meinung und um Klartext zu sprechen:
Die Vorstellung, daß diese Knochengruben von Germanen angelegt worden sind, halte ich schlichtweg für absurd.

Die einzig logische Schlussfolgerung:
In den Quellen ist eine Bestattung der römischen Toten durch den Germanicus überliefert.
Dies gibt der archäologische Befund in Kalkriese durchaus wieder.
 
Es wird immer wieder angedeutet, dass die (barbarischen) Germanen die Knochengruben angelegt haben könnten. Gibt es denn Anzeichen dafür, dass (barbarische) Germanen sowas jemals gemacht haben?

Ich fand in den Quellen bislang nur Hinweise darauf, dass (zivilisierte) Römer sich nach einer Schlacht einen Dreck darum geschert haben, was aus den Leichen auf dem Schlachtfeld wurde. Ohne jede Unterscheidung zwischen "eigenen" und "feindlichen" Leichen.

MfG
 
Eigentlich bleibt dann nur die Variante, dass Germanicus in 16 zwar den Tumulus nicht wieder aufgebaut hat, aber einzelne Knochen, die die Germanen bei dessen Zerstörung auseinander gescharrt hatten, wieder beisetzte. Zeit dafür muss er gehabt haben, denn er hat den Drusus-Altar nicht nur wieder hergestellt, sondern auch Truppenumzüge veranstaltet. Die Knochengruben waren sorgfältig mit Kalkstein ausgekleidet und die Knochen teilweise um einen Schädel geschichtet. Aber einen Sinn ergibt die Sache trotzdem nicht. Gruß
 
Es wird immer wieder angedeutet, dass die (barbarischen) Germanen die Knochengruben angelegt haben könnten. Gibt es denn Anzeichen dafür, dass (barbarische) Germanen sowas jemals gemacht haben?

Ich fand in den Quellen bislang nur Hinweise darauf, dass (zivilisierte) Römer sich nach einer Schlacht einen Dreck darum geschert haben, was aus den Leichen auf dem Schlachtfeld wurde. Ohne jede Unterscheidung zwischen "eigenen" und "feindlichen" Leichen.

MfG

Andeuten kann man vieles. Nur geben diese Andeutungen auch wirklich Sinn? Anzeichen, daß Germanen so etwas gemacht haben kenne ich (zumindest für die entsprechende Zeit - 9 n.Chr.) nicht.

Soweit mir bekannt ist wollten auch die Römer ihre "Totengeister" befriedigen. Eine Bestattung war daher wichtig - insofern dies möglich war.

Im konkreten Fall gibt es allerdings eine literrarische Vorlage durch den Tacitus für eine solche römische Bestattungsaktion.
Und in Kalkriese ist es durchaus sehr wahrscheinlich, daß die literarische Vorlage durch den archäologischen Befund bestätigt wird.
 
Eigentlich bleibt dann nur die Variante, dass Germanicus in 16 zwar den Tumulus nicht wieder aufgebaut hat, aber einzelne Knochen, die die Germanen bei dessen Zerstörung auseinander gescharrt hatten, wieder beisetzte. Zeit dafür muss er gehabt haben, denn er hat den Drusus-Altar nicht nur wieder hergestellt, sondern auch Truppenumzüge veranstaltet. Die Knochengruben waren sorgfältig mit Kalkstein ausgekleidet und die Knochen teilweise um einen Schädel geschichtet. Aber einen Sinn ergibt die Sache trotzdem nicht. Gruß

Du widersprichst Dir selbst.
Der tumulus war sicherlich eine Art "Denkmal" für die Toten der Varusschlacht. Wo dieser sich letztlich befand ist nicht bekannt - vergl. hierzu die Ausführungen von Carolus in #3581. Warum sollten die Germanen die Gruben mit Kalkstein ausgelegt haben? Warum die Mühe für den Feind?
Und nochmals:
Warum erst die Bestattung durch die Germanen nach mehreren Jahren?
Dies würde mich am meisten interessieren.

Bin gespannt auf Antworten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die "Bestatter" bei Kalkriese waren, trotz aller Gefahren, so sorgfältig, dass sie in Schädelkalotten einzelne Knochenteile einsammelten und beisetzten,

Die Knochengruben waren sorgfältig mit Kalkstein ausgekleidet und die Knochen teilweise um einen Schädel geschichtet.

Das ist interessant und das wusste ich bisher nicht. Dann sind die Knochengruben natürlich keine 'Abfallgruben', wie ich sie provokanterweise bezeichnet habe, sondern sie stehen eindeutig in einem kultischen Kontext.

Kann man über die Bauform der Gruben noch weitere Rückschlüsse ziehen? Sind ähnliche Gruben bekannt, sei es in Nordwesteuropa oder auch im Mittelmeerraum?
 
Andeuten kann man vieles. Nur geben diese Andeutungen auch wirklich Sinn? Anzeichen, daß Germanen so etwas gemacht haben kenne ich (zumindest für die entsprechende Zeit - 9 n.Chr.) nicht.
Das ist genau der Punkt: NIEMAND kennt die. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass (barbarische) Germanen jemans sowas gemacht hätten. Stattdessen gibt es Belege dafür, dass (zivilisierte) Römer kein Problem damit hatten, nach einer Schlacht die Gefallenen einfach liegenzulassen.

Wer will sich da wundern, wenn so ein hartgesottener Legionär es völlig gleichgültig fand, ob ein Zahn, den er in eine Grube geworfen hat, von einem Menschen oder von einem Maultier stammte?

Über die Knochengruben bei Kalkriese können wir nur sagen, dass da offenbar nicht immer "pietätvoll bestatt" worden ist. Über die Germanen kann man sagen, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass nach irgendeiner Schlacht überhaupt jemals bestattet worden ist.

Deshalb frage ich mich, warum immer wieder die Theroie aufkommt, dass Germanen die Knochengruben angelegt haben müssten.

Bezog sich alles nicht auf Dich. Du bist nur einer von den Leuten, mit denen man über sowas reden kann... ;-)

MfG
 
Ich fand in den Quellen bislang nur Hinweise darauf, dass (zivilisierte) Römer sich nach einer Schlacht einen Dreck darum geschert haben, was aus den Leichen auf dem Schlachtfeld wurde. Ohne jede Unterscheidung zwischen "eigenen" und "feindlichen" Leichen.

MfG

Da würden mich die Quellenstellen interessieren, aus denen das hervorgeht!
 
Das ist genau der Punkt: NIEMAND kennt die. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass (barbarische) Germanen jemans sowas gemacht hätten. Stattdessen gibt es Belege dafür, dass (zivilisierte) Römer kein Problem damit hatten, nach einer Schlacht die Gefallenen einfach liegenzulassen.

Wer will sich da wundern, wenn so ein hartgesottener Legionär es völlig gleichgültig fand, ob ein Zahn, den er in eine Grube geworfen hat, von einem Menschen oder von einem Maultier stammte?

Über die Knochengruben bei Kalkriese können wir nur sagen, dass da offenbar nicht immer "pietätvoll bestatt" worden ist. Über die Germanen kann man sagen, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass nach irgendeiner Schlacht überhaupt jemals bestattet worden ist.

Deshalb frage ich mich, warum immer wieder die Theroie aufkommt, dass Germanen die Knochengruben angelegt haben müssten.

Bezog sich alles nicht auf Dich. Du bist nur einer von den Leuten, mit denen man über sowas reden kann... ;-)

MfG

Also zunächst:
Eine Bestattung war wohl in der Antike für alle Völker sehr estrebenswert - schon aus religiösen Gründen.
Die römische Armee war hier auch wohl durchaus trainiert, sowohl Tote als auch Verletzte zu bergen. Aber auch für die Germanen war eine entsprechende Bestattung sehr wichtig. Im Zusammenhang Varusschlacht=Kalkriese lässt sich das auch erkennen. Es gibt keine wirklich germanischen Funde. Das gleiche gilt für das Schlachtfeld am Harzhorn. Das lässt wohl darauf schliessen, daß die Germanen ihre Toten geborgen und einer ehrenvollen Bestattung haben zukommen lassen.

Eine wirkliche Erklärung, warum Germanen die Knochengruben in Kalkriese angelegt haben gibt es nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Salvus, ich will ja in mich gehen und es nicht mehr ausschließen, dass Germanicus möglicherweise bei seinem zweiten Besuch des Schlachtfeldes Knochen-Reste des zerstörten Tumulus nochmal in Gruben beigesetzt hat. Das wird aber nirgendwo erwähnt. Auf jeden Fall handelt es sich bei den Gruben nicht um den Tumulus, den Tacitus beschreibt. Die "Löcher" entsprechen auch in keinster Weise römischen Regeln einer würdigen Bestattung. Gruß
 
Unverständlich bleibt, weshalb die Römer die Gebeine nicht eingeäschert haben. Der Aufwand wäre bei den fleischlosen Knochen gering und der Tumulus kleiner. Aber vielleicht haben sie es getan, und nach der Zerstörung des Tumulus blieb nichts übrig. Aber wer liegt dann in den Gruben?
Gruß
 
Auf jeden Fall handelt es sich bei den Gruben nicht um den Tumulus, den Tacitus beschreibt. Die "Löcher" entsprechen auch in keinster Weise römischen Regeln einer würdigen Bestattung.

Urnenfelderkultur-ähnliche Gräber sind um die Zeitenwende sicherlich eher den Germanen als den Römern zuzuordnen.
 
Unverständlich bleibt, weshalb die Römer die Gebeine nicht eingeäschert haben. Der Aufwand wäre bei den fleischlosen Knochen gering und der Tumulus kleiner. Aber vielleicht haben sie es getan, und nach der Zerstörung des Tumulus blieb nichts übrig. Aber wer liegt dann in den Gruben?
Gruß

Eine Feuerbestattung war keine religiöse Pflicht, Cicero in de legibus: http://www.geschichtsforum.de/368669-post8.html

Die Feuerbestattung hatte wohl in erster Linie hygienisch-pragmatische Gründe, die nach sechs Jahren nicht mehr gegeben waren. Es gab auch eine römische gens, die dafür bekannt war, Körperbestattungen durchzuführen.
 
Aber wer liegt dann in den Gruben?
Ich würde Tacitus nicht wie einen Polizeibericht oder eine Zeugenaussage vor Gericht lesen.
Tacitus beschreibt ausführlich, wie sich Zug um Zug das Drama um Varus' Untergang vor Germanicus' Augen entfaltet, welch erschreckenden Anblick sechs Jahre später das Schlachtfeld für Germanicus darstellt um zu verdeutlichen, daß er nicht einfach weiterziehen konnte, egal wie seine Pläne vielleicht aussahen oder welche Gefahren womöglich drohten. Die eigentliche Arbeit, das Einsammeln und Bestatten der Gebeine, fasst Tacitus dann ausgesprochen kurz zusammen, wobei ihm wichtig ist zu betonen, daß Germanicus selbst Hand anlegte.
Tacitus' Intention ist zu zeigen, daß der Feldherr eine Entscheidung vor Ort traf, angesichts der Umstände keine andere treffen konnte, und diese Entscheidung mit allen Kräften und aus vollstem Hezen durchsetzte. Und daß Tiberius im Gegensatz dazu später die ganze Aktion mißbilligte. Dabei ist für Tacitus wichtig zu beschreiben, warum Germanicus diese Entscheidung traf, und eben nicht, welcher Tote wie oder wo genau bestattet wurde.
 
El Quijote, ich glaube, mit dem "Die sterblichen Überreste des Gaius Marius, die am Anio bestattet waren, befahl der Sieger Sulla zu zerstreuen, angestachelt vom Hass [...]. Vielleicht, weil er befürchtete, dass dies auch seinem eigenen Leichnam angetan werden könnte wollte er als erster von den patrizischen Corneliern verbrannt werden." kommen wir der Sache schon ziemlich nahe. Die Gefahr der Zerstreuung der Gebeine bestand bei Bestattungen im Feindesland immer, und der zerstörte Tumulus beweist es. Nach dessen Zerstörung müssten ja eigentlich alle Gebeine wieder offen da liegen. Es sei denn, sie waren nur noch Asche.
Gruß
 
Da würden mich die Quellenstellen interessieren, aus denen das hervorgeht!
Tacitus, Historien, Buch 2, ab Abs. 45. Es ging um die erste Schlacht bei Bedriacum. Tacitus schreibt, Vitellius sei seinen Truppen etwa 40 Tage nach der Schlacht gefolgt und habe das Schlachtfeld mit den dort immer noch herumliegenden Gefallenen besichtigt.

Es war sicher nicht die Regel, dass römische Legionäre sich nach Kämpfen nicht um ihre Gefallenen gekümmert haben. Es zeigt aber, dass die Pietät damals durchaus auch beiseitegelassen werden konnte.

MfG

P.S.: Gerade gefunden: http://www.geschichtsforum.de/f28/gefallenenbestattung-14613/
 
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