Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Nun, wenn z.B. etwaige noch vorhandene menschliche Überreste im Anschluss einer Begehung auf römische Weise bestattet worden wäre, oder ähnliches, wären das wohl relativ deutliche Zeugnisse.
deutliche Zeugnisse wofür? Für Augenzeugen?? Das wäre Quatsch. Für ein Wiederauffinden des Schlachtfelds durch die Römer? Möglich. Setzt aber für uns heute, zur Überprüfung, voraus, dass wir wirklich und erwiesenermaßen das berühmt-berüchtigte Schlachtfeld gefunden haben ;)
 
Nun, wenn z.B. etwaige noch vorhandene menschliche Überreste im Anschluss einer Begehung auf römische Weise bestattet worden wäre, oder ähnliches, wären das wohl relativ deutliche Zeugnisse.
Wir haben die Knochengruben von Kalkriese. Die Knochen lagen mehrere Jahre unbestattet an der Erdoberfläche. und kamen, teils mit Spuren von Tierfraß, losgelöst vom anatomischen Verbund unter die Erde. Eine Ausnahme bildeten einige Mittelhandknochen, die offensichtlich zusammengehörig in eine Knochengrube kamen. Achim Rost hat vorgeschlagen, dass sie einem Verwundeten gehörten, der noch von Ärzten oder Kameraden medizinisch versorgt worden war, bevor er dann doch verstarb. Durch die Textilien des Verbandes, die vermutlich mit Harz oder Pech getränkt zusammengehalten wurden, kamen die Handwurzelknochen, deren einzelnes Auffinden sonst eher höchst unwahrscheinlich gewesen wäre, dann doch in die Knochengrube.

Es ist schon mal - um Germanicus aus Kalkriese als Besucher des Varusschlachtfeldes zu entfernen - argumentiert worden, Römer hätten Brandbestattung betrieben. Das ist global betrachtet gesehen korrekt. Das machte man aber vor allem auch aus hygienischen Gründen und es gibt Zeugnisse aus Köln und anderswo, dass es auch zu augusteischer Zeit Körperbestattungen gab und Cicero berichtet, dass die Cornelier an der von ihm als traditioneller beschriebenen Körperbestattung festhielten. Wenn es also keinen Grund mehr gab, die Leichen zu verbrennen, weil die Verwesung nach sechs Jahren an der Oberfläche schon vollzogen war und der Tumulus auseinandergeworfen, was erwartest du noch? Die Römer bestatteten in augusteischer Zeit eher beigabenarm, sie errichteten ihren Toten (oder sich selbst) opulente Grabdenkmale, wenn sie konnten, aber als Beigaben mL zwei Kännchen mit Ölen, aber mehr nicht. Die dürfte man bei einem ungeplanten und spontanen Schlachtfeldbesuch nach mehreren Tagen oder vielleicht auch Wochen Aufenthalt im Barbaricum nicht zur Hand gehabt haben.
 
deutliche Zeugnisse wofür? Für Augenzeugen?? Das wäre Quatsch. Für ein Wiederauffinden des Schlachtfelds durch die Römer? Möglich. Setzt aber für uns heute, zur Überprüfung, voraus, dass wir wirklich und erwiesenermaßen das berühmt-berüchtigte Schlachtfeld gefunden haben ;)

Das meine ich. Das wäre dann jedenfalls ein Anhaltspunkt dafür, dass übeerhaupt jemals wieder ein Römer da war, nicht für Augenzeugen, aber für römische Anwesenheit.
Nur eben dafür müsste man ja selbst erstmal den exakten Ort kennen.
So ist die nachmalige Begehung des Schlachtfeldes erstmal nur eine Hypothese. Kann gewesen sein, muss aber nicht, genau wie die Existenz der angeblichen Augenzeugen auf die Bezug genommen wird.

Mir geht es überhaupt nicht darum, dass ich persönlich Augenzeugen für unwahrscheinlich halten würde. Nur darum herauuszustellen, dass ich es für müßig halte, die angeblichen Augenzeugen irgendwelchen Personen zuzuordnen, die das theoretisch gewesen sein könnten, so lange deren schiere Existenz eine bloße Hypothese ist, die an und für sich nicht unplausibel ist, aber auch nicht bewiesen und für die es auch ganz andere Erklärungen geben könnte:

Ansonsten halte ich mich einfach an das, was man mir im B.A. in der Archäologie eingebläut hat:

Materielle Funde interpretieren und dann Schriftquellen zu Rate ziehen, um gegebenenfalls weitere Erklärungen zu finden und nicht umgekehrt versuchen auf Basis irgendwelcher Schriftstücke, deren inhaltliche Acuratesse möglicherweise nicht verifizierbar ist, Hypothesen aufbauen, für die die materiellen Zeugnisse fehlen.

Wir haben verschiedene Schriftquellen, die teils deutlich später entstanden sind, wirlich eindeutlige materielle Zeugnisse haben wir nicht.
Was nutzt es also im Bezug auf Augenzeugenn Hypothesen anzustellen, wer sie waren, wenn wir nicht wissen, ob es sie im konkreten fall tatsächlich gegeben hat?

@Sepiola

Dafür, dass das Schlachtfeld wenigstens später nochmal vonn Römern betreten worden ist. Das wiederrum ist kein beleg, würde aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie irgendwer dort hingeführt hätte, der das vielleicht miterlebt hat, doch deutlich unterstreichen.

Natürlich wäre das kein Beweis für Augenzeugen, aber es würde durchaus schonmal eher dafür sprechen, als wenn man nur die Schriftquellen hat, würde ich meinen.
 
Wir haben die Knochengruben von Kalkriese. Die Knochen lagen mehrere Jahre unbestattet an der Erdoberfläche. und kamen, teils mit Spuren von Tierfraß, losgelöst vom anatomischen Verbund unter die Erde. Eine Ausnahme bildeten einige Mittelhandknochen, die offensichtlich zusammengehörig in eine Knochengrube kamen. Achim Rost hat vorgeschlagen, dass sie einem Verwundeten gehörten, der noch von Ärzten oder Kameraden medizinisch versorgt worden war, bevor er dann doch verstarb. Durch die Textilien des Verbandes, die vermutlich mit Harz oder Pech getränkt zusammengehalten wurden, kamen die Handwurzelknochen, deren einzelnes Auffinden sonst eher höchst unwahrscheinlich gewesen wäre, dann doch in die Knochengrube.

Naja, aber das mit der notdürftigen Verarztung klingt sicherlich nicht unplausibel, nur ist das, wie ich dass sehe kein nachweis wann die verarztete Verletzung aufgetreten ist.
Wir unterhalten uns über wahrscheinlich irgendwas von 10.000-15.000 Mann, die bei wahrscheinlich nicht mehr ganz einfachen Witterungebedingungenn durch ihnen nicht so gutes und für diesen Zweck nicht ausgebautes Gelände stolperten.
Es wäre eigentlich höchst verwunderlich, wäre es dabei nicht auch zum einen oder anderen Unfall gekommen, der nicht unbedingt ursächlich auf die Kampfhandlungen der Varusschlacht zurückgeht.
So gesehen, könnte es sich auch um eine bereits vorher verletzte und verarztete Person gehandelt haben, die man mit dabei hatte, als es losging.


Es ist schon mal - um Germanicus aus Kalkriese als Besucher des Varusschlachtfeldes zu entfernen - argumentiert worden, Römer hätten Brandbestattung betrieben. Das ist global betrachtet gesehen korrekt. Das machte man aber vor allem auch aus hygienischen Gründen und es gibt Zeugnisse aus Köln und anderswo, dass es auch zu augusteischer Zeit Körperbestattungen gab und Cicero berichtet, dass die Cornelier an der von ihm als traditioneller beschriebenen Körperbestattung festhielten. Wenn es also keinen Grund mehr gab, die Leichen zu verbrennen, weil die Verwesung nach sechs Jahren an der Oberfläche schon vollzogen war und der Tumulus auseinandergeworfen, was erwartest du noch? Die Römer bestatteten in augusteischer Zeit eher beigabenarm, sie errichteten ihren Toten (oder sich selbst) opulente Grabdenkmale, wenn sie konnten, aber als Beigaben mL zwei Kännchen mit Ölen, aber mehr nicht. Die dürfte man bei einem ungeplanten und spontanen Schlachtfeldbesuch nach mehreren Tagen oder vielleicht auch Wochen Aufenthalt im Barbaricum nicht zur Hand gehabt haben.

Brandbestattung halte ich persönlich auch für Unsinn. Nicht nur weil der Verwesungsprozess im Wesentlichen bereits abgeschlossen gewesen sein würde, sondern auch, weil es wahrscheinlich schlicht nicht möglich gewesen wäre auf die Schnelle genügend Feuerholz für die Verbrennung der Skelette von potentiell über 10.000 Mann heran zu schaffen.
Selbst wenn man das Holz direkt vor Ort geschlagen hätte, allein das in entsprechendem Ausmaß zu tun und das ganze Zeug zu trocknen, hätte vermutlich selbst wenn reichlich Manpower vor Ort gewesen wäre, Wochen gedauert.
Damit hätte mann sich kaum aufgehalten.

Ich erwarte auch sicherlich nicht, dass man irgendwo in der germanischen Wildnis für Tote, die man zum großen Teil nicht mal mehr identifizieren konnte irgendwelche oppulenten Grabmähler errichtet hätte.

Was ich mir aber durchaus vorstellen könnte wäre, wenn man sich das Schlachtfeld so detailliert zeigen und beschreiben ließ, dass man möglicherweise irgendeine Art von Ehrenbeezeeugung an der Stelle zurückgelassen hätte, an der Varus, der Beschreibung nach, das Zeitliche segnete.
Das erschiene mir nicht zu weit hergeholt und würde wahrscheinlich, mit entsprechender Manpower in relativ kurzer zeit zu leisten gewesen sein, ohne dass man sich allzu lange damit hätte auhalten müssen.

Nein, ich erwarte sicher nicht, dass man da Anstalten gemacht hätte mitten in tendenziell mal mindestens gefährlichem Terrain eine ganze Armee zu bestatten.
Aber eine bescheidene Ehrenbezeugung für den Befehlshaber? Halte ich nicht für ausgeschlossen.


Um das hier auch klarzustellen, ich möchte überhaupt nicht Germanicus als Besucher des Schlachtfeldes entfernen, wozu denn? Weiß ich ob der jemals da gewesen ist?
Für mich gibt es genau so wenig klare Beweise dafür, dass er anwesend war, wie es irgendwelche dafür gibt, dass er es nicht war.
Die Begehung des Schlachtfeldes ist von dem her eine nicht gänzlich unwahrscheinliche Hypothese, die sie aber nicht definitiv beweisen lässt.
Entsprechend würde ich sie gerne behandeln, wenn man sich darüber auslässt, wie es denn zu diesem Besuch gekommen sein mag.
 
Wenn es wirklich nahezu alle waren, werden wohl nur wenige Menschen überlebt haben, mehr zivile vermutlich, weniger militärische Personen. „Bei Cassius Dio können wir lesen, dass es Freikäufe gab, die Freigekauften aber nicht nach Italien durften.“ Aha, das ist interessant. Warum durften die nicht nach Italien zurück?
Es gab eine Art Präzedenzfall: Nach der Schlacht von Cannae wurden die überlebenden römischen Soldaten nach Sizilien verlegt mit der Vorgabe, dass sie dort so lange zu bleiben hatten wie der Krieg in Italien noch andauerte. Das war als Strafe für ihr "Versagen" und ihre Flucht gedacht. (Für ihren Feldherrrn Varro, der doch hauptverantwortlich gewesen war, galt das allerdings nicht; er durfte sogar seine Karriere fortsetzen.) Auch nach den von den Römern ebenfalls verlorenen beiden Schlacht bei Herdonia 212 und 210 v. Chr. wurden die Überlebenden strafweise nach Sizilien versetzt.

Möglicherweise sollten also auch die Überlebenden der Varusschlacht bestraft werden. Oder man wollte verhindern, dass sie aus erster Hand von der Niederlage erzählen. Wir wissen es nicht.
 
Bezeichnend ist natürlich auch, dass bisher nur ein einziger Grabstein aufgefunden wurde, der Bezug auf die Schlacht nahm.
 
Von wie vielen anderen Schlachten haben wir Grabsteine? Dass römische Grabsteine erhalten sind ist per se in Deutschland ein Glücksfall...
Ach, eine römische Spolie im Merseburger Dom, oder in Quedlinburg, meinetwegen auch in Mainz, mit Erwähnung der Schlacht, das wäre natürlich der Knaller...
..
 
Der Bildhauer wurde extra nach Germanien geholt. Aber es hätte ja in der Heimat der Gefallenen noch ähnliche Scheingräber geben können.
 
Was ich mir aber durchaus vorstellen könnte wäre, wenn man sich das Schlachtfeld so detailliert zeigen und beschreiben ließ, dass man möglicherweise irgendeine Art von Ehrenbezeugung an der Stelle zurückgelassen hätte, an der Varus, der Beschreibung nach, das Zeitliche segnete.
Das erschiene mir nicht zu weit hergeholt und würde wahrscheinlich, mit entsprechender Manpower in relativ kurzer zeit zu leisten gewesen sein, ohne dass man sich allzu lange damit hätte auhalten müssen.
Tropen waren meist aus Waffen und organischen Materialien erstellt. Die Tumuli in Haltern bestanden aus Erde mit Holzverschalungen. Insofern wäre auch ein solches hypothetisches Ehrenmal wohl am ehesten als aus organischen Materialen errichtet worden, insofern: wie würde man das im archäologischen Befund erkennen können, wenn da allenfalls ein paar Verfärbungen im Boden wären.

Um das hier auch klarzustellen, ich möchte überhaupt nicht Germanicus als Besucher des Schlachtfeldes entfernen, wozu denn?
Das habe ich dir auch nicht vorgeworfen.

Weiß ich ob der jemals da gewesen ist?
Ich sehe keinen plausiblen Grund das zu bezweifeln.

Die Begehung des Schlachtfeldes ist von dem her eine nicht gänzlich unwahrscheinliche Hypothese, die sie aber nicht definitiv beweisen lässt.
es ist keine Hypothese, es ist historische Überlieferung. Du müsstest schon begründen, warum du Zweifel daran hast.
Entsprechend würde ich sie gerne behandeln, wenn man sich darüber auslässt, wie es denn zu diesem Besuch gekommen sein mag.
Auch das ist bei Tacitus nachzulesen.
 
Ja. Es wurde bisher kein weiterer entdeckt. Eigentlich undenkbar bei so vielen Toten. Und nicht alle Hinterbliebenen werden sich von ihren Gefallenen losgesagt haben.
Von anderen Schlachten haben wir überhaupt keine Grabsteine oder Kenotaphen (erhalten). Sorry aber das sind so völlig an der Wirklichkeit vorbeigeschriebene Beiträge, für die fehlt mir jegliches Verständnis.
 
Und genau bei dem Foto des Marcus Caelius, als Abbildung in meinem Lateinbuch vor genau 50 Jahren, habe ich mich als Junge gefragt, wie oft ein solcher Glücksfall ist. Bis Kalkriese war es der einzige zeitgenössische materielle Befund, ein Gegenstück und Puzzleteil zu Tacitus. Außer den Kommentaren zu Münzfunden, von Th. Mommsen, deren Klarsichtigkeit erst begeistert in der FAZ zu den Funden von Kalkriese gefeiert wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja. Es wurde bisher kein weiterer entdeckt. Eigentlich undenkbar bei so vielen Toten. Und nicht alle Hinterbliebenen werden sich von ihren Gefallenen losgesagt haben.
es werden sich gewiß bei weitem nicht alle Hinterbliebenen einen Kenotaph leisten gekonnt haben, d.h. solche (leeren) Grabmäler/Denkmäler waren nur der finanziellen Oberschicht gegönnt - der durchschnittliche Legionärssold dürfte dafür nicht ausgereicht haben.
 
Woher weißt du das?
Hans G. Frenz kam nach einer stilistischen Analyse der bildlichen Darstellungen zu dem Ergebnis, dass der Bildhauer des Grabsteins aus der Heimat des Marcus Caelius und seines Bruders, nämlich aus Bononia (dem heutigen Bologna) stammte und demnach wohl eigens für die Anfertigung dieser Darstellung nach Germanien geholt worden war. (wiki)
 
es ist keine Hypothese, es ist historische Überlieferung. Du müsstest schon begründen, warum du Zweifel daran hast.

Auch das ist bei Tacitus nachzulesen.

Es ist eine Behauptung, die von verschiedenen antiken Geschichtsschreibern aufgestellt worden ist, die sich mitunter auf einander bezogen und in einem zeitlichen Abstand dazu schrieben, nach dem sie selbst eher unwahrscheinlich vor Ort waren, jedenfalls zum Teil.

Ich sehe nicht, warum man das ohne weitere Anhaltspunkte als gegeben ansehen sollte.
Aber da gehen unsere Meinungen wohl einfach auseinander, ist ja nicht weiter tragisch.

Was ein hypothetisches Ehrenmahl angeht, ich habe ja auch nicht behauptet, dass ein solches in irgendeiner Form leicht zu finden wäre.
Ich sage nur, dass ich im Falle eines Besuchs des Schlachtfeldes solche Hinterlassungen für denkbar halten würden und dass es ein starkes Indiz für einen solchen Besuch wäre.

Wie gesagt, ich erwarte da sicherlich keine massenhaften Feuerbestattungen und auch keine Marmorkolosse in der germanischen Wildnis,
 
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