Kalkriese:Schauplatz der Schlacht im Teutoburger Wald?

Anmerkungen:

@ Ashigaru:



Die Textstelle bei Tacitus sagt aus, dass die Legionäre mehr Geld bekommen haben - aber im Vergleich zu was? Sie hatten Forderungen gestellt, aber es lässt sich ja gar keine Relation zu den Geldmengen des Varus-Heeres (weil unbekannt) ziehen, ebenso gibt der Auszug keine Auskünfte über die absolute Höhe der Auszahlungen. Daraus Rückschlüsse auf die bei Varusschlacht oder Pontes longi zurückgelassenen Münzen zu ziehen, führt m.E. zu nichts.
Die meisten Münzen wurden in Kalkriese dort gefunden, wo du beschreibst. Dennoch ist die Streuung, wenn ich mich recht erinnere, enorm.
Es geht auch nicht um die Summe, sondern um die Aussage der Kalkriese-Befürworter, daß Varus ein Verwaltungsheer (mit evtl. hohen Geldbeträgen) und Germanicus ein reines Kampfheer für einen Rachefeldzug (ohne Geldbeträgen) hatten. Und das kann man mit der obigen Beschreibung deutlich widerlegen. So waren auch "hohe" Geldbeträge bei den Germanicus-Legionen beisammen und nicht nur beim Feldherrn Germanicus.


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Tja, wenn man den Tumulus hätte... Wenn ich mich recht erinnere, war aber die Zahl von Knochenfunden in Kalkriese nicht so gewaltig, oder? Der Verweis von Kehne, dass die Römer keine Tierbestattungen hatten, ist natürlich richtig. Allerdings handelt es sich hier auch um keine normale Art der Bestattung - es waren Massengräber, in die man alles zusammengeworfen hat. Ähnliches hat man auch in Britannien im Anschluss an die Kämpfe an einigen "Hillforts" gefunden.
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Von Massengräbern ist bei Tacitus überhaupt keine Rede (I.Buch,(62)), sondern von einen Tumulus, bei dem Germanicus das erste Rasenstück selbst auflegte. Und genau das hat Dr.Kehne beschrieben. Daher passen die Knochengruppen mit der literarischen Beschreibung überhaupt nicht überein.
Und was in Britannien gefunden wurde, ist für diese Begebenheit irrelevant.


So weit ich weiß, wird davon ausgegangen, dass es am Palatin eine Art Archiv gab, dessen Informationen sich die späteren Geschichtsschreiber bedienten. Tacitus selbst dürfte wohl kaum Augenzeugen aus den Germanenkriegen persönlich gekannt haben (er wurde erst 40 Jahre später geboren). Er hat wohl eher auf ältere, schriftlich niedergelegte Berichte zurückgegriffen.
So habe ich auch nicht Augenzeugen gemeint, die Tacitus persönlich gekannt hat, sondern auf deren schriftliche Bericht, auf die er zugriff und er schrieb von den Berichten von Plinius d.Ä. ab.

PS.: Übrigens beschreibt Tacitus in seinen Annalen auch einen Römer, der 93Jahre alt wurde. Also unmöglich war es nicht...
 
Es geht auch nicht um die Summe, sondern um die Aussage der Kalkriese-Befürworter, daß Varus ein Verwaltungsheer (mit evtl. hohen Geldbeträgen) und Germanicus ein reines Kampfheer für einen Rachefeldzug (ohne Geldbeträgen) hatten.

Ich habe ja auch schon geschrieben, das ich auch die Aussage bzgl. Verwaltungsheer für nutzlos halte - wie will man wissen, welche Geldmengen dabei bewegt wurden?

Von Massengräbern ist bei Tacitus überhaupt keine Rede (I.Buch,(62)), sondern von einen Tumulus, bei dem Germanicus das erste Rasenstück selbst auflegte.

Das ist mir schon bewusst. Der Tumulus dürfte kaum alle Gefallenen der Kampfstätte aufgenommen haben - falls ja, hätte man ihn sicherlich ohne weiteres schon lange gefunden. Wer sagt denn, dass zwingend alle Toten in einem Hügel bestattet sein mussten?
 
Das ist mir schon bewusst. Der Tumulus dürfte kaum alle Gefallenen der Kampfstätte aufgenommen haben - falls ja, hätte man ihn sicherlich ohne weiteres schon lange gefunden. Wer sagt denn, dass zwingend alle Toten in einem Hügel bestattet sein mussten?

Bei Tacitus I.Buch (61) steht:"Mitten in dem freien Feld lagen die bleichenden Gebeine zerstreut oder in Haufen, je nachdem die Leute geflohen waren oder Widerstand geleistet hatten. Dabei lagen Bruchstücke von Waffen und Pferdegerippe,..."
Somit gab es einen Ort, der nicht im Wald lag, sondern auf freiem Felde, auf dem etliche Menschenknochen lagen. Die Römer konnten hier auch die Pferdegerippe identifizieren und werden sie daher nicht in den gleichen Grabstätten bestattet haben.
Das nicht alle Menschenknochen gefunden wurden, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber immerhin soviele, daß ein Tumulus errichtet wurde. Im II.Buch (7) steht, daß im Jahre 16 n.Chr. Germanicus seine Truppen zum belagerten Kastell an der Lippe (es kann sich nur um Aliso gehandelt haben) führt, um die germanischen Angreifer zu verscheuchen. Hierbei erhält er die Nachricht, daß der im Vorjahr errichtete Tumulus und das ebenfalls errichtete Drususdenkmal zerstört wurden. Das Drususdenkmal wird in der Nähe von Aliso gestanden haben, da sein Vater Drusus im Jahre 11 v.Chr. das Kastell Aliso errichtete. So konnte Germanicus wieder einen Vorbeimarsch der Legionen mit ihm an der Spitze vor dem Denkmal durchführen. Den Tumulus ließ er nicht mehr erneuern. Weil dieser höchstwahrscheinlich einige Kilometer entfernt lag. Danach befestigte Germanicus alle Grenzwege und Dämme von Aliso bis zum Rhein, also die Lippe-Trasse. Da Überlebende aus der Varusschlacht nach Aliso flohen und Dr.Kehne davon ausgeht, daß das Varusheer unter den Kampfbedingungen (die Römer mußten am ersten Tag einen bewaldeten Berg bezwingen) nur 15km weit kamen, muß der Tumulus nicht allzuweit von Aliso entfernt sein.

Meine Vermutung: Aliso ist Anreppen (weil es dort mehrere Kornspeicher gab und gefangene Germanen bei der Aliso-Belagerung diese zu sehen bekamen) und der Berg ist der Teutoburger Wald (Eggegebirge). Dr.Kehne meint, daß aufgrund dieser Beschreibung bei Tacitus die Entfernung (zerstörter Tumulus) von der Lippe bis nach Kalkriese viel zu weit ist.

Fazit: Und da der Tumulus zerstört und nicht mehr aufgebaut wurde, gibt es auch keine sichtbaren Zeichen mehr. Daher ist die Auffindung so schwierig .
 
Ave Cherusker,
Ave zusammen,


zunächst vielen Dank für die kleine Zusammenfassung der Veranstaltung vom 15.11. Wesentlich Neues scheint sie nicht gebracht zu haben, die Pro und Contra Argumente sind, wie nicht anders zu erwarten, dieselben geblieben:


Auf der einen Seite die Kalkriesebefürworter, die in Funden schwimmen, und noch nicht die Zeit gefunden haben sie überhaupt vollständig zu ordnen, zu interpretieren und zu veröffentlichen.


Auf der anderen Seite die pontes-longi Befürworter, die weiterhin auf ihre spezielle Quelleninterpretation und Münzdeutungen pochen.


Ich möchte daher nochmal auf die wesentlichen Knackpunkte hinweisen, die wir in anderen Threads auch schon behandelt haben:


(A) Was unterscheidet die Varusschlacht von anderen Schlachten der fraglichen Zeit und des fraglichen Raumes ? (1) Die Varusschlacht war eine vernichtende Niederlage, sie war ein wahres Massaker und ein Totalverlust, es war wirklich eine Katastrophe. Das unterscheidet sie markant von allen anderen Schlachten, die bestenfalls als Teilverluste, meist sogar als Siege in den Quellen Niederschlag finden.
(2) Es war nicht ein auf Schlachten ausgerichteter Zug, sondern ein Kulturzug unter starker militärischer Flankierung, auch das unterscheidet sie markant von allen anderen.


(B) Aus A resultiert ein aussergewöhnlich hoher Fundniederschlag. Und da zieht das klassische Argument von Mommsen nach wie vor: Der Varushorizont muss sich durch diesen ungewöhnlich hohen Fundniederschlag, rein statistisch gesehen, zeigen. Und diesen Niederschlag hat Mommsen schon vor mehr als hundert Jahren ausfindig gemacht, er war und ist in der Gegend um Kalkriese zu finden. Wäre die Schlacht woanders gewesen, so würden wir diesen Niederschlag auch schon längst woanders bemerkt haben müssen. Alle anderen in Frage kommenden Schlachten haben mit Sicherheit eine geringere Fundhäufung ! Den statistisch grössten Fundhorizont augusteiischer Zeit in dieser Gegend kann man daher getrost ad hoc der Varusschlacht zuordnen, da beisst die Maus keinen Faden ab.


(C) wer trotzdem Kalkriese unbedingt einer anderen Schlacht zuordnen will, der muss daher folgende Bedingungen erfüllen: (1) Er muss in der Gegend Kalkriese wenigstens einige, eindeutig nicht Varus zuzuordnende Funde vorweisen. (2) wo bitteschön befindet sich, der dann zwangsläufig noch weit höhere, Fundniederschlag der „wahren“ Varusschlacht ? Man bedenke dass zur Zeit Mommsens die Zufallsmünzfunde in Kalkriese schon bei einigen hundert Münzen lag, mit Metallsuchgeräten heute bei einigen Tausend. Es gibt im gesamten in Frage kommenden Bereich keine weitere auch nur annähernd derartige, geschweige denn noch eine notwendig deutlich stärkere augusteiische Fundgrube !


Weder für (C1) noch für (C2) gibt es bisher irgendetwas handfestes: Wakelige und z.T. widersprüchliche Quelleninterpretationen sind dafür keinesfalls ein Ersatz !


Solange das so bleibt, gibt es keinen tieferen Grund an der Interpretation von Kalkriese als (Teil) der Varusschlacht zu zweifeln. Kalkriese ist daher, im Rahmen der zur Zeit überhaupt theoretisch zu führenden Beweiskette, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Endpunkt der Varuskatastrophe.



Beste Grüsse, Trajan.
 
Hallo Trajan,

Deine quantitative Argumentation bezüglich der Funde von Kalkriese ist schon amüsant. Leider entspricht sie in etwa dem, was man stereotyp aus Kalkriese ständig hört:
„Wir haben ein Schlachtfeld und ihr müsst uns beweisen, dass es nicht jenes aus der Varusschlacht ist.“
So wird allerdings nicht wissenschaftlich gearbeitet. Denn man sollte bedenken, dass es bis dato kein Schlachtfeld gibt, dass eindeutig den Germanicusfeldzügen zugeordnet werden kann. Insofern gibt es bezüglich des Fundniederschlages keine vergleichenden Aussagen.
Bedenke aber, dass bei den pontes longi ein gesamter militärischer Tross verloren ging und auch dort mit reichlich Kleinfunden zu rechnen ist.
Wenn der zivile „Kulturzug“ des Varus bei Kalkriese fiel, warum hat man dort nicht ein einziges Stück Terra Sigilata gefunden ?
Weil bei Kalkriese kein ziviler, sondern ein militärischer Tross aufgerieben wurde und Militärgeschirr damals wie heute aus Metall gefertigt war.
Du schriebst, dass man das Varusschlachtfeld längst hätte entdeckt haben müssen, wenn es denn woanders wäre. Andererseits hätte man auch noch 1986 sagen können: „Da wir das Varusschlachtfeld nach 450 Jahren Suche immer noch nicht entdeckt haben, kann es dieses folglich gar nicht gegeben haben!“. Solche definitiven Schlussfolgerungen sind immer heikel.

Und mal ´was zum Nachdenken:
Erkläre mir ´mal, warum in Anreppen 410 Münzen gefunden wurden, von denen nicht eine einzige die Gegenstempel VAR oder IMP mit Lituus tragen, obwohl dieses große Lager erst 9 n.Chr. aufgelassen wurde (gleiches gilt übrigens auch für Hedemünden). Und warum andererseits bei den Fundmünzen im Lager von Haltern und am Fundplatz von Kalkriese die genannten Gegenstempel gehäuft auftraten. Aus numismatischer Sicht schließt man daraus, dass der Münzhorizont von Haltern und Kalkriese jünger als jener Anreppens (9.n.Chr.) ist.




Gruß Cato
 
Ave Cato,

schön wieder etwas von Dir zu lesen.

Cato schrieb:
...entspricht sie in etwa dem, was man stereotyp aus Kalkriese ständig hört....So wird allerdings nicht wissenschaftlich gearbeitet....
naja, zum einen wäre ich froh, wenn dass statistische Argument tatsächlich so stereotyp aus Kalkriese käme, aber es kommt leider viel zu selten. Zum zweiten wird natürlich so wissenschaftlich gearbeitet, ins besondere in derArchäologie, denn sie nimmt die Rolle des wissenschaftlichen Experiments neben der Theorie des Historikers ein. Und experimentelle Wissenschaft ist in ihrem Wesen immer statistisch.


Cato schrieb:
... man sollte bedenken, dass es bis dato kein Schlachtfeld gibt, dass eindeutig den Germanicusfeldzügen zugeordnet werden kann. Insofern gibt es bezüglich des Fundniederschlages keine vergleichenden Aussagen....
Erstens: Für das rein statistische Argument braucht man auch keines.
Zweitens: Deiner Meinung noch wäre doch Kalkriese eines, und dann müsste ein zweifellos noch deutlich grösserer Varushorizont irgendwo anders auftauchen, typischerweise natürlich dort, wo die Pontes-Longianer einen erwarten würden, z.B. am Eggegebirge.

Deine Argumentation führt eben genau auf das von mir angeführte statistische Argument hinaus.
Cato schrieb:
... Bedenke aber, dass bei den pontes longi ein gesamter militärischer Tross verloren ging und auch dort mit reichlich Kleinfunden zu rechnen ist.....

Dito, wie oben. Zudem sind die tatsächlichen Verluste Caecinas unbekannt, mit Sicherheit jedenfalls deutlich geringer als die des Varus. Es ist aus philologischer Sicht sogar fraglich, ob die Caecinaschlacht überhaupt so wie beschreiben stattfand: Aufgrund des erkennbar dramaturgischen Konzepts des Tacitus lässt sich durchaus annehmen, dass Tacitus die Caecinaschlacht als Kontrapunkt zur Varusschlacht inzenierte; nämlich einmal wie mans falsch macht (Varus) und einmal wie mans richtig macht (Caecina). Es gibt sogar Historiker, die unterstellen, man könne aus der Beschreibung der Caecinaschlacht mehr über die eigentliche Varusschlacht erfahren als über die Caecinaschlacht selbst. Tacitus war kein Historiker, er war Geschichtsschreiber.

Cato schrieb:
...Wenn der zivile „Kulturzug" des Varus bei Kalkriese fiel, warum hat man dort nicht ein einziges Stück Terra Sigilata gefunden....

Der Grund ist praktisch derselbe, den Du für die Caecinaschlacht anführst: Metallgeschirr war nicht nur wertvoller und repräsentativer, es ist alles in allem auch leichter zu transportieren: Es ist bei gleichem Fassungsvermögen leichter und unzerbrechlicher. Soweit Varus überhaupt Tongeschirr mitführte, so waren es die Rangniederen die es nutzten und es wurde beim ersten noch befestigten Lager mit allem sonst noch Überflüssigen entsorgt. Und da wirst Du es ggf. auch finden.

Cato schrieb:
......Andererseits hätte man auch noch 1986 sagen können: „Da wir das Varusschlachtfeld nach 450 Jahren Suche immer noch nicht entdeckt haben, kann es dieses folglich gar nicht gegeben haben!".....

Hat man aber nicht, weil Mommsen schon hundert Jahre früher, implizit genau mit dem gleichen statistischen Argument gesagt hatte, hier ist es.

Cato schrieb:
......mal ´was zum Nachdenken: Erkläre mir mal, warum in Anreppen 410 Münzen gefunden wurden, von denen nicht eine einzige die Gegenstempel VAR oder IMP mit Lituus tragen,....... Aus numismatischer Sicht schließt man daraus, dass der Münzhorizont von Haltern und Kalkriese jünger als jener Anreppens (9.n.Chr.) ist.....
Einfache Antwort: Weil nirgends geschrieben steht, dass die Münzhorizonte von Kalkriese, Haltern, Anreppen und Hedemünden identisch sein müssen. Was wir sehen ist lediglich, dass Haltern und Kalkriese bzgl. der Gegenstempel Parallelen aufweisen. Daraus können wir mit Einschränkungen schliessen, dass vermutlich Teile des Personals des Varuszugs sich zeitweise in Haltern befanden. Vielmehr aber nicht, und das auch nur unter Vorbehalt.

Beste Grüsse, Trajan.
 

Dito, wie oben. Zudem sind die tatsächlichen Verluste Caecinas unbekannt, mit Sicherheit jedenfalls deutlich geringer als die des Varus. Es ist aus philologischer Sicht sogar fraglich, ob die Caecinaschlacht überhaupt so wie beschreiben stattfand: Aufgrund des erkennbar dramaturgischen Konzepts des Tacitus lässt sich durchaus annehmen, dass Tacitus die Caecinaschlacht als Kontrapunkt zur Varusschlacht inzenierte; nämlich einmal wie mans falsch macht (Varus) und einmal wie mans richtig macht (Caecina). Es gibt sogar Historiker, die unterstellen, man könne aus der Beschreibung der Caecinaschlacht mehr über die eigentliche Varusschlacht erfahren als über die Caecinaschlacht selbst. Tacitus war kein Historiker, er war Geschichtsschreiber.


So so Tacitus ist nur für Dich ein Historiograph...so ein "Tolkien der Antike", der mit seinen Geschichtchen die Römer abends unterhalten will und ihnen einen Schauer über den Rücken laufen läßt? Dann muß er auch Caecina erfunden haben? Ansonsten hätten die Römer das noch nachprüfen können.
Und Tacitus hat von Pilinius d.Ä. abgeschrieben (das ist anzunehmen, laut Dr. Kehne). Somit hat der auch nur Geschichtchen erzählt.

Das ist das typische Argument der Kalkriese-Befürworter, wenn es in der Literatur keine Hinweise gibt, dann müssen sie halt für Kalkriese passend gemacht werden, siehe z.B. Knochengruben gegenüber einen Tumulus.
Oder eine "Schnalle" mit einem Namen und einer Ziffer I. In Kalkriese wird behauptet, das bezieht sich auf die erste Kohorte, Warum aber nicht auf die I.Legion von Caecina?
Ziemlich merkwürdig, anscheinend irrt sich ein Kalkriese-Archäologe nie?
Komisch finde ich es nur, daß der gefundene Wall in früheren Vorträgen als ein monatelanges Projekt bezeichnet wurde, das über einen längerfristigen Zeitraum gebaut wurde. Dann hieß es, es war zwar lange geplant, aber innerhalb ein paar Tagen gebaut. Und jetzt sagte Frau Dr. Wilbers-Rost, daß man so einen Wall mit den geeigneten Leuten innerhalb weniger Stunden bauen könnte.
Nein...ich vertraue eher den römischen Quellen als den heutigen Archäologen, die jedes Jahr anscheinend den neuen Beweis finden. So hat Herr Dr.Rost in einem Beitrag sogar in Frage gestellt, daß Germanicus in der Lage war den Wall richtig zu deuten.






...Soweit Varus überhaupt Tongeschirr mitführte, so waren es die Rangniederen die es nutzten und es wurde beim ersten noch befestigten Lager mit allem sonst noch Überflüssigen entsorgt. Und da wirst Du es ggf. auch finden.

Reine Spekulation....kein wissenschaftlicher Beweis für Kalkriese.
Wo soll denn so ein Lager sein? Das angeblich gefundene Lager war ein Schuß in den Ofen. Und wo soll denn Varus über einen bewaldeten Gebirgszug gezogen sein, wenn er entlang dem Wiehengebirge von Minden(Weser) nach Kalkriese zog? Wie soll er denn am Wiehengebirge von den Germanen angegriffen worden sein? Etwa von den relativ steilen Berghängen? Erst in Kalkriese trifft man auf einen Engpaß, der durch einen flachen Hügel einen Angriff ermöglicht. Ansonsten gleicht das Wiehengebirge einer Wand.

Und hat Kalkriese überhaupt einen Beweis, daß dort Varus war?




Hat man aber nicht, weil Mommsen schon hundert Jahre früher, implizit genau mit dem gleichen statistischen Argument gesagt hatte, hier ist es.

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Nicht Mommsen anführen.....das ist ein alter Kalauer. Er ging nur davon aus, weil man dort Münzen gefunden hatte. Ansonsten hatte Mommsen keine Beweise. Und war er es nicht, der Chatten und Chauken miteinander verwechselt hat?
Soll dieser Hinweis auf Mommsen irgendetwas bewirken? Weil er vielleicht Nobelpreisträger war?
 
naja, zum einen wäre ich froh, wenn dass statistische Argument tatsächlich so stereotyp aus Kalkriese käme, aber es kommt leider viel zu selten. Zum zweiten wird natürlich so wissenschaftlich gearbeitet, ins besondere in derArchäologie, denn sie nimmt die Rolle des wissenschaftlichen Experiments neben der Theorie des Historikers ein. Und experimentelle Wissenschaft ist in ihrem Wesen immer statistisch.

Statistisch gesehen wäre Waldgirmes gleichzusetzen mit dem überlieferten Mattiacum, da es die bisher einzige stadtähnliche Siedlung auf dem Gebiet der Chatten darstellt. Ich denke jedoch nicht, dass S.v. Schnurbein auf solche Gedanken kommt.




Der Grund ist praktisch derselbe, den Du für die Caecinaschlacht anführst: Metallgeschirr war nicht nur wertvoller und repräsentativer, es ist alles in allem auch leichter zu transportieren: Es ist bei gleichem Fassungsvermögen leichter und unzerbrechlicher. Soweit Varus überhaupt Tongeschirr mitführte, so waren es die Rangniederen die es nutzten und es wurde beim ersten noch befestigten Lager mit allem sonst noch Überflüssigen entsorgt. Und da wirst Du es ggf. auch finden.

Und wo ist bitteschön dieses erste Lager des Varus ? Wenn man den vermeintlichen Ort der „Endschlacht“ schon gefunden hat, dürfte die Aufgabe doch nicht so schwer sein. Aber seit über 15 (!) Jahren ist die intensive Suche danach erfolglos. Nicht zuletzt deshalb hat man sich von der „Endschlacht-Theorie“ in Kalkriese längst verabschiedet.

..., weil Mommsen schon hundert Jahre früher, implizit genau mit dem gleichen statistischen Argument gesagt hatte, hier ist es.

Mommsen hat aufgrund einer Fundhäufung eine Vermutung ausgesprochen. Neben 700 anderen Vermutungen, die kursierten. Die Familie auf Gut Barenau hat die dort gefundenen Münzen glücklicherweise bis zum Zweiten Weltkrieg aufbewahrt.
Dass auch an anderen Orten römische Funde noch unentdeckt unter der Erde schlummern können, sollte nachvollziehbar sein. Wir wissen noch lange nicht alles über diese Zeitperiode und Überraschungen sind jederzeit möglich. Ich erinnere nur daran, dass jüngst ein seit Jahrhunderten bekannter „germanischer Hünenring“ nach genauerer Betrachtung zum „Römerlager Hedemünden“ mutierte.
Einfache Antwort: Weil nirgends geschrieben steht, dass die Münzhorizonte von Kalkriese, Haltern, Anreppen und Hedemünden identisch sein müssen. Was wir sehen ist lediglich, dass Haltern und Kalkriese bzgl. der Gegenstempel Parallelen aufweisen. Daraus können wir mit Einschränkungen schliessen, dass vermutlich Teile des Personals des Varuszugs sich zeitweise in Haltern befanden. Vielmehr aber nicht, und das auch nur unter Vorbehalt.
Die Numismatiker arbeiten allerdings anders. Es geht zum einen um die Schlussmünze, zum anderen um die strukturelle Zusammensetzung eines Hortes. Die Schlussmünze ist in den Fällen Anreppen, Haltern und Kalkriese der Denar vom „Gaius-Lucius-Typus“, geprägt 2 v.- 1n.Chr. in Lugdunum. Vorher kann das Geschehen in Kalkriese nicht stattgefunden haben. Ebenso sind die Lager von Haltern und Anreppen jünger. Für Anreppen konnte das Entstehungsjahr 5 n.Chr. dendrochronologisch nachgewiesen werden, die Auflassung wird von S. Kühlborn mit 9 n.Chr. angesetzt. Ohne die Gegenstempel VAR und IMP mit Lituus ergäbe sich überhaupt kein Problem. Nun treten diese, der Statthalterschaft des Varus (6 – 9 n.Chr.) zugeschriebenen Kontermarken, in Anreppen jedoch nicht auf . Höchst seltsam, denn Anreppen, mit seinem übergroßen Prätorium und den zahlreichen Kornspeichern, hat nach Meinung Kühlborns eine besondere Rolle für die in den Weserraum ziehenden Truppen eingenommen. Ansonsten treten VAR-Gegenstempel im nördlichen Imperium vergleichsweise häufig auf! Soviel zur Statistik.
Im Übrigen ist der Sinn von Kontermarken auf römischen Münzen bis heute ungeklärt. Auch die Abkürzungen und vielfältigen Symbole geben Rätsel auf.
Wie auch immer. Es wird ständig bedauert, dass bis heute kein eindeutiger Germanicushorizont entdeckt wurde, da in den Lagern stets die 10/11 n.Chr. emittierten Lugdunum-II-Asse fehlen. Ich teile jedoch die Meinung Kehnes u.a., dass die Horizonte von Kalkriese und Haltern den Feldzügen des Germanicus zuzuordnen sind, während die östlicheren Lager von Anreppen und Hedemünden in varianische Zeit gehören.

Gruß Cato
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ave Cato und Cherusker,

vielen Dank für Eure Einlassungen, die ich hiermit beantworten möchte.

Ich möchte vorab nur anmerken, dass es wenig sinnvoll ist, Detailfragen die wir bereits durchgekaut haben, hier erneut zu vertiefen.

Auf das statistische Argument ist insofern nur Cato eingegangen, aber ich will trotzdem auch einige der aufgebrachten Fragen ohne Zusammenhang mit dem statistischen Argument beantworten.

@cherusker:

Cherusker schrieb:
...Und Tacitus hat von Pilinius d.Ä. abgeschrieben . Somit hat der auch nur Geschichtchen erzählt.....
Und Friebe hat von Tacitus abgeschrieben, womit nach deiner Logik bewiesen ist, das Tacitus auch nur dummes Zeug geschrieben hat, nicht wahr ?

Nun gut, wir wissen beide dass solche Schlussfolgerungen dummes Zeug sind, aber wieso servierst du uns so etwas.

Cherusker schrieb:
...Und jetzt sagte Frau Dr. Wilbers-Rost, daß man so einen Wall mit den geeigneten Leuten innerhalb weniger Stunden bauen könnte. .....
Nur wer selbst mal eine Schippe in die Hand genommen hat, weiss wie schnell das geht. Vor zwei Jahren habe ich mir eine Garage gebaut, dazu mussten 20 Kubikmeter Erde ausgebaggert werden. Statt mir bei OBI den Bagger für 99 Euro zu leihen, hab ich einfach Spaten und Schaufel genommen und das selbst gemacht. Danach staunt man, wie gut dass geht, und die Nachbarn auf ihren schicken Baggern staunen auch. Zum Nachrechnen: wenn du 2000 Leute zum Schaufeln abstellst, dann braucht z.B. bei einem Legionslager der Abmessung 500 x 500 m jeder nur 1m Wall zu errichten, bei 5000 Pionieren sogar nur 40 cm. Es kommt nur darauf an, wieviel Personal man zur Verfügung hat.

Cherusker schrieb:
...Nein...ich vertraue eher den römischen Quellen als den heutigen Archäologen, .....
Dann verstehe ich dich jetzt besser.

Cherusker schrieb:
...Reine Spekulation....kein wissenschaftlicher Beweis für Kalkriese......
Was verstehst du unter einem „wissenschaftlichen Beweis“, welche Kriterien möchtest du da anlegen ? Ganz allgemein gefragt.

Cherusker schrieb:
... Und wo soll denn Varus über einen bewaldeten Gebirgszug gezogen sein, wenn er entlang dem Wiehengebirge von Minden(Weser) nach Kalkriese zog? Wie soll er denn am Wiehengebirge von den Germanen angegriffen worden sein? Etwa von den relativ steilen Berghängen? Erst in Kalkriese trifft man auf einen Engpaß, der durch einen flachen Hügel einen Angriff ermöglicht. Ansonsten gleicht das Wiehengebirge einer Wand. ......
Wo Du recht hast, hast Du recht: Sie sind tatsächlich nicht von Minden her am Wiehengebirge entlang marschiert. Das war eine, ad hoc naheliegende, Möglichkeit die von Mommsen gesehen wurde. Leider wird sie bis heute immer wieder angeführt, aber bei genauerem hinsehen ist klar, dass sie nicht passt. Tony Clunn war das sofort klar, und er hat dass in seinem Buch auch anders beschrieben. Die wissenschaftliche Mehrheitsmeinung ist ihm da aber leider noch nicht gefolgt.

Cherusker schrieb:
... Nicht Mommsen anführen.....das ist ein alter Kalauer. Er ging nur davon aus, weil man dort Münzen gefunden hatte. Ansonsten hatte Mommsen keine Beweise. ......
Also, da hat jemand eine absolut unvergleichliche Fundhäufung frühaugusteiischer Münzen ausgemacht, und das hat deiner Meinung nach keine Bedeutung ? Ja richtig, die uralten Quellen sind ja viel wichtiger.

@CATO:

Cato schrieb:
... Wenn der zivile „Kulturzug“ des Varus bei Kalkriese fiel, warum hat man dort nicht ein einziges Stück Terra Sigilata gefunden ? ......
Korrektur meiner Antwort zu obigen Zitat: Es wurde wohl doch Tonware des Trosses in Kalkriese gefunden, z.B. Bruchstücke eines Kruges für den es ein passendes Gegenstück in Haltern gibt. Aber natürlich findet man weit weniger Tonware, als es z.B. in einer Siedlung bzw. Lager zu erwarten wäre.

Cato schrieb:
... Statistisch gesehen wäre Waldgirmes gleichzusetzen mit dem überlieferten Mattiacum, da es die bisher einzige stadtähnliche Siedlung auf dem Gebiet der Chatten darstellt. Ich denke jedoch nicht, dass S.v. Schnurbein auf solche Gedanken kommt. ......
Also ich bin kein Mattiacum-Experte, aber selbstverständlich sollte sich Schnurbein mit Statistik beschäftigen. Bei deinem speziellen Einwand hier, wäre die Frage, ob mein o.a. ABC-Argument auch für die Entitäten (Waldgirmes, Mattiacum) zugkräftig wäre, nur dann der Fall, wenn dass untersuchte Merkmal (z.B. augusteiische Fundhäufung) bei beiden identisch wäre UND gleichzeitig zwischen den beiden Entitäten ein mächtiger Grössenunterschied zu erwarten wäre.

Cato schrieb:
... Und wo ist bitteschön dieses erste Lager des Varus ? Wenn man den vermeintlichen Ort der „Endschlacht“ schon gefunden hat, dürfte die Aufgabe doch nicht so schwer sein. Aber seit über 15 (!) Jahren ist die intensive Suche danach erfolglos. Nicht zuletzt deshalb hat man sich von der „Endschlacht-Theorie“ in Kalkriese längst verabschiedet. ......
Solange man an der falschen Stelle (Hellweg vor dem Wiehengebirge bis Minden) sucht, kann man natürlich nicht fündig werden. Sucht man aber entlang des südöstlichen Anmarschweges, so wird man schnell fündig.

Cato schrieb:
... Dass auch an anderen Orten römischen Funde noch unentdeckt unter der Erde schlummern können, sollte nachvollziehbar sein. ......
Na dass ist unbestritten. Nur besagt das statistische Argument ja etwas mehr. Ich will es mal pointiert ausdrücken damit das klar wird:

Also, was wir suchen sind die Reste der Varuskatastrophe. Die ist in ihrem raum-zeitlichen Zusammenhang ausserordentlich und man muss aufgrund der Umstände davon eine ungewöhnlich grosse, nämlich die mit Abstand grösste (!) Fundhäufung, für eine augusteiisch/tiberianische Schlacht im Weserbergland vermuten. Also sozusagen einen Fundelefanten.

Nun finden wir tatsächlich einen drei Meter grossen Elefanten. Alles passt, Zeitstellung etc. pp. Nun kommen einige Leute und behaupten, moment mal, das ist nur eine etwas gross geratene Maus. Der wahre Elefant, der dann logischer weise noch viel grösser sein muss, also 20 bis 30 Meter gross, der verstecke sich nur irgendwo ganz in der Nähe im Wald, und weil er so schlau und geschickt ist, haben wir ihn noch nicht gesehen.

Nun, dass ist zwar nicht völlig unmöglich, aber es ist eben extrem unwahrscheinlich !

Und daher ist es (insbesondere im Sinne des Popper/Ockham-Schemas einer wissenschaftlichen Beweisführung) eine zwingend notwendige Bedingung dass man wenigstens einen der angeführten Gegenbelege C1 und/oder C2 beibringt, um die Kalkriese/Varusthese obsolet zu machen. Das Anbringen einer Gegenthese (hier pontes-longi) allein reicht dafür nicht aus, da sie weitere Zusatzannahmen einführt (z.B. hier der versteckte Riesenelefant) und damit gegen die Ockhamregel verstösst.

Cato schrieb:
... Ich erinnere nur daran, dass jüngst ein seit Jahrhunderten bekannter „germanischer Hünenring“ nach genauerer Betrachtung zum „Römerlager Hedemünden“ mutierte. ......
Ja leider werden einmal gemachte Einschätzungen durch häufiges Abschreiben in der wissenschaftlichen Literatur weiter verfestigt, so dass irgendwann nicht mehr klar ist, wie diese eigentlich zustande kamen. Insbesondere Wallstrukturen sind äusserst schwer einzuschätzen, da sie über alle Zeiten bis ins Mittelalter hinein gebräuchlich waren. Die ad hoc Annahme ist dann häufig „mittelalterlich“. Aber erst umfängliche zeit- und geldraubende Ausgrabungen bringen (meist karge) Hinweise auf des Pudels Kern. Manchmal werden dann aus mittelalterlichen Wällen auch mal bronzezeitliche oder gar römische. Das ist so, leider, die (nicht zuletzt naturwissenschaftliche) Archäologie ist eine ziemliche junge Wissenschaft und wir leben daher in einer Zeit der Uminterpretationen.

Cato schrieb:
... Ohne die Gegenstempel VAR und IMP mit Lituus ergäbe sich überhaupt kein Problem. Nun treten diese, der Statthalterschaft des Varus (6 – 9 n.Chr.) zugeschriebenen Kontermarken, in Anreppen jedoch nicht auf . Höchst seltsam, denn Anreppen, mit seinem übergroßen Prätorium und den zahlreichen Kornspeichern, hat nach Meinung Kühlborns eine besondere Rolle für die in den Weserraum ziehenden Truppen eingenommen. Ansonsten treten VAR-Gegenstempel im nördlichen Imperium vergleichsweise häufig auf! Soviel zur Statistik. ......
Ja, dass ist durchaus interessant. Die Häufung in Haltern ist klar, denn als ziemlich nahegelegener Vorposten von Castra Vetera werden Truppenteile des Varuszuges dort auch eine längere Zeit stationiert gewesen sein. In Anreppen sind sie lediglich durchgezogen, weiter nach Osten.

Cato schrieb:
... Es wird ständig bedauert, dass bis heute kein eindeutiger Germanicushorizont entdeckt wurde, da in den Lagern stets die 10/11 n.Chr. emittierten Lugdunum-II-Asse fehlen. Ich teile jedoch die Meinung Kehnes u.a., dass die Horizonte von Kalkriese und Haltern den Feldzügen des Germanicus zuzuordnen sind, während die östlicheren Lager von Anreppen und Hedemünden in varianische Zeit gehören. ......
Das diese Asse, die genügend Zeit gehabt haben bis in den hypothetischen Germanicushorizont zu diffundieren, fehlen, sollte einem zum Nachdenken anregen, aber nicht zum bedauern.


Beste Grüsse, Trajan.
 

Und Friebe hat von Tacitus abgeschrieben, womit nach deiner Logik bewiesen ist, das Tacitus auch nur dummes Zeug geschrieben hat, nicht wahr ?

Nun gut, wir wissen beide dass solche Schlussfolgerungen dummes Zeug sind, aber wieso servierst du uns so etwas.

Weil das Dr.Kehne, Althistoriker der Uni Hannover, angeführt hat, sodaß man weiß von wem Tacitus u.a. seine Informationen bezogen hat. Aber anscheinend scheint Dich das nicht zu interessieren.




Nur wer selbst mal eine Schippe in die Hand genommen hat, weiss wie schnell das geht. Vor zwei Jahren habe ich mir eine Garage gebaut, dazu mussten 20 Kubikmeter Erde ausgebaggert werden. Statt mir bei OBI den Bagger für 99 Euro zu leihen, hab ich einfach Spaten und Schaufel genommen und das selbst gemacht. Danach staunt man, wie gut dass geht, und die Nachbarn auf ihren schicken Baggern staunen auch. Zum Nachrechnen: wenn du 2000 Leute zum Schaufeln abstellst, dann braucht z.B. bei einem Legionslager der Abmessung 500 x 500 m jeder nur 1m Wall zu errichten, bei 5000 Pionieren sogar nur 40 cm. Es kommt nur darauf
an, wieviel Personal man zur Verfügung hat.

Da frage ich mich doch, warum Du Deine wertvollen Erkenntnisse nicht den Kalkriese-Archäologen mitgeteilt hast? Die haben schließlich Jahre dafür benötigt, um festzustellen, daß mit genügend Personal (z.B. eine Legion) ein solcher Wall in kürzester Zeit errichtet werden konnte. Übrigens vertrete ich die Meinung, daß die Römer den Wall gebaut haben (nur zur Erinnerung) und daß dieser somit sehr schnell errichtet wurde.


Wo Du recht hast, hast Du recht: Sie sind tatsächlich nicht von Minden her am Wiehengebirge entlang marschiert. Das war eine, ad hoc naheliegende, Möglichkeit die von Mommsen gesehen wurde. Leider wird sie bis heute immer wieder angeführt, aber bei genauerem hinsehen ist klar, dass sie nicht passt. Tony Clunn war das sofort klar, und er hat dass in seinem Buch auch anders beschrieben. Die wissenschaftliche Mehrheitsmeinung ist ihm da aber leider noch nicht gefolgt.

Tony Clunn hat ein "Märchenbuch" geschrieben, in dem er einige phantasievolle Passagen eingefügt hat.
Und Deine Hildesheim-Theorie wird auch nicht besser dadurch. Es ist doch schon erstaunlich, daß etliche Hobbyforscher immer wieder mit abstrusen Ideen über die Römer auftauchen. Dr.Kehne hat in der Diskussionsrunde die angeblichen steinernen römischen Gebäude in Corvey auch als Unsinn tituliert. Und genauso wenig ist Hildesheim eine Römerstadt gewesen!
Es gibt keinen Beweis dafür.
Die Weser war von der Nordsee, bis ins Mittelalter hinein, nur bis Hameln beschiffbar, da dort der Werder eine Umladung der Transportgüter notwendig machte. D.h. ab Hameln konnte man dann wieder flußaufwärts fahren. Wenn die römischen Legionen versorgt wurden, dann erfolgte es meistens über die Wasserwege (wird auch bei Tacitus beschrieben). Von der Nordsee her ging es nur bis Hameln. Daher hat man auch ein Römersommerlager bei Minden vermutet, da man dann nicht durch die Porta Westfalica mußte. Auch Jahn hat das in seiner Doktorarbeit als Weg tituliert.




Also, da hat jemand eine absolut unvergleichliche Fundhäufung frühaugusteiischer Münzen ausgemacht, und das hat deiner Meinung nach keine Bedeutung ? Ja richtig, die uralten Quellen sind ja viel wichtiger.

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Befaß Dich auch einmal mit den Münzfunden in Niedersachsen und Ostwestfalen. Dann stellst Du fest, daß auch in ganz anderen Gebieten Münzen gefunden worden sind, die aus dem Zeitraum kommen und die aber im Laufe der Jahre verschwunden sind und teilweise nur in alten Berichten bzw. als Zeichnungen existieren. Vorteil in Barenau war, daß dort die Münzen aufbewahrt wurden und Mommsen dieses Gebiet als Ort der Varusschlacht erkoren hat.
Und da es früher keine Metalldetektoren gab, konnten Funde nur aufgrund von Bau- und Feldarbeiten im freien Gelände getätigt werden und so waren es meist Zufallsfunde.
 
Ave Cherusker,


Cherusker schrieb:
....Weil das Dr.Kehne, Althistoriker der Uni Hannover, angeführt hat, sodaß man weiß von wem Tacitus u.a. seine Informationen bezogen hat. Aber anscheinend scheint Dich das nicht zu interessieren.....

Den Plinius habe ich doch bereits in einem unserer älteren Threads selbst herangezogen.
Mein Kritik bezog sich dagegen auf die unsinnige rückwärtsgerichtete Logik, nämlich von Tacitus auf Plinius d.Ä. zu schliessen, weniger auf den Inhalt.

Aber Kehne hin oder Wolters her, einerseits pochen die pontes-longianer auf kleinste Feinheiten der Tacitusüberlieferung bzgl. z.B. der Topologie des Schlachtortes, andererseits wollen sie die Texte an der entscheidenden Stelle uminterpretieren.

Deswegen will ich hier nocheinmal die zweite Schwäche der pontes-longi-Hypothese (PLH) auf den Punkt bringen:

tac.ann.1 schrieb:
......... et ne bellum mole una ingrueret Caecinam cum quadraginta cohortibus Romanis distrahendo hosti per Bructeros ad flumen Amisiam mittit, equitem Pedo praefectus finibus Frisiorum ducit. ipse inpositas navibus quattuor legiones per lacus vexit; simulque pedes eques classis apud praedictum amnem convenere. ....

....Damit der Krieg nicht in seiner ganzer Wut an einem Punkt entbrannte, schickte er Caecina durch das Land der Bructerer mit vierzig römischen Kohorten zum Fluß Ems, um den Feind abzulenken, während die Kavallerie von seinem Kommandanten Pedo durch die Gegenden der Friesen geführt wurde. Germanicus selbst setzte vier Legionen an Bord und überführte sie durch die Seen, und die Infanterie, die Kavallerie und die Flotte trafen gleichzeitig am bereits erwähnten Fluß ein.......

tac.ann.1 schrieb:
.....mox reducto ad Amisiam exercitu legiones classe, ut ad vexerat, reportat; pars equitum litore Oceani petere Rhenum iussa; Caecina, qui suum militem ducebat, monitus, quamquam notis itineribus regrederetur, pontes longos quam maturrime superare. ....

....Bald danach führte Germanicus seine Armee zurück zur Ems und führte seine Legionen mit der Flotte heim, so wie er sie geholt hatte. Einem Teil der Kavallerie wurde befohlen, den Rhein entlang der Seeküste zu erreichen. Caecina, der seine eigene Abteilung befehligte, wurde angewiesen, obwohl er über einen Weg zurückmarschierte, den er kannte, die langen Brücken mit aller möglichen Geschwindigkeit zu passieren.....



(A) Wir sehen also: Caecina kommt im tac.ann.1,60 vom Rhein zur Ems, daher kennt er später diesen Weg. Dann macht er im 1,61 und 1,62 was, u.a. wohl auch im Kalkriese Raum, aber eben nicht (!) die Caecinaschlacht. Erst im 1,63 treffen sich dann alle an der Ems (!) und werden dann nach Hause geschickt. Erst im Rest des 1,63 bis zum 1,68 findet dann deine pontes-longi statt, die er auf bekannten Wegen nach dem Rhein erreicht. Die Schlacht liegt ausweislich der Quellen also südwestlich der Ems und keinesfalls östlich !

(B) Man muss an dieser Stelle die Quelle beugen, um auf Kalkriese zu kommen, das von der Ems aus im Osten liegt. Wenn man gute Argumente für eine solche Beugung in der Tasche hat, dann sei dass an dieser Stelle auch ausdrücklich gegonnt. Aber dann kann man nicht, im krassen Gegensatz dazu, später auf einer pseudo-akribischen Auswertung genau derselben Quelle beharren !

(C) Selbst wenn er entgegen der Quelle nach Osten gegangen wäre, so wäre die Gangrichtung bei Kalkriese von Westen nach Osten und nicht wie die Funde belegen von Osten nach Westen gelaufen.

(D) Und zu guter letzt: Warum taucht die Caecinaschlacht in ihrer epischen Breite nur bei Tacitus auf ? Weil sie eben dem erwähnten dramaturgischen Konzept angepasst wurde. Die anderen Geschichtsschreiber haben sie überhaupt nicht als erwähnenswert angenommen, obwohl Ihnen fast dieselben Quellen zur Verfügung standen.


Die PLH ist daher widersprüchlich (A,B) und wackelig (A,B,C,D).


Cherusker schrieb:
....Da frage ich mich doch, warum Du Deine wertvollen Erkenntnisse nicht den Kalkriese-Archäologen mitgeteilt hast? Die haben schließlich Jahre dafür benötigt, um festzustellen, daß mit genügend Personal (z.B. eine Legion) ein solcher Wall in kürzester Zeit errichtet werden konnte. Übrigens vertrete ich die Meinung, daß die Römer den Wall gebaut haben (nur zur Erinnerung) und daß dieser somit sehr schnell errichtet wurde....


Naja, wer sie gebaut hat spielt für Bauzeit keine Rolle, wenn man genug Leute und Material hat geht das in wenigen Stunden. Oder in wenigen Tagen, falls man nicht genug davon hat. Was die Archäologen angeht: Die stellen erstmal fest was genau im Verborgenen vorliegt, für das wie und warum sind dann die Theoretiker zuständig. Die Auswertungen der ganzen Funde und Befunde kann (leider) noch Jahrzehnte dauern. Das ist vielleicht ärgerlich, jedenfalls aber spannend.



Cherusker schrieb:
....Tony Clunn hat ein "Märchenbuch" geschrieben, in dem er einige phantasievolle Passagen eingefügt hat. ...

Falls du auf die eingefügten Prosapassagen anspielst: Die find ich auch nicht wirklich gut. Aber ich beziehe mich bei Clunn immer nur auf die (Amateur-)wissenschaftlichen Passagen.

Cherusker schrieb:
....Und Deine Hildesheim-Theorie wird auch nicht besser dadurch. Es ist doch schon erstaunlich, daß etliche Hobbyforscher immer wieder mit abstrusen Ideen über die Römer auftauchen. Dr.Kehne hat in der Diskussionsrunde die angeblichen steinernen römischen Gebäude in Corvey auch als Unsinn tituliert. Und genauso wenig ist Hildesheim eine Römerstadt gewesen! ...

Hildesheim oder Corvey spielen aber für die Kritik an der PLH gar keine Rolle; ausserdem weist du aus unseren Threads, dass ich mit steinernen Gebäuden aus der Zeit nichts am Hut habe.



Cherusker schrieb:
....Von der Nordsee her ging es nur bis Hameln. Daher hat man auch ein Römersommerlager bei Minden vermutet, da man dann nicht durch die Porta Westfalica mußte. Auch Jahn hat das in seiner Doktorarbeit als Weg tituliert. ...



Jahn hat lediglich die allgemein gängige Mommsentheorie (Minden) übernommen. Das ist auch o.k., denn es war nicht die Aufgabenstellung seiner Doktorarbeit, ein neues Konzept der römischen Germanienpolitik bis zur Elbe zu erstellen. Es ging im lediglich um den römisch-germanischen Krieg als solchen. Das die Weser nur bis Hameln schiffbar war, passt aber bestens in Konzept. Es ist ja genau der Schnittpunkt von Weser- und Lipperoute, von dem aus der Weg über den breiten und bequemen Pass von Coppenbrügge nach der Elbe hin frei wird.



Cherusker schrieb:
....Befaß Dich auch einmal mit den Münzfunden in Niedersachsen und Ostwestfalen. ......Und da es früher keine Metalldetektoren gab, konnten Funde nur aufgrund von Bau- und Feldarbeiten im freien Gelände getätigt werden und so waren es meist Zufallsfunde. ...

Genau damit habe ich mich gründlich befasst. Streumünzen und Zufallsfunde findest du aus augusteiischer Zeit an ’zig Stellen in allen Himmelsrichtungen bis hin zur Elbe. Aber auch vor (!) Clunn und seinen Metalldetektoren sticht der Fundplatz Kalkriese eben um einen Faktor von ca. 100 ganz erheblich hervor ! Und dieser gewaltige Peak ist ein ziemlich eindeutiges Zeichen für ein aussergewöhnliches augusteiisches Ereignis, nämlich der Varusschlacht. Allen anderen augusteiisch/tiberianischen Schlachten der Gegend geht dieser Rang, Kraft der Quellen, eindeutig ab.



Wer trotz dieser gravierenden Einwände die PLH oder andere Alternativtheorien für Kalkriese ins Spiel bringen will, der muss schon entsprechend schwerwiegende Argumente (am besten C1 und/oder C2 oder aber wenigstens eine widerspruchsfreie UND prickelnde Argumentationskette) haben, und davon ist bislang nichts aufgetaucht. Noch so ernst gemeinte Geplänkel um Quellenauslegungen reichen als Gegengewicht dazu nicht.



Beste Grüsse, Trajan.
 
Deswegen will ich hier nocheinmal die zweite Schwäche der pontes-longi-Hypothese (PLH) auf den Punkt bringen:

Anscheinend berücksichtigst Du auch nicht die Fehler, die gegen die Ems sprechen:
Tac. I.Buch (70): "Bei Tagesanbruch sah man wieder die Erde, und der Marsch ging weiter bis zum Visurigis (Weser), wohin Germanicus mit der Flotte gefahren war. Dann wurden die Legionen eingeschifft, während sich das Gerücht verbreitete, sie seien ertrunken. Und nicht eher glaubte man an ihre Rettung, als man den Caesar mit seinem Heer zurückgekehrt sah."

Tac. II.Buch (8): "Von hier aus fuhr er durch die Seen und den Ozean bis zur Amisia in günstiger Fahrt. Die Flotte blieb in dem linken Flußbett der Amisia zurück. Dabei beging er den Fehler, daß er sie nicht flußaufwärts fahren ließ. ... wurde ihm der Aufstand der Angrivarier in seinem Rücken gemeldet...
(9) Der Strom Visurgis floß zwischen den Römern und Cheruskern."

Wie läßt sich sowas erklären? Die Ems war damals nicht so beschiffbar wie in heutiger Zeit. Die große Flotte ("1000" Schiffe), auch mit niedrigen Transportschiffen) hätte in der Ems arge Probleme bekommen. Auch wäre es kein großer Zeitgewinn gewesen, da die Ems bei Rheine nicht allzuweit vom Rhein entfernt gewesen wäre. Ferner würde pontes longi dann westlich von Rheine liegen und weit entfernt vom Stammland der Cherusker. Sie hätten dann jederzeit mit römischen Hilfstruppen rechnen müssen.
Auch wollten die Römer mitten in Germanien rein. Da Augustus die Elbe als Grenzfluß ansah, ist hier eigentlich die Weser wesentlich naheliegender.

Und wie kommt es eigentlich, daß die Angrivarier im "Rücken" von Germanicus auftauchen. Da dies als ein Akt der Treulosigkeit betitelt wird, kann man davon ausgehen, daß es einen Vertrag zwischen Römern und Angrivarier gegeben hat. Hier müßte man aber davon ausgehen, daß die Angrivarier im Raum der Friesen/Chauken gesessen haben. Und die Erklärung, daß es noch andere See-Angrivarier gegeben hat, die halte ich für unwahrscheinlich.
So ganz kann die Übersetzung da nicht stimmen, da von der Ems an die Weser für die Römer ein Zug durch Sümpfe und Moore bevorstand und das ist mit 8Legionen doch ein Problem.
Wo steht eigentlich geschrieben, daß die AMISIA zwangsläufig die Ems war? Selbst Friebe hat da seine Zweifel.


(D) Und zu guter letzt: Warum taucht die Caecinaschlacht in ihrer epischen Breite nur bei Tacitus auf ? Weil sie eben dem erwähnten dramaturgischen Konzept angepasst wurde. Die anderen Geschichtsschreiber haben sie überhaupt nicht als erwähnenswert angenommen, obwohl Ihnen fast dieselben Quellen zur Verfügung standen.
Tacitus berichtet auch als einziger Historiograph/Historiker über Idistaviso und den Angrivarierwall. Und wenn 4Legionen ebenfalls knapp einer völligen Vernichtung entgehen, dann kann man das schon erwähnen. Das ist kein Argument, daß die Bedeutung von pontes longi abschwächt.




Jahn hat lediglich die allgemein gängige Mommsentheorie (Minden) übernommen. Das ist auch o.k., denn es war nicht die Aufgabenstellung seiner Doktorarbeit, ein neues Konzept der römischen Germanienpolitik bis zur Elbe zu erstellen. Es ging im lediglich um den römisch-germanischen Krieg als solchen. Das die Weser nur bis Hameln schiffbar war, passt aber bestens in Konzept. Es ist ja genau der Schnittpunkt von Weser- und Lipperoute, von dem aus der Weg über den breiten und bequemen Pass von Coppenbrügge nach der Elbe hin frei wird.

Wo ist denn der "bequeme Pass von Coppenbrügge"?
Es gibt einen Pass von Coppenbrügge über Dörpe und Holzmühle nach Eldagsen. Dieser Pass ist aber bestimmt nicht bequem und es haben dort nur kurzfristige Kämpfe im II.Weltkrieg stattgefunden. Es gibt noch einen Übergang beim Forsthaus Mehle. Aber das wäre ein ziemlicher Umweg um dann nach Elze (Treffpunkt zweier Helwege) zu gelangen.

Der übliche Weg verlief früher von Altenhagen über die Kukesburg (Grenzburg) auf dem Kamm entlang. Ferner ging ein Weg durch die Deisterpforte, da der Helweg vor dem Santforde auch eine Abkürzung durch das Deister-Sünteltal hatte. Dieser ging dann ebenfalls durch die Deisterpforte und dann an Eldagsen vorbei nach Elze.

Die heutige B1 kommt von Hameln und geht über Coppenbrügge nach Elze. Aber da geht es nirgendswo über einen Pass. Eigentlich der übliche Weg, wenn man die heutigen Maßstäbe ansetzt.
Alle alten Wege führten immer entweder auf einem Bergkamm (z.B. kleiner Deiser nach Osterwald) oder am Waldrand entlang. Die Täler waren durch bestehende Bäche stark versumpft (siehe Hamel, Haller usw.).
Alter Karten zeigen diese Sümpfe noch auf. Heutzutage ist davon, durch die intensive Entwässerung im 19./20.Jh., nichts mehr zu sehen.

Die Archäologen gehen eher davon aus, daß die Römer das Leinetal entlang bis nach Elze zogen, um dann nach Osten zur Elbe zu gelangen.
Auch empfiehlt es sich von der Lippe unterhalb des Eggegebirge zur Diemel zu gelangen, da diese direkt zur Weser bei Karlshafen führt. Übrigens ist das Römerlager Kneblinghausen auch nicht allzuweit von der Quelle der Diemel entfernt. Ob die Römer die heutige B1 (alter Helweg) nutzten, um dann an der Emmer entlang in den Raum Hameln zu gelangen ist fraglich. Sie könnten dann allerdings entlang der Hamel bis zum heutigen Bad Münder gelangen, um dann durch die Deisterpforte weiter gen Osten zu gelangen. Aber das sind alles Spekulationen. Vielleicht waren die römischen Legionen gar nicht so häufig in die Richtung unterwegs gewesen, sondern bevorzugten eher das Lippe-Gebiet.
 
@Cherusker,

bei aller Leidenschaft, mit der Du diese Disksussion führst: Historiker und Historiograph ist nicht das selbe, und es wertet Tacitus nicht zu einem "Geschichtenerzähler", oder einem "Tolkien der Antike" ab (im Übrigen Tolkien war auch Wissenschaftler, nicht nur Romanautor), wenn man ausspricht, was er war: ein Geschichtsschreiber. Historiker bezeichnet doch im allgemeinen Sprachgebrauch eher die moderne Berufsbezeichnung. Es macht auf jeden Fall Sinn (ich weiß, versteckter Anglizismus 'it makes sense'), beides zu schärfer trennen, das verhindert Missverständnisse.
 
@Cherusker,

bei aller Leidenschaft, mit der Du diese Disksussion führst: Historiker und Historiograph ist nicht das selbe, und es wertet Tacitus nicht zu einem "Geschichtenerzähler", oder einem "Tolkien der Antike" ab (im Übrigen Tolkien war auch Wissenschaftler, nicht nur Romanautor), wenn man ausspricht, was er war: ein Geschichtsschreiber. Historiker bezeichnet doch im allgemeinen Sprachgebrauch eher die moderne Berufsbezeichnung. Es macht auf jeden Fall Sinn (ich weiß, versteckter Anglizismus 'it makes sense'), beides zu schärfer trennen, das verhindert Missverständnisse.

Das stimmt. Da habe ich mich ein wenig provozieren lassen.
Aber Tacitus war ein Historiograph (=Geschichtsschreiber), der mit seinen Aufzeichnungen und Übernahmen der römischen Nachwelt einige Denkanstöße geben wollte.
So sind seine Beschreibungen der römischen Gesellschaft nicht nur "Klatsch und Tratsch"-Geschichten (nach dem Motto: die Frauen sind wuschig und die Männer korrupt), sondern eine Belehrung, daß das Verhalten geändert werden sollte (siehe Caligula, Nero und die anderen Experten/-innen).
Gerade seine Germanenkriege sollten die römische Elite zum Nachdenken anregen. So kommen bei ihm z.B. die römischen Caecina-Legionen sehr schlecht weg. Sie kämpfen nicht für Ruhm und Ehre Roms, sondern nur für Geld, somit ein reines Söldnerverhalten. Und solche werden halt durch die Götter bestraft...

Gerade Tacitus hinterfragt in seinen Annalen auch bei einigen übernommenen Berichten deren Wahrheitsgehalt. Als reinen Historiographen, der nur abschreibt, kann man ihn auch nicht titulieren.
Aber die Kalkriese-Befürworter versuchen seit geraumer Zeit, die römischen Autoren als unglaubwürdig darzustellen, da die Funde und der Ort überhaupt nicht mit den römischen Quellen in Übereinstimmung zu bringen sind.
Und wenn man dann Tacitus als einen Phantasten und Übertreiber darstellt, dann wundere ich mich schon, wenn nicht andere römische Autoren ihn arg angezweifelt hätten? Schließlich gab es die beteiligten Legionen noch längere Zeit und kein Legionär würde seine Legion in irgendwelchen Quellen verunglimpfen lassen, wenn nicht ein Fünkchen Wahrheit daran wäre.
 
Hallo Trajan,

bei deinem Engagement sollte man dich in Kalkriese als Chefideologen einstellen!
Leider machst du die Sache unnötig kompliziert. Warum, werde ich Dir kurz erläutern:

Die (wissenschaftliche) archäologische Arbeit in Kalkriese ist deduktiv. Deduktive Argumente stimmen immer, oder sie stimmen nicht. Gemäß dem Falsifizierungsprinzip (nach Popper) widerlegt ein Gegenbeispiel den Schluss. Stimmst Du mir zu?

Zuerst einmal möchte ich festhalten, dass es hier nicht um die pontes-longi-Theorie geht, sondern ausschließlich um Kalkriese. Wenn der Fundplatz Kalkriese tatsächlich der Ort der Varusschlacht wäre, so könnte es kein Gegenbeispiel geben. Denn es gibt nur die zwei Möglichkeiten positiv oder negativ. Im Fall Kalkriese tritt gleich eine ganze Anzahl von Argumenten auf, die als Gegenbeispiele diskutiert werden. Ob man sie als solche anerkennt, ist eine unter Fachleuten strittige Frage. Kehne zeigt, dass die historiographischen Quellen sowohl aus geographischer als auch topographischer Sicht gegen Kalkriese sprechen. Wolters belegt seinerseits, dass die Münzfunde in die Germanicuszeit datiert werden. Es gibt jedoch noch viele weitere Fragen, z.B. nach dem Fehlen von Annäherungshindernissen vor dem Wall, die von den Wissenschaftlern in Kalkriese nicht hinreichend beantwortet werden können.


Fazit:
Man kann den positiven Beweis nicht erbringen, indem man anführt, an diesem Ort habe man zahlreiche Funde. Die Objekte, die diesen positiven Befund liefern würden, sind eben nicht vorhanden!
Andererseits kann man dagegen den negativen Nachweis erstellen, indem man einen Gegenbeweis liefert (Du kannst dich bei Popper bedanken….).

PS:
Auch Tony Clunn weiß übrigens nicht, welchen Weg Varus nahm. Clunn selbst hat jahrelang intensiv nach dem ersten Marschlager des Varus gesucht. Das Resultat kannst Du sicher erraten.

Gruß Cato
 
Was die Archäologen angeht: Die stellen erstmal fest was genau im Verborgenen vorliegt, für das wie und warum sind dann die Theoretiker zuständig.

Ich wünschte es wäre so!! Denn genau das trifft nicht zu.
Die archäologische Arbeit von Frau Dr.Wilbers-Rost ist zweifelsfrei wissenschaftlich und gewissenhaft. Nur, wenn sie beginnt, die Befunde zu deuten, bleibt kein Auge trocken. Ich kann Dir nur empfehlen, einmal einen Vortrag von Ihr in Kalkriese anzuhören. Ihre Schilderung der Défilé-Schlacht muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Entschuldigung, aber ein Schulmädchen kann nicht naiver sein.
Es wäre dringenst ratsam, dass sich endlich einmal Militärhistoriker eingehend mit den Funden und Befunde von Kalkriese beschäftigen. Und zwar nicht der Ehemann (!) von Frau Dr. Wilbers-Rost, Herr Dr. Rost, der für diese Fragen derzeit zuständig ist. Vielleicht wird als unabhängiger Gutachter bald der Bruder oder Schwager herangezogen, um das Bild abzurunden.

Gruß Cato
 
Ave zusammen,

hier die Beantwortung eurer Einlassungen für die ich mich bedanke.

@cherusker

Cherusker schrieb:
...Anscheinend berücksichtigst Du auch nicht die Fehler, die gegen die Ems sprechen: Tac. I.Buch (70): ......Tac. II.Buch (8)......


Schön dass du es auch erfasst hasst. Tacitus ist eben an etlichen Stellen widersprüchlich, und die du da angegeben hast sind noch lange nicht alle.

Aber genau daher kommt ja die Widersprüchlichkeit der PLH: Weil Tacitus nachweislich oft falsch liegt, KANNST DU NICHT an einer Stelle auf akribische Auslegung (Topologie des Schlachtortes) bestehen UND an anderer Stelle grosszügig über das geschriebene hinwegdeuteln.

Daher ist die PLH eben völlig inkonsistent !


Cherusker schrieb:
...Die Ems war damals nicht so beschiffbar wie in heutiger Zeit. Die große Flotte ("1000" Schiffe), auch mit niedrigen Transportschiffen) hätte in der Ems arge Probleme bekommen. .......Da Augustus die Elbe als Grenzfluß ansah, ist hier eigentlich die Weser wesentlich naheliegender.... So ganz kann die Übersetzung da nicht stimmen, da von der Ems an die Weser für die Römer ein Zug durch Sümpfe und Moore bevorstand und das ist mit 8Legionen doch ein Problem. ....Wo steht eigentlich geschrieben, daß die AMISIA zwangsläufig die Ems war?..... Gerade seine Germanenkriege sollten die römische Elite zum Nachdenken anregen...... Sie kämpfen nicht für Ruhm und Ehre Roms, sondern nur für Geld, somit ein reines Söldnerverhalten. .....


Genau, da sind wir in trauter Gemeinsamkeit mit Jahn, auch an diesen Stellen hat Tacitus zum Teil (aus Sicht moderner Historiker) echten Bockmist verzapft. Klar, Germanicus kam über die Weser in 16 ! Und das ist ja genau der Punkt: Insbesondere in topographischen Details liegt Tacitus mit schöner Regelmässigkeit im Gegensatz zu den tatsächlichen Verhältnissen. Die kannte er nämlich nicht wirklich, und sie waren für seine Geschichte auch nicht so wichtig, ganz zu Schweigen von seinem Zielpublikum, für die das ehedem keine Bedeutung, ausser einer dramaturgischen, hatte.

Ein weiterer Beleg also für die Inkonsistenz des Tacitus, aber damit auch der Pontes-longi-Hypothese. Gerade bei topographischen Details, wie du selber inzwischen festgestellt hast, liegt Tacitus öfters daneben. Wo und wie ist aber immer unklar, im Einzelfall ist schwer zu sagen ob er realitätsgetreu berichtet oder nicht.


DAHER: Mit topograpischen Details ist die PLH grundsätzlich nicht zu rechtfertigen !

Ihr müsstet schon etwas handfestes bringen, also C1 oder C2. Insbesondere C2 wäre wirklich ein leichtes Unterfangen, wenn ihr recht hättet !

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Cherusker schrieb:
...Tacitus berichtet auch als einziger Historiograph/Historiker über Idistaviso und den Angrivarierwall. Und wenn 4Legionen ebenfalls knapp einer völligen Vernichtung entgehen, dann kann man das schon erwähnen......

Absolut richtig, die Schlussfolgerung von Jahn ist in dem Punkt auch völlig schlüssig ausgeführt, es waren eben, genau wie Caecinas Schlacht, keine vernichtende Schlachten (im krassen Gegensatz zur Varusschlacht) , weder auf der einen noch auf der anderen Seite.



Cherusker schrieb:
...Wo ist denn der "bequeme Pass von Coppenbrügge"?
....... Die heutige B1 kommt von Hameln und geht über Coppenbrügge nach Elze. Aber da geht es nirgendswo über einen Pass. Eigentlich der übliche Weg, wenn man die heutigen Maßstäbe ansetzt. .....

Auch absolut richtig. Der Ausdruck Pass ist etwas irreführend, dass muss ich dir konzidieren. Der Weg ab Hameln, ich habe ihn schon mehrfach abgefahren, geht über bequeme und sehr breite Pfade, an der schmalsten Stelle bei Coppenbrügge (deswegen habe ich den Begriff Pass verwendet) beträgt die Breite immer noch satte 2200 Meter ! Der Fakt ist eben, dass, wenn man es von der Lippe bis am Weserübergang von Hameln geschafft hat, der Weg zur Elbe hin für die Legionen praktisch frei ist.

Wer sich diese Stelle angucken will: GoogleEarth Position 52 06 46 N 09 34 37 E zeigt die Stelle. Dort erkennt man auch Bodenmerkmale, die auf ein ovales 460 x 630 m grosses Marschlager von knapp 30 Hektar Grösse hinweist. Nur ein Verdacht klar, aber wer suchet der findet.

Cherusker schrieb:
...Die Archäologen gehen eher davon aus, daß die Römer das Leinetal entlang bis nach Elze zogen, um dann nach Osten zur Elbe zu gelangen. .....

Auch richtig, es ist die zweite Möglichkeit die Elbe zu erreichen.

Cherusker schrieb:
...Auch empfiehlt es sich von der Lippe unterhalb des Eggegebirge zur Diemel zu gelangen, da diese direkt zur Weser bei Karlshafen führt. Übrigens ist das Römerlager Kneblinghausen auch nicht allzuweit von der Quelle der Diemel entfernt. .....

Richtig, das ist die Dritte Möglichkeit.

Alle drei Routen wurden ausprobiert und begangen, von Vetera aus nimmt man günstigerweise aber die topologisch und kürzere Strecke via Hameln, von Mainz aus dagegen die Route via Leinetal.


Cherusker schrieb:
...Ob die Römer die heutige B1 (alter Helweg) nutzten, um dann an der Emmer entlang in den Raum Hameln zu gelangen ist fraglich. Sie könnten dann allerdings entlang der Hamel bis zum heutigen Bad Münder gelangen, um dann durch die Deisterpforte weiter gen Osten zu gelangen. .....

Könnte man, ist aber nicht sinnvoll (52 12 01 N 09 31 43 E). Der Anmarschweg ist praktisch derselbe bis hinter Hameln, dann hat man im Prinzip die kürzere Möglichkeit über die 2200 m weite Schmallstelle bei Coppenbrügge, oder man macht einen kleinen nördlichen Umweg und geht durch die nur etwa 500 m breite Schmalstelle bei Bad Münder. Wenn du also die Wahl hast zwischen einer etwas kürzeren Wegstrecke über einen für die Legionen idealen Weg über einen 2200 m breiten „Pass“ und einem Umweg über einen bedrohlichen 500 m Pass, welchen Weg wählst du dann ?


@cato


Cato schrieb:
...bei deinem Engagement sollte man dich in Kalkriese als Chefideologen einstellen! .....

Ich bitte drum. Ich könnte da schon hilfreich sein.

Cato schrieb:
...Die (wissenschaftliche) archäologische Arbeit in Kalkriese ist deduktiv. Deduktive Argumente stimmen immer, oder sie stimmen nicht. Gemäß dem Falsifizierungsprinzip (nach Popper) widerlegt ein Gegenbeispiel den Schluss. Stimmst Du mir zu? .....

Nein. Erstens, das Popper/Ockham Prinzip ist erstmal völlig unabhängig davon, ob ich meine Erkenntnisse induktiv oder deduktiv erwirtschaftet habe. Zweitens ist das, was du hier beschreibst, induktiv und nicht deduktiv. Deduktiv, da schliesse ich vom Allgemeinen auf das Besonderen und Induktiv umgekehr vom Besonderen auf das Allgemeine. Das Besondere ist i.a. der Einzelfund (z.B.Münze) und das Allgemeine ist die Schlacht (das ist das grössere Ensemble, Münzen sind nur eine Teilmenge). Aber auch deduktive Schlüsse können eine Rolle spielen, besondere Kraft entfalten sie, wenn man etwas VORHERSAGT, was dann tatsächlich eintrifft. Dafür hätte ich auch Beispiele, wenn gewünscht.

Übrigens muss man die wissenschaftliche Methodik noch etwas erweitern : Es gehört auch die Wechselwirkung mit dem Experiment dazu, also Popper/Ockam<->Experiment, d.h. Theorie und Experiment bedingen sich gegenseitig und müssen mit den wenigsten Hilfsannahmen in Übereinstimmung gebracht werden (Ockhamregel).

Cato schrieb:
...Fazit: Man kann den positiven Beweis nicht erbringen, indem man anführt, an diesem Ort habe man zahlreiche Funde. Die Objekte, die diesen positiven Befund liefern würden, sind eben nicht vorhanden! Andererseits kann man dagegen den negativen Nachweis erstellen, indem man einen Gegenbeweis liefert (Du kannst dich bei Popper bedanken….). .....

Hier hast du den Popper nicht ganz verstanden. Positive Beweise kann man nämlich grundsätzlich nicht herstellen. Das ist im Alltagsleben zwar mehr eine selten wahrgenommene akademische Feinheit, für die wissenschaftliche Methodik ist sie aber entscheidend. Eine Theorie muss, um als wissenschaftliche Theorie gelten zu können, überprüfbare Vorhersagen machen, und, jetzt kommt der Punkt, klar definieren, wie sie zu WIDERLEGEN ist, d.h. sie muss ihren (machbaren !) Gegenbeweis selbst vorlegen.

Letzteres habe ich getan, mit C1 und C2.

Von zwei Theorien, die das Gleiche vorhersagen (z.B. Funde von Schleuderbleien etc.pp.), ist dann diejenige die zunächst gültige, welche dazu die wenigsten Zusatzannahmen benötigt (Ockham).

Die PHL sagt zwar (nach eurer Interpretation, da kann man aber sogar noch zusätzliche methodische Mängel geltend machen) das gleiche voraus, braucht aber weitere Zusatzannahmen, z.B. das Fehlen des „wahren“ noch viel grösserern Varushorizonts zu erklären, weiter das Fehlen der Asse aus 10/11 zu erklären, und etliches mehr.

Weiterhin fehlt der PLH die Definition ihrer machbaren eindeutigen Gegenbelege.

Aber die kannst du ja vielleicht nachliefern, und dann diskuttieren wir weiter.

(P.S..: Nur ein Beispiel dafür, angenommen die Münzfunde wären noch nicht ausgewertet. Dann könnte man behaupten, es sei eine Schlacht des immensum bellum gewesen, denn der war zweifellos auch gewaltig, und dann könnte es ja schon so sein. Möglicher (deduktiver) Gegenbeweis den ich für meine Theorie ins Feld führe: Es müssen Funde von nach 4 n.Chr. da sein. Gesagt, getan, ich finde reichlich VAR-gestempelte Münzen, die hier erst ab 7 n.Chr. vorliegen können. Also, immensum bellum technischer K.O.! q.e.d.)


Cato schrieb:
...Auch Tony Clunn weiß übrigens nicht, welchen Weg Varus nahm. Clunn selbst hat jahrelang intensiv nach dem ersten Marschlager des Varus gesucht. Das Resultat kannst Du sicher erraten. .....

Klar, weil er im wahrsten Sinne des Wortes viel zu kurz gegriffen hat. Richtig ist aber seine These, dass sie östlich des Kalkrieserberges aus südlicher Richtung das Wiehengebirge durchbrachen. Wenn man bereit ist, von inzwischen verfestigten Dogmen (wie z.B. der Mindentheorie) abzulassen, und wenn man sich dann noch ein GIS-Sytem nimmt, und mal versucht, einen Kreis von 30 km im Weserbergland zu versenken, dann bekommt man schnell eine Ahnung woher der Zug kam, damit eine realistische Chance bestand, ihn in GÄNZE zu vernichten. Das ist dann der Beginn eines deduktiven Schlusses....


Cato schrieb:
....Die archäologische Arbeit von Frau Dr.Wilbers-Rost ist zweifelsfrei wissenschaftlich und gewissenhaft. Nur, wenn sie beginnt, die Befunde zu deuten, bleibt kein Auge trocken. Ich kann Dir nur empfehlen, einmal einen Vortrag von Ihr in Kalkriese anzuhören. Ihre Schilderung der Défilé-Schlacht muss man sich auf der Zunge zergehen lassen......

Ich gebe dir recht, dass es im gesamten Kalkriesekomplex immanente Probleme gibt. Man ist ja jetzt schon (seit Clunn) fast zwanzig Jahre dort tätig, das ursprüngliche Personal hat gewechselt, Schlüter und Clunn sind nicht mehr aktiv, und der ganze PR-Rummel und Museeumsbetrieb hat Millionen verballert, die in Forschung vielleicht besser angelegt worden wären (nicht nur in Kalkriese), das u.v.m. geht den verbliebenen und neuen genervten Archäologen gehörig an die Substanz.

Die Auswertung der noch immer bei weitem nicht vollständigen Funde wird dann kurzfristig von den tätigen Archäologen verlangt, obwohl es, wie du richtig sagst, noch vieler Experten, insbesondere auch Militärhistorikern bedarf, eine umfassende Interpretation der Funde vorzulegen.


Beste Grüsse, Trajan.
 
...Es ist aus philologischer Sicht sogar fraglich, ob die Caecinaschlacht überhaupt so wie beschreiben stattfand: Aufgrund des erkennbar dramaturgischen Konzepts des Tacitus lässt sich durchaus annehmen, dass Tacitus die Caecinaschlacht als Kontrapunkt zur Varusschlacht inzenierte; nämlich einmal wie mans falsch macht (Varus) und einmal wie mans richtig macht (Caecina).

Das stimmt überhaupt nicht überein. Pontes longi ist kein Ruhmesblatt der Römer, sondern eine Katastrophe.
Folgende Merkmale zeigt die Schlacht auf:
* es geht wieder ein gesamter Troß verloren;
* 2Legionen (5.und 21.) zeichnen sich durch Befehlsverweigerung aus;
* der Legat Caecina wird fast getötet, nur die I.Legion kann ihn unter eigenmächtigen Handeln retten;
* Wären die Germanen nicht so habgierig gewesen und hätten sofort geplündert, so wären die Legionen vernichtet worden.

Anhand der Beschreibungen kann man schon deutlich erkennen, daß Caecina einfach mehr Glück gehabt hat.
Das Tacitus höchstwahrscheinlich die Flüsse verwechselt hat, kann man nicht als Unglaubwürdigkeit dieser detailierten Schalchtbeschreibung werten. Das ist schlichtweg übertrieben .
An der Tacitus Beschreibung kann man kritisieren, daß er wieder die üblichen Beschreibung des stundenlangen Mordens des Feindes beschreibt, obwohl das nicht der Fall gewesen sein kann, da ansonsten keine Cherusker mehr für das folgende Kriegsjahr existiert hätten. Wenn man aber den Text genau liest, dann beschreibt Tacitus den Ablauf der Rettung: Caecina gibt den tapfersten Legionäre Pferde, mit denen sie die Germanen beim Angriff auf den Wall von hinten angreifen sollen. Die restlichen Truppen sollen dann auf allen Seiten einen Ausfall machen und sich dann an den Rhein durchschlagen.
Die römische "Propaganda" sollte man schon berücksichtigen.
Aufgrund dieser Ereignisse wird anscheinend Caecina, der als Legat die Hälfte des Germanicusheeres befehligt, abgesetzt, da er im nächsten Jahr nicht mehr erwähnt wird.
Somit ist ein Vergleich eines erfolgreichen Vorgehens gegenüber der Varusschlacht überhaupt nicht gegeben.
 
@Trajan

Nein. Erstens, das Popper/Ockham Prinzip ist erstmal völlig unabhängig davon, ob ich meine Erkenntnisse induktiv oder deduktiv erwirtschaftet habe. Zweitens ist das, was du hier beschreibst, induktiv und nicht deduktiv.

Ich denke, wir missverstehen uns da. Die Aussage, bei Kalkriese handelt es sich zweifelsfrei um den Ort der Varusschlacht, stammt von Prof. Schlüter aus dem Jahre 1991. Zu diesem Zeitpunkt war der Wall nicht einmal zu einem Viertel ergraben. Auch traten die meisten Funde erst in den Folgejahren auf, ebenso wie die Knochengruben. Sämtliche folgenden Funde und Befunde wurden als Bestätigung der genannten Theorie betrachtet und das ist zweifellos eine deduktive Arbeitsmethode. (die prinzipiell in der Archäologie nicht unzulässig ist).

Hier hast du den Popper nicht ganz verstanden. Positive Beweise kann man nämlich grundsätzlich nicht herstellen.


Streng nach Popper gebe ich Dir Recht. Jedoch würde im Fall der Varusschlacht das Auffinden der Reste eines Tumulus mit Knochenfragmenten, die sich in den betreffenden Zeitraum datieren lassen, als positives Beispiel sehen lassen. Ebenso könnten Hinweise auf die dort beteiligten Legionen in Verbindung mit historiographischen Angaben zu positiven Schlüssen führen. Nach Popper hätten diese Schlüsse nur solange bestand, wie die historiographischen Quellen als wahr angesehen werden. Davon gehe ich grundsätzlich aus. Denn wenn man die Quellen gänzlich als Erfindungen oder Fälschungen betrachtet, so könnte man sogar die Existenz der Varusschlacht in Frage stellen.



Von zwei Theorien, die das Gleiche vorhersagen (z.B. Funde von Schleuderbleien etc.pp.), ist dann diejenige die zunächst gültige, welche dazu die wenigsten Zusatzannahmen benötigt (Ockham).
Sehr gutes Beispiel! Betrachten wir einmal den Wall von Kalkriese. Als Rasensodenwall ist er römischer Bauart. Er verfügt über Spitzgräben römischer Bauart. Seine Annäherungshindernisse (und gleichzeitig Drainagen) sind südlich. Laut Fundniederschlag standen die Römer nördlich des Walles. Historiographisch werden in Bezug auf die Varusschlacht wiederholt römische Wälle erwähnt, nicht jedoch germanische.
Theorie Kalkriese:
Germanische Krieger imitierten römische Bautechnik. Dabei legten sie zwar Drainagegräben an, vergaßen jedoch Annäherungshindernisse an der Außenseite. Als Germanicus das Schlachtfeld aufsuchte, deutete er fälschlicherweise den germanischen Wall als römisch, obwohl Überlebende der Schlacht detaillierte Auskunft zum Verlauf des Geschehens geben konnten.
Theorie pontis longi:
Römische Truppen legten den Wall in der ihr gewohnten Bautechnik an, um dem Tross die Durchwegung der Engstelle zu sichern. Die Annäherungshindernisse befinden sich an der Außenseite und dienten gleichzeitig als Drainagerinnen, um das Wasser abzuleiten, das die Germanen vom Hang hinableiteten (so wie es Tacitus geschildert hat).

Nun bleibt es jedem selbst überlassen zu entscheiden, welche der beiden möglichen Theorien , nach Ockham, die wenigsten Zusatzannahmen benötigt und damit als vorläufig gültig anzusehen ist.

Ich gebe dir recht, dass es im gesamten Kalkriesekomplex immanente Probleme gibt.

Danke, denn genau davon schreibe ich die ganze Zeit.


Gruß Cato
 
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Könnte man, ist aber nicht sinnvoll (52 12 01 N 09 31 43 E). Der Anmarschweg ist praktisch derselbe bis hinter Hameln, dann hat man im Prinzip die kürzere Möglichkeit über die 2200 m weite Schmallstelle bei Coppenbrügge, oder man macht einen kleinen nördlichen Umweg und geht durch die nur etwa 500 m breite Schmalstelle bei Bad Münder. Wenn du also die Wahl hast zwischen einer etwas kürzeren Wegstrecke über einen für die Legionen idealen Weg über einen 2200 m breiten „Pass“ und einem Umweg über einen bedrohlichen 500 m Pass, welchen Weg wählst du dann ?

Die aus heutiger Sicht mögliche Variante muß nicht unbedingt die richtige Lösung sein.
Ein Beispiel aus der Gegend:
Im Jahre 1259 kam es zu Streitigkeiten zwischen den Hamelnern und dem Bischof von Minden. Diese weiteten sich so aus, daß beide Heere zur Schlacht loszogen. Aus heutiger Sicht würde man sagen, die Mindener ziehen flußaufwärts und die Hamelner flußabwärts, sodaß sie sich auf den Flutwiesen bei Rinteln hätten zur Schlacht treffen können.
Aber das war nicht der Fall! Die Hamelner zogen ostwärts bis kurz vor die Deisterpforte bei Sedemünder. Und die Mindener kamen durch das sumpfige Deister-Sünteltal auf der beschriebenen Abkürzung des Helweges und lagerten zwischen Hamelspringe und Bad Münder.
Das zeigt, daß das Schlachtfeld in Sedemünder ca. 15km östlich von Hameln lag und jeder heutige Betrachter fragt sich, warum sie nicht den kürzesten Weg nach Minden und umgekehrt gewählt haben.
Übrigens die Mindener gewannen die Schlacht, da die Hamelner keine Wachen für ihr Lager aufstellten und daher überrascht wurden.

Die damaligen Verhältnissse der Gegend, z.B. versumpfte Flächen, gibt es heutzutage überhaupt nicht mehr. Daher sind Schlußfolgerungen, wie die Heere am besten gezogen sind, nur mit Vorsicht zu genießen.
Was für uns heute eine Abkürzung ist, kann in damaliger Zeit, aufgrund der Verhältnisse, für ein Heer unpassierbar gewesen sein.
 
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