Karl Marx hatte ja auch einen umfangreichen Briefwechsel, aber mit Proletariern (Schlosser, Mauer, Elektriker, Handwerker (wie Klempner, Bäcker usw.) ist mir nichts bekannt. Namen von gewählten Funktionären ja wie z.B. Ferdinand Lassalle u.v.a.
Ich entschuldige mich vorab, schonmal für den Tonfall der da jetzt folgt, aber mittlerweile ist es doch wirklich nur noch ignorant.
Ich verstehe nach wie vor nicht, warum hier fortwährend versucht wird Marx und seine Theorien und seinen Lebenswandel, bewiehungsweise seine Authentizität an einem, auf körperliche Tätigkeiten beschränkten Proletarierbegriff zu messen, der mit dem Proletarierbegriff bei Marx selbst, nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.
Für Marx ist der Proleatrier eine Person, die ihre Arbeitskraft (in der reinsten Form an einen Kapitalisten) verkaufen muss, um seinen eigenen Lebensunterhalt abzusichern.
Und dabei ist vollkommen gleichgültig, worin die Dienste bestehen, die diese Person erfüllt.
Sicher in der Zeit wo er als Chefredakteur bzw. als Redakteur und auch als Korrespondent tätig war wird er auch den direkten Kontakt mit Proletariern gehabt haben.
Beispiele von Zeitungen: „Rheinische Zeitung“ Köln, Deutsch-Französische Jahrbücher“ Paris, „Neue Rheinische Zeitung“ Köln, „New York Daily Tribune“ USA, „The Peoples Paper“ London, „Neue Oder-Zeitung“ Breslau, Zeitschrift "Die Revolution“ USA dann später in Hamburg, „Die Presse“ Wien, „Der Volksstaat“ Leipzig u.a.
Vor allem war Marx in der Zeit, in der er dieser Arbeit nachging, gemessen an seiner eigenen Definition selbst Proletarier.
Er stellte den jeweiligen Inhabern betreffendern Zeitung gegen Honorar, bzw. festes Gehalt seine Arbeitskraft als Korrespondent/Redakteur zur Verfügung, verrichtete also Lohnarbeit im Dienste dritter, die diese Quanta menschlicher Arbeit, wie Marx es ausgedrückt hätte, aufkauften, um das Arbeitsprodukt (die daraus entstandenen Artikel) gewinnbringend zu verkaufen.
Das ist in etwa ganz genau die marx'sche Definition eines Proletariers, nicht mehr und nicht weniger.
Diese Arbeit, im Besonderen, vor der Bekanntschaft mit Engels und der Möglichkeit seine Tätigkeiten dadurch zu subventionieren, hat er doch nicht aus reinem Jux betrieben.
Genau so, sind etwa seine Redaktionskollegen bei der Rheinischen Zeitung, der marxschen Definition nach, ebenfalls erstmal nichts anderes gewesen, als Proletarier und mit denen hatte er offensichtlich regelmäßigen Umgang.
Die Frage, ob Marx vom Proletariat eigentlich irgendeine Vorstellung hatte, kann einem eigentlich nur dann sinnvoll kommen, wenn man die marx'sche Definition dessen, was das Proletariat denn überhaupt sei, komplett ignoriert.
Natürlich kann man für sich diskutieren, ob man mit dem Proletarier-Begriff, wie Marx ihn verwendet hat konform gehen möchte oder nicht.
Natürlich bringt der marx'sche Proletarierbegriff im historischen Verlauf das kleine Schönheitsproblem mit sich, dass die große Mehrheit derer, die er für das Proletariat hielt, mit dieser Fassung offensichtlich nicht einverstanden war und diesen im eigenen Umgang enger fasste, so dass er sich in dieser Setzung auf die Industriearbeiterschaft oder wenigstens auf Personen beschränkte, die dezediert körperlich schwere Arbeit verrichteten.
Wenn man sich in seinem persönlichen Verständnis dieses Begriffs, allerdings auf diese Verengung einschießt, kann man Marx wirklich nicht den Vorwurf machen, dass er von der spezifischen Lebenswirklichkeit dieses "Proletariats" nicht viel gewusst und dementsprechend Theorien in den luftleeren Raum konstruiert habe.
Herr Marx hat nie für sich in Anspruch genommen dezidierter "Arbeiterführer" zu sein oder im Speziellen die Lebenswirklichkeit der Industriearbeiterschaft zu beschreiben.
Er hat demgegenüber vom Proletariat, grob gesprochen von der Gesamtheit Lohnarbeit verrichtender Menschen überhaupt gesprochen, zu denen Industriearbeiterschaft und mitunter Handwerker (wobei da die Meister mit eigenen Angestellten, als dezidierte "Proletarier" schon wieder hinten rüber fallen) sicherlich gehörten, aber das ist nicht das Proletariat an und dür sich.
Zum Proletariat an und für sich, sind im marx'schen Sinne selbstredend auch sämmtliche Angestellten, Landarbeiter, etc. zu rechnen und zwar hoch bis zum Vorzimmersekretär oder Buchhalter des Fabrikbesitzers oder zum livrierten Pagen in einem Nobelhotel.
Denmentsprechend kann die Lebenswirklichkeit einzelner Proletarier im Sinne der marxschen Setzung sehr verschieden gewesen sein.
Der eine mag in einer stinkenden und lärmenden Montagehalle Lokomotiven zusammengesetzt haben, der andere, mag in herausgeputztem Zustand in einem gehobenen Etablissement die high-society bediehnt haben.
Auch mögen diese sehr unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten dazu beigetragen haben, dass die verschiedenen Angehörigen dieser Berufszweige sich niemals mit den anderen identifizieren konnten oder wollten und deswegen entsprechende Abgrenzungsbedüfnisse entwickelten, die sie von vorn herein daran hindern mussten, den marx'schen Proletarierbegriff zu übernehmen und dementsprechend auch daran, ein dezidiertes, proletarisches Klassenbewusstsein zu entwickeln.
Nichts desto weniger, sind das vor dem Hintergrund der marx'schen Definition des Proletariers im Sinne eines abhängig beschäftigten Lohnarbeiters, der zur Deckung seines Lebensunterhalts seine Arbeitskraft an einen Kapitalisten verkauft, schlechterdings alles Proletarier.
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Aber machen wir uns einfach mal einen Spaß draus und kehren die Sache um. Mit welchen Bevölkerungs-/ Berufsgruppen, dürfte man eigentlich noch verkehren, wenn man ein komplett vom Proletariat losgelöstes Leben führen wollte?
- Großagrarier, die es nicht mehr nötig haben selbst zu arbeiten.
- Fabrikbesitzer
- Bankiers
- Reeder
- Kaufleute
- Personen die ihren Lebensunterhalt allein aus Aktienbesitz bestreiten können.
- Handwerksmeister, mit eigenen Angestellten, deren Arbeitskraft sie ausbeuten
- Ladenbesitzer und Gastwirte mit eigenen Angestellten, die sie ausbeuten
- Kleinere Bauern, die mindestens Subsistenzwirtschaft erfolgreich betrieben können und saisonal Erntehelfer anheuern um deren Arbeitskraft ausbeuten zu können.
Wenn man den Begriff des Proletarers enger fassen will, dahingehend, dass die Arbeitskraft nicht nur verkauft, sondern an einen Kapitalisten verkauft und unmittelbar produktiven Zwecken zugeführt werden muss, könnte man ebenfalls ausklammern:
- Beamte
- Militärangehörige
- Geistliche
Wobei man dann allerdings, mindestens im Hinblick auf das Bauerntum, sofern von Gutsuntertänigkeit betroffen und daher möglicherweise, noch durch die Überbleibsel der Feudallasten betoffen und im Hinblick auf Wehrpflichtige, durchaus noch die Kategorie der "despotischen Ausbeutung" verhandeln könnte.
Um also überhaupt theoretisch ein Leben, völlig losgelöst vom Proletariat im marx'schen Sinne führen zu können, müsste man seinen persönlichen Umgang auf die oben genannten Bevölkerunggsgruppen beschränken.
Das wiederrum konnten vielleicht die gekrönten Häupter, bei denen, wenn sie einritten, immer gleich überall der Chef Gewehr bei Fuß stand. Aber wer denn sonst noch?
Sofern man nicht gerade von einer ganzen Armada von Dienstboten umgeben ist, ist es offensichtlich technisch überhaupt eine absolute Unmöglichkeit, irgendeine Form von Alltag zu organisieren, ohne nähere Berührung mit dem "Proletariat" im marx'schen Sinne zu haben.
Und zwar nicht mal den Industriekapitänen selbst, die selbstredend einen gewissen, minimalen Umgang mit ihren Schreibstubenmitarbeitern haben mussten.
In der Hinsicht könnte man sich also allenfalls die Frage stellen, mit welchen Teilen des Proletariats Marx welches Maß an Umgang gehabt haben mag, welchen Einfluss das auf seine Theorien gehabt haben mag oder auch nicht.
Das wäre vielleicht spannend.
Die Frage aber
ob der Mann jemals Kontakt zu Proletariern im Sinne seiner eigenen Definition hatte, ist geradezu absurd.
Er hat einen großen Teil seines Lebens in einem Zustand verbracht, in dem er Auf das Ausüben von Lohnarbeit, in dem Fall eben als Redakteur und Korrespondent, als wichtige Stütze seines Lebensunterhalts da facto angewiesen war und damit als nichts anderes, denn als Proletarier nach marx'scher Definition.
Das ändert sich vielleicht ab einem Punkt, an dem er in London sitzt und die Subventionen durch Engels irgendwann eine so starke Regelmäßigkeit annehmen, dass er darauf nicht mehr unmittelbar angemessen war.
Aber davon kann während der gesamten Zeit in Köln, Paris und Brüssel, wo er zwar sporadisch Hilfe bekam, sich aber in keiner Weise vollends darauf verlassen konnte, von Engels rundum durchfinanziert zu werden und auch in den ersten Londoner Jahren, überhaupt keine Rede sein.
Wer diese Frage in der Form überhaupt ernsthaft diskutiert, hat sich entweder nicht sinnvoll mit dem marx'schen Proletarierbegriff oder mit den Stationen seines Lebens auseinandergesetzt oder beides.
Oder aber es ist ihm vollkommen egal und er sucht lediglich einen Platz um seine Ressentiments loszuwerden und Zank anzufangen.