Sonstige Reiterei:
Es gibt eine Vielzahl von berittenen Kämpfern die sich nicht in die beiden obigen Kategorien einordnen lassen. Ein wichtiges Kriterium ihnen diesen Status zu verweigern ist für mich wenn sie das Pferd nur als Transportmittel und nicht als Kampfplattform nutzen. Reitergeneräle bis nach die Zeiten Napoleons hätten solchen Einheiten den Status der Kavallerie rundheraus abgesprochen! Entsprechend war kein besonderer Pferdeschlag/Pferdezucht notwendig diese Aufgabe auszufüllen. Die Kämpfer waren auch keine guten Reiter, die man somit durch jeden ‚Bauernklepper’ beritten machen konnten. Die richtige Kavallerie sah mit Verachtung auf sie Herab. Der Spottvers vergangener Tage existiert noch heute in abgewandelter Form:
"Dragoner sind halb Mensch, halb Vieh, aufs Pferd gesetzte Infantrie!"
Genau solche Kämpfer waren aber die oft angesprochenen Dragoner anfänglich gewesen. Die Infanterie konzentrierte sich spätestens mit dem 30jährigen Krieg stark darauf die eigene Feuerkraft zu verbessern. Die quadratischen Gewalthaufen mit Piken bewaffneter Landsknechte wurden mehr und mehr durch Schützen verstärkt. Schon im 30jährigen Krieg übertraf die Zahl der Schützen endgültig die Zahl der mit Nahkampfwaffen ausgerüsteten Infanteristen. Die Pikeniere waren nicht länger Entscheidungsträger in der Schlacht, sondern wurden zum Rückzugskern der Infanterie bei Kavallerieangriffen. Durch die Einführung des Bajonetts wurden schließlich auch die Schützen in die Lage versetzt den Reitern wirksam entgegen treten zu können wenn sie eine entsprechende Formation einnahmen. Dies waren vor allem die aus Waterloo-Filmen bekannt gewordenen Karrees. Der gesteigerten Feuerkraft der Infanterie hatte die normale Kavallerie nichts entgegen zu setzten, zumal der Angriff mit blanker Waffe nicht immer ein sinnvolles Manöver war.
In diese Lücke traten die Dragoner ein. Ursprünglich waren sie mit den üblichen langen Feuerwaffen bewaffnete Infanteristen, die mit dem Pferd zu ihrem Einsatzort ritten und dann infanteristisch weiter kämpften. Sie kamen vermutlich schon im Frankreich der Hugenottenkriege zum Einsatz, wie überhaupt Frankreich als Ursprungsland dieser Truppengattung angesehen werden kann. Die durch die Pferde erreichte hohe Mobilität der Dragoner ermöglichte manche unliebsame Überraschung, wie in der Schlacht von Naseby 1645. Die Dragoner konnten mit der schnellen Kavallerie Schritt halten und ihnen gegebenenfalls Feuerunterstützung geben. Noch im 30jährigen Krieg waren keinesfalls alle Dragoner nur mit Feuerwaffen bewaffnet. Einige Kämpfer besaßen – wie für Infanterie damals üblich – noch die Pike als Hauptwaffe. Die Pike aber war zu lang um vom Pferd aus eingesetzt werden zu können. Das gleiche galt für die Musketen! Besonders Staaten mit großer räumlicher Ausdehnung (USA oder Russland) unterhielten sehr viele Regimenter dieser Truppengattung.
Theoretisch besaßen die Dragoner aber weit mehr Potential im Kampf. Was, wenn sie vom Pferde aus Schießen und kämpfen konnten? Das war die Geburtsstunde der Dragoner als reguläre Kavallerie. In der Folge kamen die Dragoner praktisch sowohl als berittene Infanterie, als auch als leichte-, gar als schwere Kavallerie vor was zu vielen Verwirrungen Anlass gibt! In England wurden Dragoner überwiegend bereits ausgangs des 17ten Jahrhunderts zur schweren Kavallerie, Friedrich der Große von Preußen folgte bald. In England, wo es schon lange keine Kürassiere mehr gab wurde der Begriff ‚Dragoons’ für alle schweren Reiter verwendet. In Preußen, wo Friedrich den Dragonern die schwere Kavalleriewaffe des Pallasch gegeben hatte (= Schwere Kavallerie) wurden sie kurz nach Beginn der Französischen Revolution wieder zur leichten Kavallerie umgeformt und mit dem Säbel ausgerüstet. Daneben gab es in allen Armeen entsprechende Mischformen. So konnten in ein und derselben Armee Dragonerregimenter existieren, die als berittene Infanteristen ausgebildet waren, daneben solche als leichte Kavallerie und sogar als schwere Kavallerie! Die Unterscheidung fällt hier meist sehr schwer. Abgesehen von der Qualität der Pferde konnte man dies an ihrer Ausrüstung ablesen: Echte Kavallerie konnte mit den langen Gewehren der Infanterie nichts anfangen, sie verwendeten kürzere Karabiner um auf dem Pferderücken bedienbar zu bleiben. Da schwere Kavallerie immer zur Elite gerechnet wurde, entstand hier früh der Bedarf an Hinterladern. Berittene Infanterie hatte keinen Bedarf an Blankwaffen, sie erhielten das Bajonett. Schwere Kavallerie erhielt schwere Reiterwaffen wie den Pallasch, leichte Kavallerie die leichteren Säbel. Manchmal trugen als Kavallerie ausgebildete Dragoner anfänglich auch einen ledernen Kürass, der aber bald verschwand. Die Kopfbedeckung war mehr geeignet herauszufinden ob ein Dragoner als Kavallerist galt oder nicht. Echte Kavallerie trug meist einen Helm, berittene Infanterie die entsprechende Kopfbedeckung: Hut, Tschako oder – sehr viel später den Pickelhelm. Berittene Grenadiere waren immer als schwere Kavallerie ausgebildete Elite-Dragoner mit guter infanteristischer Ausbildung. Interessanterweise wurden zeitweilig auch Kürassiere mit Karabinern ausgerüstet und entsprachen damit bis auf den Kürass den englischen Dragoons! Die in Frankreich, Süddeutschland und Österreich verwendeten Chevaulegers waren leichte Reiterei, die wie Husaren eingesetzt, aber wie leichte Dragoner bewaffnet waren. Sie sind immer wirkliche leichte Kavallerie gewesen. Später mussten sie auch noch mit der Lanze kämpfen können (etwa im napoleonischen Zeitalter), ein weiteres Beispiel wie sehr sich die verschiedenen Kavallerieeinheiten mit steigender Feuerkraft der modernen Infanterie einander anpassten und eine einheitliche Kavallerie entstand.
Heraldisch konnte man lange Zeit Kavallerie von berittenen Truppen an den Feldzeichen unterscheiden: Kavallerie nutzte Trompeten und Standarten, Infanterie Trommeln und Fahnen.
Auch wenn wir hier über die Neuzeit reden, will ich zumindest ein paar Worte zu berittenen Bogenschützen verlieren. Gerade unter den Kosaken hat es eine Weile noch Männer gegeben die mit dem Bogen kämpften. In den Zeiten vor unserem Thema hätte ich die berittenen Bogenschützen unter die leichte Reiterei eingeordnet. Ähnlich wie später die Husaren waren sie oft auch als Schlachtreiter einsetzbar gewesen (ich rede nicht mehr von Kosaken!). In antiker Zeit und während des Mittelalters hatten sie vor allem in traditionellen Reitervölkern eine entscheidend wichtige Rolle in den Armeen. Als Stichwort nenne ich hier nur die Völker der Perser, Hunnen und Mongolen… In unserem Kontext ließen sich diese Reiter nur schwer einordnen, je nach weiterer Bewaffnung als Schwere Reiterei, Leichte Reiterei oder berittene Plänkler. Sie sind in dieser Hinsicht die immer als Reiterkämpfer ausgebildeten Vorläufer der späteren Dragoner.
Kosaken sind nur schwer losgelöst von ihrem sozialen Hintergrund und ihrer Lebensweise in den Steppen Südrusslands und der Ukraine zu betrachten. Außerhalb desselben erlangten sie auch nie irgendwelches bleibendes, militärisches Gewicht. Als irregulär-halbreguläre Truppen kann man sie schlecht in das von mir gewählte System einordnen. Da sie meist vom Pferderücken aus kämpften (teils auch als ursprüngliche Drogoner), kann man sie gut der Kavallerie zuordnen. Sie kämpften meist kaum (anfangs) gepanzert und nach 1600 immer ohne Panzerung. Ihre Seitenwaffe war meist der Säbel, doch verwendeten sie auch Gewehre, den Bogen (sogar teilweise gegen Napoleon), Kriegshämmer und bis zum ersten Weltkrieg sogar die Lanze! Es leuchtet ein das nicht der gleiche Kämpfer alle diese Waffen bei sich haben konnte, so hatte er entweder eine Schusswaffe oder die Lanze… Die Kosaken konnten also eventuell das ganze Feld von Plänkler, berittener Infanterie bis zur schweren Reiterei abdecken. Die in mitteleuropäischen Gegenden eingesetzten Kosaken gehörten immer zu den besseren Truppen ihrer Volksgruppe und erkämpften sich einen guten Ruf, auch wenn ihre Disziplin oft zu wünschen übrig lies. Der legendäre Ruf, den sie im Laufe der napoleonischen Kriege errangen führte zeitweilig sogar dazu dass andere europäische Heere selbst Kosakeneinheiten aufzustellen versuchten. Ohne den entsprechenden Hintergrund war dies zum Scheitern verurteilt. Ich sehe die Kosaken als eine Sonderform der russischen Kavallerie, die spätestens ab dem Krimkrieg in mehr reguläre Truppen umgewandelt wurden, dann im Sinne von Dragonern aller Spielarten und von Lanzenreitern. Ihre Entwicklung durch die Weltkriege entspricht einerseits der normalen Entwicklung berittener Einheiten dieser Zeit, andererseits ihrem speziellen Volkstum…
Schlusswort:
Im Wesentlichen wirkte die schwere Reiterei durch die Wucht ihres Angriffs und die gut gefestigte Formation ihrer Männer die den Widerstand niederwalzte. Die leichte Kavallerie ist beweglicher, sie muss feindlichen Widerstand eher unterlaufen und versucht die Flanke zu gewinnen. Das bedeutet dass sie dünner formiert sein muss, damit sie den notwendigen Raum für ihre Manöver gewinnen kann. Beides, sowie ihre leichteren Pferde und Bewaffnung bedeutet dass sie einem Angriff von schwerer Kavallerie niemals gewachsen sein kann, da sich die Formation beim Aufprall sofort auflösen wird. Lanzenreiter sind besonders effektiv gegen gegnerische Kavallerie, besonders in der Verfolgung.
Es zeigt sich m.E. dass die Kavallerie vielfältigen Umstrukturierungen ausgesetzt war. Man versuchte immer erfolgreiche Erscheinungsformen für seinen Staat umzusetzen und experimentierte nicht immer erfolgreich damit fremde Kampfformen für sich zu adaptieren und sie möglichst vielseitig zu gestalten. Um 1800 war die Entwicklung der Kavallerie im Wesentlichen abgeschlossen. Alles was jetzt folgte waren nur noch Umformungen durch neue Bewaffnungen und strategische Aufgaben. Die schnell feuernden Hinterlader und die Genauigkeit, mit der die gezogenen Läufe der modernen Gewehre schossen machten den Sturmangriff durch Schlachtreiter mehr und mehr Sinnlos, noch bevor das Maschinengewehr den Kampf in geschlossenen Formationen auf dem Schlachtfeld für alle Waffengattungen verbot. Nun konnte die Kavallerie ihre Vorteile nur noch durch die höhere Beweglichkeit ausspielen. Ohne Flankenmanöver war ein Angriff nicht mehr ratsam. Zum Teil kehrte sie zur Kampfform der ursprünglichen Dragoner als berittene Infanterie zurück. Ihren Wert als leichte Kavallerie im Kleinkrieg und zur Aufklärung behielt sie weiterhin. Die spätestens seit Napoleon so wichtig gewesene Aufgabe der Verfolgung geschlagener Gegner bis zur Vernichtung konnte sie nur noch in wenigen Fällen weiter ausführen.
Organisatorisch immer in Regimenter gegliedert bildeten sich schon im 18ten Jahrhundert auch größere Verbände heraus, die aus mehreren Regimentern gebildet wurden. Napoleon, als Meister der verbundenen Waffen führte auch hier ständige Kavalleriedivisionen und Korps ein. Kavallerie, vor allem Schlachtkavallerie war immer eine Schwerpunktwaffe gewesen, die im richtigen Moment massiert eingesetzt fast jede Schlacht entscheiden konnte. So blieb es bis zu den gezogenen Hinterladergewehren. Das war eine taktische Aufgabe! Die französische Kavallerie hatte lange Zeit keinen besonderen Ruf genossen, wie auch ihre Zucht für Reitpferde. Die französischen Revolutionsarmeen besaßen eine armselige Kavallerie. Erst durch die erfolgreichen Feldzüge nach Deutschland hinein konnte Napoleon auf die guten Reiter und Pferde der besiegten Nationen und Polens zurückgreifen. Auch der Rheinbund stellte hervorragende Reiter. So war er in der Lage jedem Korps oder Division einen kleinen Anteil leichter Reiterei zuzuordnen, was deren taktische Möglichkeiten stark erweiterte. Die schwere Kavallerie hielt er aber für die Schlacht als geschlossene Masse zurück, die den entscheidenden Angriff durchführen sollte. Leichte Reiter würden dann den geschlagenen Feind bis zur Vernichtung verfolgen.
In den Nachwehen Napoleons übernahm die Kavallerie mehr und mehr strategische Aufgaben, wozu die neuen Divisionen und Korps den geeigneten Rahmen abgaben. Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 bewiesen die Deutschen darin beachtliches strategisches Geschick. Sie stellten oft die Verbindung zwischen den einzelnen Heereskörpern her die im Lande ausschwärmten und konnten kleinere feindliche Rotten selbstständig zersprengen. Je ausgedehnter die Frontline wurde, desto wichtiger wurde es die Zwischenräume wenigstens zu beobachten. Früher, bei den kleineren, stehenden Heeren der absolutistischen Epoche war das nicht notwendig gewesen. Die Massenheere der Wehrpflichtigen zwangen zu diesen Maßnahmen. Die Führung von strategischen Kavallerieeinheiten wurde zwangsläufig immer flexibler und verlangte Unterstützungstruppen in Gestalt flexibler Infanterie und vor allem reitender Artillerie (= Artillerie bei der die Bedienungsmannschaft selbst reitet und nicht zu Fuß neben dem Gespann her läuft), sowie besserer eigener Feuerkraft. Das Wettrennen mit der gesteigerten Feuerkraft moderner Hinterlader und des Maschinengewehrs konnte auch das schnellste Pferd auf Dauer nicht gewinnen. Die gesteigerte Feuerkraft führte auch zur Leere moderner Gefechtsfelder, da geschlossene Formationen ein zu leichtes Ziel bilden und der Gegner sich ihr durch Auflösung in Einzelziele zu entziehen sucht. Im Galopp attackierende Kavallerie erhält einen guten Teil ihrer Wucht und ihrer moralischen Wirkung auf den Gegner durch ihren schrecklichen Anblick als möglichst geschlossene Formation. Einzeln angreifende Reiter büßen den Vorteil der Wucht und des moralischen Schreckens völlig ein. Da der Reiter aber keine Deckung ausnutzen kann und leichter zu berechnen ist, bildet er ein leichtes Ziel. Dem klassischen Kavallerieangriff fehlt also seit den Weltkriegen sein eigentliches Ziel.