Konfession, Antisemitismus und NS

Und als ich in diesem Forum Ähnliches sagte und sage, wurde und werde ich von den Verteidigern der christlichen Religion bombardiert
Ich fühle mich von diesem Satz nicht angesprochen, und ich wüsste auch nicht, welcher der anderen Diskussionsteilnehmer sich davon angesprochen fühlen sollte.
Nicht? Dann muss ich das wohl nachweisen:

Als ich in #40 eine Menge Zitate aus Wikipedia und Eigenes brachte, sagte @dekumatland
...egal wie oft ich da den kompletten Artikel durchlese, ich finde nirgendwo die Behauptung oder gar den Nachweis,
für meinen Satz: „Luthers Vorschläge lesen sich wie ein Programm für die Nazis.“

In den gleichen Horn blies gleich darauf auch @Shinigami:
Sehe gerade hiermit war @dekumatland schneller als ich.
Und das, obwohl @hatl zuvor in Richtung @dekumatland schrieb:
Dazu ist es hilfreich zu lesen was Luther schrieb.

Und als @hatl als Antwort schrieb
Wo ist die Verbindung zwischen Luthers (verhetzenden) theologischen Schriften und den pseudobiologischen Rassetheorien der Nazis?
Ist das denn nicht offensichtlich der Judenhass?
wies @Shinigami das zurück
Das ist deswegen keine Verbindung zwischen Luther und Hitler, weil beide unter der Bezeichnung "Jude" etwas von einander vollkommen unterschiedliches verstanden.
Diese Behauptung von mir Luthers Vorschläge lesen sich wie ein Programm für die Nazis. habe ich in #55 mit dieser Liste untermauert
– Luther schrieb, man solle Juden ihre Synagogen niederbrennen – Nazis haben das getan.
– Luther schrieb, man solle ihre Häuser zu zerstören und sie wie Zigeuner in Ställen und Scheunen wohnen lassen – Nazis haben das getan.
– Luther schrieb, man solle ihnen ihre Gebetbücher und Talmudim wegnehmen – Nazis haben das getan.
– Luther schrieb, man solle ihren Rabbinern das Lehren bei Androhung der Todesstrafe verbieten – Nazis haben das getan.
– Luther schrieb, man solle ihren Händlern das freie Geleit und Wegerecht entziehen – Nazis haben das getan.
– Luther schrieb, man solle ihnen das „Wuchern“ (Geldgeschäft) verbieten, all ihr Bargeld und ihren Schmuck einziehen und verwahren – Nazis haben das getan.
– Luther schrieb, man solle den jungen kräftigen Juden Werkzeuge für körperliche Arbeit geben und sie ihr Brot verdienen zu lassen – Nazis haben das getan.
Darauf gab es erst keine Reaktion, und als ich nachfragte, dann diese:
Die habe ich bisher wohlwollend ignoriert.
Wenn ich hier so etwas lese:
– Luther schrieb, man solle ihre Häuser zu zerstören und sie wie Zigeuner in Ställen und Scheunen wohnen lassen – Nazis haben das getan.
..... dann kann ich darüber nur traurig den Kopf schütteln.
Ich hoffe sehr, dass du das nicht ernst meinst.
Danach gab es Relativierung wie zum Beispiel (vom mir gekürzt und zusammengefasst, weil das Zitieren zu umfangreich geworden wäre. Auch habe ich verzichtet, Namen zu nennen, denn es geht mir hier nicht um Namen, sondern um die relativierende Aussagen):

- Man müsste aber auch darlegen, welche eher katholischen Wurzelwerke Hitler zu seinem Judenhass inspiriert haben, schließlich war Hitler Katholik.
- Und in Bezug auf Luther müsste man sich fragen, welche katholischen Wurzeln dessen Ressentiments gegenüber den Juden eigentlich hatten, schließlich war auch Luther Katholik.
- Was Luther da an judenfeindlichem Mist von sich gegeben hat, war nichts Neues, er hätte sich damit lediglich in eine Tradition intoleranter, katholischer Kleriker eingereiht.
- Wenn Luther der Ideengeber für die Nazis im Punkto Antijudaismus/Antisemitismus wäre, müsste er qualitativ Neues dazu "beigetragen", nicht nur alte intolerante Traditionen übernommen haben.
- Bei Luther fehlt es an der rassistischen Komponente wie sie unter Torquemada, den "katholischen Königen" und ihren habsburgischen Nachfolgern an der Tagesordnung war.
- Letztendlich war Luther nur Trittbrettfahrer anderer.
- Juden würden im 16. Jahrhundert nicht vor die Alternative Zwangstaufe oder Vertreibung gestellt.
- In Spanien gab es ab 1492 diese Alternative nicht.
- Der Umgang mit Juden in Spanien zeige, dass es keinen spezifischen protestantischen Antisemitismus gab.

Uns so weiter und so fort.
 
Danach gab es Relativierung

Lieber Dion, ist dir nicht aufgegangen, was ich damit meinte, wenn ich schrieb, dass ich über so etwas hier nur den Kopf schütteln kann:

– Luther schrieb, man solle ihre Häuser zu zerstören und sie wie Zigeuner in Ställen und Scheunen wohnen lassen – Nazis haben das getan.

Ist dir einmal aufgefallen, wie dieses Zitat wirkt bzw. von jemandem der wenig wohlmeinend damit umgeht gelesen werden kann?
Die Verhältnisse in den Ghettos während des NS-Regimes, ganz zu schweigen davon wie die Verhältnisse in den Konzentrationslagern waren, mit der einer Einquartierung in Ställen und Scheunen gleichzusetzen, ist freundlich ausgedrückt extrem ungeschickt.

Nein, was die Nazis taten war etwas ganz anderes, dass weit über die Scheußlichkeiten Luthers hinausgeht, sowohl quantitativ, als auch qualitativ.

Luther forderte in seinen Schriften die Juden in Ställen und Scheunen wohnen zu lassen, die Nazis verfrachteten die Juden in Konzentrationslager.
Luther forderte in seinen Schriften die Juden zu körperlicher Arbeit zu zwingen, die Nazis zwangen die Juden und andere Gruppen nicht nur zu körperlicher Arbeit, sondern zu Arbeit unter solchen Bedingungen, dass sie daran binnen kürzster Zeit systematisch zu Grunde gehen mussten.
Luther forderte in seinen Schriften dazu auf Rabbinern dass Lehren/Praktizieren jüdischer Religion bei Todesstrafe zu verbieten, die Nazis brachten gleich jeden um, der auch nur jüdische Großeltern hatte.

Da sind in jeder Hinsicht, so abstoßend und verbrecherisch Luther in seinen Einlassungen auch gewesen ist, massive Unterschiede vorhanden.
Und dein permanenter Versuch das irgendwie auf einen Nenner zu bringen, was nicht auf einen Nenner zu bringen ist und die Nazis letztendlich als Erfüllungsghilfen der Forderungen Luthers darzustellen, birgt die Gefahr dass der Versuch Luther so monströs als möglich erscheinen zu lassen, letztendlich darin endet, dass es so aussieht, als werde dabei am Ende das Tun der Nazis relativiert.
Ich möchte dir das nicht unterstellen, dafür kenne ich deine Einstellung bei allen Differenzen zu gut, aber vielleicht solltest du etwas mehr darauf achten, welche nicht erwünschten Nebenwirkungen deine Postulate haben können?

Bitte verstehe das als Hinweis, nicht als Vorwurf.

- Man müsste aber auch darlegen, welche eher katholischen Wurzelwerke Hitler zu seinem Judenhass inspiriert haben, schließlich war Hitler Katholik.

Das ist in dieser Form nicht geschrieben worden.
Es ist behauptet worden, dass Luther als ideologische Grundlage des NS unwahrscheinlich erscheint, weil die NS-Bewegung selbst in einem katholischen Millieu heranwuchs, das mit Luther nicht viel am Huth hatte und weil auch einige der bedeutenden Schlüssenfiguren, wie Hiter und Himmler, ohne die der Holocaust wahrscheinlich nicht in dieser Form oder überhaupt nicht stattgefunden hätte keine wie auch immer gearteten Verbindungen zu Luther aufweisen.
Dito ist darauf hingwiesen worden, dass der nominelle Katholik Hitler und der neopagane Esoteriger Himmler auch kaum glaubwürdig als theologische Nachlassverwalter Luthers auftreten konnten.

- Und in Bezug auf Luther müsste man sich fragen, welche katholischen Wurzeln dessen Ressentiments gegenüber den Juden eigentlich hatten, schließlich war auch Luther Katholik.

Nicht ganz, er verstand sich als Katholik, aber das läuft auf ähnliches heraus, immeerhin hat er seine Lehren auf dem Fundament des Katholizismus entwickelt.
Das habe ich tatsächlich geschrieben und sehe darin keine Relativierung, denn so widerlich das was Luther da von sich gab war und so radikal es auch war, es war nicht neu. Es war eine Ansammlung von Sentimeents und Aufrufen zu Gewaltaten, die im katholischen Raum zwar nicht häufig, aber durchaus nicht ohne Beispiel waren.

Du selbst hat das anerkannt, als du behauptet hast, Luther hätte mit den Schlimmsten Folgen seiner Einlassungen rechnen müssen, da es ja bereits Beispiele für massive Verfolgungs- und Terrorwellen gegen Juden, so wie Pogrome gegeben hatte.
Du selbst hast das Beispiel eines katholischen Klerikers aus Andalusien und dessen Hetzreden, die du als ursächlich für einen späteren tatsächlichen Pogrom betrachtet hast angeführt.

Wenn du selbst behauptest, Luther hätte wegen vergangener Greueltaten dieser Art im katholischen Europa mit den schlimmsten Folgen seiner Agitation rechnen müssen, wie kannst du dann beehaupten, der Hinweis auf die katholische Tradition sei eine Relativierung von irgendwas?
Damit erkennst du doch selbst an, dass Luther zwar ungewöhnlich extrem war, letztendlich allerdings keine neuen Ideen in die Welt setzte, was das betrifft, sondern mit seinen verbrecherischen Forderungen Mechanismen bespielte, die es in der katholischen Welt schon gab?

- Wenn Luther der Ideengeber für die Nazis im Punkto Antijudaismus/Antisemitismus wäre, müsste er qualitativ Neues dazu "beigetragen", nicht nur alte intolerante Traditionen übernommen haben.

Dion, wenn man Luther zu einem entscheidenen Wegbereiter stilisieren möchte, muss man schon einen Grund liefern, warum es ohne ihn nicht gegangen wäre.
Und dazu hätte er neue, einzigartige Ideen liefern müssen, die sich spätere Rezipienten nicht auch anderswo hohlen konnten.
Wenn er in dieser Hinsicht keinen unverzichtbaren genuinen Beitrag geleistet hat um die spätere Entwicklung ins werk zu setzen, ist es nicht als Schlüsselfigur anzusehen und als X. Hassprediger aufzutreten, der die längst bekannten, ausgelutschten Sentiments wieder aufkocht und als X. Person zu den gleichen Verbrechen aufruft, ist im Sinne der späteren Entwicklung kein unverzichtbarer Beitrag zum Endergebnis, auch wenn es das Verbrecherische daran nicht besser macht.

- Bei Luther fehlt es an der rassistischen Komponente wie sie unter Torquemada, den "katholischen Königen" und ihren habsburgischen Nachfolgern an der Tagesordnung war.
Auch wenn das von anderer Seite her kommt, auch das ist keine Relativierung.

Du bist wirklich oft genug auf die Problematik des völlig unterschiedlichen Judenbegriffs Luthers und der Nazis hingewiesen worden und auch darauf, dass das Konsequenzen hatte, nach denen die Formel "Luther hat verlangt die Juden (Rabbiner) im Extremfall zu töten, die Nazis haben die Juden umgebracht = die Nazis haben Luthers Ansinnen erfüllt", so eben nicht aufgeht, weil diejenigen, die die Nazis zu Juden erklärten und umbrachten de facto nicht selten bekennende Christen waren.
Insofern ist der Umstand, dass Luther keine rassistische Komponente hatte, die Nazis Juden aber rassistisch, nicht theologisch definierten ein Probleem für deine Vorläuferthese, für dass du bisher keine sinnvolle Lösung hast bieten können.

- Letztendlich war Luther nur Trittbrettfahrer anderer.
Hat in dieser Form niemand behauptet. Es gibt schon noch Zwischenstufen zwischen einem reinen trittbrettfahrer und einem wesentlichen Wegbereiter.

- Juden würden im 16. Jahrhundert nicht vor die Alternative Zwangstaufe oder Vertreibung gestellt.
Mal davon abgesehen, dass das 16. Jahrhundert lang und die welt groß war, was haben zwangstaufen oder Vertreibungen mit einer potentiellen Verbindung zwischen Luther und dem Holocaust zu tun?

- In Spanien gab es ab 1492 diese Alternative nicht.
Insofern dort auch die "Conversos" vertrieben wurden, stimmt das nun einmal.
Ich wüsste nicht, was an der Aussage auszuetzen ist.

- Der Umgang mit Juden in Spanien zeige, dass es keinen spezifischen protestantischen Antisemitismus gab.

Auch das hat in dieser Form niemand behauptet. Der Umgang mit den Juden in Spanien deutet an, dass sich in Teilen der Katholischen Welt möglichrweise ein eigentsändiger Protoantisemitismus entwickelt hat, bevor die Reformation aufkam, was nahelegt, dass der Übergang von Antijudaismus zu Antisemitismus nicht auf das Vehikel des Protestantismus angwiesen war.


Ich möchte dich nochmal darum bitten, im Sinne des Diskussionsklimas aufzuhören anderen zu unterstellen, sie würden irgendetwas relativieren und vor allem auch anderen zwecks Diskreditierung Dinge in den Mund zu legen, die sie niemals geschrieben haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Dion, ist dir nicht aufgegangen, was ich damit meinte, wenn ich schrieb, dass ich über so etwas hier nur den Kopf schütteln kann:
Wichtig war hier dein einleitender Satz zu meiner Liste, die übrigens 7 Punkte enthält: „Die habe ich bisher wohlwollend ignoriert.“

Nein, was die Nazis taten war etwas ganz anderes, dass weit über die Scheußlichkeiten Luthers hinausgeht, sowohl quantitativ, als auch qualitativ.
Nazis taten das, was Luther vorschlug und noch mehr – Karl Jaspers hat das viel griffiger formuliert: „Was Hitler getan, hat Luther geraten, mit Ausnahme der direkten Tötung durch Gaskammern.“

Und dein permanenter Versuch das irgendwie auf einen Nenner zu bringen, was nicht auf einen Nenner zu bringen ist und die Nazis letztendlich als Erfüllungsghilfen der Forderungen Luthers darzustellen, birgt die Gefahr dass der Versuch Luther so monströs als möglich erscheinen zu lassen, letztendlich darin endet, dass es so aussieht, als werde dabei am Ende das Tun der Nazis relativiert.
Karl Jaspers hat das auf einen Nenner gebracht – hat er damit auch das Tun der Nazis relativiert?

Dito ist darauf hingwiesen worden, dass der nominelle Katholik Hitler und der neopagane Esoteriger Himmler auch kaum glaubwürdig als theologische Nachlassverwalter Luthers auftreten konnten.
Das habe ich auch nicht behauptet. Außerdem: Ich war es nicht, der hier gesagt hat, Protestanten und Katholiken hätten sich im Judenhass nicht viel unterschieden. Das mag generell stimmen, aber wir sind hier in einem Faden, der die Rolle der Konfessionen während der NS-Zeit beleuchten soll, und da schneiden die Protestanten schlechter ab als die Katholiken. Hitler und Himmler als Katholiken ins Spiel zu bringen, wenn es um Luther geht, werte ich als Versuch einer Relativierung der Rolle Luthers und der Protestanten.

- Letztendlich war Luther nur Trittbrettfahrer anderer.
Hat in dieser Form niemand behauptet. Es gibt schon noch Zwischenstufen zwischen einem reinen trittbrettfahrer und einem wesentlichen Wegbereiter.
Nicht? Du hast geschrieben:
Wie gesagt, das macht sein verbrecherisches Handeln in diesem Sinne nicht besser, damit man sich klar versteht, aber begründet er da tatsächlich neue Traditionen oder spricht er sich am Ende einfach nur dafür aus Methoden einzuführen, die andernorts längst geübte Praxis gewesen sind?
Letzteres würde ihn genau so zum Verbrecher machen, aber letztendlich eher zum Trittbrettfahrer anderer, als zum Begründer irgendwelcher speziellen Ansichten.
Das reicht wieder einmal mit uns, @Shinigami, denn wenn du Eindeutiges einfach negierst, dann hat es für mich keinen Sinn mehr, mit dir zu diskutieren.
 
Wichtig war hier dein einleitender Satz zu meiner Liste, die übrigens 7 Punkte enthält: „Die habe ich bisher wohlwollend ignoriert.“

Ja, ich hatte diese Einlassung wohlwollend ignoriert.
Wohlwollend ignoriert in dem Sinne, dass ich diese Vergleiche dieser Art mal als Vergalloppieren deinerseits ohne auf die Folgen zu achten unkommentiert gelassen hatte und eigentlich auch unkommentiert lassen wollte.

Also lass uns doch beide im Sinne eines vernünftigen Gesprächsklimas vergessen, dass das so geschrieben wurde und es nicht erneut waufwärmen, sonst haben wir nämlich eine Relativierungsdebatte, die du nicht willst, und die ich nicht will, weil mir klar ist, dass es nicht als relativierung gemeint war.

hat er damit auch das Tun der Nazis relativiert

Dion, ließt du, was ich schreibe? Ich habe dir explizit geschrieben, dass ich dir keine Relativerung vorwerfe, weil ich weiß, dass das so nicht gemeint war.
Ich habe ich darauf hingewiesen, dass allerdings als Nebeneffekt deiner angestellten Vergleiche jemandem, der deine Intentionen weniger gut kennt, ein solcher Eindruck entstehen könnte und es daher möglicherweise ratsam wäre zum einen diese Darstellung zu überdenken, zum anderen bitte Abstand von überflüssigen relatiiverungsvorwürfen zu nehmen.

Das mag generell stimmen, aber wir sind hier in einem Faden, der die Rolle der Konfessionen während der NS-Zeit beleuchten soll, und da schneiden die Protestanten schlechter ab als die Katholiken. Hitler und Himmler als Katholiken ins Spiel zu bringen, wenn es um Luther geht, werte ich als Versuch einer Relativierung der Rolle Luthers und der Protestanten.

Dion, Hitler und Himmler sind Schlüsselfiguren der NS-Bewegung, der Naziherrschaft und des Holocaust.
Es geht nicht um eineen wettbeewerb, welche Konfession schuldiger war, sondern um den Umstand, dass es für die Wegbereiterthese ein Probleem darstellt, wenn die Schlüsselfiguren von alledem keinen erkennbaren Bezug zu Luther hatten und ihre Ideen genuin eben ganz wo anders hernahmen.

Nicht? Du hast geschrieben:

Das Wörtchen "eher" haben wir überlesen?


So, ich denke ich werde ich werde mal bei der moderation anklopfen und fragen, ob die letzten Beiträg hier entfernt werden können.
Lass uns bitte versuchen das auf vernünftiger Ebene zu diskutieren.
 
Als ich in #40 eine Menge Zitate aus Wikipedia und Eigenes brachte, sagte @dekumatland für meinen Satz: „Luthers Vorschläge lesen sich wie ein Programm für die Nazis.“
Und ich bleibe bei dem, was ich geschrieben hatte. Im kompletten Wikipedia-Artikel Martin Luther und die Juden – Wikipedia findet sich kein Beweis oder Nachweis für die Richtigkeit deines Satzes. Instruktiv ist dort der letzte Abschnitt zur Antisemitismusforschung, welcher deinen Ansichten und auch dem Jasperszitat deutlich widerspricht.
(Ich verzichte auf umfangreiches zitieren aus dem Artikel, denn er ist in den vielen Fäden, die von diesem Thema okkupiert sind, seit letztem Sommer oft genug zitiert worden)
 
- Bei Luther fehlt es an der rassistischen Komponente wie sie unter Torquemada, den "katholischen Königen" und ihren habsburgischen Nachfolgern an der Tagesordnung war.
- Letztendlich war Luther nur Trittbrettfahrer anderer.
- Juden würden im 16. Jahrhundert nicht vor die Alternative Zwangstaufe oder Vertreibung gestellt.
- In Spanien gab es ab 1492 diese Alternative nicht.
- Der Umgang mit Juden in Spanien zeige, dass es keinen spezifischen protestantischen Antisemitismus gab.

Auf die Gefahr hin, dass du mir den Begriff Limpieza de Sangre um die Ohren hauen wirst, möchte ich das in dieser Eindeutigkeit doch in Frage stellen. Zwar scheint der Begriff Limpieza de Sangre (proto)rassistisch und er wird oft in populären Darstellungen als protorassistisch bezeichnet, ist aber von der Konzeption her tatsächlich komplizierter und gerade ein Torquemada ist ein gutes Beipsiel dafür, dass sie eigentlich nicht rassistisch im heutigen Sinne sein kann.

Bzgl. Torquemada: Normalerweise hieß man nach seinem Vater. Also Rodrigo der Sohn des Diego hier Rodrigo/Ruy Diéguez oder Díaz. Dessen Sohn Diego hieß wiederum Diego Ruíz oder Rodríguez. Leute die nach Ortschaften benannt wurden, hatten entweder keinen sozialen Vater oder hatten ihren Vaternamen abgelegt.***
Šelomo ben Yiṣḥaq ha-Levi ("Schlomo ben Yitzaq") Pablo de Burgos. Er nannte sich als Christ nicht "Salomo Isaáquez" oder nahm als Taufnamen Pablo an und nannte sich dann weiter ben Yiṣḥaq oder eben hispanisiert Isaáquez, nein, er nannte sich nach der Stadt Burgos, wo er bald im Priesterstand bis zum Bischof aufstieg.
Damit waren aber Konvertiten und ihre männlichen Nachfahren und sind es in männlicher Nachfahrenschaft bis heute, durch ihren Namen als solche markiert. Also de +Ortsname als Familienname ist ein Marker für eine potentiell jüdische Herkunft in der väterlichen Linie (wobei das natürlich wiederum für [orthodoxe] Juden - mater semper certa est - unerheblich ist).

Hernando de Pulgar, Zeitgenosse Torquemadas und selber Converso (de Pulgar - man könnte meinen, er habe "Ferdinand vom Daumen" geheißen, aber tatsächlich ist Pulgar auch eine Ortschaft bei Toledo) schrieb 1483 über Torquemada, dass dessen Großeltern jüdischer Herkunft seien. (Man könnte nun ein Faß aufmachen und behaupten, dass Konvertiten jeglicher Coleur besonders radikal seien und besonders heftig verachten, was sie selber mal waren; das mag immer mal wieder so sein, aber sicher nicht zwingend).

De facto hatten die Juden 1492 die "Alternative"* zu konvertieren oder auszuwandern. Das Problem ist einfach, dass man sich natürlich im Klaren darüber war, dass die Konversionen von Juden zum Christentum, von ein paar Einzelfällen abgesehen, erzwungen waren. Und deshalb nahm man Juden die Konversion oft nicht ab. Als potentielle Renegaten waren sie wiederum ein Fall für die Inquisition, da biss sich die Katze in den Schwanz.
Es dürften einige Zehntausend als Kryptojuden verdächtigte (ob zu Recht oder Unrecht ist unerheblich) in den Folterkammern der spanischen Inquisition gelandet sein und viele davon im Autodafé (< Actus fidei) um Leben gekommen sein. Wer allerdings glaubhaft machen konnte, voll im katholischen Glauben aufzugehen, der kam auch nicht zwingend vors Inquisitionsgericht.**
Allerdings war eine solche Konversion - selbst dann, wenn unerzwungen und ehrlich ist - auch in der Lebenspraxis gar nicht mal so leicht. Da hat man gewisse Familientraditionen, die zwar Christen nicht verboten waren, aber Teil jüdischer Glaubenspraxis waren. Man konnte nach der Konversion sich z.B. nicht mehr weiter das Essen so zubereiten, wie man es immer getan hatte, weil man sich dann verdächtig machte, insgeheim jüdisch geblieben zu sein. Dass Schweinefleisch auf der iberischen Halbinsel einen so großen Stellenwert einnimmt, dürfte damit zusammenhängen, dass man seit dem 15. Jhdt. gewissermaßen dazu gezwungen war, ostentativ zu zeigen, dass man kein Jude oder Muslim war, und vom Schwein genoss. Ganz viele Alltagshandlungen, die irgendwie mit dem Judentum verknüpft waren, mussten die Menschen aufgeben. Taten sie das nicht, machten sie sich verdächtig, jüdisch zu sein, unabhängig davon, wie erwzungen oder freiwillig ihre Konversion war.


*hier von einer Alternative zu sprechen, ist im Grunde verharmlosend, deswegen die Anführungszeichen. Da aber im Beitrag zurvor von keiner Alternative die Rede war, dies aber de facto nicht stimmt, ist natürlich das Wort Alternative vorgegeben.
**das hört sich verharmlosend an. Es sind tausende "braver" Katholiken, nur weil sie jüdische Vorfahren hatten, verdächtigt, verfolgt und vermutlich auch ermordet worden. Aber das war eben kein Naturgesetz, dass das passierte. Es gibt Nachfahren von Sepharden, deren Familien immer in Spanien geblieben sind, bis heute. Viele von denen sind sich ihrer sephardischen Herkunft gar nicht bewusst. Ein bekannter mallorquinischer Koch (Toni Piña) und seine Frau sind vor einigen Jahren, nachdem sie sich zunächst der jüdischen Geschichte der mallorquinischen Küche angenähert hatten und festgestellt hatten, dass sie selber sephardischer Herkunft waren, zum Judentum rekonvertiert. Ihre Kinder sind christlich geblieben.
***paradoxerweise muss man bei Adeligen da wiederum eine Ausnahme machen.
 
Nicht? Dann muss ich das wohl nachweisen:

Als ich in #40 eine Menge Zitate aus Wikipedia und Eigenes brachte, sagte @dekumatland für meinen Satz: „Luthers Vorschläge lesen sich wie ein Programm für die Nazis.“

In den gleichen Horn blies gleich darauf auch @Shinigami: Und das, obwohl @hatl zuvor in Richtung @dekumatland schrieb:

Und als @hatl als Antwort schriebwies @Shinigami das zurück
Diese Behauptung von mir Luthers Vorschläge lesen sich wie ein Programm für die Nazis. habe ich in #55 mit dieser Liste untermauertDarauf gab es erst keine Reaktion, und als ich nachfragte, dann diese:
Danach gab es Relativierung wie zum Beispiel (vom mir gekürzt und zusammengefasst, weil das Zitieren zu umfangreich geworden wäre. Auch habe ich verzichtet, Namen zu nennen, denn es geht mir hier nicht um Namen, sondern um die relativierende Aussagen):


Uns so weiter und so fort.

Ja, einige Forderungen Luthers lesen sich tatsächlich wie ein Programm für die Nazis-das hätte man so oder ähnlich auch im Stürmer lesen können, und Versatzstücke und Zitate Luthers sind tatsächlich im Stürmer erschienen. Wenn Julius Streicher behauptete, er habe lediglich Luther beim Wort genommen, dann tat er das nicht ganz zu Unrecht.

Andere Forderungen und Zitate Luthers passen allerdings schon weniger in das Programm der Nazis, und selbst noch sein widerliches Pamphlet von 1543 schloss mit den Worten:

"Christus unser lieber Herr bekehre sie barmhertziglich
und erhalte uns in seiner erkentnis
Welche das ewige leben ist
fest und unbeweglich
Amen


Andere Forderungen Luthers passten überhaupt nicht ins Programm der Nazis:

Die Feststellung Luthers, dass Jesus, Maria und die Apostel Juden waren, widersprach der Lesart von Rosenberg oder den DC, die Jesus als Arier und Galiläer bezeichneten



Die Forderungen Luthers in seiner Schrift von 1523 passen nicht nur nicht ins Programm der Nazis, sie stehen dazu sogar in krassem Widerspruch:

-Anerkennung, dass die Wurzeln des Christentums jüdisch waren, dass Jesus, die Apostel und die Heilige Familie Juden waren
-Forderung Juden freundlich zu behandeln
-Aufforderung, Juden mit Mission zu verschonen, Eingeständnis er selbst wäre (unter den gleichen -Voraussetzungen) lieber eine Sau, als ein Christ geworden
-Aufforderung, die Restriktionen gegen Juden aufzuheben.


Auch das gehört zum Werk Luthers, und Heinrich Heine hatte mindestens so große Berechtigung, sich auf Martin Luther zu berufen wie Julius Streicher.

Man mag ja völlig zu Recht befinden, dass die positive Rezeption Luthers innerhalb des Judentums eine hoffnungslos romantisierende war. Luther hat die Hoffnungen der Juden jedenfalls ebenso enttäuscht wie die der Bauern. Als Philosemiten konnte man Luther eigentlich zu keiner Zeit bezeichnen.

Es haben aber zumindest Gegner der Nazis, die mit Luther gegen Antisemitismus argumentierten, Luthers Theologie aber zumindest nicht verfälscht. Luther als Apologeten der Endlösung zu vereinnahmen, war dagegen nur möglich, indem man alles, was bei Luther nicht so recht ins Nazi-Programm passte, passend machte, und alle Äußerungen Luthers die diesem Programm widersprachen völlig ausblendete.
 
Auf die Gefahr hin, dass du mir den Begriff Limpieza de Sangre um die Ohren hauen wirst, möchte ich das in dieser Eindeutigkeit doch in Frage stellen.
Keine Sorge, in Bezug auf Spanien und ein paar anderen Wissensgebieten kann ich dir nicht das Wasser reichen.

Zuerst möchte ich betonen, dass das, was du da als von mir stammend zitiert hast, Einwände von anderen Mitgliedere des Forums waren auf das, was ich zuvor gepostet habe – das geht auch aus dem Beitrag selbst hervor.

De facto hatten die Juden 1492 die "Alternative"* zu konvertieren oder auszuwandern.
Es gab 3 Alternativen - bereits in #269 habe ich aus Wikipedia u.a. Folgendes zitiert:

Das Edikt ließ den Juden Spaniens nur die Wahl zwischen der Konversion zum Christentum und dem Exil, anderenfalls drohten Todesstrafe und Beschlagnahmung aller Güter.

Die Alternativen hießen also: Konversion, Exil oder Tod.

Ansonsten bin ich mit dir einer Meinung.

Ja, einige Forderungen Luthers lesen sich tatsächlich wie ein Programm für die Nazis-das hätte man so oder ähnlich auch im Stürmer lesen können, und Versatzstücke und Zitate Luthers sind tatsächlich im Stürmer erschienen. Wenn Julius Streicher behauptete, er habe lediglich Luther beim Wort genommen, dann tat er das nicht ganz zu Unrecht.

Andere Forderungen und Zitate Luthers passen allerdings schon weniger in das Programm der Nazis ...
Natürlich passte manches nicht, aber Propaganda ist nicht dafür da, die ganze Wahrheit zu sagen, denn sie ist per se parteiisch.

Und: Holocaust wurde nicht mal von Stürmer propagiert, denn die Vernichtungslager waren ja geheim; Nazis haben nur vorgegeben, die Juden würden nur umgesiedelt – filmten sogar das (geschönte) Leben in Theresienstadt.
 
Natürlich passte manches nicht, aber Propaganda ist nicht dafür da, die ganze Wahrheit zu sagen, denn sie ist per se parteiisch.

Und: Holocaust wurde nicht mal von Stürmer propagiert, denn die Vernichtungslager waren ja geheim; Nazis haben nur vorgegeben, die Juden würden nur umgesiedelt – filmten sogar das (geschönte) Leben in Theresienstadt.

Hier geht es aber nicht um Propaganda, nicht um Agitation sondern um Geschichtswissenschaft.

Wenn du aber doch weißt, dass da eine ganze Menge ist, was eben nicht so recht zur Nazi-Ideologie passt, was überhaupt nicht passt oder was sogar in totalem Widerspruch steht, wie kann man dann im Grunde wider besseres Wissen behaupten dass diese Widersprüche völlig unerheblich sind.

Die "Endlösung der Judenfrage" war geheime Reichssache, und über so etwas zu sprechen, war durchaus nicht ungefährlich. Andererseits ließ sich ein bürokratischer Massenmord in diesen Dimensionen nicht völlig geheimhalten. Im Hinterland der Ostfront wurde viele Soldaten Zeugen. Es gab etliche Leserbriefe an den Stürmer, in denen Leser Fotos von Massenmord von ermordeten Juden posteten. Es gab Beschwerden, dass irgendwo immer noch "Judenweiber herumliefen". Also Streicher wusste vom Holocaust, und dem Stürmer war das alles noch viel zu lasch. Die Leserschaft war im Bilde.
 
Ich hab den Stürmer 1942 Januar - Dezember.
Aber leider nicht als OCR.
Und es ist wirklich zu unerträglich das Zeug ohne Suchfunktion über einen längeren Zeitraum zu lesen.

Hat jemand eine Quelle mit OCR?
Weiß jemand wie ich aus meinem PDF ein OCR-PDF mache?
 
Das geht u.a. mit der Vollversion des Adobe Acrobat. Hängt aber auch vom Schriftsatz ab (Fraktur etwa führt hin und wieder zu Fehlern.) Wenn Du die Datei als Anhang hochladen willst, kann ich versuchen, sie zu bearbeiten und Dir zurückschicken.
 
Hier geht es aber nicht um Propaganda, nicht um Agitation sondern um Geschichtswissenschaft.
Es geht in diesem Faden um Konfession(en), Antisemitismus und Nationalsozialismus. Und da muss man schon fragen, was hat das deutsche Volk in seiner Mehrheit zum jeweiligen Zeitpunkt gewusst, wie weit die Nazis bei der Lösung der Judenfrage gingen – dazu ein Zitat:

Zuvor bezeichneten die Nationalsozialisten mit diesem Ausdruck [Endlösung der Judenfrage] die staatlich organisierte Vertreibung oder Umsiedlung von Juden, die seit etwa 1880 von deutschen Antisemiten gefordert worden war. Ab 1941 sollte dieser Euphemismus den Holocaust (die Shoah) nach außen tarnen, nach innen ideologisch rechtfertigen.

Mit der systematischen Ermordung der Juden wurde erst Ende 1941 begonnen. Das bedeutet, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Taten der Nazis weitgehend mit den Forderungen Luthers übereinstimmten. Das war mit ein Grund, dass die ganz offen betriebene sukzessive Entrechtung und Entmenschlichung der Juden, kaum auf Widerstand im Volk stieß.

Was in der Naziideologie im Vergleich zu Luther nicht passte, wurde nicht publik gemacht – also existierte das nicht und störte daher die Symbiose Nazi/Volk auch nicht: Bekanntlich stützte die Mehrheit des Volkes das Naziregime bis zum bitteren Ende.

Die Leserschaft war im Bilde.
Auf was bezieht sich diese Aussage? Auf die Stürmer-Leserschaft?
 
Was in der Naziideologie im Vergleich zu Luther nicht passte, wurde nicht publik gemacht – also existierte das nicht und störte daher die Symbiose Nazi/Volk auch nicht: Bekanntlich stützte die Mehrheit des Volkes das Naziregime bis zum bitteren Ende.

Auf was bezieht sich diese Aussage? Auf die Stürmer-Leserschaft?

Interessante These? Die deutschen Protestanten kannten von Luther nur das, was die Nazis publizierten, also 3-4 Zitate und angebliche Luther-Zitate, und alles andere, was Luther veröffentlicht hat, war bedeutungslos, und was nicht mit der Ideologie übereinstimmte- das existierte nicht? Auch das vor 1933 Publizierte stand ja wohl noch in dem ein oder anderen Bücherregal.


Es gab ja immerhin so einiges, was nicht so recht zur Nazi-Ideologie passte: Die Zehn Gebote, die goldene Regel, goldene Regeln die das Zusammenleben regeln, dass man samstags die Straße fegt und keine Synagogen anzündet, seine Nachbarn nicht ausraubt oder ihnen die Scheiben einschlägt.


Woran willst du denn die Zustimmung der Mehrheit des Volkes festmachen? Der Mehrheit des Volkes wurde doch mit zunehmender Kriegsdauer immer mehr zugemutet und abverlangt. In der Wehrmacht wurden mehr als 40 mal so viele Todesurteile gegen eigene Soldaten verhängt, als die Briten, Amerikaner und Commonwealth-Truppen alle zusammen verhängt haben.

Wenn die Mehrheit des Volkes so bedingungslos hinter den Nazis stand, wenn Propaganda so problemlos alles einlullte, warum war dann die Attraktivität von Feindsendern so hoch, dass man damit schließlich mit Todesurteilen dagegen vorging. Nach Stalingrad sank das Ansehen des Regimes stetig, dass sich zuletzt nur noch mit Terror an der Macht hielt.
 
Die goldene Regel wurde ja gerade formal als kategorischer Imperativ ohne Inhalt bemüht, um die Pflicht aller zu betonen, mitzumachen.

Was nicht passte, wurde passend gemacht, was nicht passend zu machen war, kleingeredet oder verboten. Wer vor nichts zurückschreckt, nichts wirklich respektiert, hat auch kein Problem, so zu denken, wie es dazu notwendig ist.

Für solche, ich sage mal, "Uminterpretationen" und den Missbrauch seiner Lehre kann der Autor der ursprünglichen Aussagen nichts.

Wie erfolgreich das war, wie sehr es die Protestanten beeinflusste oder veränderte, kann ich nicht sagen. Ebenso wenig, wie effektiv, wie unwiderstehlich oder schwach die Umsetzung.
 
Mit der systematischen Ermordung der Juden wurde erst Ende 1941 begonnen. Das bedeutet, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Taten der Nazis weitgehend mit den Forderungen Luthers übereinstimmten

Aha, dann darf ich mal Fragen wo Luther z.B. das Einrichten von Konzentrationslagern und das wilde Ermorden von politischen Gegner christlicher Konfession (Seit 1933) verlangt hatte?
Oder wo er die Ermordung von von Personen mit körpeerlichen oder geistigen Einschränkungen verlangt haben soll?
Das ging ja auch bereits vor dem Holocaust los.
Wo verlangte Luther systematisch kriegerisch über seine christlichen Nachbarn herzufallen und sie zu versklaven, zu vertreiben oder physisch auszurotten, wie die Nazis es mit ihrer einzig auf den Krieg ausgerichtten Rüstungspolitik seit 1935 vorbeereiteten und seit spätestens 1938/1939 taten?
Wie verhielt sich z.B. der Hitlerputsch 1923 zum lutherischen Postulat der Gehorsamspflicht gegenüber der Obrigkeit?

Wo bei Luther steht, irgendwas, dass dieses Handeln der Nazis legitimieren könnte?

Du beziehst dich einzig auf die judenfeindlichen Repressionen des NS Regimes (während du die völlig verschiedenen Judenbegriffe der Nazis und Luthers und ihre Folgen weiterhin fröhlich ignorierst)und blendes grade alles andere an Ungeheuerlichkeiten/Verbrechen aus, was die Nazis sonst noch so begingen, weil das deinem Postulat widersprechen würde.
Mit anderen Worten, du versuchst einmal mehr die Geschichte deinen Thesen anzupassen, statt deine Theesen an Hand der historischen Fakten zu entwickeln.

Das war mit ein Grund, dass die ganz offen betriebene sukzessive Entrechtung und Entmenschlichung der Juden, kaum auf Widerstand im Volk stieß.

Das kann so nicht sein.
Luther als Beschwichtigungsmittel ist nur da denkbar, wo die Bevölkerung überwiegend lutheransich war.

In Österreich war das nicht der Fall, trotzdem wurden nach der Annexion dort im Blitz-Verfahren alle judenfeindlichen Repressionen die das NS-Regime in Deutschland vorher bereits entwickelt hatte, eingeführt, ohne dass das zu nennenswerten Unruhen führte und das obwohl der Bruch für die Bevölkerung in Österreich wesentlich härter war, weil hier über Nacht eingeführt wurde, was im übrigen Deutschland vorsichtig und über einen Zeitraum von 5 Jahren immer weiter gesteigert worden war, so dass die Bevölkerung in Deutschland in anderem Maße die Möglichkeit hatte sich daran zu gewöhnen.

Und hier kann Luther schwerlich dafür verantwortlich sein, dass die Bevölkerung demgegenüber still hielt, denn so viele Anhänger hatte dieser dort nicht.
Die gleiche Problematik gilt für das "Sudetenland" auch das war überwiegend katholisch.

Überhaupt verschob sich mit der Expansion das Verhältnis der Konfessionen innerhalb der deutschen Bevölkerung deutlich zu Gunsten der Katholiken, die man mit Luther nicht beschwichtigen konnte.
Organisierten Aufruhr oder massenhafte Obstruktion gegen das Regime und seine Verbrechen gab es trotzdem nicht.

Was in der Naziideologie im Vergleich zu Luther nicht passte, wurde nicht publik gemacht
Und die Bevölkerung vergaß, was ihren ihre lutherischen Pfarrer ihr Leben lang gepredigt hatten über Nacht?
Und Lutherbibeln, in denen jeder die Widersprüche nachlesen und die vom NS-Regime publik gemachten Zitaten als unbiblisch und luthers Hauptwerk entgegengesetzt identifizieren konnte, waren auch nirgendwo vorhanden?
 
Zuletzt bearbeitet:
Woran willst du denn die Zustimmung der Mehrheit des Volkes festmachen?
Ich mache das an den Zustimmungsraten zum Regime fest, die anfangs so groß waren, dass man die Eintritte in die NSDAP zunächst stoppen und auch hinterher noch einschränken musste. Und natürlich an den Predigten der katholischen und protestantischen Pfarrer und höheren Geistlichen.

Kardinal Faulhaber – Zitat: "Der Staat hat das Recht, gegen Auswüchse des Judentums in seinem Bereich vorzugehen, im besonderen, wenn die Juden als Bolschewisten und Kommunisten die staatliche Ordnung gefährden."

Quelle: Schreiben Faulhabers vom 23.10.1936 an Kardinal Bertram (Breslau).

Was auffällt: Der Kardinal übernimmt hier voll die Terminologie der Nazis, und das ein Jahr nach der Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze zur „Reinhaltung des deutschen Blutes“.

Ein Jahr später lobte er in einer Predigt auch das Konkordat- Zitat: "Zu einer Zeit, da die Oberhäupter der Weltreiche in kühler Reserve und mehr oder minder voll Mißtrauen dem neuen Deutschen Reich gegenüberstehen, hat die Katholische Kirche, die höchste sittliche Macht auf Erden, mit dem Konkordat der neuen deutschen Regierung ihr Vertrauen ausgesprochen. Für das Ansehen der neuen Regierung im Ausland war das eine Tat von unschätzbarer Tragweite."

Quellen: "Ossietzky" Nr. 16/201 und das Begleitbuch einer Ausstellung zum 50. Todestag des Kardinal Faulhabers ISBN 3-921635-67-5

Solche Reden eines Kardinals haben natürlich Wirkung auf die deutsche Bevölkerung gehabt – zumindest auf die Katholiken: Sie glaubten, wenn die katholische Kirche Verträge mit den Nazis macht und diese noch 4 Jahre danach lobt, dann können die Nazis keine Verbrecher sein, also ist alles in Ordnung; erst nach den Novemberpogromen im Jahr 1938 (an Luthers Geburtstag!) sah die katholische Kirche das Naziregime zunehmend kritischer.

Nach ähnlichen Aussagen der protestantischen Geistlichen (Deutschen Christen), von denen viele, im Gegensatz zu den Katholiken, in die NSDAP eintraten und natürlich auch die Ziele der Partei vertraten, habe ich nicht gesucht – aber wenn Bedarf bestehen sollte, dann wird vielleicht jemand anders so freundlich sein, sie zu suchen und hier zu posten.

Der Mehrheit des Volkes wurde doch mit zunehmender Kriegsdauer immer mehr zugemutet und abverlangt.
Ja, aber erst nach Stalingrad. Zuvor eilte die Wehrmacht von Sieg zu Sieg, was in der Bevölkerung entsprechend gefeiert wurde.
 
Ich mache das an den Zustimmungsraten zum Regime fest, die anfangs so groß waren, dass man die Eintritte in die NSDAP zunächst stoppen und auch hinterher noch einschränken musste.

Dion, die NSDAP hatte zum Zeitpunkt des Aufnahmestopps 3,9 Millionen Mitglieder, das entsprach bei einer Bevölkerung von irgendwas zwischen 60 und 70 Millionen Einwohnern des Landes wahrscheinlich irgendwas zwischen 8 und 10% der erwachsenen Bevölkerung des Landes.

Selbst wenn wir mal annehmen, dass sich nochmal so viele um eine Mitgliedschaft in der NSDAP bemüht hatten (dann wären wir bei about 20% der erwachsenen Bevölkerung und noch immer weit von Mehrheiten), aber abgelehnt wurden und selbst wenn wir davon ausgehen, dass da kein einziger Karrierist darunter gewesen wäre, der der Politik des Regimes eher ablehnend oder indifferent gegenüberstand, ist der Aufnahmstopp kein geeignetes Mittel um irgendwelche mehrheitliche Zustimmungen für das Regime nachzuweisen.

Zudem, was war denn der Hintergrund des Aufnahmestopps? Der Hintergrund des Aufnahmestopps war die Erwägung der NSDAP-Oberen, Karrieristen, die es mit der Gesinnung nicht so genau nahmen, aus der Nazi-Partei herauszuhalten.
Mit anderen Worten, die Nazis selbst nahmen ihren Aufnahme-Kandidaten oder jedenfalls einem erheblichen Teil davon, die entsprechende Gesinnung und Zustimmung zu ihren verbrecherischen Vorstellungen nicht ab.


Solche Reden eines Kardinals haben natürlich Wirkung auf die deutsche Bevölkerung gehabt – zumindest auf die Katholiken: Sie glaubten, wenn die katholische Kirche Verträge mit den Nazis macht und diese noch 4 Jahre danach lobt, dann können die Nazis keine Verbrecher sein

Dion, dass sind deine persönlichen Mutmaßungen, wo aber ist der Beleg?

Du argumentierst fortlaufend damit, dass irgendjemand, den eine Gruppe, seien es die Katholiken oder die Protestanten, in deinen Augen für eine Führungsfigur gehalten haben müsste irgendwas sagte und dementsprechend die Gruppe dass dann auch ohne es zu hinterfragen als Wahrheit betrachtet haben müsste.

Mit anderen Worten, du argumentierst damit, dass Menschen, denen du verschiedene Ettiketten verpasst, sei es das Ettikett "Katholik" oder das "Ettikett" Protestant, in deinem Modell allesamt die Rolle willenloser Roboter einnehmen, die einfach treudoof jeden Befehl ausführt, der ihnen eingegeben wird.

Ich möchte es mal so sagen:

Modelle, die mangels Nachweisen nur dann funktionieren, wenn bis auf eine Hand voll Akteure, die gesamte Bevölkerung nur aus willenlosen Robotern besteht, sind in der Regel wenig überzeugend, wenn es darum geht etwas zu erklären und sehr oft anzutreffen, wenn es darum geht etwas zu bekämpfen.

Davon abgesehen, dass du sie auch noch selbst konterkarrierst , wenn du dann anderswo behauptest, dass z.B. das Wort der Päpste für die Katholiken nicht so bedeutend sein konnte, wie das Luthers für die Protestanten, weil es viele davon gab, die sich gegenseitig widersprochen hätten und mal dies und morgen anderes beschlossen.

Bringt man diese Einlassungen von deiner Seite in verschiedenen Fäden miteinander in Verbindung ergibt sich nach Dion'scher Logik folgendes Schema:

A) Ein Kardinal ist für einen Katholiken eine Autorität also vertraut und glaub er diesem blind.
B) Ein Papst ist für einen Katholiken keine zwingende Autorität, weil es davon viele gab und sie gegensätzliche Dinge beschlossenn haben.

Daraus müsste nach menschlicher Logik dann folgen, dass für einen Katholiken der Kardinal, da er keine widersprüchlichen Dinge beschließt und auch nicht so oft vorkommt wie ein Papst die größere Autorität haben müsste, als der Letztere, entsprechend der Autorität die katholische Kirche also von einem Kardinal geführt wird, der sich auf einen Stab untergeordneter Päpste stützt, die so etwas wie wenig geachtete subalterne Mitarbeiter zu sein scheinen.
Das wäre so in etwas die Beschreibung einer potentiellen Realität, die sich aus deinen Aussagen ableiten lässt, überprüfe, inwiefern sie sich mit der tatsächlichen Realität deckt.


Mehrheiten durch unterstellte Autoritätsverhältnisse zu Postulieren und keine andere Basis dafür zu haben ist schwach, in anderen Diskussionen das hier unterstellte Autoritätsverhältnis dann zu relativieren, weil es dort zu deinen Einlassungen nicht passt, zeigt, dass du kein vernünftiges Erklärungsmodell hast, sondern einfach nur sentiments beliebig austauschst, wie sie dir gerade in den Kram passen.

So wird man nicht weiterkommen.
 
Kardinal Faulhaber – Zitat: "Der Staat hat das Recht, gegen Auswüchse des Judentums in seinem Bereich vorzugehen, im besonderen, wenn die Juden als Bolschewisten und Kommunisten die staatliche Ordnung gefährden."

Quelle: Schreiben Faulhabers vom 23.10.1936 an Kardinal Bertram (Breslau).

Was auffällt: Der Kardinal übernimmt hier voll die Terminologie der Nazis, und das ein Jahr nach der Verabschiedung der Nürnberger Rassengesetze zur „Reinhaltung des deutschen Blutes“.


Solche Reden eines Kardinals haben natürlich Wirkung auf die deutsche Bevölkerung gehabt – zumindest auf die Katholiken: Sie glaubten, wenn die katholische Kirche Verträge mit den Nazis macht und diese noch 4 Jahre danach lobt, dann können die Nazis keine Verbrecher sein, also ist alles in Ordnung; erst nach den Novemberpogromen im Jahr 1938 (an Luthers Geburtstag!) sah die katholische Kirche das Naziregime zunehmend kritischer.

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Also der Kardinal Faulhaber war 1936 schon so auf Linie, dass er völlig die NS-Terminologie übernommen hatte.
Für die deutschen Katholiken ist alles geritzt, weil Faulhaber drauf steht
Für die Protestanten ist sowieso alles geritzt weil Luther drauf steht.

Die Katholische Kirche aber sieht das NS-Regime zunehmend kritisch, weil die Novemberpogrome an Luthers Geburtstag stattfanden.

Ja, so wird es wohl gewesen sein.


:eek:


In Nordhessen haben wohl Luther-Fans es nicht erwarten können und Leute wie der erwähnte "Blechgustel" haben schon am 8. November oder in der Nacht vom 7. auf den 8. November 1938 losgeschlagen.
 
Das geht u.a. mit der Vollversion des Adobe Acrobat. Hängt aber auch vom Schriftsatz ab (Fraktur etwa führt hin und wieder zu Fehlern.) Wenn Du die Datei als Anhang hochladen willst, kann ich versuchen, sie zu bearbeiten und Dir zurückschicken.
Danke Dir, das ist wirklich sehr nett von Dir.
Der Anhang hat aber mehr als 400 MB.
@Ugh Valencia hat mir einen Link geschickt der die 426 MB tatsächlich gefressen hat und einen OCR gemacht hat.
Sogar Fraktur (der "Stürmer" hat vielleicht etwas mehr als die Hälfte Fraktur. Hab es nicht gezählt) funktioniert, wenngleich auch nicht verlässlich.
Danke an Ugh.
(Ich werd bestimmt noch ein paar Sachen durchjagen.)
Also das ist die Gesamtausgabe des Stürmer von 1942. Andere hab ich nicht.
Nebenbei bemerkt, auch mit Suchfunktion, ist es eine wirklich abstoßende Tätigkeit das zu lesen.

Einen Luther find ich nicht, doch einiges zu Kirche/Christentum.
Betrifft es amerikanische oder englisch Kirche, so ist diese vom Judentum durchsetzt/gesteuert.
Dem heimischen Christentum wird der Vorwurf gemacht nicht entschlossen genug die Rasseschranken durch Eheverbote geschützt zu haben, und insgesamt zu judenfreundlich zu sein.
Aber ein großes Thema ist das nicht.
 
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