Also die Lieder der Germanen wurden ja durchaus weitertradiert. Lieder sind i.d.R. auch in Verse gefasst und rhythmisch gebunden. Dies führt daher zu einer gewissen Festigkeit der Überlieferung. Abänderungen sind natürlich jederzeit möglich, aber sie sind nicht so einfach durchzuführen, wie bei einem freien Fliesstext: Erstens bemerkt ein Zuhörer gleich die Abänderung eines bekannten Liedes und zweitens muss die Änderung einfach ins Schema passen damit es nicht holperig wird. Die Überlieferungstradition war damit sicherlich eine andere als bei den Rabbis, aber sie war durchaus effektiv.
Hi Trajan,
ja, die Überlieferungstradition war sicher eine andere. Ist Siegfried tatsächlich Arminius (der Kern der Sage), dann sind da ca. 1000 Jahre Überlieferungstradition bis es irgendwann in schriftlicher Form festgehalten wurde. Wir haben nun aber etwa bei den Evangelien (als Vergleich) schon grosse Schwierigkeiten genau zu bestimmen, was sind darin die authentischen Worte Jesus, obwohl hier vielleicht nur 40 - 70 Jahre bis zu ihrer Verfassung und Niederschrift vergangen sind?
Darin sehe ich aber auch den Grund (an den fast 1000 Jahren), dass von dem "historischen" Gegebenheiten (dem besungenen Heldentaten - die sicher auch schon verfärbt waren - des Arminius) fast nix mehr übrig blieb. Erst recht nach dem Zusammenbruch des römischen Reichs, der Sieg über die römischen Legionen und der Kampf gegen die Römer schnell überhaupt keine Rolle mehr gespielt haben kann. Ich denke, dass die Menschen nicht mehr viel damit anzufangen wissen mit etwas, was nicht mehr existiert, in ihrem täglichen Leben überhaupt gar nicht mehr vorkommt, ist gut zu verstehen. Wenn es ein Heldenlied über Arminius gab, wird HIER (wo es das römische Reich nicht mehr gab) die Gefahr am Grössten gewesen sein, dass es sich sehr stark verändert und den neuen (Herrscher) Umständen anpasste.
Leider haben wir ja nicht einmal einen Vergleich dazu, inwieweit sich das Heldenlied des Arminius bis zur Auflösung des römischen Reiches verändert haben könnte. Ich denke aber wirklich, dass ab DA (wenn es da noch existiert hat) sehr in Gefahr läuft, entweder vergessen zu werden oder grundlegende grosse Veränderungen darin vollzogen werden.
Ich gehe einmal davon aus, dass es exestiert hat, da mir so eine Erwähnung des Heldengesangs über Arminius als sehr glaubhaft vorkommt, der Gedanke, dass man sich diese Erwähnung nur einfach so aus den Fingern saugt, mir eher recht unwahrscheinlich vorkommt.
Weiters würde ich meinen, dass die Datierung der Entstehung der Sage, je näher sie zeitlich zum Zusammenbruch des römischen Reiches steht, umso wahrscheinlicher wird es wohl sein, dass da "alte Lieder" textlich recht neu eingekleidet wurden. Auch wird die Ausbereitung der christlichen Religion das Seinige zur Veränderung beigetragen haben. Es gab ja in diesem Sinne niemanden, der ein Kontrollorgan (wie etwa früher bei den Rabbis) ausübte. Dazu ist ja Sprache so was Lebendiges, die sich so mitwandelt mit den Generationen, dass die Lebendigkeit der Sprache schon (ohne das da wer was bewusst an der Erzählung/Lied ändern will) mit den Jahren einhergeht. Hinzu kommt noch, dass ein Wort mehrere ganz unterschiedliche Bedeutungen haben kann.
Ich bin sicher kein Sprachwissenschaftler, weit davon entfernt, aber das sich allein durch die Lebendigkeit der Sprache Texte verändern, ohne das da je wer überhaupt was ändern will, passiert dann einfach so, weil Sprache sich ständig selbst immer verändert. Hierin scheint mir aber die Chance doch noch gegeben, das Ursprungswort zu finden. Aber bei grossen Textkorrekturen, weil man die Geschichte der Zeit anpasst???? Hier fliessen sicher ganz neue Figuren (Menschen) ein, andere werden völlig weggelassen. Das ein Varus (wenn der Name überhaupt im Heldenlied des Arminius vorkam - ich denke aber schon) darin keinen Platz mehr findet, ist klar. Aber das "Kopfabschneiden" und das Mitnehmen des Kopfes hätte sich ja dann erhalten? Ich denke, wenn es ein Arminiuslied wirklich gab, dann muss der abgetrennte Kopf (des Varus) eine wichtige Rolle darin gespielt haben. Wenn uns von römischer Seite berichtet wird, dass Arminius nach der Varusschlacht eine Rede dort hielt, dann wird er dies wohl mit den Kopf des damals mächtigsten Mannes in Germanien in seinen Händen gemacht haben. Ein abgetrennter Kopf war damals sicher nix besonderlich bemerkenwertes, aber der Kopf
des Mannes, der das Haupt der ganzen römischen Macht in Germanien darstellt, ich kann mir Arminius bei seiner Rede vor den Stämmen gar nicht ohne Kopf des Varus vorstellen. Noch dazu, wo die röm. Geschichtsschreiber aussagten, dass Varus selbst wohl "Reden hielt" bei den Germanen, aös würde er sich in Rom vefinden. Arminius wird sicher nicht damit in die Fussstapfen des Varus (mit Rede halten) getreten sein, sondern Arminius Rede nach der Schlacht wird sich komplett darin unterschieden haben, eher eine totale Triumph - und Siegesrede gewesen sein, es liegt darin sehr nahe, dass er den Triumph (Varusschädel) dabei in seinen Händen hielt und den Menschen gross präsentierte.
Ich will damit nur da hinaus, dass wohl die sehr wahrscheinliche Präsentation des Varuskopfes doch ne grössere Menge Menschen gesehen/erlebt haben, und dies (wenn diese Präsentation vor vielen Menschen passierte) mit zimlicher Sicherheit in das "Heldenlied über Arminius" eingeflossen ist.
Und im Grunde sehe ich auch bei Siegfried, dass Siegfried mit dem "Drachenkopf" irgendwas sehr sehr bemerkenswertes erreichte (herzeigte). Eine grosse Tat (wie auch immer) muss es gewesen sein, eine Tat, die herausragend sein muss, und dazu.... (so meine ich), von vielen Menschen beobachtet worden sein.
Marobous etwa (was wir darüber lesen) versuchte, Arminius Erfolge über die Römer zu schmälern, ich denke aber doch, dass dies nicht leicht möglich war, weil es immer noch genug Menschen gab, die bei der Rede Arminius nach der Varusschlacht (und Kopfpräsentation) dabei waren, und auch beim Kampf Arminius - Marobous noch anwesend waren. Ich denke, der Ausgangspunkt für den grossen Ruhm Arminius war im Grunde die Sieg-Rede vor den vielen Menschen der verschiedenen Stämmen. Hier hatte man wirklich EINEN Menschen, mit dem man den Sieg über die röm. Legionen verband, und zwar nicht nur kurzfristig, sondern sehr einprägsam. Noch dazu wird diese Information weit verbreitet und zerstreut, weil Arminius nicht nur zu Menschen eines Stammes sprach (und damit die Geschichte nicht nur in ein Gebiet getragen wird), sondern durch die verschiedenen Stämme wird sie gebietsmässig breit gefächert verbreitet.
Wenn Siegfried also wirklich eine so bemerkenswerte herausragende Leistung vollbrachte, dann stelle ich die selben Kriterien auf, nämlich nicht nur vielleicht vor ein paar handvoll Menschen, die dann irgendjemand davon erzählten, sondern das es überhaupt eine Chance gibt zum längeren Überleben dieses Wissen seiner Leistung, müsste die Präsentation des "Drachenkopfes" ähnlich vor etlichen verschiedenen Menschen von statten gegangen sein, die dies von sich selbst aus auch anderen bestätigen können.
Klar ist
alles reine Spekulation, nichtsdestotrotz sehe ich (wenn es das Heldenlied über Arminius in den Germanenstämmen wahrhaft gab) seine Ausgangsbasis in der Rede des Arminius (mMn. mit der Darbietung und zur Schaustellung des Varuskopfes) vor den vielen verschiedenen Stammes-Menschen nach der Varusschlacht. Hierin sehe ich, weil sehr viele Menschen versammelt aus allen "Windrichtungen" dies selbst erlebten, den Ursprung zu einer Legendenbildung.
Lieben Gruss, Chrysal