Liegt der Sagenfigur Siegfried eine historische Gestalt zu Grunde?

[
Zur Ergänzung vielleicht noch Padawe/Badowe = Padua, liegt ganz zufällig zwischen Bern/Verona und Raben/Ravenna (ein bisschen näher an Verona):

Nein, es handelt sich nicht um einen vorgefasste Meinung, sondern um einen auf Namenmaterial basierenden Befund. Und wenn sich da ein Chronologiekritiker, ein Arminiusverehrer und ein Vertreter einer Kaukasientheorie zusammentun und 200 Jahre germanistische Forschungsgeschichte als einzigen Irrtum abtun wollen, dann ändert dies nichts an der äußerst soliden Basis der Theorie, dass Dietrich von Bern Theoderich der Große ist. Komischerweise geht nie jemand auf meine Referenzbeispiele wie Rolandslied und Cid-Epos ein.
Ich wüsste im Übrigen nicht, wer aus den Goten Deutsche zu machen versucht.

Nochmal nehme ich Bezug auf den Artikel von Volker Friedrich:

Bernkastel an der Mosel - Sitz Dietrichs von Bern

Der Italien-bezug in der Dietrichsepik wurde Heinzle, Joachim 1999, 2003
zufolge durch den anonymen Verfasser der deutschsprachigen Kaiserchronik von 1140/50 verursacht. Der hatte nämlich als zeitliches Bindeglied zur Attila-Zeit
a) als Großvater Dietrichs von Bern einen " alten Dietrich", Fürst von Meran, sowie
b) als dessen sohn König Dietmar, den Vater Dietrichs von Bern, hinzu gefügt [V. 13840, zit .n. Heinzle 1999, 22]. Heinzle [ebd.] schreibt dazu:
" Man gewinnt den Eindruck, hier sei eine Lösung des chronologischen Problems von Frutolfs dritter Möglichkeit versucht worden: die Fluchtsage bezieht sich auf einen älteren Dietrich, der ein Zeitgenosse Etzels war".

Das im Gefolge als Dietrichs Bern interpretiete italische Verona (= Berona/Bern) liegt fasst 200 km von Theoderichs Hauptstadt Ravenna entfernt, war niemals Königssitz und kennt keinen historich belegbaren König Dietrich...
 
Zuletzt bearbeitet:
[


Das im Gefolge als Dietrichs Bern interpretiete italische Verona (= Berona/Bern) liegt fasst 200 km von Theoderichs Hauptstadt Ravenna entfernt, war niemals Königssitz und kennt keinen historich belegbaren König Dietrich...
Frage: War Bernkastell jemals Königssitz? Falls nein, stellt sich doch die Frage, warum man damit Verona ablehnen kann, aber Bernkastell den Zuschlag geben darf?
 
Selbstverständlich war auch Verona ein Königssitz von Theoderich:
"Sotto Teodorico il Grande, in Germania conosciuto come Dietrich von Bern, cioè Teodorico di Verona, Verona divenne un centro militare di primaria importanza e fu la sede preferita del re: Teodorico restituì alla città il suo antico splendore e rialzò le mura semidistrutte dalle precedenti incursioni barbariche."
Verona - Wikipedia
Übersetzung: Unter Theoderich dem Große, in Deutschland auch bekannt als Dietrich von Bern, das heißt Theoderich von Verona, wurde Verona ein militärisches Zentrum ersten Ranges und war der der bevorzugte Sitz des Königs. Theoderich gab der Stadt ihren antiken Glanz zurück und baute die von den vorherigen Barbareneinfällen halbzerstörte Mauer wieder auf.*

Un breve periodo di prestigio in un epoca buia fu quello dal 493 al 526, quando TEODORICO, re degli Ostrogoti, la scelse come una delle sue residenze favorite, dotandola di palazzi, acquedotti, terme e nuove mura defensive.
Storia di Verona :: BREVE STORIA di VERONA
Übersetzung: Eine kurze Periode des Prestiges in einer Epoche der Finsternis war die von 493 bis 526, als Theoderich, der König der Ostgoten sie als eine seiner Lieblingsresidenzen aussuchte und ihr Paläste, Aquädukte, Thermen und neue Verteidigungsmauern schenkte.*

Laut Jordanes war sogar Theoderichs erster großer Sieg gegen Odaker vor den Toren Veronas: "Cumque ibi ad reficienda corpora hominum iumentorumque aliquanto tempore resedisset, Odoacer armatum contra eum direxit exercitum. Quem ille ad campos Veronenses occurrens magno strage delevit castraque soluta finibus Italiae cum potiore audacia intrat, transactoque Pado amne ad Ravennam regiam urbem castra componit tertio fere miliario ab urbe locus, qui appellatur Pineta."

Übersetzung: Als er dort ein wenig angehalten hatte, um [die Körper] seine[r] Männer und Packtiere ein wenig ausruhen zu lassen, führte Odoaker eine bewaffnete Armee gegen ihn. Diese traf er auf den Feldern von Verona und vernichtete sie in einem großen Gemetzel. Und von Befestigungen ungehindert, war er imstande mit Kühnheit bis an die grenzen Italiens zu gelangen. Er überquerte den großen Fluss Po und stellte ein Lager vor der Königsstadt Ravenna auf, etwa am dritten Meilenstein vom Ort der Stadt entfernt, welche Pineta genannt wird.

*Die Quelle hierfür sind im Übrigen die Exzerpta Valesiana (um 550), Buch II:
Hic aquae ductum Ravennae restauravit, quem princeps Traianus fecerat, et post multa tempora aquam introduxit. Palatium usque ad perfectum fecit, quem non dedicavit. Portica circa palatium perfecit. Item Veronae thermas et palatium fecit et a porta usque ad palatium porticum addidit. Aquae ductum, quod per multa tempora destructum fuerat, renovavit et aquam intromisit. Muros alios novos circuit civitatem.
Übersetzung: Hier in Ravenna stellte er das Aquädukt wieder her, welches der Prinzeps Trajan gebaut hatte und nach viel Zeit führte er wieder Wasser [in die Stadt]. Ebenso baute [machte] er die Thermen und den Palast von Verona und er errichtete vom Stadttor bis zum Palast einen Portico (Säulengang, wohl Kolonnaden). Das Aquädukt, welches seit langer Zeit zerstört war, erneuerte er und schickte Wasser hindurch. Mit anderen, neuen Mauern umrundete er die Stadt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Sigismund-Element in Siegfried nimmt im Übrigen mit dem Exzerpta Valesiana wieder stärker Gestalt an:
"Nam uxorem habuit ante regnum, de qua susceperat filias: unam dedit nomine Areaagni Alarico regi Wisigotharum in Gallias, et aliam filiam suam Theodegotham Sigismundo, filio Gundebadi regis."

Übersetzung: Vor seinem Königtum hatte er [Theoderich] eine Frau, von der er zwei Töchter bekam. Die eine mit dem Namen Areaagni gab er Alarich, dem König der Westgoten in Gallien zur Frau, die andere seiner Töchter, Theodegotha, gab er Sigismund, dem Sohn des Königs Gundebad.

Das gehört zu Theoderichs Suprematie- und Adoptionspolitik zur Schaffung eines germanischen Bündnissystems, aus dem die Franken dann mit dem Übertritt zum Katholizismus ausscherten. Alle anderen germanischen Königtümer auf ehemals römischen Boden waren ja damals arianisch. Die Hochzeit mit Theoderichs Tochter machte Sigismund aus ostgotischer Sicht zum "Vasallen" (bzw. Adoptivkönig) Theoderichs und SigurdR kommt in der Dietrich-Literatur als Vasall Theoderichs vor. Das erste mal ist der Vasall in Anführungszeichen, weil der Begriff für diese frühe Zeit einen Anachronismus darstellt, in der hochmittelalterlichen Literatur allerdings dann nicht mehr.
 
Zuletzt bearbeitet:
Frage: War Bernkastell jemals Königssitz? Falls nein, stellt sich doch die Frage, warum man damit Verona ablehnen kann, aber Bernkastell den Zuschlag geben darf?

Ich nehme an, der Schreiber des Lieds hat sich im Rheingebiet augehalten und Ereignisse der Sage auf sein persönliches Umfeld bezogen. Xanten, Worms und vielleicht auch Bernkastel, vielleicht damals noch ganz ansehnlich d.h. überregionale Ereignisse wurden regionalisiert und verflochten., daher m.E. durchaus korrekt, sich nicht auf die Deutung Veronas als Bern einzulassen, will aber auch heissen, ich sehe nicht unbedingt eine andere personale Deutung.
 
Bernkastel war vor Nikolaus von Cues ein unbedeutendes Nest unter vielen, die skandinavische Dietrichliteratur, welche den Attilahof nach Susat verlegt, was anhand der Ballowa (Balver Höhle) wohl tatsächlich mit Soest gleichgesetzt werden kann, sieht Bern und Raben ganz deutlich südlich der Alpen. Die deutsche Literatur, die hauptsächlich bairische Anklänge zeigt, wohl sowieso, denn Verona lag hier schon geographisch näher, als irgendein unbedeutendes Städtchen an der Mosel.
Es wäre endlich mal an der Zeit, sich mit den Quellen zu befassen, anstatt ins Leere zu fabulieren!
 
Ich glaube, wir haben ein Problem mit der Nibelungen und Thidrik-Saga,weil wir sie gern an bedeutenden Orten sehen wollen:
Ravenna, Verona, die Donau,der Gotenkönig Theoderich, na das hat doch was. Dagegen sind doch Orte wie Soest, mit einem gewissen Attala, Dietrich aus Bonn ziemlich popelig, irgendwie hinterwäldlerisch!
Aber vergessen wir nicht - die Germanen waren hinterwäldlerisch, was auch hier im Forum immer wieder betont wird.
Nach Ende des römischen Reiches lebten sie lieber in ihren verstreuten Holzfachwerkhäusern statt in römischen Steinhäusern. Das Stadtleben behagte ihnen nicht. Warum sollte eine germanische Saga in bedeutenden Römischen Städten spielen? Zumindest , wenn wir annehmen, das ihr Kern in der Antike und Völkerwanderungszeit liegt.
Ritter Schaumburg mag umstritten sein, aber er verortet die Sage genau dort, wo Römer mit germanischen Stämmen im Konflikt waren, nämlich zwischen Rhein und Weser. Später bildeten sich dort die Franken.
Warum also nach Italien schauen? Bloß weil mittelalterliche Schreiber mit den Verortungen und Namen nichts mehr anzufangen wußten, daraufhin die Sagen mit Orten und Personen schmückten, die Ihrer Meinung nach von Bedeutung waren?:winke:
 
Ich glaube, wir haben ein Problem mit der Nibelungen und Thidrik-Saga,weil wir sie gern an bedeutenden Orten sehen wollen:
Ravenna, Verona, die Donau,der Gotenkönig Theoderich, na das hat doch was. Dagegen sind doch Orte wie Soest, mit einem gewissen Attala, Dietrich aus Bonn ziemlich popelig, irgendwie hinterwäldlerisch!
Aber vergessen wir nicht - die Germanen waren hinterwäldlerisch, was auch hier im Forum immer wieder betont wird.
Nach Ende des römischen Reiches lebten sie lieber in ihren verstreuten Holzfachwerkhäusern statt in römischen Steinhäusern. Das Stadtleben behagte ihnen nicht.

Diese Verallgemeinerung stimmt ja so nicht, von Goten (beiden Fraktionen), Franken, Langobarden, Vandalen wissen wir Gegenteiliges. Sind alles völkerwanderungszeitliche Germanen. Ausgerechnet Theoderich wird als Bauherr, der an römische Architektur anknüpft und Thermen, Aquädukte, Mauern, Paläste und Säulengänge errichten oder restaurieren lässt, geschildert, die Quellen habe ich bereits zitiert.
Aber selbst wenn dem nicht so wäre, die inhaltlichen Vorstellungen dieser Texte sind nicht mehr völkerwanderungszeitlich sondern hochmittelalterlich: Christentum, Rittertum, höfisches Leben, das ist der geistige Hintergrund sowohl des Nibelungenliedes als auch der Thidrekssaga.

Warum sollte eine germanische Saga in bedeutenden Römischen Städten spielen? Zumindest, wenn wir annehmen, das ihr Kern in der Antike und Völkerwanderungszeit liegt.

Weil Deine These nicht stimmig ist und weil die genannten Städte gerade in der VWZ und gerade unter Germanen (Goten, Langobarden) Bedeutung erlangten.

Ritter Schaumburg mag umstritten sein, aber er verortet die Sage genau dort, wo Römer mit germanischen Stämmen im Konflikt waren, nämlich zwischen Rhein und Weser. Später bildeten sich dort die Franken.
Ritter Schaumburg glaubt auch, dass Weland der Schmied sich aus einem Baumstamm eine Art U-Boot gebaut hat.

Warum also nach Italien schauen? Bloß weil mittelalterliche Schreiber mit den Verortungen und Namen nichts mehr anzufangen wußten, daraufhin die Sagen mit Orten und Personen schmückten, die Ihrer Meinung nach von Bedeutung waren?:winke:
"Bloß weil" ist schon wieder so eine Bagatellisierung. Wer wollte denn Thedoerich den Großen als König der Ostgoten in Italien in Abrede stellen? Abgesehen davon, ist es einzig der späte skandinavische Überlieferungsstrang, der Etzel/Atli nach Susat verlegt - im Nibelungenlied ziehen die Nibelungen an der Donau entlang zu ihrem Untergang -, aber dennoch Theoderichs Herkunft in Norditalien verortet.
 
. Dagegen sind doch Orte wie Soest, mit einem gewissen Attala, Dietrich aus Bonn ziemlich popelig,
Soest ist heute eine Kleinstadt, aber historisch schon recht bedeutend, Vielleicht keine Metropole, aber sicherlich in der Gegend herausragend.
Nicht umsosnt werden da großartige Funde gemacht und es gibt einiges an Büchern über die Gegend...
 
Ravenna, Verona, die Donau,der Gotenkönig Theoderich, na das hat doch was. Dagegen sind doch Orte wie Soest, mit einem gewissen Attala, Dietrich aus Bonn ziemlich popelig, irgendwie hinterwäldlerisch!
Aber vergessen wir nicht - die Germanen waren hinterwäldlerisch,

"Hinterwälderische" oder "poplige" Ereignisse hätten kaum den Stoff zu Liedern und Epen geboten, die an Fürstenhöfen gesungen und erzählt und mündlich tradiert wurden.

Nur Ereignissse wie die Vernichtung des Burgunderreichs durch die Hunnen oder die zweijährige Belageung von Ravenna/Raben urch Theoderich/Dietrich boten diesen Stoff, aus dem die Sagenträume sind.
 
Bonn = Bern ???

Bei R. Schmoeckel habe ich mal gelesen, dass Bonn im 10. - 13. Jh. auf Münzen und Dokumenten auf lateinisch als "Verona" bezeichnet wurde und im Mittelhochdeutschen als "Bern". Zur gleichen Zeit soll man Verona "Welschbern" genannt haben, um zu unterscheiden.

Was ist denn davon zu halten? Ist das tatsächlich belegt?
 
Bei R. Schmoeckel habe ich mal gelesen, dass Bonn im 10. - 13. Jh. auf Münzen und Dokumenten auf lateinisch als "Verona" bezeichnet wurde und im Mittelhochdeutschen als "Bern". Zur gleichen Zeit soll man Verona "Welschbern" genannt haben, um zu unterscheiden.

Was ist denn davon zu halten? Ist das tatsächlich belegt?

Schade, daß Hyokkose nicht mehr hier im Forum weilt, denn er hätte diesbezüglich (Literaturreferenz Schmoeckel) sicherlich einige interessante Aussagen zu treffen:
http://www.geschichtsforum.de/f7/reinhard-schmoeckels-indoeurop-er-7899/
http://www.geschichtsforum.de/33315-post26.html
http://www.geschichtsforum.de/47044-post70.html
http://www.geschichtsforum.de/179590-post15.html
http://www.geschichtsforum.de/234181-post64.html
 
Ich war letztes jahr auf der Ausstellung " Eine Welt in Bewegung " EINE ausstellung über das Frühmittelalter auf Schloß Neuhaus , Paderborn. Ich war total begeistert. Orte wie Ballhorn oder Karlstadt, die im Frühmittelalter von großer Bedeutung waren, kennt man heute nicht mehr. Sie verloren ihre Wichtigkeit, wurden zerstört, oder offengelassen, warum auch immer.Vergessen!
So und nun kommt jemand 500 Jahre und später daher und schreibt geschichtliche Ereignisse, die bisher nur mündlich überliefert worden sind auf.
Er kann weder mit Namen noch Verortungen viel anfangen, natürlich wird so eine Sage aus ihrem Zusammenhang gerissen.Orts und Namensähnlichkeiten werden ganz einfach verwechselt, denn natürlich will der Schreiber auch im 12. oder 13.Jahrhundert dem ganzen einen Sinn geben.
Natürlich möchte ich nicht verallgemeinern und natürlich möchte ich auch nicht Theoderich und den Goten ihre Wertig- und Wichtigkeit absprechen.-Nur, wir sehen die ganze Geschichte aus heutiger Sicht, was wissen wir schon von Soest, oder Ballhorn. Aufschluss kann letztendlich nur die Archäologie geben, doch es wird nur dort gegraben, wo etwas vermutet wird, ganz zu schweigen von Finanzen:cry:
 
Nuja, wichtig ist doch, dass sowohl die skandinavische als auch die süddeutsche Tradition bei all ihren Unterschieden (guter Etzel [beweint die Toten], böser Atli [lockt Nibelungen in die Falle]) untereinander auf Theoderich den Großen verweisen. Als Zwischenglied zwischen dem Hildebrandslied und den Texten Dietrichs Flucht und Rabenschlacht mag vielleicht noch eine teilinterpolierte Stelle gelten die in einer [der einzig erhaltenen] Abschrift der Quedlinburger Annalen aus dem 16. Jahrhundert vorliegt.
Die Annalen sind nach jüngsten Datierungen [Martina Giese] nach 1008 entstanden (früher datierte man sie schon in das ausgehende 10. Jahrhundert) und wurden bis ca. 1030 fortgeführt. Sie warten mit dem Satz auf, der sicher nicht von der Erstverfasserin da hinein gebracht wurde, da er in einer Schrift eines Würzburger Chronisten, dem Chronicon Wirziburgense, der die Annales Quedlinburgenses benutzt hat und ein sehr großes Interesse an Sagen hatte, vollkommen ignoriert wird. Dagegen scheint es eine frühneuhochdeutsche Quelle (Jakob Twinger, 1382) zu geben, die der Interpolator verwendet hat:
"[Amalung Theoderic dicitur, pro avus suus Amul vocabatur, qui Gothorum potissimus censebatur. Et iste fuit Thideric de Berne, de quo cantabant rustici olim.] Eo tempore Ermanricus super omnes Gothos regnavit [...]Theodoricum similiter patruelem suum instimulante Odoacro patruele suo de Verona pulsum apud Attilam exulare coegit. [...] Theodoricus Attilae regis auxilio in regnum Gothorum reductus suum patruelem Odoacrum in Ravenna civitate expugnatum interveniente Attila ne occideretur, exilio deputatum paucis villis iuxta confluentiam Albiae et Salae flumine donavit."
Der Twingersche Text: "Doch sit Dieterich von Berne, von dem die geburen singent und sagent, ist ein könig ouch gewesen über ein teil dis volkes der Gothen und Hünen."

[Interpolation]
Übersetzung: "[Theoderich wurde Amelunger genannt, weil sein Großvater Amul hieß, der unter den Goten als der Herausragendste geschätzt wurde*.Und dieser war Dieterich von Bern, von dem die Landbevölkerung einst leider sang.] Zu dieser Zeit regierte Ermanricus/Ermanarich über alle Goten. [...] Theoderich war auch ein Verwandter von ihm und Odoaker drang in ihn, dass er ihn aus Verona vertreibe und bei Attila Exil zu suchen zwang. [...] Theoderich verkleinerte mit Hilfe des Königs Attila im gotischen Königreich seinen Verwandten Odoaker in der Stadt Ravenna, die er bestürmte, doch Attila hinderte ihn [Theoderich] daran, dass er ihn [Odoaker] tötete: Er schenkte ihm [Odoaker] einige Dörfer beim Zusammenfluss von Elbe und Saale."

*Ich habe den Relativsatz jetzt auf Amul bezogen übersetzt, man könnte ihn aber imho genausogut als auf Theoderich bezogen lesen.

Also, auch hier wieder, in der Interpolation, die vermutlich nach 1382, aber vor dem 16. Jahrhundert in den Text gekommen ist, aber auch im wohl tatsächlich im 11. Jahrhundert entstandenen Textteil wird Dietrich von Bern mit Theoderich dem Großen identifiziert (wie sowohl im Skandinavischen, als auch im deutschen Sagenstrang). Hier ist Attila, obwohl er Sätze zuvor noch als terror Europae bezeichnet wird, in seiner milden Variante gezeigt: Er rettet Odoaker entgegen der historischen Realität, der - wiederum entgegen der historischen Realität - zu einem Verwandten Dietrichs gemacht wird und schenkt ihm Land an Zusammenfluss von Saale und Elbe. Hier haben wir es wohl mit literarischer Interessenbildung im Mittelalter (soo ein Buchtitel von Heinzle, der sich mit dem Phänomen der Ortssagen befasst) zu tun.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bei R. Schmoeckel habe ich mal gelesen, dass Bonn im 10. - 13. Jh. auf Münzen und Dokumenten auf lateinisch als "Verona" bezeichnet wurde und im Mittelhochdeutschen als "Bern". Zur gleichen Zeit soll man Verona "Welschbern" genannt haben, um zu unterscheiden.

Was ist denn davon zu halten? Ist das tatsächlich belegt?

Was es sicher gibt, ist die Nennung Bonns als Verona in den Civitates Orbis Terrarum (Braun/Hogenberg) von 1575. Ob es sich da um eine fehlgeleitete humanistische Reantikisierung des Bonner Ortsnamens handelt, oder um eine mittelalterliche Tradition, wäre zu überprüfen. Belegt sind für Bonn die Namen castra Bonnensia, Bonna (Tacitus) und Bonnae (Tabula Peutingeriana, mittelalterliche Abschrift aus dem 12. Jahrhundert).
Ich habe Bonn auf der Tabula Peutingeriana mal ausgeschnitten, von Veteribus (Castra Vetera, Xanten) über Asciburgia (Moers-Asberg), Novesio (Novaesium, Neuss) gehts nach Agripina (Colonia Agrippina, Köln), dann folgt Bonnae gegenüber dem Gebiet der Burcturi - Brukterer, schließlich über Rigomagus (allen bekannt aus der Brücke von Remagen) und Antunnaco (Andernach) geht es nach Confluentes - Koblenz, das Hinterland wird als Gebiet der Treverer ausgewiesen. Das darf man wohl nicht allzu genau nehmen, denn direkt hinter Vetera siedeln auch die Parisi.
 

Anhänge

  • Die Tabula Peutingeriana von Xanten bis Koblenz.JPG
    Die Tabula Peutingeriana von Xanten bis Koblenz.JPG
    21,7 KB · Aufrufe: 620
Was es sicher gibt, ist die Nennung Bonns als Verona in den Civitates Orbis Terrarum (Braun/Hogenberg) von 1575. Ob es sich da um eine fehlgeleitete humanistische Reantikisierung des Bonner Ortsnamens handelt, oder um eine mittelalterliche Tradition, wäre zu überprüfen....
Danke. Damit ist zumindest Bonn = Verona schriftlich bestätigt. Wie immer das auch zustande gekommen sein mag. Ist die Frage, ob es so etwas ähnliches noch in Verbindung mit der Bezeichnung "Bern" gibt. Die mittelhochdeutschen Quellen werden leider in dem Buch nicht genannt. Zumindest kann ich aus dem Literaturverzeichnis zu "Bevor es Deutschland gab" so etwas nicht zuordnen. Ich kann also nicht sagen, von wem letzten Endes die Aussage tatsächlich stammt; ob es sich evtl. um eine dubiose Quelle handelt.
 
Naja, es ist ziemlich egal für unseren Sachverhalt, dass Bonn auch mal Verona genannt wurde*:
a) es ist kein Theoderich von Bonn belegt.
b) die skandinavischen Quellen (allen voran Þiðrek af Bern), die Attila nach Susat verlegen, was möglicherweise** Soest ist (Die Namensform Sosatie u.ä. ist für Soest belegt) und was findige Leute zu der Annahme geführt hat, dass der ganze Sagenkreis um Theoderich, wie um die Nibelungen im Bundesland NRW zu verorten sei, verorten ihr Bern ganz deutlich südlich der Alpen (Mundia/Mundiafjall), nahe Venedig (Fenedi). Nikulas Bergsson nennt in seinem Itinerar Bagnoregio auch das Bad des Theoderich ("Þiðreksbað"), was nochmal die klare Verortung der Dietrichssage südlich der Alpen auch für die Skandinavier unterstreichen dürfte.

*Wilhelm Levison geht in seinem Text Bonn - Verona (Rheinische Viertelsjahresblätter 1/1931, S. 351 - 357) von einem folgenschweren Schreibfehler aus, der bei der Erwähnung des Xantener Stadtteil Birtens durch Gregor von Tours seinen Ausgang nimmt und bei einem Schreiber des 11. Jahrhunderts, dem Verfasser der Passio Gereonis zu einem Missverständnis geführt habe.
**Grund für Zweifel liefert Bergsson. Der schreibt über die italienische Stadt La Lunigiana (Lunasandar), dass dies der Ort sei, in dem Gunnar in der Schlangengrube gelandet sei. Er bezieht sich damit auf das Ende der Nibelungen, wie es in der Atlaqviða (älteres Atlilied)geschildert ist. Das will nun so gar nicht zur westfälischen Verortung mit Soest aus dem Þiðrek af Bern passen.
 
Ich komme noch einmal zurück auf den Königssitz Ravenna

...Das im Gefolge als Dietrichs Bern interpretiete italische Verona (= Berona/Bern) liegt fasst 200 km von Theoderichs Hauptstadt Ravenna entfernt, war niemals Königssitz...

Wie El Quijote bereits klar gestellt hat, war Verona einer der Königssitze der Ostgoten. Auch der letzte König der Ostgoten tritt zuerst als Kommandant gotischer Truppen in Verona in das Licht der Geschichte. Es gilt auch als eines der letzten Zentren gotischen Widerstandes lange nach dem Ende ihres Reiches, als dortige Adelige in der Hoffnung auf fränkische Hilfe rebellierten.
Es behielt diesen Status als Königssitz auch später wieder unter den Langobarden, also einige Zeit später! Deren König Alboin, der bekannte Anführer des Auswanderungszuges der Langobarden nach Italien, wählte sich Verona ebenfalls als seine Hauptstadt und Königssitz. Er wurde 572 sogar dort ermordet und begraben! In der Folge blieb Verona ein Königssitz der Langobarden, die ihre Hauptstadt mehrfach verlegten (etwa Monza), ehe endlich Pavia zur Hauptstadt wurde.

Es gab also sehr wohl einen Königssitz in Verona und es hielten sich dort immer wieder Könige auf. Dass Lokalforscher gerne große Namen und Ereignisse in ihrer näheren Heimat verorten wollen ist eine bekannte Tatsache und auch kein Problem, solange nicht mit Gewalt versucht wird Geschichte völlig umzuschreiben. Glücklicherweise geht es hier auch nur um Sagen und die Zuordnung von deren Handlungsträgern zu historischen Personen. Ein solcher Versuch kann niemals eine völlig zweifelsfreie Zuordnung ermöglichen, da Sagengestalten sich im Verlauf der Entwicklung ihres Epos immer etwas verändern um so Ansatzpunkte für Kritik zu bieten.
 
Ich möchte nochmal auf die weiter oben mehrfach geäüßerte These zurück kommen,die da lautet:
Und so sehen wir inzwischen immer deutlicher, dass das Nibelungenlied nur zusammenbrachte, was zusammengehörte: Die Arminius/Sigurd und Marbod/Thidrek Sagen. Die solange merkwürdigen Zusammenhänge zwischen Siegfriedsage und Dietrichepik lösen sich damit endlich auf.
Genau diesen Zusammenhang sehe ich im Nibelungenlied nicht.Es handelt sich m.E. eher um zwei voneinander unabhängige Komplexe-den mythischen Sigfried-Teil mit Drachenkampf,Zwergen, usw. und den Etzel-Teil in dem auch Dietrich von Bern eine Rolle spielt und der zumindest teilweise an historische Personen und reale politische Gegebenheiten anknüpft. Beide Teile sind vom Charakter und der Handlungs. und Erzählstuktur her her völlig unterschiedlich angelegt und eigentlich nur durch die Personen der Wormser Burgunderdynastie lose miteinander verbunden. Der eigentliche durchgängige Handlungsstrang ist das Beziehungs-und Intrigengeflecht innerhalb des herrschenden Clans- sowohl Siggfried als auch Dietrich sind in diesem Sinne eigentlich nur Nebenfiguren, die Auslöser und Auflösung der Verwicklungen markieren, mehr aber auch nicht. Der Verfasser des Nibelungenliedes könnte sich also hier auch lediglich zweier populärer Sagengestalten bedient haben, um einen Rahmen für die Haupthandlung zu schaffen, ohne konkrete historische Gestalten im Auge gehabt zu haben.

Was die Bedeutung der Varusschlacht und des Arminius betrifft,so werden sie m-E- von einigen Usern hier überschätzt. Man sollte sich ga sowohl von den Übetrteibungen römischer Propaganda als auch den nationalistischen und pangermanisch geprägten Deutungen der Historiker des 19.Jahrhunderts frei machen. Die Varusschlacht war sicherlich eine empfindliche Niederlage für Rom, bedrohte aber weder die Hegemonie des Imperiums noch hielt es dieses von weiteren Vorstößen ins "freie" Germanien ab.Arminius seinerseits konnte trotz des Sieges auf Dauer keine überragende Führungsrolle unter den Germanen einnehmen noch ein auch nur regionales Gegengewicht gegen das Imperium bilden. sondern blieb auf eine temporäre,lokale Bedeutung beschränkt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte nochmal auf die weiter oben mehrfach geäüßerte These zurück kommen,die da lautet:

Genau diesen Zusammenhang sehe ich im Nibelungenlied nicht.Es handelt sich m.E. eher um zwei voneinander unabhängige Komplexe-den mythischen Sigfried-Teil mit Drachenkampf,Zwergen, usw. und den Etzel-Teil in dem auch Dietrich von Bern eine Rolle spielt und der zumindest teilweise an historische Personen und reale politische Gegebenheiten anknüpft. Beide Teile sind vom Charakter und der Handlungs. und Erzählstuktur her her völlig unterschiedlich angelegt und eigentlich nur durch die Personen der Wormser Burgunderdynastie lose miteinander verbunden. Der eigentliche durchgängige Handlungsstrang ist das Beziehungs-und Intrigengeflecht innerhalb des herrschenden Clans- sowohl Siggfried als auch Dietrich sind in diesem Sinne eigentlich nur Nebenfiguren, die Auslöser und Auflösung der Verwicklungen markieren, mehr aber auch nicht. Der Verfasser des Nibelungenliedes könnte sich also hier auch lediglich zweier populärer Sagengestalten bedient haben, um einen Rahmen für die Haupthandlung zu schaffen, ohne konkrete historische Gestalten im Auge gehabt zu haben.

Nicht der Verfasser des Nibelungenliedes, das muss früher stattgefunden haben. So unterschiedlich auch die süddeutsche und die skandinavische Tradition sind, im Sigurdlied und im Atlilied passiert genau das, was auch im Nibelungenlied passiert. Im Sigurdlied klagt Gudrun ihre Brüder (Gunter und den Halbbruder Högni, im Nibelungenlied Oheim (also Onkel) Hagen) des Mordes an ihrem Mann an, aber sie versucht sie im Atlilied vor Attila zu warnen, rächt später ihren Tod. In der süddeutschen Version lockt Kriemhild sie bekanntermaßen rachelüstern in die Falle und wird von Hildebrand erschlagen, Theoderich und Attila beweinen gemeinsam den Tod ihrer vielen Männer. Langer Rede, kurzer Sinn: die Verknüpfung dieser beiden Stränge muss schon vor dem 10. Jahrhundert Gemeingut gewesen sein.

Eine Verbindung vom Burgunder Sigismund (der, welcher kopfüber im Brunnen ersäuft wurde) zu Theoderich hat es realhistorisch gegeben. Sigismunds Gattin war eine Tochter Theoderichs, Siegfried gilt in der Dietrichssage als Vasall Theoderichs, was dessen realhistorischen Streben nach Suprematie über die arianischen Königreiche entsprechen würde.
 
Zurück
Oben