@ElQuijote: „..denn Mythen sterben nie ... Daher sind auch kleinere Anachronismen kein großes Problem. ....“
Natürlich, Mythen sterben nie, schon gar nicht die von Arminius/Segifrit und Marbod/Thidrek. Selbstverständlich ist es auch gerechtfertigt, hier und da die Fünfe gerade sein zu lassen. Aber eben nicht alle Fünfe. Und Du lässt viel zu viele Fünfe gerade sein. Was mich dabei aber am meisten stört ist nicht diese Tatsache, sondern dass Du immer dann wenn es sich um deine eigenen Vorstellungen handelt, dass mühelos durchgehen lässt, bei anderen dasselbe aber scharf verurteilst.
Ich habe damit gerechnet, dass Du das Argument der nicht sterbenden Mythen für Dich wenden würdest.
Nur macht das Aus Arminius keinen Siegfried und erst recht aus Marbod keinen Theoderich. Der Vorwurf den DU mir machst ist haltlos. Ich habe gezeigt, dass die Epen wenig bis nichts mit der historischen Realität zu tun haben. Also ist das einzige, worauf wir zurückgreifen können, das Namenmaterial. Und hier gehst Du hin und siehst in jeder Figur eine historische Persönlichkeit mit einem vollkommen anderen Namen. Näher liegende Persönlichkeiten versuchst Du als zu unbedeutend herunterzuspielen und wenn man Dir mit Textbelegen kommt, ignorierst Du diese oder erklärst sie für null und nichtig. Das ist nicht methodisch sondern abenteuerlich.
Während die Siegfriedsage schon sehr früh mit Arminius verknüpft wurde, war die Sage um Theoderich aber immer ein Rätsel geblieben. Denn die offensichtliche Namensähnlichkeiten vom Volkskönig Thidrek/Dietrch/Theoderich mit Theoderich dem Großen, aber auch Etzel/Attila verführen, trotz der historischen Unmöglichkeit sowie der charakterlichen Unstimmigkeit, dazu diese als ernsten Hintergrund zu betrachten.
Hier begehst Du einen großen Fehler, denn der Charakter der Figuren ist in den ganzen Texten bei weitem nicht so homogen, wie es für Deine Thesen notwendig wäre. Der Hagen des Waltharius ist z.B. eine tragische Figur, die eher unfreiwillig gegen einen Freund kämpft, während der Hagen des Nibelungenliedes ein richtiger Fiesling ist.
Dann führst Du aber aus:
@ElQuijote: ".... die außerdem noch den Gründungsmythos der Franken aufgreift, der Troja an den Niederrhein verlagert, die Colonia Ulpia Trajana oder auch ze Santen (im Nibelungenlied) oder Xanten. ... "
Und der Gründungsmythos ergibt sich nun ganz ohne Verbiegung aus der mit Kalefeld bewiesenen Verbindung zwischen Cheruskern und Franken franci nebulones und dem Aufenthalt von Arminius in Xanten/Castra Vetera.
Nur wurde die Colonia Ulpia Traiana erst hundert Jahre nach Arminius begründet. Deine Kalefeld-Hypothese ist auch alles andere als überzeugend.
@ElQuijote: "....Ich kann aber gerne einen weiteren Kandidaten für Siegfried präsentieren, den Burgunder Sigismund über dessen Ende ....Im Klartext: Sigismund wurde mitsamt Frau und Söhnen kopfüber in einen Brunnen geworfen. Im Nibelungenlied heißt es:
.../ Do der herre Sifrit ob dem brunnen tranch /er schoz im durch daz crivze daz von der wnden spranc / daz blůt von dem herzen vaste an Hagnen wat / solher missewende ein helt nv nimmer begat... Sowohl der historische Sigismund, als auch der epische Siegfried sterben also mit dem Kopf über im Brunnen. "
Die Sage berichtet lediglich, das Siegfried am Brunnen (bzw. Quelle) getrunken hat, niedersinken tut er dann aber nicht im Brunnen, sondern in den folgenden Strophen in den Blumen! Keine Übereinstimmung also. Dagegen wieder einer von den so vielen Sigis, von denen es aufgrund der Nibelungentradition bei den Franken wimmelt.
Hier brauchst Du gar nicht gegen zu argumentieren, denn ich habe deutlich gemacht, dass ich hierin keine historische Vorlage für den literarischen Siegfriedtod sehe:
Ich bin nicht der Meinung, dass der Hl. Sigismund die historische Folie für Siegfried ist, zumindest sehe ich seinen Brunnentod nicht wirklich als den historischen Vorläufer für den Tod des Siegfried an - was lediglich deutlich gemacht werden soll, ist das es einige sehr viel wahrscheinlichere Hypothesen für das historische Vorbild des Sagensiegfried gibt, als ausgerechnet Arminius.
@Zur Dietrichepik lesen wir doch einfach mal bei Heinzle nach, sicherlich einer der bekanntesten Vertreter der Merowingerinterpretation:
S.4:“..Aus der Sicht der modernen Geschichtswissenschaft erscheinen die skizzierten historischen Ereignisse in der Dietrichsage eigentümlich verdunkelt und verzerrt...“
S.6:“..Rätselhaft bleibt indes die Hauptsache: wie es zur Verwandlung der historischen Eroberung durch Theoderich in die Vertreibung Dietrichs aus Italien kommen konnte. Man hat u.a. diskutiert, ob hier ein Versuch vorliegt, die Gotenherrschaft in Italien als ursprünglich und daher rechtmäßig hinzustellen, ob im Schicksal des „armen Dietrich“ (wie er sich selbst wiederholt nennt) die Vernichtung des Ostgotenreichs durch Byzanz reflektiert wird....Letzlich bleiben aber alle Erklärungsversuche unverbindlich, und man kann nur grundsätzlich feststellen, dass sich die Umformulierung des historischen Geschehens zur Fluchtsage an einem „Situationsschema“ orientierte, das –mit einem mehr oder weniger festen Motivinventar ausgestattet – aus älterer Erzähltradition geläufig war.“
Auch Heinzle ist klar, dass Theoderich der Große einfach nicht zum Dietrich der Sage passt.
Nein, Heinzle sagt im Prinzip nichts anderes aus, als dass in Epen die Rollen von historischen Figuren zum Teil bis in ihr Gegenteil verkehrt werden. Er ist
kein Gewährsmann für Deine Markomannenthese. Im Gegenteil: "Wie die anderen Zweige dieser Überlieferung, hat auch die Dietrichsage einen historischen Ursprung in der Völkerwanderungszeit: in Dietrich, dem Herrscher von Bern (das heißt: Verona) lebt die Erinnerung an den Ostgotenkönig Theoderich den Großen fort. (S. 1) [...] Der Kern der Dietrichsage: Die Fluchtfabel lässt sich auf das zentrale Ereignis in der Laufahn Theoderichs beziehen: die Begründung des italienischen Reiches der Ostgoten. (S. 2)"
Desweiteren führt Heinzle dann aus, wie unter Theoderichs Vater Thiudemir die Ostgoten noch als Verbündete oder Untertanen von Attilas Hunnen gegen die Römer kämpften und schließlich, nach Attilas Tod, Theoderich als Geisel nach Byzanz ging, bevor er zunächst nach Pannonien zurückkehrte um dann Italien zu erobern.
Im Übrigen spricht Heinzle auch mehrfach Witege an, den Sohn des Sagenschmieds Weland, der in der Dietrichsepik eine Rolle spielt.
Der historische Vitege war der Schwiegerenkel von Theoderich, wiederum ein Hinweis auf die VWZ/das FMA.
@Er zitiert im Rahmen dieser Merkwürdigkeit auch zwei Runeninschriften aus Skandinavien:
S.15:“..Es herrschte, ThiodrikR, der kühngemute,
der Fürst der Krieger, über den Strand des Hreidmeeres.
. Jetzt sitzt er gerüstet, auf seinem gotischen Roß,
den Schild auf der Schulter, der Held der Märinge.“
S.16:“..Deodric besaß dreißig Winter lang Maeringaburg (die Stadt der Maeringe?), dass war vielen bekannt.“
Mit Marbod/Thidrek ist Märige/Märinge als Mähren (Böhmen) nun leicht zu übersetzen!
Ist es nicht. Die
Mærinȝa burg des englischen
Deor-Liedes ist eindeutig
ein Ort (
burg), keine Landschaft.
Interessanterweise ist Süttirols zweitgrößte Stadt Meran in mittelalterlichen Dokumenten als
Maeringa überliefert. So treten bei der Scheidung der Grafschaften Tirol und Görz 1267 in Lienz der Meraner Priester (plebano de Maeringa) Alberone Scriba und der lokale Graf(?) Heinrich von Meran (Haeinrico de Maeringa) als Zeugen auf. Mit Meran wiederum sind wir wieder mitten im ostgotischen Herrschaftsgebiet unter Theoderich.
Ein weitere Kandidat, ebenfalls im Herschaftsgebiet Theoderichs, wäre das in mittelalterlichen Quellen (Urkunden und historiographischen Texten) als "Marinco" überlieferte Marengo, zwischen Mailand und Genua.
Und Dietrich ist eben kein erfolgreicher Eroberer, im Gegenteil, er ist der „arme Dietrich“ ohne Land:
S.24:“...Als dieser Dietrich die Nachricht überbringt, bricht dieser in Klage aus, es fällt das Wort vom armen Dietrich, und Dietrich fragt verzweifelt, wer ihm nun helfen solle in der Amelunge lant zurückzukehren.“
Der ins Land der Amaler (also des greutungischen ergo ostgotischen Adelsgeschlechtes, unten mehr dazu) zurückkehren möchte.
Zu Ermenrichs Tod: S.55:“Interessant ist eine Variante von B in V. 1,2: statt „den“ (Ermenrich) will der Berner vertreiben, wie in A heißt es da:“der wollte den Berner vertreiben“. Damit kann eine Variante von Dietrichs Vertreibung angezeigt sein, in der es beim Versuch blieb;...Die Forschung hat viel Mühe darauf verwendet, die Genese des Liedes zu erhellen: Quellen, Einflußwege und Vorstufen zu ermitteln und zu rekonstruieren. Alle diese Versuche sind gescheitert.“
Nun in Ermenrich oder Ermanerik kann man (G)ermanicus erkennen. Zwar war der Herrführer im römischen Versuch dessen Onkel Tiberius, aber Germanicus blieb hier, vor allem wegen des 15/16er Krieges besser in Erinnerung. Wenn nun Germanicus als Onkel Thidreks/Marbods erscheint, dann ist auch das nicht verwunderlich: Denn Marbod war ja nun ein römischer Mitläufer, sein Reich nach römischen Muster geformt, und sein Exil unter Roms Gnaden. Das dann später noch Etzel/Attila mit Pannonien in Verbindung gebracht wurde, liegt für die Völkerwanderungszeit auf der Hand. Zumal Pannonien nicht nur das spätere Hunnenland war, sondern zu Marbods Zeiten das neuralgische Einfallstor in die Poebene (hier auch: Ravenna; und last but not least, Arminius dieses Einfallstor kannte, was im weiteren noch interessant sein könnte).
Ach ja, wieder Deine These von der versuchten Befreiung der Thusnelda
. Nimm doch mal einfach das näher liegende an: Ermanarich ist ein germanischer Name. Belegt beim Romanogoten Jordanes als König der Goten aus dem Geschlecht der Amaler: Ermanareik, da braucht man Germanicus nicht für zu bemühen. Und die Beziehung zwischen Ermanareik und Theoderich klärt sich dann auch auf, wenn man mal Jodanes bemüht, Ermanareik war der Bruder des Urururopas von Theoderich, die beiden Linien verbanden sich wieder mit Theoderichs Tochter Amalaswintha:
"Amal, a quo et origo Amalorum decurrit: qui Amal genuit Hisarna: Hisarnis autem genuit Ostrogotha: Ostrogotha autem genuit Hunuil: Hunuil item genuit Athal: Athal genuit Achiulf et Oduulf: Achiulf autem genuit Ansila et Ediulf, Vultuulf et Hermenerig: Vultuulf vero genuit Valaravans: Valaravans autem genuit Vinitharium: Vinitharius quoque genuit Vandiliarium: Vandalarius genuit Thiudemer et Valamir et Vidimir: Thiudimir genuit Theodericum: Theodericus genuit Amalasuentham: Amalasuentha genuit Athalaricum et Matesuentham de Eutharico viro suo, cuius affinitas generis sic ad eam coniuncta est.
Nam supra dictus Hermanaricus, filius Achiulf, genuit Hunimundum: Hunimundus autem genuit Thorismundo: Thorismund vero genuit Berimud: Berimud autem genuit Vetericum: Vetericus item genuit Eutharicum, qui coniunctus Amalasuinthae genuit Athalaricum et Mathesuentam, mortuoque in puerilibus annis Athalarico Mathesuenthae Vitigis est copulatus, de quo non suscepit liberum;..."
Amal von dem sich das Geschlecht der Amaler herleitet, so dass Amal Hisarnis zeugte, Hirsanis zeugte aber Ostrogotha, Ostrogotha aber zeugte Hunuil, Hunuil zeugte ebenso Athal, Athal zeugte Achiulf [...], Achiulf zeugte aber [...] Vultuulf und Hermanarich, Vultuulf zeugte aber Valaravans, Valavarans aber zeugte Vinitharius. Vinitharius zuegte auch Vandalarius. Vandalarius zeugte Thiudemir [...] Thiudemir zeugte Amalaswintha. Amalaswintha zeugte Athalarich und Matesuentha von ihrem Manne Eutharich, mit dem sie auf folgende Weise durch Blutsverwandtschaft verbunden war: Der oben erwähnte Ermanarich, Sohn des Achiulf, zeugte Berimud, Berimud zeugte Vetericus, ebenso zeugte Vetericus Eutharich, welcher mit seiner Ehefrau Amalaswintha Athalarich und Matesuentha zeugte....
Diese Stelle zeigt uns im Übrigen exemplarisch noch etwas anderes, ganz interessantes: Die sich erst mit den Merowingern ausbildende Leitnamenkontinuität – auf der ja letztlich auch die These von der notwendigen Seg-Silbe bei Arminius beruht (dann anstelle der Leitnamenkontinuitätz die Leitsilbenkontinuität) – ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben. Bei den Amalern lassen sich
keine Leitnamen feststellen, auch bei den späteren Ost- und Westgoten nicht.
Nach einem Leben als erfolgreicher König aller Goten und Sieger über viele Völker, wird Hermanarich von zwei ihre Schwester rächenden Brüdern ein Schwert in die Seite gestoßen, woran er dann auch stirbt, laut Jordanes in dem biblischen Alter von 110 Jahren: "Inter haec Hermanaricus tam vulneris dolore quam etiam Hunnorum incursionibus non ferens grandevus et plenus dierum centesimo decimo anno vitae suae defunctus est. " Unter diesem so heftigen Wundschmerz und auch den feindlichen Einfällen der Hunnen brachte er sein Leben unter den vollen Tagen von 110 Jahren zu Ende.