Das [die Stockholmer Konferenz nicht stattgefunden hat,] ist auch nicht wichtig.
Es reichte nämlich schon der Gedanke, die Vorstellung die Möglichkeit nach den schrecklichen Jahren des Krieges, im Zuge der Bemühungen der Sozialdemokraten, zur Konkretisierung und Auslotung eines Friedens, hat schon so vollkommen ausgereicht..
So ist es! Man braucht nur in die von Cisco erwähnten Tagebücher des - ja durchaus moderaten - Admirals Hopmann zu schauen, um zu erkennen, wie sehr "schon der Gedanke" die hohen Militärs beunruhigte (dort S. 984 f., 991 f.).
Zu Unrecht eigentlich, denn wie Fritz Fischer darlegt (Griff nach der Weltmacht, S. 328-330), folgten die am 2.6.1917 in Stockholm eingetroffenen Vertreter insbesondere der SPD in ihrer Antwort auf Vorhaltungen von neutraler Seite "ganz der Linie der Regierungspolitik". Zwar traten sie für einen "Frieden ohne Annexionen" ein, forderten aber z. B., dass man das vielbeschworene Selbstbestimmungsrecht der Völker natürlich auch auf Irland, Ägypten, Indien, Tibet, Korea, Tripolis und Marokko anwenden müsse, dass die deutschen Kolonien wieder herausgegeben werden müssten und dass die Franzosen in Elsaß-Lothringen allenfalls "kulturelle Autonomie" eingeräumt bekommen könnten. [1]
Die zunächst vereinzelten Widersetzlichkeiten und auch Sabotageakte, die sich seit Anfang 1917 ereigneten, hatten zunächst ganz banale, aus Sicht der Betroffenen freilich vitale Hintergründe, die Köbis17 schon richtig skizziert hat. Ich zitiere aus dem berühmten Tagebuch des Matrosen Richard Stumpf:
Wenn ich berufen wäre über die augenblickliche Stimmung der Flottenbesatzung ein Urteil abzugeben so würde es im ärztlichen Diagnose Stil etwa folgendermaßen lauten: Hochgradige Erregung; hervorgerufen durch gänzlichen Mangel an Vertrauen zu den Vorgesetzten, Zustände der fixen Idee, daß der Krieg nur im Interesse der Offiziere geführt und verlängert wird, und heftige Zornesausbrüche infolge des Umstandes, daß die Mannschaft hungert und darbt während die Offiziere schlemmen und im Gelde schwimmen." [2]
Allerdings verstärkte sich danach die politische Polarisierung, und zwar sowohl auf Seiten des Offizierkorps als auch auf Seiten der Mannschaften (vgl.
Militär, Staat und Gesellschaft ... - Google Buchsuche, insb. S. 171, 173). Flottenchef Scheer forderte dabei nichts weniger als die politische und juristische Offensive gegen die USPD, d. h. er wollte "ganz bewußt den Konflikt" provozieren (S. 174), wobei der Prozess gegen Reichpietsch, Köbis und andere nur den Anlass bot. [3]
[1] Zu dem, was in Stockholm sonst noch geschah, siehe z. B. Haupts' Aufsatz in der HZ 247 (1988), S. 551 ff.
[2] Quelle: Die Ursachen des Deutschen Zusammenbruchs im Jahre 1918, 2. Abt., 10. Band, 2. Halbband, S. 250
[3] Zu den Ereignissen im Sommer 1917 z. B. Plaschka, Matrosen - Offiziere - Rebellen, Bd. 2, S. 135-153.