Mythos Scapa Flow am 21.6.1919

K

Köbis17

Gast
Durch den Ausgang des 1.WK wurde die von Kaiser Wilhelm II. besonders geförderte Marine praktisch auf den Nullpunkt zurückgeworfen.
Mit der Ablieferung nahezu aller Kriegsschiffe war die materielle Substanz der Marine fast vernichtet, durch die Folgen der Revolution und die immer noch nicht behobenen Gegensätze zwischen Mannschaften, Unteroffizieren, Decksoffizieren und Offizieren hatte sich der innere Zusammenhalt bis auf einen geringen rest aufgelöst.

Nach den Waffenstillstandsbedingungen vom 11.11.1918 hieß nach den Bestimmungen hinsichtlich des Seemacht: XIII. Die Kriegsschiffe der deutschen Hochseeflotte, welche die Alliierten und die Vereinigten Staaten bezeichnen, werden sofort abgerüstet und alsdann in neutralen Häfen oder in deren Ermangelung in Häfen der alliierten Mächte interniert [...]

Doch die deutsche Flotte wurde in einem britischen Kriegshafen am 21.6.1919 selbst versenkt, was war geschehen?

Grundsätzlich kann man den Ablauf der Geschehnisse einteilen in die Vorbereitung der Auslieferung, die Überführung und in die Internierung der Hochseeflotte.

Teil 1:
Vorbereitung der Auslieferung -
Hoffnungen über den Fortbestand werden begraben und der "Griff" Englands nach der deutschen Flotte

Die bei den Marine-Angehörigen der vorbereitenden deutschen Waffenstillstandskommission Ende Oktober 1918 noch bestehnde Hoffnung, bei den bevorstehenden offiziellen Waffenstillstandsverhandlungen mit den Ententemächten einigermaßen erträglich Bedingungen für die deutsche Flotte zu erreichen, erwies sich als Illusion.

Als die Forderungen übergeben wurden, zeigte es, daß die unter Leitung des britischen I.Seelords, Admiral Wemyss, stehende Interalliierte Waffenstillstandskommission auch hinsichtlich der deutschen Flotte äußerst harte Bedingungen aufgestellt hatte, um jeden etwaigen Widerstand unmöglich zu machen.
Den Deutschen konnte damals noch nicht bekannt sein, daß auch diese harten Formulierungen noch einen Kompromiß darstellten. Der britische Oberkommandierende, Admiral Beatty, hatte noch wesentlich härtere Bedingungen stellen wollen. Erst der Einspruch des amerikanischen Vertreters, Admiral Benson, und der Wunsch des interalliierten Armeeoberkommandierenden, des Marschall Foch, der den Landkrieg möglichst schnell beenden wollte, hatten die weitgehenden Forderungen von Beatty wenigstens relativ gemindert und den britischen Vertreter, den I. Seelord, Admiral Wemyss, zum Einlenken gezwungen.

Die Erfüllung von zwei Bedingungen wurde insbesondere verlangt, innerhalb weniger Tage 120 Uboote auszuliefern, während alle modernen Schiffe der Hochseeflotte außerhalb der Heimatgewässer bis zur Klärung ihres Entschicksals durch den Friedensvertrag zu "internieren" seien. Daß sich hinter der zweiten Forderung auf britischer Seite noch andere Absichten verbargen, bekam KAdm Meuer zu spüren, als er sich am 15.11.1918 an Bord des kleines Kreuzers Königsberg nach Firth of Forth begab, um dort die Ausführungsbestimmungen zum § 23 der Waffenstillstandsbedingungen entgegenzunehmen.

Der Befehl, daß sich die deutschen Hochseestreitkräfte innerhalb von 7 Tagen in abgerüstetem Zustand nach einem britischen Hafen zu begeben hätten, war für die deutsche Seite das erste äußere Anzeichen dafür, daß von der in dem Waffenstillstandsabkommen eingeräumten Möglichkeit, die deutsche Flotte in einem neutralen Hafen zu internieren, nicht Gebrauch gemacht werden sollte. Die offiziell gegebene Begründung, daß man nur in England kontrollieren könne, ob die Schiffe auch wirklich abgerüstet seien, war zu dürftig, um Glauben zu finden. Die deutschen Schiffe in britischen Besitz zu bringen, stand von Anfang an fest, wenn dies auch ebensowenig offiziell geäußert wurde wie die Absicht Helgoland und die Nordseehäfen zu besetzen, falls die Forderungen abgelehnt werden.

Auf Grund der britischen amtlichen Veröffentlichungen in Newbolt "Naval Operations" geht VAdm Ruge, ein Augenzeuge der ganzen Geschehnisse, in seinen Buch "Scapa Flow 1919" näher auf die Vorgänge ein. Dannach hatte Admiral Wemyss unmittelbar nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens dem Alliierten Marinerat den Vorschlag gemacht, die deutschen Schiffe in Scapa Flow zu internieren, "weil es in einem neutralen Hafen zu viele Schwierigkeiten gabe". Der Rat stimmte ohne weiteres zu. Davon unterrichtete Admiral Beatty aber weder KAdm Meuer noch KAdm v. Reuter!

In diesen Zusammenhang ist auch der Umstand zu erwähnen, daß die Briten den an sich selbstverständlichen deutschen Plan, die in die Internierung fahrenden deutschen Schiffe über den minenfreien Weg durch die dänischen Gewässer auslaufen zu lassen, ablehnten und sie zwangen , durch die minenverseuchte Nordsee zu fahren. Schließlich ist noch festzustellen, daß weder Schweden noch die Niederlanden, Dänemark oder Spanien wegen einer eventuellen Internierung der deutschen Flotte angefragt worden ist. Norwegen, das von sich aus die Aufnahme der deutschen Schiffe anbot, erhielt nicht einmal eine Antwort.

Hier war schon deutlich zu erkennen, wie groß das Interesse der Briten an der deutschen Hochseeflotte war, denn eine Internierung in einen neutralen Hafen würde den Einfluß, der Briten auf den Verbleib der Flotte, entziehen.
Hatte man in England "Angst" vor einer Aufteilung des modernen deutschen Schiffsmaterials unter den Siegermächten? Sah man seine Vormachtsstellung als größte Seemacht immer noch gefährtet?
 

Hier war schon deutlich zu erkennen, wie groß das Interesse der Briten an der deutschen Hochseeflotte war, denn eine Internierung in einen neutralen Hafen würde den Einfluß, der Briten auf den Verbleib der Flotte, entziehen.
Hatte man in England "Angst" vor einer Aufteilung des modernen deutschen Schiffsmaterials unter den Siegermächten? Sah man seine Vormachtsstellung als größte Seemacht immer noch gefährtet?


Ich bilde mir ein, schon mal gelesen zu haben, dass die Selbstversenkung der Entente etliche Probleme vom Hals schaffte.

Die "anderen" insbesondere die USA wären fest entschlossen gewesen, keineswegs den Hauptteil den Briten zukommen zu lassen.
 
In diesen Zusammenhang ist auch der Umstand zu erwähnen, daß die Briten den an sich selbstverständlichen deutschen Plan, die in die Internierung fahrenden deutschen Schiffe über den minenfreien Weg durch die dänischen Gewässer auslaufen zu lassen, ablehnten und sie zwangen , durch die minenverseuchte Nordsee zu fahren. Schließlich ist noch festzustellen, daß weder Schweden noch die Niederlanden, Dänemark oder Spanien wegen einer eventuellen Internierung der deutschen Flotte angefragt worden ist. Norwegen, das von sich aus die Aufnahme der deutschen Schiffe anbot, erhielt nicht einmal eine Antwort.

Hallo Köbis, schöner Beitrag, vielen Dank.

Das Zitat bringt mich zu einer Zwischenfrage: Wäre denn überhaupt eine Internierung noch möglich gewesen?

Das hier läßt einiges offen:
Waffenstillstandsbedingungen der Alliierten, Compiègne, 11. November 1918:
http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/waffenstillstand/index.html
"XIII. Die Kriegsschiffe der deutschen Hochseeflotte, welche die Alliierten und die Vereinigten Staaten bezeichnen, werden sofort abgerüstet und alsdann in neutralen Häfen oder in deren Ermangelung in Häfen der alliierten Mächte interniert"

Die Internierung betrifft nur die zeitweise "Stilllegung" der Flotte im neutralen Gebiet. Davon unberührt bleiben die Verpflichtungen (des Unterlegenen) nach Kriegsschluss. Anders: Hätte zB eine sofortige Internierung in Norwegen überhaupt etwas gebracht? Ist daneben eine Internierung während des Waffenstillstandes nach Kriegsrecht überhaupt möglich?
 
Eine Internierung der deutschen Schiffe war schon sinnvoll, auch wenn die innere Organisation der deutschen Marine so unklar war, dass die Alliierten kaum noch mit einem entschlossenen Überwasserangriff rechnet mussten.

Wichtig war es jetzt den Briten, diese zweitgrößte Flotte zu vernichten und dass möglichts so, das die modernen Schiffe nicht aufgeteilt werden konnten. Dies hätte für die Briten bedeuten können, das auch 3.klassige Marinen zu 1.klassigen aufsteigen könnten. Als Beispiel führe ich mal die Goeben an und wie lange sie den Kern der türkischen Marine bildete. Und das war nur ein Schiff.

An großen Schiffen gab es 5 von der Kaiser-Klasse, 4 von der König-Klasse, 2 der Bayern-Klasse, von der Tann, Moltke, Seydlitz und 2 der Derfflinger-Klasse. Das sind 16 qualitativ und militärisch hochwerte "Kampfmaschinen" die sich fast alle schon einmal gegen britische Kriegsschiffe erfolgreich bewährt hatten.

Also m.E. war der britischen Admiralität klar, dass die Schiffe keinesfalls aufgeteilt werden dürfen, darum kam auch nur eine Internierung in einem britischen Hafen in Frage, da in Falle eines nicht zusammenkommens eines Friedensvertrages, die Flotte so schnell von den Briten beschlagsnahmt werden konnte. Denn selbst mit der Internierung waren die Besitzverhältnisse der deutschen Schiffe klar geregelt und diese lagen immer noch beim Deutschen Reich.
Wenn jetzt die Flotte aber in einem neutralen Hafen geläge hätte, wär eine Besetzung kaum möglich gewesen.
 
@Köbis: Wenn jetzt die Flotte aber in einem neutralen Hafen geläge hätte, wär eine Besetzung kaum möglich gewesen.

Da wäre ich mir nicht so sicher, auch wenn es Spekulatius ist. Es gibt Beispielfälle in der britischen Marinegeschichte. Sie beweisen, dass im Zweifelsfall die Hemmschwelle zum Völkerrechtsbruch niedrig war. Wäre die Hochseeflotte z.B. in Holland oder Norwegen eingelaufen, wer weiß...
Seeschlacht von Kopenhagen ? Wikipedia
Operation Catapult ? Wikipedia
 
Sie beweisen, dass im Zweifelsfall die Hemmschwelle zum Völkerrechtsbruch niedrig war. Wäre die Hochseeflotte z.B. in Holland oder Norwegen eingelaufen, wer weiß...

Wobei hier kein Völkerrechtsbruch notwendig gewesen wäre, sondern das einfache Verlangen an das Deutsche Reich auf Auslieferung der Flotte.

Internierung nach Abschluss der Kampfhandlungen?
 
Eine Internierung der deutschen Schiffe war schon sinnvoll, auch wenn die innere Organisation der deutschen Marine so unklar war, dass die Alliierten kaum noch mit einem entschlossenen Überwasserangriff rechnet mussten.

Wichtig war es jetzt den Briten, diese zweitgrößte Flotte zu vernichten und dass möglichts so, das die modernen Schiffe nicht aufgeteilt werden konnten. Dies hätte für die Briten bedeuten können, das auch 3.klassige Marinen zu 1.klassigen aufsteigen könnten. Als Beispiel führe ich mal die Goeben an und wie lange sie den Kern der türkischen Marine bildete. Und das war nur ein Schiff.

An großen Schiffen gab es 5 von der Kaiser-Klasse, 4 von der König-Klasse, 2 der Bayern-Klasse, von der Tann, Moltke, Seydlitz und 2 der Derfflinger-Klasse. Das sind 16 qualitativ und militärisch hochwerte "Kampfmaschinen" die sich fast alle schon einmal gegen britische Kriegsschiffe erfolgreich bewährt hatten.

Also m.E. war der britischen Admiralität klar, dass die Schiffe keinesfalls aufgeteilt werden dürfen, darum kam auch nur eine Internierung in einem britischen Hafen in Frage, da in Falle eines nicht zusammenkommens eines Friedensvertrages, die Flotte so schnell von den Briten beschlagsnahmt werden konnte. Denn selbst mit der Internierung waren die Besitzverhältnisse der deutschen Schiffe klar geregelt und diese lagen immer noch beim Deutschen Reich.
Wenn jetzt die Flotte aber in einem neutralen Hafen geläge hätte, wär eine Besetzung kaum möglich gewesen.


Was letztlich bestätigt, dass die Selbstversenkung für die "alliierten und assoziierten Mäche" ein Riesenproblem löste.
 
Ein paar Fragen würde Euch der 2. Teil "Die Überführung" beantworten, aber irgendwie bekomme ich gerade keine gescheite Formatierung in den Text und ohne Form möchte ich Euch das nicht anbieten, denn es gibt einiges zu lesen. Übersicht tut not....
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Teil 2
Die Überführung

Die deutsche Marineführung sah sich vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Die Schiffe der Hochseeflotte lagen in verschiedensten Häfen. Der größte Teil der Offiziere war von Bord gegangen. Auf den meisten Schiffen hatten meuternde Matrosen und ihre Soldatenräte das Sagen. Diesem Durcheinander gegenüber standen die ultimativen Forderungen der Briten, in wenigen Tagen die Schiffe abzurüsten und von Offizieren unter Leitung eines Admirals zu überführen.
KAdm Meuer gegenüber hatten die Engländer eindeutig erklärt, daß sie jede Verhandlungen mit Soldatenräten ablehnen und jedes Schiff versenken würden, das die rote Flagge führt.

Unter diesen Umständen mussten die verantwortlichen Dienststellen in der Flotte und im Reichsmarineamt einen dringenden moralischen Appell an das Seeoffizierkorps richten, das Pflichtgefühl gegenüber dem Vaterland über den herrschenden Zuständen zu stellen und ihre Aufgaben an Bord der auszuliefernden Schiffe wieder zu übernehmen. Die Angehörigen der Reichsregierung appellierten an die Matrosen, sich zur Verfügung zu stellen. Mit Hinweisen auf eventuell den deutschen Häfen drohenden Gefahren sowie mit materiellen Zuwendungen gelang es, die notwendigen Besatzungen zusammenzubringen, die Abrüstungen durchzuführen und die Schiffe auf der Schillingreede zu versammeln.

Den Befehl über den sog. "Überführungsverband" übernahm auf Bitten des Admirals v. Hipper am 18.11.1918 vormittags der bisherige B.d.A., KAdm v. Reuter. Der ursprünglichvorgesehen KAdm Meuer war zwar gerade noch rechtzeitig von seiner Englandreise zurückgekehrt, aber als Mitglied der Waffenstillstandskommission in Wilhelmshaven nicht zu entbehren. Die Bereitwilligkeit v. Reuters, diesen schweren Posten zu übernehmen, wurde etwas erleichtert durch den Umstand, daß unter Druck von britischen Forderungen und kategorischen Bedingung der deutschen Offiziere, der Oberste Soldatenrat sich damit einverstanden erklären mußte, daß die Schiffe nicht unter roter Flagge, sondern unter der deutschen Kriegsflagge fahren würden (ein kleiner roter Wimpel im Vortopp war die einzigste Konzession, die er durchsetzte, aber auch dieser wurde auf hoher See bald eingezogen).

Nachdem bereits am 18.11.1918 die ersten 20 Uboote nach Harwich ausgelaufen waren, folgte der "Überführungsverband" am 19. mittags. Er setzte sich aus 9 Linienschiffen, 5 großen Kreuzern, 7 kleinen Kreuzern und 50 Torpedobooten zusammen. Es fehlen bei ihnen das Linienschiff König Albert und der kleine Kreuzer Dresden, die beide nicht fahrbereit waren, sie sind später nachmarschiert.
Eine besondere Merkwürdigkeit, deren Ursache offiziell bisher nicht aufgeklärt worden ist, hatte sich außerdem ereignet. Die Briten hatten als auszulieferndes Schiff auch den großen Kreuzer Mackensen genannt, der bis zu seiner Fertigstellung zu diesen Zeitpunkt noch rd. 15 Monate gebraucht hätte, dafür aber das bisherige Flottenflagschiff Baden einfach vergessen!

Die Fahrt des Verbandes durch das minenverseuchte und nur unter Aufbietung aller Kräfte einigermaßen geräumte Nordseegebiet verlief verhältnismäßig gut. Lediglich das Torpedoboot V 30 lief auf eine Mine und sank, wobei zwei Todesopfer zu beklagen waren. Außerdem mußte der kleine Kreuzer Cöln wegen schweren Kondensatorenschadens vorübergehend zurückbleiben.

Als der "Überführungsverband" am Morgen des 21.11.1918 sich dem befohlenen Treffpunkt vor dem Firth of Forth näherte, war zu erkennen, daß der britische Oberkommandierende, Admiral Sir David Beatty, die angebliche "Abrüstungsuntersuchung" zu einem großen Spektakel benutzen wollte. Nicht nur die gesamte Grand Fleet war versammelt, sie wurde noch verstärkt durch ein amerikanisches Geschwader und sogar ein französischer Panzerkreuzer sowie zahlreiche Flugzeuge und Luftschiffe.

Die anschließenden Einzelheiten bei der weiteren Fahrt in den Fjord, die weiteren von den Briten ergehenden Befehle sowie ihr sonstiges Verhalten gegenüber dem deutschen Admiral und seiner Besatzungsangehörigen zeigten, daß nicht eine rein militärische Maßnahme zur Durchführung kommen sollte, sondern daß - wie von Admiral v. Reuter es in seinem Bericht ausdrückt - "ein Gefühl der Scham überwunden werden sollte, daß sie die deutsche Flotte sieglos in ihre Hand bekommen hätten".
Das diesige Wetter verhinderte, daß dieses Schauspiel auch noch vor großer Zahl von vollbesetzten Zuschauerdampfern stattfand, wie dies von britischer Seite beabsichtigt war.

Die sehr eingehende, teiweise provozierende Untersuchung einer britischen Kommission verliefen ohne besondere Ereignisse. Am Nachmittag erging der Befehl des britischen Oberkommandierenden, der weittragende Folgen haben sollte. Er ordnete an , daß die deutsche Kriegsflagge einzuholen sei und nicht wieder gesetzt werden dürfte. Der Befehl betraf lediglich die Flagge selbst, die Kommandoabzeichen ( Admiralsflagge und Kommandantenwimpel ) wurden davon nicht berührt und blieben wehen. War an sich der Befehl schon nicht rechtmäßig, denn die deutsche Flotte befand sich vorläufig noch im Stadium einer Internierung, so waren die Kommandoabzeichen der seerechtliche Beweis dafür, daß die deutschen Schiffe immer noch unter deutschen Befehl standen und damit im Besitz des Deutschen Reiches waren.
Dem Befehl zum Niederholen der Flagge wurde von deutscher Seite sofort widersprochen, der Widerspruch von britischer Seite aber natürlich abgelehnt. Das Weierführen der Kommandoabzeichen wurde nicht berührt, ein Umsatnd, der später bei der Selbstversenkung der deutschen Flotte von entscheidender rechtlicher Bedeutung sein sollte.

Auch das Spiel mit dem Verbergen ihrer eigentlichen Absichten, was später mit den deutschen Schiffen geschehen sollte, ging seitens der Briten weiter. Hatte schon Admiral Beatty KAdm Meuer über den ihm bekannten Internierungshafen nicht informiert, so ließ er jetzt durch seinen Beauftragten, Commodore Hodges, eine Anfrage von KAdm v. Reuter einfach falsch beantworten.
Erst als die Briten am 22.11.1918 die weiteren Befehle für die nächsten Tage übermittelten, wurde der deutschen Kommandoführung die Bucht von Scapa Flow als Endstadion klar.

Nach dorthin hatten sich vier Staffeln die deutschen Schiffe zu begeben ( Torpedoboote am 22.11., große Kreuzer am 24.11., das IV. Geschwader am 25.11. und der Rest am 26.11.). Gleichzeitig wure auch erkannt, daß deutsche Handelschiffe nach Scapa Flow dirigiert seien, um dort die überflüssig werdenden Mannschaftsteile an Bord zu nehmen und in die Heimat zurückzubringen. Die Forderung der Briten, die deutschen Besatzungen radikal zu kürzen, deutete auch das endgültige Ziel an, an Bord der Linienschiffe sollten noch je 175 Mann, an Bord der großen Kreuzer je 200 Mann, an Bord der kleinen Kreuzer je 60 und an Bord der Torpedoboote je 20 Mann bleiben.

Aus dem "Überführungsverband" wurde stillschweigend der "Internierungsverband Scapa Flow".

 
Teil 3

Die Internierung der Hochseeflotte

Als am 27.11.1918 die letzten deutschen Schiffe in der Bucht von Scapa Flow eintrafen, begann der letzte Abschnitt in der Geschichte der Kaiserlich deutschen Flotte, deren bisheriger Oberster Kriegsherr, Kaiser Wilhelm II., am 28.11.1918 im niederländischen Amerongen seine Abdankungsurkunde unterzeichnete. Dieser Abschnitt war ausgefüllt mit kleinen und kleinstlichen Schikanen von britischer Seite, die sich auf alle Sektoren erstreckten (bis zum Verbot des Landganges oder der Zahnbehandlung ).

Für die deutsche Verbandsführung wurde die Aufgabe um so schwerer, als sich unter den zurückgebliebenen 4.500 Mann starke revolutionäre Bestrebungen bemerkbar machten, insbesondere unter dem Einfluß des Obersten Soldatenrates und seiner "Roten Garde" an Bord des Flaggschiffes Friedrich der Große. Ebenso belastend für Verbandsführer war der Umsatnd, daß infolge der von den Briten sehr erschwerten Nachrichtenverbindungen mit Deutschland, er nur ungenügende Kenntnisse von der Entwicklung in der Heimat, über die Ansichten des R.M.A. und der Reichsregierungselbst hatte. Um Klarheit herbeizuführen, übergab KAdm v. Reuter am 13.12.1918 die Führung des Internierungsverbandes an den dienstältesten Kommandanten KzS Dominik auf dem Linienschiff Bayern und fuhr mit dem Transportdampfer Bremen nach Deutschland.
Aus seinen "Erinnerungen" ist unschwer herauszulesen, daß er ursprünglich die Absicht hatte, sein Kommando niederzulegen, wie dies früher bereits vorgesehen war. In den langen, sich bis Ende Januar 1919 hinziehenden Besprechungen im R.M.A. bzw. in der inzwischen errichteten "Admiralität", mit der Reichsregierung und mit den Mitgliedern der WAKO (Waffenstillstandskommission) hat sich v. Reuter wohl überzeugen lassen, daß sein Verbleiben auf den bisherigen Posten bis zum Abschluß des Friedensvertrages unerläßlich sei. Er kehrte deshalb am 25.1.1919 an Bord des kleinen Kreuzers Regensburg nach Scapa Flow zurück.
Dort war inzwischen auch das Linienschiff Baden angekommen. Die personelle Lage hatte sich aber, insbesondere auf dem Flaggschiff und einigen anderen Großschiffen, zugespitzt. Andererseits aber gewann (von den kleinen Kreuzern und Torpedobooten ausgehend) eine Bestrebung "marinetreuer Element" an Boden. Dies führte dazu, daß der Admiral Mitte März von der gesamten Emden-Besatzung angeboten wurde, einen Flaggschiffwechsel vorzunehmen und seine Flagge an Bord des kleinen Kreuzers zu setzen. Nach reiflicher Überlegung nahm v. Reuter diesen Vorschlag an und siedelte von Friedrich der Große auf Emden über.

Emden wurde somit am 25.3.1919 neues Flaggschiff des Internierungsverbandes. KAdm v. Reuter konnte sich von dort aus in wesentlich ungestörterer Atmosphäre seiner Hauptaufgabe widmen, die er selbst mit folgenden Worten umriß:
"Mein Ziel war, den in ihm (dem Internierungsverband) vereinigten Teil der deutschen Hochseeflotte dem Deutschen Reich, dessen Besitz er z.Z. war, auch fernerhin zu erhalten."

In der Praxis bedeutete dies, daß weder er selbst den Briten Grund zum Eingreifen geben noch Vorgänge durch deutsche Besatzungsangehörige zulassen durfte, die die britischen Bewachungsstreitkräfte (ständig lagen ein Schlachtkreuzergeschwader und mehrere Torpedobootsflottillen in der Bucht) ähnlich motivieren würden.
Die Einsetzung der verfassungsmäßigen deutschen Regierung im Februar un die Bildung der "Vorläufigen Reichsmarine" trugen etwas zur Beruhigung der Situation bei, obwohl - infolge eines Sonderabkommens zwischen dem seinerzeit noch im Dienst befindlichen Staatssekretär und dem Obersten Soldatenrat des Verbandes - dort nicht, wie in der Heimat, die Soldatenräte abgeschafft und durch Vertrauensleute ersetzt werden konnten. Immerhin kam es am 31.5.1919 (nicht auf Befehl des Admirals, vielmehr aus einer Art Trotzreaktion der Besatzungen heraus) zur Erinnerung an die Seeschlacht vor dem Skagerrak zu Setzen der deutschen Kriegsflagge auf allen Schiffen, was allerdings klar dem Befehl des britischen Oberkommandierenden widersprach. Dennoch erfolgte nicht, aus welchen Gründen auch immer, die befürchtete Besetzung der deutschen Schiffe durch die Briten.

Für v. Reuter wurde die Situation immer schwieriger, weil die für Deutschland erdrückenden Bedingungen der Entente für einen Friedensvertrag auch in Scapa Flow in ihren Umrissen bekannt wurden, andererseits offizielle Nachrichten aus Deutschland fehlten und in den zur Verfügung stehenden britischen Zeiitungen ganz offen von einer baldigen Inbesitznahme der deutschen Schiffe geschrieben wurde. Zur Vorbereitung irgendwelcher entscheideneden Schritte war der Verbandschef infolge des innerern Zustands eines großen Teils der Besatzungen seiner Schiffe nicht in der Lage. Um diese Situation zu klären und möglichst viele der unruhigen Elemente loszuwerden, schlug er von sich aus vor, den Besatzungsstamm nochmals um rd. 50 % zu senken. Der Rest reichte aus, um die Schiffe wenigstens einigermaßen instandzuhalten und den deutschen Besitzanspruch aufrecht zu erhalten. Als am 17.6.1919 die deutschen Transporter mit ca. 2.200 Mann abfuhren, konnte man den Rest der Besatzungen als zuverlässig bezeichnen.

Die Nachricht aus der Heimat ließen inzwischen annehmen, daß mit einer Ablehnung der Friedensbedingungen zu rechnen war. Damit wäre theoretisch der Waffenstillstand beendet, der Kriegszustand wieder hergestellt un der äußere Grund für die Briten, die Schiffe zu besetzen, gegeben. Da diese nicht mehr kämpfen konnten, blieb nur die Selbstversenkung übrig, wie dies in den Jahrzehnte alten Bestimmungen der Marine für derartige Fälle bestimmt war. Ein dementsprechender Vorbereitungsbefehl erging noch am 17.6.1919. Ganz klar kam darin zum Ausdruck, daß KAdm v. Reuter die Schiffe nur versenken lassen wolle, wenn der Gegner versuchen würde, sie ohne Genehmigung der deutschen Reichsregierung zu besetzen.

Die bewußte Nichtinformation der deutschen Verbandsführung durch die Briten über den aktuellen Stand der Ereignisse, aber auch das Fehlen direkter Nachrichten aus der Heimat verschärften die Situation ins Unermeßliche. Nach den zur Verfügung stehenden Pressenachrichten und aus aufgefangenen Funksbruchstücken mußte v. Reuter annehmen, daß die deutsche Regierung die sog. "Friedens"-Forderungen der Entente ablehnen würde und daß daraufhin das am 16.6.1919 ausgesprochene Ultimatum zur Wirkung käme und damit innerhalb von fünf Tagen, d.h. zum 21.6.1919, der Kriegszustand wieder hergestellt sei.
Nicht bekannt war, daß in Deutschland das Kabinett Scheidemann zurückgetreten und das neue Kabinett mit Reichskanzler Bauer an der Spitze bereit war, das Friedensdiktat anzunehmen. Ebenso war nicht bekannt, daß die Alliierten erst für den 23.6,1919 den weiteren Vormarsch ins Reichsgebiet angedroht hatten.

Ein nicht allgemein bekannter Vorgang aus diesen Tagen verdient, der Vergessenheit entrissen zu werden. Am 16.6.1919 hatte die "Times" eine offizielle Nachricht mit dem Inhaltsauszug aus einer Verhandlung mit der deutschen Regierung veröffentlicht, nach dem diese "under the proviso of an financial arrangement" bereit sei, nicht nur die in Scapa Flow befindlichen Schiffe, sondern alle vorhandenen deutschen Schiffe zu übergeben. Im Klartext hieß dies, daß die Reichsregierung alle Schiffe zu verkaufen zu beabsichtigte. Da KAdm v. Reuter nicht bereit war, sich an diesem zweiten Verkauf einer deutschen Flotte im Laufe von sechs Jahrzehnten zu beteiligen, forderte er in einem Funkspruch die deutsche Regierung auf, sofort ihn, seine Offiziere und die höheren Beamten abzulösen und den Verkauf durch zivile Sonderbevollmächtigte der Regierung vornehmen zu lassen. Der weitere Verlauf der Dinge überholte diese Forderung.

Da keine weiteren Befehle aus Deutschland eintrafen, mußte KAdm v. Reuter mit dem 21.6.1919 als dem entscheidenden Tag rechnen, daher erging an diesem Tag um 11 Uhr der Befehl zur Versenkung.

Die Situation für die Versenkung war um so günstiger, als am Vormittag das britische Wachgeschwader, es war das II. unter Sir Sidney Fremantle, zusammen mit fast allen Zerstörern auslief und lediglich 2 Zerstörer und zahlreiche bewaffnete Drifter zurückblieben. Nach Lage der Dinge mußte der deutsche Admiral annehmen, daß das britische Geschwader alsbald zurückkehren und die deutschen Schiffe besetzen würden.
Das beginnende Sinken der deutschen Flotte rief die Briten schnell zurück. Ändern konnten sie an dem Geschehen im wesentlichen aber nichts mehr. Bereits die in der Bucht zurückgeblieben britischen Schiffe hatten versucht zu retten, was noch zu retten war. Durch kopfloses Schießen auf die in Booten von Bord gehenden unbewaffneten deutschen Besatzungen waren 9 Mann getötet worden. Die englischen Großschiffe hatten nur insofern einen Teilerfolg, wo sich der Untergang der deutschen Schiffe verzögerte.

Das nun einsetzende Nachspiel zum Untergang der deutschen Flotte entspach in seiner Methodik des Tatsachenverdrehens dem Vorspiel von Scapa Flow.
Bereits der britische Admiral Fremantle, auf dessen Flaggschiff Revenge KAdm v. Reuter im Laufe des Nachmittag des 21.6.1919 wurde, zeigte mit dem Vorwurf der "treatchery" deutlich seinen Ärger darüber, daß ihm der erhoffte Triumph, die kampfunfähigen deutschen Schiffe zu dem von ihm bzw.der britischen Admiralität gewünschten Zeitpunkt in Besitz nehmen zu können, entgangen war. Die Tatsache sämtliche deutsche Besatzungsangehörige, trotz des inzwischen (am 24.6.1919) unterzeichneten Friedensvertrages in "Kriegsgefangenschaft" in verschiedene Lager gebracht wurden, zeigte weiter die britische Verärgerung.Daß sie sogar von der festgelegten Zurückführung aller anderen deutschen Kriegsgefangenen aus England zunächst ausgeschlossen wurden, rundet das Bild ab. An der britischen Handlungsweise gegenüber diesen Männern, die doch nur auf Befehl gehandelt hatten, änderte sich auch nichts, als KAdm v. Reuter in persönlichen Briefen an den britischen Premierminister Lloyd George darauf hinwies, daß er ganz allein die Verantwortung für den Versenkungsbefehl trage, keinen Befehl dazu von der deutschen Admiralität erhalten habe und völlig selbstständig nach den für einen von der Heimat abgeschnittenen deutschen Seebefehlshaber geltenden Verpflichtungen ghandelt habe. Erst im Januar 1920 schlug für Offiziere und Besatzungen die Befreiungsstunde. Am 31.1. 1920 traf der Heimkehrertransport in Wilhelmshaven ein.

Abschließend ist festzustellen, daß man in Deutschland bis auf einen kleinen Teil der Bevölkerung die Selbstversenkung der deutschen Flotte in Scapa Flow begrüßt hat...der späterhin so umstrittene Ehrbegriff hatte damlas noch eine andere Bedeutung.

Die Gefallenen von Scapa Flow
KK Walter Schumann; Kommandant Linienschiff Markgarf
Oberbootsmannsmaat Hermann Dittmann; Linienschiff Markgraf
Signalmaat Hans Hesse; Linienschiff Bayern
Heizer Karl Bauer; Linienschiff Kronprinz Wilhelm
Torpedomaschinist Wilhelm Markgraf; Torpedoboot V126
Torpedoobermaschinistenmaat Gustav Funkrath; Torpedoboot V126
Torpedoobermaschinistenmaat Friedrich Beicke; Torpedoboot V126
Torpedoheizer Karl Funk; Torpedoboot V127
Maschinistenanwärter Kuno Evertsberg; kleiner Kreuzer Frankfurt

Quelle: Tei1-3
Die deutschen Kriegsschiffe - Biographien von 1815 bis zur Gegenwart;
Biographie kleiner Kreuzer Emden; Band 2; Seite 71 ff


 
@Köbis, vielen Dank für deine Informationen zum Thema, das mir bis dato nur in Grundzügen bekannt war. An den Tippfehlern sieht man, dass du nicht einfach irgendwas kopiert hast. Dementsprechend hier meine Schriftfarbe... :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Scapa Flow und Versailler Vertrag

In meiner Büchersammlung gibt es über ein Detail unterschiedliche Interpretationen.

Interpretation 1:
Bis zum 21.06.1919 hätten die Friedensverhandlungen in Versailles Deutschland eine Flotte zugestanden, deren Rückgrat die 4 Linienschiffe der Nassau-Klasse sowie der 4 Schiffe der Helgoland-Klasse (sechs davon in Dienst, zwei weitere in Reserve) gewesen wären. Durch die Selbstversenkung des deutschen Internierungsverbandes in Scapa Flow hätten die Alliierten diverse Nachforderungen erhoben. Dadurch wären auch die vorstehend genannten 8 Linienschiffe der deutschen Marine verloren gegangen

Interpretation 2:
Die Friedensverhandlungen in Versailles hätten dem Deutschen Reich zum Zeitpunkt der Selbstversenkung nur eine Indiensthaltung von 6 Pre-Dreadnoughts (Preußen-Klasse als auch Deutschland-Klasse / zwei weitere davon in Reserve) zugestanden. Die Einheiten der Nassau-Klasse sowie die Helgoland-Klasse wären in Eigentum des Deutschen Reiches verblieben, hätten aber abgewrackt werden müssen. Deshalb hätte die Selbstversenkung des Internierungsverbandes die Marine nicht geschwächt, sondern die Fahnenehre hochgehalten

Bei den Kleinen Kreuzern ist das Ergebnis unstrittig. Durch die Selbstversenkung gingen auch die verbleibenden modernen Einheiten (Straßburg, Stralsund, Graudenz, Regensburg, Pillau und Königsberg II) verloren. Aber wie verhält es sich mit den Linienschiffen?
 
Zuletzt bearbeitet:
In meiner Büchersammlung gibt es über ein Detail unterschiedliche Interpretationen.
Interpretation 1:
Bis zum 21.06.1919 hätten die Friedensverhandlungen in Versailles Deutschland eine Flotte zugestanden, deren Rückgrat die 4 Linienschiffe der Nassau-Klasse sowie der 4 Schiffe der Helgoland-Klasse (sechs davon in Dienst, zwei weitere in Reserve) gewesen wären. Durch die Selbstversenkung des deutschen Internierungsverbandes in Scapa Flow hätten die Alliierten diverse Nachforderungen erhoben. Dadurch wären auch die vorstehend genannten 8 Linienschiffe der deutschen Marine verloren gegangen

Interpretation 2:
Die Friedensverhandlungen in Versailles hätten dem Deutschen Reich zum Zeitpunkt der Selbstversenkung nur eine Indiensthaltung von 6 Pre-Dreadnoughts (Preußen-Klasse als auch Deutschland-Klasse / zwei weitere davon in Reserve) zugestanden. Die Einheiten der Nassau-Klasse sowie die Helgoland-Klasse wären in Eigentum des Deutschen Reiches verblieben, hätten aber abgewrackt werden müssen. Deshalb hätte die Selbstversenkung des Internierungsverbandes die Marine nicht geschwächt, sondern die Fahnenehre hochgehalten

Bei den Kleinen Kreuzern ist das Ergebnis unstrittig. Durch die Selbstversenkung gingen auch die verbleibenden modernen Einheiten (Straßburg, Stralsund, Graudenz, Regensburg, Pillau und Königsberg II) verloren. Aber wie verhält es sich mit den Linienschiffen?

Schau hier in diesen Thread, da wurde schon jede Menge zu Scapa Flow geschrieben:

Vor dem Juni 1919 kann nicht genau definiert werden, wie sich die alliierten die Bestimmungen der deutschen Flotte vorstellten.

Es gab bis zum diesen Zeitpunkt nur einen Waffenstillstand, der begrenzt war. Die deutsche Flotte wurde unrechtmäßig in britischen Gewässern interniert und war auch solang deutsches Eigentum. Da zwischen der Führung des Flottenverbandes und dem Rest der Welt keine Verbindung bestand, denn diese wurde von den Briten bewußt unterbunden, konnte Reuter nicht einschätzen, ob der Waffenstillstand Endet und wieder in Kampfhandlungen mündet, oder ob der Waffenstillstand dauerhaft sein wird. Darauf hin hat Reuter nach den bestehenden Regelwerk für die Hochseeflotte in solch einen Fall die Selbstversenkung angewiesen, da er mit der Wideraufnahme der Kampfhandlungen rechnete und die Hochseeflotte in diesen Fall allerdings kampfunfähig wäre.

Ob man bei den Alliierten schon ein Konzept vorliegen hatte, was mit der Flotte geschehen soll wäre interessant zu erfahren. Die Angaben im Versailler Vertrag beziehen sich auf die Selbstversenkung der modernen Einheiten der Hochseeflotte und stellen in meinen Augen einen Racheakt diesbezüglich dar. Die meisten Schiffe und Technik, die nach 1919 noch beschlagnahmt wurde, ist nur zum Schrotthändler gewandert, einen wirklichen Nutzen hatten vor allen die Briten nicht davon.
 
Köbis
Vor dem Juni 1919 kann nicht genau definiert werden, wie sich die alliierten die Bestimmungen der deutschen Flotte vorstellten.
Der Friedensvertrag wurde am 07.05.1919 den deutschen Hauptdelegierten in Versailles übergeben. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Internierungsverband noch auf der Wasseroberfläche in Scapa Flow.

In der endgültigen Version des Versailler Vertrages wurde in Artikel 185 die Auslieferung der 4 Linienschiffe der Nassau-Klasse und der 4 Einheiten der Helgoland-Klasse festgelegt. Jetzt müsste man nur Zugriff auf die Version vom 07.05.1919 haben und schon wäre meine Frage gelöst.

Link auf den endgültigen Vertragstext (leider wurde hier genau der Artikel 185 verhunzt) documentArchiv.de - Versailler Vertrag, Art. 159-213 (28.06.1919)

Köbis
Da zwischen der Führung des Flottenverbandes und dem Rest der Welt keine Verbindung bestand, denn diese wurde von den Briten bewußt unterbunden, konnte Reuter nicht einschätzen, ob der Waffenstillstand Endet und wieder in Kampfhandlungen mündet, oder ob der Waffenstillstand dauerhaft sein wird. Darauf hin hat Reuter nach den bestehenden Regelwerk für die Hochseeflotte in solch einen Fall die Selbstversenkung angewiesen, da er mit der Wideraufnahme der Kampfhandlungen rechnete und die Hochseeflotte in diesen Fall allerdings kampfunfähig wäre.
Korvettenkapitän Dr. Louis Leisler Kiep war für die Marine sowohl in der Waffenstillstandskommission in Spa als auch in der Friedensdelegation in Versailles. Dr Kiep schreibt zu Scapa Flow:
... Die besorgte Anfrage des Admirals von Reuter aus Scap Flow mußte mit zweideutigen Worten auf verschlungenen Wegen beantwortet werden, aber diese prächtige deutsche Seemann verstand auch das Unklarste, da er es verstehen wollte und auch keine andere Nachricht richtig verstanden hätte!
Bleibt die Frage ob Dr. Kiep hier Geschichtsklitterung betreibt oder es von Reuter eigentlich egal war, ob nun die Reichsregierung den Friedensvertrag annahm oder nicht. Nach Kieps Aussage hätte von Reuter auf jeden Fall die Fahrzeuge des Internierungsverbandes versenkt.

Quelle: "Drei Kleine Kreuzer" von Fritz Otto Busch
 
Vor dem Juni 1919 kann nicht genau definiert werden, wie sich die alliierten die Bestimmungen der deutschen Flotte vorstellten.

Mir liegt auch nicht die Fassung vom 7.5.1919 vor, aber im Rückschluß würde ich es als unwahrscheinlich ansehen, dass die Option erwogen wurde, der Deutschen Marine die 8 Nassaus und Helgolands zu belassen.

Aus folgenden zwei Gründen, die mE dem entgegen stehen und für unveränderte Regelungen sprechen:

1. die Bestimmung des umfanges der Reichsmarine mit 15.000 Mann, darunter maximal 1.500 Offiziere und Decksoffiziere. In diese Marine passen die 8 Schlachtschiffe mit ihrer Personalbindung einfach nicht hinein.

2. die Neubauten-Tonnage, mit 10.000 Tonnen für "Schlachtschiffe", angepaßt an die veralteten 6 Linienschiffe, nicht an die größeren Schlachtschiffe.


Dazu paßt folgendes Zitat vom 20. Mai 1919, Kiel:
"Deutschlands Seemacht zu vernichten durch eine so unerhörte Verkümmerung unserer schwimmenden Streitkräfte, dass diese einer vollständigen Auflösung gleichkommt. ..."
Gouvernements- und Stations-Tagesbefehl, Kundgebung der gesamten Marinegarnison zu den Friedensbedingungen am 22. Mai 1919.

Das Zitat ist unpassend, wenn die Hälfte der Schlachtflotte mit 2 Geschwadern, 8 Schlachtschiffen, hätte verbleiben können.

Aus der Entstehungsgeschichte des Versailler Vertrages ist mir nichts bekannt, dass es nach dem Entwurf eine Verschärfung durch Wegfall der 8 Helgoland/Nassau gegeben hätte.
 
silesia
... aber im Rückschluß würde ich es als unwahrscheinlich ansehen, dass die Option erwogen wurde, der Deutschen Marine die 8 Nassaus und Helgolands zu belassen.
Kann ich mir auch nicht vorstellen. Mit dem I. Geschwader wäre die Deutsche Marine Russland/Sowjetunion und Italien überlegen und gegenüber Frankreich gleichwertig gewesen (wenn man die Normandie-Klasse außen vor lässt).

Wenn aber die Deutschen zu dem Abwracken dieser acht Linienschiffe vertraglich verpflichtet waren, dann hat die Marine durch die Selbstversenkung des Internierungsverbandes moralisch gewonnen und materiell nicht gravierend verloren. Ob nun der Gegenwert des Altmetalls in deutschen oder alliierten Taschen floss, wird dem kaiserlichen Marineoffizier nicht wirklich interessiert haben. Der gerade neu ernannte Finanzminister Erzberger sah es natürlich anders und seufzte nach Bekanntwerden der Selbstversenkung: "daß das uns mal wieder etwas kosten würde"
 
(wenn man die Normandie-Klasse außen vor lässt).

Wenn aber die Deutschen zu dem Abwracken dieser acht Linienschiffe vertraglich verpflichtet waren, dann hat die Marine durch die Selbstversenkung des Internierungsverbandes moralisch gewonnen und materiell nicht gravierend verloren.

1.) Die Normandie-Klasse kann nicht nur außen vor gelassen werden, sie ist nicht zu erwähnen, da diese Schiffe nie fertig gestellt wurden, genauso wenig wie die deutsche Sachsen und Württemberg oder die Schlachtkreuzer der Mackensen-Klasse usw.

2.) Zur Internierung ist zu sagen oder besser die Frage zu stellen, was die Alliierten eigendlich mit der deutschen Hochseeflotte geplant hatten, denn das man sich in einem britischen Hafen selbst versenken würde, war im Vorfeld nicht bekannt. Wenn hier schon Regelungen bestanden haben sollen, dann ist zu beachten, daß gerade bei kleineren Marinen, wie Frankreich und Italien z.B., ein enormer Zuwachs an Schlachtschifftonnage bestanden hätte.
Die Bestimmungen bzüglich der deutschen Flotte waren klar, sie sollte vernichtet und auf ein unbedeutendes Maß reduziert werden. Da glaube ich kaum, daß man ein ganzes Geschwader bestehen hätte lassen. Allerdings würde ich die Kampfkraft der Nassau-Klasse sowie der Helgoland-Klasse nicht überbewerten, die Schiffe waren 1919 ebenfalls total veraltet, vor allem im Bezug auf die Antriebe.

Was bei der Selbstversenkung als moralischen Gewinn darstellt, entzieht sich meiner Kenntnis. Reuter hat ihr nur nach dem Regelwerk der Hochseeflotte in solchen Situationen gehandelt.

Und ein Abwracken in deutschen Häfen, hätte für einige finanzielle Mittel gesorgt. So war alles teuer in Deutschland gebaut und dannach "wechgeschmissen".
 
Versuche, Zielschiff, Abwracken. Das haben auch die "kleineren" Japan und Frankreich so gemacht.

Ebend nicht nur, so fuhren auch kleine Kreuzer der kaiserlichen Marine noch lange Zeit unter französischer Flagge.

Die Schiffe die übergeben wurden, waren ja damals schon "altes Eisen", die taugten für nicht mehr viel.

Aber wenn ich an die "Iron Dog" denke und auch die restlichen Schlachtkreuzer oder die modernen Einheiten der König-Klasse, sowie die Bayern und Baden, die neuen kleinen Kreuzer und die großen Torpedoboote?
Sicherlich, für Großbritannien wäre keines der Schiffe gefahren, aber die kleineren Marinen hätten den ein oder andern Zuwachs in ihrer Flotte erhalten.

Wie man mit Beuteschiffen seine Flotte nachhaltig auffüllen kann, hat Japan nach dem russisch-japanischen Krieg eindrucksvoll gezeigt.
 
Zurück
Oben