excideuil
unvergessen
Hier muss man allerdings strikt trennen zwischen den (ex-)"polnischen" und "russischen" Gebieten Russlands; nicht alle mochten unter den Fittichen von Muetterchen Russland leben, sondern fuehlten sich eher zur polnisch-franzøsischen Sache hingezogen. (Und wurden dann enttæuscht)
Gruss, muheijo
Du sprichst es an, wobei sich die Frage stellt, welchen realen Hintergrund hatte denn die Hoffnung der Polen?
Wenn man die Masse der Nichtfranzosen gegen Rußland betrachtet, ist es kaum glaubhaft, dass N. mit den Polen anders verfahren wäre z.B. bei seinen Gedankenspielen Richtung Indien ...
Aber zurück zum Thema:
Blut ist dicker als Wasser.
Eine Erklärung gibt es bei Willms:
"Die schwindelerregende Standeserhöhung des Zweitältesten zum Kaiser der Franzosen drohte dem Clan den letzten Rest von Verstand und Selbstbescheidung zu rauben. Die Mitglieder hatten sich immer an Napoleons Rockschöße geklammert und obwohl sie mit Ausnahme Luciens nichts zum jähen Aufstieg zu Macht und Reichtum beitrugen, dennoch stets davon profitiert. Den mit Abstand größten Gewinn strich Joseph ein, der deshalb glaubte, besonders großspurig auftreten zu können; auch die Schwestern oder der abwechselnd von Melancholie und Eifersucht geplagte Louis standen mit Prätentionen keineswegs zurück. Abgesehen von Jérôme, dem Jüngsten, der noch nicht wie seine Geschwister der Geldgier und dem Wohlleben verfallen war, lebten sie alle in dem falschen bewußtsein, durch eigene Anstrengung und Leistung verdient zu haben, was sie dem kaiserlichen Bruder gegenüber mit würdeloser Zudringlichkeit beanspruchten. Dass Napoleon diese lästige Begehrlichkeiten nicht energischer abwehrte, sondern stets entnervt nachgab und sie mit immer neuen und größeren Ehren und Aufgaben überhäufte, hat viel mit seinem Untergang zu tun. Für diesen Mosochismus gibt es eine naheliegende Erklärung: es war der korsische Familiensinn, jenes Pflichtgefühl, als Älterer, Stärkerer, in jedem Fall aber von früh an Erfolgreicher sich für das Fortkommen seiner Angehörigen geradezu aufopfern zu müssen. Gleichzeitig verschaffte ihm diese Fürsorge auch eine verquere Befriedigung, sein Machterlebnis besonders dem älteren Joseph gegenüber auszukosten, während er die Schwestern, die ihn regelmäßig mit ihren Tränen oder Ohnmachten erweichen konnten, bisweilen seine ganze Verachtung für das schwache Geschlecht fühlen ließ." [1]
Die Erklärung scheint mir schlüssig, denn machtpolitisch hat seine Familie ihm kaum Vorteile gebracht: Joseph in Madrid, Jérôme in Kassel ... Murat und Caroline... na, ja, mehr Sorge als Hilfe.
Na, ja, das war auch teilweise nicht nötig. Z.B. Joseph hat Madrid (fluchtartig?) verlassen und 1814 auch Paris unter völliger Verkennung der Bedeutung der Stadt für den Erhalt der Macht.Das hat aber auch eine Kehrseite. Einen Verwandten kann man nicht einfach so absägen. Ein politischer Freund lässt sich leichter aus dem Amt jagen.
Ganz anders hingegen z. B. Davout; er hat erst auf Weisung Ludwig XVIII. Hamburg geräumt.
Grüße
excideuil
[1] Willms, Johannes: „Napoleon“, Pantheon, München 2009, (2005), Seiten 385-386
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