Operationsplan gegen Großbritannien

[...]
Jährlich wurden Operationsplanungen für die Nordsee durchgeführt. [...]

Was meisnt du damit, die Übungsflotten?

Übungsgeschwader

1.6.-11.9.1873
Mai - 21.9.1874
15.3.-24.9.1875
22.5.-18.9.1876
28.5.-22.10.1877
17.5.-6.6.1878
22.5.-15.9.1879
24.5.-17.9.1880
24.5.-18.8.1881
14.5.-17.9.1882
13.5.-17.9.1883
24.4.-26.9.1884
1.8.-23.9.1885

Manövergeschwader

30.7.-23.9.1886
20.6.11.9.1887

Ab 1891 ständige Kommandos über die Frühjahr- und Herbstflotte.

usw.

oder meinst Du solche "Planspiele" wie den O. III ?

Gab es sowas auch für die Royal Navy? Wie sah die Taktik aus? Wo wollt man Angreifen? Oder doch nur devensive Aktionen, wie 1914, als Notnagel?
 
Was meisnt du damit, die Übungsflotten?

Ich meine die Operations- und Kriegsfallplanungen.

Beides - die Planungen und die von dir zitierten "Übungen" - beeinflussten sich gegenseitig. Das ist schon aus der Denkschrift IX ersichtlich, heißt es doch da einleitend: "Allgemeine Erfahrungen aus den Manövern der Herbstübungs-Flotte" (angesprochen ist die vermutlich die Herbstübung des Vorjahres, da die Denkschrift vom 16.6.1894 datiert) - Besteck, S. 125. Die Operationsbefehle wiederum basierten auf den jährlichen "Kriegsspielen", so zum Beispiel der Entwurf des letzten Operationsbefehls in Friedenszeiten von Behncke (Abteilungschef im Admiralstab), der das Kriegsspiel auf der deutschen Seite gegen die weite britische Blockade 1914 verloren hatte (Besteck, S. 67).
 
Operationsbefehle wiederum basierten auf den jährlichen "Kriegsspielen", so zum Beispiel der Entwurf des letzten Operationsbefehls in Friedenszeiten von Behncke (Abteilungschef im Admiralstab), der das Kriegsspiel auf der deutschen Seite gegen die weite britische Blockade 1914 verloren hatte (Besteck, S. 67).

Also ich möchte nicht sticheln, gell. Ich will nur hinterfragen, aber wie verträgt sich diese Kriegsspielplanung mit dem tollen Satz, Tirpitzes 1914 zu Ingenohl: Was machen Sie, wenn die nicht kommen?..

Hatte das Reichsmarineamt keine Ahnung, von dem, was die Front plante?
 
... aber wie verträgt sich diese Kriegsspielplanung mit dem tollen Satz, Tirpitzes 1914 zu Ingenohl: Was machen Sie, wenn die nicht kommen?..

Die Übungen zur See, die Kriegsspiele (harmloser Begriff für die Übungen am Tisch) und die nachfolgenden Planungen und Befehle würde ich strikt trennen, obwohl sie sich wie dargestellt beeinflußten.

Für den gedanklichen Zusammenhang ist dieses wichtig:

...der das Kriegsspiel auf der deutschen Seite gegen die weite britische Blockade 1914 verloren hatte

Die Frage von Tirpitz wird dadurch plausibel. Man könnte sagen, hier lag ein Anlaß für die Frage.
 
Aber man wusste doch schon ca. 1912, daß sich die britische Strategie von der Engen Blockade verabschiedet hatte.

Mir ist bis heute die Tatsache unverständlich, daß die Admiralität bis kurz vor Kriegsbeginn dennoch an dem Szenario festhielt.

Lag das vielleicht an der Tatsache, daß die gebauten dt. Kriegsschiffe nur auf dieses eine Szenario ausgelegt waren?
Wollte man so schon vor dem Krieg, die Unfähigkeit der Hochseeflotte vertuschen. Immerhin hatte man der Bevölkerung und dem Reichstag Millarden an Geldern aus dem Kreuz geleiert, mit der Begründung, die Flotte stelle dass wichtige politische Gleichgewicht dar, was man in einem Krieg gegen die größte Seemacht (Grioßbritannien) benötigte. Und als der Krieg dann doch mit den Briten entbrannte, stellte man fest, daß die Flotte nur ne stumpfe Waffe, für Erpressung und vermeindliches Druckmittel in Friedenszeiten dienlich war, aber mehr auch nicht.

Viel Luft um nichts oder besser gesagt, das ganze Geld zum Fenster oder Bullauge rausgeschmissen?
 
Köbis17 schrieb:
Viel Luft um nichts oder besser gesagt, das ganze Geld zum Fenster oder Bullauge rausgeschmissen?
Als polemische Äußerung ja in Ordnung - aber entspricht nicht der Realität. Wo kamen wir denn her?

1864? Die Dänen errangen die Seeherrschaft und die K.K-Marine musste Tegetthoff mit einem Marineverband in die Nordsee entsenden um den Dänen Paroli zu bieten.

1866:
Die Österreicher hatten mit der italienischen Flotte genug zu tun und so entfiel für die preußischen Flotte in diesem Kriege eine ernste Bewährung

1870?
Frankreich hatte die zweitgrößte Marine nach Großbritannien. Die französischen Pläne sahen eine Landung von 30.000 Mann in Dänemark vor. Dieser Truppentransport sollte durch 14 Panzerschiffe geschützt werden. Damit sollte Dänemark zu einem Kriegseintritt auf französischer Seite bewegt und dadurch eine Nordfront gegen den Norddeutschen Bund eröffnet werden. Lediglich die schnellen Erfolge der Koalitionstruppen gegen Frankreich zu Lande verhinderten den Plan. Die 30.000 Mann mussten - anstatt verschifft zu werden - an die Front in Frankreichs Osten verschoben werden. Trotzdem wurde sowohl die Ostseeküste als auch die Nordseeküste von französischen Marineverbände blockiert. Die Norddeutsche Flotte blieb in einer defensiven Position mit gelegentlichen Ausfällen aus ihren Häfen

Und 1914/1918:
Die Ostsee blieb weitgehend in deutscher Hand. Der äußerst bedeutsame Eisenerzimport aus Norwegen via Schweden lief weitgehende ungestört. Ein Nachschub für Russland über die Ostsee wurde verhindert. Dänemark blieb im Kriege neutral, obwohl dessen Sympathie auf Entente-Seite lag. Die Flotte leistete das, was sie konnte. Sie schützte die deutsche Küste, sie beherrschte - mit einer materiellen Unterlegenheit auf dem Kriegsschauplatz - gegen die Russen die Ostsee.

Im Prinzip war es schon mit Kriegseintritt der Briten der Seekrieg für die Mittelmächte verloren. Aus dieser Situation machte man auf deutscher Seite noch das beste. Der Krieg konnte nur durch die Landstreitkräfte gewonnen werden. Die Seestreitkräfte konnten den Krieg nur verlieren.
 
Also ich möchte nicht sticheln, gell. Ich will nur hinterfragen, aber wie verträgt sich diese Kriegsspielplanung mit dem tollen Satz, Tirpitzes 1914 zu Ingenohl: Was machen Sie, wenn die nicht kommen?..

Hatte das Reichsmarineamt keine Ahnung, von dem, was die Front plante?

So kann man das auch nicht sehen, :)
aber im Prinzip kommt es doch wieder darauf heraus.:scheinheilig:

Die Marineführung kann man so absolut nicht mit dem Generalstab des Landheeres vergleichen. Es gab ständige Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Marinebehörden, jeweils entschieden durch Wilhelm.

Der Admiralstab, verantwortlich für die Operationsplanung, hatte keinerlei weitere Kompetenz, wurde von Tirpitz sogar vom Informationsfluss über die anderen Marinen abgehängt.
Es gab zuwenige Marineoffiziere mit entsprechenden Fähigkeiten, und die Flotte schnappte sich die besten.
Man darf nicht vergessen, dass innerhalb 20 Jahren, ohne dass vorher viel dagewesen wäre, eine riesen Flotte aufgebaut wurde. In der Zeit lagen dann auch noch technologische Veränderungen in ganz erheblichem Ausmaß, was ja auch verarbeitet und umgesetzt werden will.
 
Ach so, die Pläne.

Es gab natürlich Pläne, so plante man zB während des Burenkriegs einen Überraschungsangriff auf die britische Flotte in der Themsemündung, und eine anschließende Landung in Südengland.
Dann gab es Planungen für eine Versammlung der Flotte im Kattegatt, von der Ostsee kommend. Von dort aus dann ein Angriff auf den Nordteil der britischen Flotte.

Dann sind die Überlegungen Karl Galsters anzuführen, der schon 1907 einen Seekrieg mit Kleinkampfmitteln und U-Booten gegen England im Kriegsfall andachte. Was zu dem Zeitpunkt Tirpitz als Sakrileg wertete.

Aber nochmals, man darf diese Überlegungen und Planspielchen in keiner Weise mit denen des Generalstabs des Heeres vergleichen. Weder war da ein Primat über die Politik vorhanden, noch sind die auch nur eine Absichtserklärung der gesamten Marineführung.

Was, und das kann ich mir jetzt einfach nicht verkneifen, eine Schlaglicht auf die Marineplanungen für zB eine Kriegführung jenseits des Atlantiks wirft.
Spielereien ohne jede Relevanz.
 
Die Marineführung kann man so absolut nicht mit dem Generalstab des Landheeres vergleichen.
Wer sollte diesen Vergleich angestellt haben?

Der Admiralstab, verantwortlich für die Operationsplanung, hatte keinerlei weitere Kompetenz, wurde von Tirpitz sogar vom Informationsfluss über die anderen Marinen abgehängt.
So ist das zu einfach gestrickt.
Der letzte Operationsbefehl in Friedenszeiten mündete in den Operationsbefehl vom 30.7.1914, dessen genaue operative Auswirkungen und Prämissen zwar umstritten, dessen Relevanz für die Kriegsführung allerdings wohl nirgends in der Literatur ernsthaft in Zweifel gezogen wird. Der "Gedanke" von Tirpitz vom Feb. 1896 - Transvaal-Krise, siehe unten - mündete übrigens in den ersten amtlichen Operationsbefehl des Oberkommandos (später dann Admiralstab) [wo sind relevante Auswirkungen in der "Abhängung" vom Informationsfluss zu sehen?]

Ach so, die Pläne.
Es gab natürlich Pläne, so plante man zB während des Burenkriegs einen Überraschungsangriff auf die britische Flotte in der Themsemündung, und eine anschließende Landung in Südengland.
Dann gab es Planungen für eine Versammlung der Flotte im Kattegatt, von der Ostsee kommend. Von dort aus dann ein Angriff auf den Nordteil der britischen Flotte.
Pläne ist schwammig formuliert.

Der zitierte "Plan" stammt als "Idee" von Tirpitz, geäußert gegenüber Stosch im Brief vom Februar 1986 (anläßlich Transvaal-Krise, nicht dagegen: Burenkrieg) (1)

Der "Plan" (bzw. die Idee) birgt die Brücke zwischen Dienstschrift IX und Risikotheorie, und ist - um den Kontext darzustellen - kaum mehr als ein Ausdruck von Verzweiflung bzgl. der aktuellen Seelage 1896, vor dem weiteren Hintergrund des deutscherseits bekannten "Three Admirals Report" und der absehbaren britischen Flottenrüstung. Immerhin wirft er ein Schlaglicht auf die navalistische Prägung von Tirpitz, da von ihm eine interessante Begründung für diesen Vorläufer des Opferplanes vom Oktober 1918 gleich mit geliefert wird: Der "Stratege" Tirpitz setzte auf die "Panik in der City", auf die von dort und durch die Handelsinteressen geleitete englische Politik (-> S. 116), und versteigt sich übrigens auch in der "Beschießung" [der City = London].

Die "Idee" hatte Folgen in zweierlei Hinsicht:
a) modifiziert im amtlichen Operationsplan 1896, der 1897 wieder gekippt wurde
b) in der Überleitung auf die Flottengesetze, als ein Ausgangspunkt der Marinerüstung neben anderen (Dienstschrift IX etc.).

Die "Idee" wurde von Rödel in der Weise interpretiert, dass sie Auftakt der Rüstung und Risikotheorie darstellt, sonst nichts. Lambi und folgend Besteck stellen die Quelle (nicht die konkrete Operations"idee") als Ausgangspunkt der Überlegungen zum Seekrieg gegen Großbritannien dar, betonen die
a) "Amtlichkeit" einerseits durch die Tatsache des Briefes von Tirpitz an Stosch,
b) die Anlehnung des Operationsplanes des Oberkommandos.
c) den Funktionsmechanismus iVm weiter britischer Blockade wiederholt Tirpitz April 1907 anläßlich der Haager Konferenzen
d) die "Idee" ist Grundlage der 1897 für den Kriegsfall angenommenen Einsatzgebiete "südliche Nordsee" (was dann den Bauplan der Torpedoboote bestimmte, mit den ihnen zugewiesenen begrenzten Reichweiten; diese Waffenart war im Kontext bereits durch die Dienstschrift IX "recht eigentlich" zum Schlachtflottenkern gerechnet worden)



(1) Berghahn/Deist: Rüstung im Zeichen derr Wilhelminischen Flottenpolitik, S. 114 ff., Brief Tirpitz vom 13.2.1896.
 
Zuletzt bearbeitet:
In Anlehnung an die Zeit der Ausarbeitung von Operationsplänen Mitte der 1890iger Jahre, habe ich hier die Aufstellung der britischen Kriegsschiffe aus dem Jahr 1894 vorliegen. Schon allein diese gewaltige Übermacht, verdeutlicht doch, daß die strategische Ausrichtung der kaiserlichen Marine anhand der Mahan´schen Lehre über die Wichtigkeit der Seeherrschaft niemals in Richtung der 1.Seemacht Großbritannien zielen konnte. Auch wenn es der Wunschgedanke Tirpitz´s war.

Commissioned ships of the Royal Navy circa 1894
 
Zurück
Oben