Hast du eine Quelle, dass das ein "Untergrundkrieg" gewesen sein soll?
Statt einer Quelle wird jetzt vermutlich Keller "Schuldfragen" kommen.
Dazu Zitate aus zwei gegensätzlichen Rezensionen.
Die erste ist kurz und insgesamt sehr positiv, da heißt es:
Ein kritischer Punkt ist Kellers Bewertung der Rolle der belgischen Regierung. Für die These, dass der Einsatz von Franktireurs gegen die deutschen Invasionstruppen von der Regierungsspitze sorgfältig geplant gewesen sein könnte, finden sich zwar durchaus beachtenswerte Hinweise. Ein schlüssiger Nachweis gelingt jedoch nicht und dürfte auch schwer zu erbringen sein.
Wolfgang Mährle, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 77 (2018)
Die zweite ist ausführlich und negativ:
Denn dass es vereinzelt zu Attacken belgischer Zivilisten kam, ist ja unbestritten und gerade im Zusammenhang der vier von Keller behandelten Tötungskomplexe nicht unwahrscheinlich. Doch Keller geht es mehr noch um den Nachweis, dass es eine »planmäßig orchestrierte Intervention von Franktireurs« gab (S. 167). Der Beweisführung dient ein eigenes Kapitel (S. 217–254), in dem sich Keller sogar zu der These versteigt, es sei zu einem – man beachte die Wortwahl – »heimtückischen Zusammenspiel von Armee, Bürgerwacht, Einwohnern« und zuweilen selbst den katholischen Geistlichen gekommen, das auch zu »Gräueltaten« der Zivilisten gegen deutsche Soldaten geführt habe (S. 241). Zuverlässige Quellen für diese weitreichenden Behauptungen kann Keller nicht vorlegen. Dies ist ihm auch bewusst, denn am Beispiel Löwen vertritt Keller einfach die These, »dass es konzertierende Maßnahmen gegeben haben m u s s« [Hervorhebung im Original], da ja nach seinem Dafürhalten »kein Zweifel mehr an umfänglichen Löwener Franktireuraktionen bestehen kann«. Deshalb gebe eine »Zitatensammlung« deutscher Soldatenaussagen »plausible Rechenschaft über die Orchestrierung des Zivilwiderstands« (S. 91). Solche Aussagen sind unschwer als reines Wunschdenken erkennbar. Sie beruhen nicht auf seriöser Forschung, sondern zeigen das Keller leitende geschichtspolitische Interesse an, eine grundlegende Exkulpation des wilhelminischen Militärs durchzusetzen. Auch die von Keller mit großer Emphase herangezogene – und bereits mehrfach umfassend kritisierte – Studie von Alfons Fonck aus dem Jahr 1931 über die »Schrotschüsse in Belgien« belegt keineswegs, dass ein »orchestrierter Franktireurkrieg« existierte (S. 177). Listete sie doch ganze 157 Schrotverwundungen deutscher Soldaten auf – bei einer Gesamtzahl von etwa 2000 von deutschen Truppen besetzten Gemeinden –, von denen viele wiederum aller Wahrscheinlichkeit nach auf das Konto der Garde Civique gingen. Die Argumentation Kellers steht und fällt mit der Zuverlässigkeit der von ihm präferierten Quellen, d. h. der Aussagen der deutschen Soldaten im Weißbuch und vor dem Reichsgericht. Eine systematische Quellenkritik nimmt Keller nicht vor. Zu dieser gehört unter anderem die en passant auch von ihm selbst eingeräumte Möglichkeit, dass die Zeugen vor dem Reichsgericht ihre Aussagen absprachen (S. 152), dass sie wahrheitswidrige Aussagen auch unter Eid machten – und vor allem die in der Forschung wohlbekannte Tatsache, dass sowohl die Vorbereitung des Weißbuches als auch die Prozesse in Leipzig dem Ziel dienten, zur Entlastung der deutschen Armee von dem Vorwurf völkerrechtswidriger Gräueltaten beizutragen. Die von Keller intendierte »Rehabilitation« der Aussagen deutscher Soldaten ist somit komplett gescheitert. Es mutet zudem befremdlich an und entspricht nicht den Regeln seriöser wissenschaftlicher Argumentation, dass Keller in seiner permanenten Polemik gegen die Benutzung belgischer Quellen durch Horne und Kramer nirgendwo erwähnt, dass deren Thesen in erster Linie auf deutschen Quellen basieren: nämlich auf den zahlreich überlieferten zeitgenössischen Feldpostbriefen, Tagebüchern und archivalisch überlieferten Truppenakten, in denen die Täter über ihre Motive für die völkerrechtswidrige Tötung von Zivilisten Zeugnis ablegten. Dies sind immer noch die besten Quellen für die zur Debatte stehenden Zusammenhänge. Von Keller werden sie nirgendwo erwähnt.
Benjamin Ziemann, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 77,2 (2018)