Phys. & psych. Folgen des Krieges (z.B. Kriegszitterer)

vielen dank! hat mir auf jeden fall weiter geholfen, dass ich ein paar konkretere sachen hab, nach denen ich suchen kann :)
 
@Repo

Es wurden aber Veröffentlichungen verhindert, z.B das Buch von Arthur Kronfeld - Psychologische und neurologische Erfahrungen als Frontarzt Privatdruck Springer, Berlin, wurde Ende 1918 von der Militärbehörde nicht zur Veröffentlichung freigegeben.

Die Detail-Kenntnis habe ich natürlich nicht.

Aber in den 60ern gehörten die noch zum Straßenbild, 2 kannte ich mit Namen. einer hatte einen schwarzen Pudel, wenn er mit dem irgendwo gestanden ist, die Leine hat die ganze Zeit fürchterlich gezuckt. Der Pudel muss Nerven gehabt haben wie Drahtseile.

Die wären "verschüttet" gewesen hieß es damals.
 
Empfehlen kann ich hierzu noch Dr. Magnus Hirschfelds "Sittengeschichte des Weltkrieges", herausgegeben 1930, ein Werk in 2 Bänden, in dem er sich u.a. mit den Problemen der körperlich und seelisch verkrüppelten Soldaten während und nach der Kriegszeit befasst.
 
Auch keine Fachliteratur, aber "Der Weg zurück" von Remarque (Quasi Fortsetzung von "Im Westen nichts neues") beschreibt diese Problematik.

Einer erschießt sich auf einem Soldatenfriedhof
Einer schießt auf einen Nebenbuhler
Probleme mit Frauen die irgendwann Fremd gegangen sind

So ohne weiteres kommt keiner mit dem Leben zurecht.


Fällt mir noch ein:
Aus der Regional-Geschichte weiß ich, dass es im Januar 1919 eine Verordnung (keine Ahnung von wem) gab, dass Frauen und Mädchen in Betrieben zu entlassen waren, und an ihrer Stelle heimkehrende Soldaten einzustellen waren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Damit, das Versehrte oder auch "Kriegszitterer" mit leichterer Behinderung Teil des öffentlichen Alltags waren, hast Du sicher recht.
Interessant wäre zu erfahren, was mit jenen passierte die Ulrich im o.a. link wie folgt beschreibt:
"Oder gehörte er womöglich zu jenen "Kriegszermalmten", jenen "Menschen ohne Gesicht" die in einem jener geheimnisumwitterten Lazarette lebten, verborgen im Schwarzwald oder in der Großstadt Berlin?"
(Vielleicht ist aber bei der Beschreibung der Journalist mit ihm durchgegangen)

Gruß

Cisco
 
(Vielleicht ist aber bei der Beschreibung der Journalist mit ihm durchgegangen)

Nein, leider nicht. Es gibt in der Tat Bilder von Soldaten, die zwar mit dem Leben davongekommen sind, aber durch Verletzungen im Gesicht in der Tat entstellt waren. Ich weiss leider nicht mehr, wo ich das gesehen habe - erinnere mich auch nicht so gerne dran.

Gruss, muheijo
 
"Oder gehörte er womöglich zu jenen "Kriegszermalmten", jenen "Menschen ohne Gesicht" die in einem jener geheimnisumwitterten Lazarette lebten, verborgen im Schwarzwald oder in der Großstadt Berlin?"

Vom "hören-sagen" kenne ich das auch. Aber aus dem Allgäu.
"Ein Mensch der noch aus Rumpf und Kopf besteht, ohne Gesicht, lediglich eine Öffnung aus der es den ganzen Tag schreit."

Mein Großonkel ist im März 1918 an der Somme bei einem Sturmangriff spurlos verschwunden, was meine Großmutter sehr belastet hat, deshalb hat mein Großvater in den 20ern bei überlebenden Kameraden von ihm nachgeforscht, ergebnislos, hatte dabei aber mit so einer "Schweige-Abteilung" eines Lazarettes Kontakt, wo anscheinend mehrere Fälle vegetierten.
 
kriegsveteranen ausgesucht und wie der staat mit ihnen umgegangen ist, also was es für psychologische hilfe gab oder resozialisierugs/intergrationsmaßnahmen.

Neben der von Cisco genannten Literatur kann ich noch nennen:

  • Ewald Frie: Vorbild oder Spiegelbild? Kriegsbeschädigtenfürsorge in Deutschland 1914-1919. In: Der Erste Weltkrieg, Hg. Michalka (Liz. 1997), S. 563-580
  • A. Kerschensteiner: Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenenversorgung. In: HWB Staatwissenschaften, Bd. 5 (1923), S. 959-970
Sehr viel Material gibt es natürlich bei den Verbänden (und in der Literatur über diese), insbesondere: Reichsbund der Kriegsbeschädigten, Kriegsteilnehmer und Kriegerhinterbliebenen (heute: Sozialverband Deutschland e.V.), Zentralverband Deutscher Kriegsbeschädigter und Kriegerhinterbliebener e.V.

im Januar 1919 eine Verordnung (keine Ahnung von wem) gab, dass Frauen und Mädchen in Betrieben zu entlassen waren, und an ihrer Stelle heimkehrende Soldaten einzustellen waren.
Ist mir nicht präsent, wohl aber, dass durch die Verordnung über die Soziale Kriegsbeschädigten- und Kriegshinterbliebenenfürsorge vom 08.02.1919 (RGBl. S. 187) erstmals die rechtliche Verpflichtung, auch für private Betriebe, geschaffen wurde, Behinderte - und damit auch Kriegsopfer - zu beschäftigen (vgl. auch das Reichsversorgungsgesetz [1920] und das preußische Krüppelfürsorgegesetz [1920]).
 
Es gibt in der Tat Bilder von Soldaten, die zwar mit dem Leben davongekommen sind, aber durch Verletzungen im Gesicht in der Tat entstellt waren.

Solche Bilder findet man unter anderem in:
Ernst Friedrich: Krieg dem Kriege, OA 1924, Neuauflage bei Zweitausendeins 1980, dort S. 205-227. Unter dem Bild eines Soldaten, dem ein Teil des Gesichts weggeschossen wurde, das schöne Hindenburg-Zitat: "Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur" (S. 226).
 
Nein, leider nicht. Es gibt in der Tat Bilder von Soldaten, die zwar mit dem Leben davongekommen sind, aber durch Verletzungen im Gesicht in der Tat entstellt waren. Ich weiss leider nicht mehr, wo ich das gesehen habe - erinnere mich auch nicht so gerne dran.

Dafür kenne ich ein Buch mit entsprechenden Bildern, wirklich keine von den schönen Erinnerungen, aber die Realität des Krieges.


  • Friedrich, Ernst (1924): Krieg dem Kriege. Neuauflage 1980 von Zweitausendeins, Frankfurt am Main.
ISBN konnte ich leider nicht finden, obwohl ich das Buch vorliegen habe.

Oh, jschmidt ist mir wohl knapp zuvorgekommen, da habe ich wohl noch geschrieben.
 
Das erinnert mich jetzt sehr an den auch verfilmten Roman Johnny zieht in den Krieg den Metallica in One weiterverarbeitet haben.
 
Im I. WK gab es - seit der Erfindung des Schießpulvers - erstmalig ein funktionierendes, organisiertes Sanitätswesen. Die Mediziner versorgten die Verwundeten in fast 400 Feldlazaretten, gegen Kriegsende waren sogar fast 600 solcher mobilen Sanitätsstationen im Einsatz. Von den 200 000 Krankenschwestern, die unter Lebensgefahr die Verletzten versorgten, hatten sich viele freiwillig gemeldet. Die Verwundeten sollten so schnell wie möglich zurück an die Front. Auch eine schwere Verletzung sollte nicht, wie früher, gleichbedeutend sein mit dem Verlust des Soldaten und mithin seiner Kampfkraft.
Im Feldzug gegen Frankreich 1870/71 waren 90 Prozent aller preußischen Soldaten, die eine Schussverletzung mit Knochenbruch erlitten hatten, einen so genannten Schussbruch, kurz darauf gestorben. Im Unterschied zu den früheren Kriegen, bei denen die meisten Soldaten von Gewehrkugeln getroffen wurden, rissen jetzt zerberstende Artilleriegranaten die schlimmsten Wunden. 85 Prozent aller Schussverletzungen des I. WK stammten von solchen Geschossen - mit verheerendem Resultat: Das Gewebe wurde weit stärker zerfetzt als durch herkömmliche Munition, die Wunden meist noch mit Dreck vom Schlachtfeld infiziert. Es wurden erstmals Wundinfektionen mit Medikamenten wie Tetanus- Antitoxin bekämpft, zudem achteten die Ärzte mehr auf Hygiene. Neue Operationsmethoden ermöglichten komplizierte Amputationen. Die wiederum nur Dank der Entwicklung der Narkosetechnik möglich wurden.

Die Gesichtschirurgie steckte noch in den Anfängen. Zwar versuchten Ärzte, zertrümmerte Kiefer mit Knochenteilen aus dem Unterarm der Opfer und Metallschienen zu richten, weggeschossene Nasen mit Hilfe von Rippenstücken und Elfenbeinpfropfen aufzubauen. Doch selten gelangen überzeugende Korrekturen. Die Ärzte experimentierten auch mit Gesichtsmasken aus Gummi, Wachs, Zelluloid oder Gelatine. Bei fehlender Nase wurde so ein Ersatzteil an den Rändern der Nasenhöhle eingehängt, bei einem fehlenden Ohr am Brillengestell befestigt. Für Armamputierte schufen Spezialisten gar ein makabres Panoptikum von Ersatzgliedern: Kunstarme, an deren Ende stählerne Zangen, Haken oder Messer, manchmal sogar Bügeleisenhalter, befestigt waren. Die Transplantate wurden meist abgestoßen oder führten zu Entzündungen. Im Jahr 1916 gelang dem Chirurgen Ferdinand Sauerbruch, damals Oberstabsarzt, eine medizinische Sensation: Er entwickelte eine Unterarmprothese, den so genannten Sauerbruch-Arm. Das Bahnbrechende daran: Die nach einer Amputation im Stumpf verbliebenen Muskeln und Sehnen wurden genutzt, um eine künstliche Hand zu bewegen.
Es trat gleich zu Kriegsbeginn ein Phänomen auf, das es früher so nicht gegeben hatte: Die gewaltigen Detonationen, das Inferno eines teilweise 24-stündigen Trommelfeuers, zerrütteten die Psyche Tausender Soldaten bis zum Kollaps. Manche Männer wälzten sich in Krämpfen, andere konnten nicht mehr aufhören zu zittern. Der Anblick der "Schüttler", die anfangs vereinzelt, später häufiger in der Heimat auftauchten, wandelte vielerorts die anfängliche Kriegsbegeisterung der Zivilbevölkerung in Entsetzen.
Es wird von ca. 200 000 solcher "Kriegsneurotiker" gesprochen, die während des Kriegs in den Lazaretten und Sanatorien versorgt wurden. Denn zumindest organisch, daran gab es kaum einen Zweifel, schienen die Männer kerngesund. Und während anfangs noch Wasserkuren verordnet und Dienstbefreiungen gewährt wurden, reagierten die Ärzte mit zunehmender Kriegsdauer immer rigider. Die Nervenkranken galten jetzt als Drückeberger und Feiglinge. Manche Ärzte traktierten die beargwöhnten Patienten mit Elektroschocks, nahmen dabei auch Todesfälle in Kauf. Mit dem Ziel, die Kranken förmlich zur Gesundung zu zwingen. Wenn sie nur energisch genug wollten, so die damalige Theorie, könnten sie durchaus aufhören zu zittern. Die Therapie geriet so zu einem Kampf zwischen Arzt und Patient.
Gruß Urvo

 
@muheijo

Das "(Vielleicht ist aber bei der Beschreibung der Journalist mit ihm durchgegangen)" bezog sich auf "geheimnisumwitterte Lazarette".

Gruß

Cisco
 
Es wird von ca. 200 000 solcher "Kriegsneurotiker" gesprochen, die während des Kriegs in den Lazaretten und Sanatorien versorgt wurden. Denn zumindest organisch, daran gab es kaum einen Zweifel, schienen die Männer kerngesund. Und während anfangs noch Wasserkuren verordnet und Dienstbefreiungen gewährt wurden, reagierten die Ärzte mit zunehmender Kriegsdauer immer rigider. Die Nervenkranken galten jetzt als Drückeberger und Feiglinge. Manche Ärzte traktierten die beargwöhnten Patienten mit Elektroschocks, nahmen dabei auch Todesfälle in Kauf. Mit dem Ziel, die Kranken förmlich zur Gesundung zu zwingen. Wenn sie nur energisch genug wollten, so die damalige Theorie, könnten sie durchaus aufhören zu zittern. Die Therapie geriet so zu einem Kampf zwischen Arzt und Patient.

Diese sogenannte "Kaufmann-Kur" (Elektroschocks) war eine zeitlang die Regel, man sollte aber nicht unerwähnt lassen, das auch andere Behandlungsmethoden (u.a. Psychoanalyse) angewandt wurden.

Literatur u.a.:

Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 1/06
Theo Meißel: Freud, die Wiener Psychiatrie und die "Kriegszitterer" des Ersten Weltkriegs

Vanja, Christina und Siefert, Helmut (Hrsg.): "In waldig-ländlicher Umgebung...". Das Waldkrankenhaus Köppern: Von der agrikolen Kolonie der Stadt Frankfurt zum Zentrum für Soziale Psychiatrie Hochtaunus. Euregio Verlag, Kassel 2001, 334 Seiten, ISBN: 3-933617-08-1, 44, 80 DM
(darin ein längeres Kapitel über die Behandlung von Kriegszitteren)

Gruß

Cisco
 
Am 16. November 1918, morgen vor 90 Jahren, sind die heimkehrenden Soldaten (zumindest ein paar davon) durch einen geschmückten "Triumphbogen" in meinen Lebensmittelpunkt eingezogen.

Begrüßt von Bürgermeister, Gemeinderäten, Stadtkapelle, Bürgerschaft und "Ehrenjungfrauen"
Im Felde unbesiegt.
 
Hat nicht Friedrich Ebert hatte die heimkehrenden Truppen in Berlin mit der Aussage begrüßt, das diese im Felde unbesiegt geblieben sind.
 
Hat nicht Friedrich Ebert hatte die heimkehrenden Truppen in Berlin mit der Aussage begrüßt, das diese im Felde unbesiegt geblieben sind.


Hat er, zweifellos und nachgewiesen.

Die Soldaten wussten es aber besser.
Die haben dann auch nicht mehr viel Trara gemacht, innerhalb von 2 Tagen hatte sich die Berliner Garnison selbst demobilisiert.
Sind nach Hause gegangen, die Probleme der Zeit anpacken.
(Das einfache Volk hat in verworrenen Zeiten oft eher den klaren Blick, als die Politiker, die meinen sie müssten in solchen Situationen den Militärs Zucker irgendwohin blasen)
 
Kriegszitterer

Wieso kam es eigentlich durch den 1. Weltrkrieg zum viel beachteten Aufkommen der Kriegszitterer, während über vergleichbare Krankheiten nach dem 2. Weltkrieg nichts bekannt ist.
 
Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Es muss am Stellungskrieg liegen, mit tagelangem Trommelfeuer. Vor Offensiven gab es zwar im Zweiten Weltkrieg ähnliche Artillerieeinsätze (Oderfront), aber die währten allenfalls ein paar Stunden. Zudem waren die Fronten meist in Bewegung.
 
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