Ich möchte mich noch zum Terminus Ritter ein wenig auslassen.
Zunächst haben wir das germanische Kriegertum, eher "befusst" als beritten, zumindest was die fränkischen Krieger anging; die Bewaffnung der vorkarolinigischen Zeit spricht auch dafür, dass berittene Krieger zum Kampf absaßen, das Pferd war also noch Transportmittel. Erst mit der Übernahme der
Steigbügel (über Byzanz, von den
Awaren), die einen festeren Sitz im Sattel ermöglichten, entwickelten sich auch in West- und Mitteleuropa neue Kampfesweisen, die "Kavallerie" bildete sich heraus. Karl der Große erhöhte in Gesetzen der Jahre 807 und 808 die Anzahl der Hufen (ein Flächenmaß) welches die Krieger besitzen mussten, um am Krieg teilzunehmen. Dies verursachte eine soziale Verschiebung. Karl der Große unterschied noch zwischen Freien und Hörigen. Die militärische Schlagkraft der Franken hatte zunächst auf den freien Bauern (gegenüber den Unfreien/Hörigen) gelegen. Im Laufe der Entwicklung des fränkischen Reiches bedurfte es aber der Entwicklung einer Reiterei, da die Wege zu den Reichsgrenzen immer weiter wurden. Das war mit herkömmlichen Bauernheeren kaum mehr zu schaffen. Mit der zunehmenden
Kavallerisierung und den oben angesprochenen Gesetzen KdGs wurden die Freien - insbesondere die ärmeren Freien - zunehmend zurückgedrängt. Stattdessen nahmen reiche Unfreie ihre Position ein: Die Vasallen. Der Terminus
Vasall ist vom keltischen
gwas ('Knecht') abgeleitet.
Vasallus und
miles werden bald gleichbedeutend, wohingegen der
rusticus abgewertet wird; die
neue soziale Trennlinie ist nicht mehr
frei -
unfrei sondern
wehrhaft -
nicht wehrhaft. So ist es auch nur eine Frage der Zeit, dass die Vasallen auch sozial aufsteigen und es selbst für die Nobilität keine Schande mehr ist, ein Vasall zu sein; der Begriff hat also eine bedeutsame semantische Verschiebung hinter sich.
Mit dem Wegbrechen des straken karolingischen Königtumes, insbesondere in Südfrankreich, kommt es dann seit dem späten 9. Jahrhundert zu immer häufigeren Fehden, denen insbesondere die wehrlose Bevölkerung ausgesetzt ist. Hier tritt dann die Kirche (insbesondere das
Kloster Cluny) auf den Plan und verkündet die Idee der
Gottesfriedensbewegung. Das hieß im Klartext: die Kirche versuchte zunächst durch Ermahnungen und Androhung jenseitiger Strafen, Adelige zum einlenken zu bewegen; außerdem durfte von Donnerstagabend bis Montagmorgen nicht gekämpft werden. Fruchtete dies nichts, schickte die Kirche selbst Ritter in den Kampf, welche die Friedensbrecher stellen und bekämpfen sollten. Hier erst beginnt
das wahre Rittertum,
das sich vom berittenen Kriegertum
absetzt. Diese Ritter waren Werten verpflichtet, hatten einen Ethos, wovon auch die reichhaltige Literatur dieser Zeit zeugt. Und es kommt zu einem sozialen Aufstieg und später wiederum zu einem sozialen Niedergang des Rittertums. Die Ritteridee wird so populär in Europa, dass der zunächst niederadelige berittene Kriegerrang für die höchsten Ränge populär wird. So lädt Friedrich Barbarossa zum Hoftag 1188 in Mainz. Es hat damals relativ viele Anlässe gegeben, z.B. war ein Kreuzzug zu planen, aber der offizielle Höhepunkt war die Schwertleite seiner Söhne.
Das hohe Ansehen des Rittertums führte aber bald dazu, dass man Ritter und Knappen an ihren Sporen unterschied. So durften Ritter
goldene, Knappen nur silberne
Sporen tragen. Dies wiederum führte dazu, dass der Rang des Ritters kostspieliger wurde, weshalb viele Knappen - obwohl sie de facto Ritter waren: sie kämpften, hielten sich an da Ethos etc. - niemals die Schwertleite erhielten, eben weil sie sich die verteuerte Ausrüstung nicht leisten konnten. Dies war, genauso wie das Turnier, eine Perversion der ursprünglichen Ritteridee.
Eine recht späte Entwicklung, aber im Einklang mit dem Ritterethos, ist im Übrigen der berühmte
Ritterschlag. Hierbei wurde der angehende Ritter geohrfeigt. Schlug er zurück, war er des Rittertums nicht würdig. Ist so etwas formalisiert, passieren solche Manifestationen der Unbeherrschtheit allerdings auch nicht.
Hector, der Ritter ohne Furcht und Tadel hat es somit eigentlich nie zum Ritter geschafft.