Re-Gallisierung?

Auch die Schlacht am Frigidus läßt sich bei näherer Betrachtung kaum als eine religiöse Auseinandersetzung interpretieren.

Das ist eben der Punkt, an dem "sich unsere Geister scheiden", ich denke, dass es sehr wohl (in erster Linie) ein Religionskrieg war, nur wenige Jahre nach den einschneidenden antiheidnischen Edikten Theodosius', an denen Ambrosius von Mailand "vermutlich massgeblich beteiligt" war. Ein Indiz sind eben auch die an ihn gerichteten Drohungen gleich vor der Schlacht, plus die auf den Pässen aufgestellten Jupiterstatuen.

Also ich würde mal die beiden Sichtweisen und Argumente so stehen lassen, wer daran interessiert ist, kann sich ja selber in das Thema vertiefen.
 
Auf der einen Seite haben wir Kaiser Theodosius I., der im Osten regierte und im Einvernehmen mit Kaiser Gratianus regiert hatte. Auf der anderen Seite haben wir im Westen Arbogast und seine Marionette Kaiser Eugenius, den er nach dem dubiosen Tod von Kaiser Valentinianus II. nach eigenem Gutdünken zum Kaiser erhoben hatte. Damit hatte er gegen Theodosius' Anspruch auf die Oberherrschaft im ganzen Reich verstoßen, zumal dieser seinen ältesten Sohn Arcadius bereits zum Mitkaiser erhoben hatte und seinen jüngeren Sohn ebenfalls als Mitkaiser vorsah. Für Theodosius war das nicht hinnehmbar, und so kam es zum Krieg.

Dass die Schlacht am Frigidus im Nachhinein auch als Gottesurteil gesehen wurde, bestreite ich nicht. Man sollte aber trotzdem nicht übersehen, dass auf beiden Seiten Christen und Heiden kämpften.
 
Auf der einen Seite haben wir Kaiser Theodosius I., der im Osten regierte und im Einvernehmen mit Kaiser Gratianus regiert hatte. Auf der anderen Seite haben wir im Westen Arbogast und seine Marionette Kaiser Eugenius, den er nach dem dubiosen Tod von Kaiser Valentinianus II. nach eigenem Gutdünken zum Kaiser erhoben hatte. Damit hatte er gegen Theodosius' Anspruch auf die Oberherrschaft im ganzen Reich verstoßen, zumal dieser seinen ältesten Sohn Arcadius bereits zum Mitkaiser erhoben hatte und seinen jüngeren Sohn ebenfalls als Mitkaiser vorsah. Für Theodosius war das nicht hinnehmbar, und so kam es zum Krieg.

Hatte Theodosius Anspruch auf die Oberherrschaft im ganzen Reich? Es war ja keine Erbmonarchie, und der Senat hatte da auch ein Wort mitzureden. Warum sollte sich Rom von Konstantinopel diktieren lassen, wer in der eigenen Reichshälfte Kaiser sein darf?

Den damals 9-jährigen Honorius berief Theodosius kurz vor der Schlacht am Frigidus (im Januar 393) zum Augustus für den Westen. Zuvor (im August 392) hatte aber bereits der Senat in Rom Eugenius als Kaiser anerkannt, also könnte man eher Theodosius einen "Usurpator" nennen, und nicht Eugenius.

"Im Frühjahr 393 verlegte Eugenius seine Residenz nach Mediolanum (heute Mailand). Bald verstärkten sich auch die Kontakte zu einer Gruppe einflussreicher heidnischer Senatoren. Diese hatten die Anerkennung des Eugenius als Kaiser im Senat durchgesetzt. An der Spitze dieser heidnischen Senatoren stand der bekannte Politiker und Gelehrte Virius Nicomachus Flavianus, der sich vehement für die traditionellen Götterkulte einsetzte."
aus: Eugenius – Wikipedia

Dass die Schlacht am Frigidus im Nachhinein auch als Gottesurteil gesehen wurde, bestreite ich nicht. Man sollte aber trotzdem nicht übersehen, dass auf beiden Seiten Christen und Heiden kämpften.

Und "Häretiker" wie die Arianer! Das ergibt sich wohl am ehesten aus den diversen "Loyalitätsverpflichtungen" dem Kaiser gegenüber. Die arianischen Goten z.B., die Theodosius als Foederaten angesiedelt hatte, hatten sich im Gegenzug zum Wehrdienst verpflichtet. Und auf Desertation standen ja harte Strafen.
 
Hatte Theodosius Anspruch auf die Oberherrschaft im ganzen Reich?
Mir geht es doch gar nicht darum, wer im Recht war, sondern nur darum, dass es - entgegen Deiner Ansicht "dass es sehr wohl (in erster Linie) ein Religionskrieg war" - bei diesem Konflikt in erster Linie um Macht ging.

Aber um auf Deine Frage einzugehen: Nach dem Tod von Valentinianus II. war Theodosius I. (abgesehen von seinem minderjährigen Mitkaiser Arcadius) der einzig verbliebene Kaiser. (Er selbst war einst von Kaiser Gratianus als Mitkaiser anerkannt worden und somit "legitim".) Da das Reich formal ungeteilt war - und Theodosius nach dem Tod Valentinians somit Kaiser des Gesamtreiches -, war es schon problematisch, wenn im Westen von einem Heermeister ein neuer Kaiser eingesetzt wurde. Einen "Anspruch" auf einen eigenen Kaiser hatte der Westen nicht.
 
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Aber um auf Deine Frage einzugehen: Nach dem Tod von Valentinianus II. war Theodosius I. (abgesehen von seinem minderjährigen Mitkaiser Arcadius) der einzig verbliebene Kaiser. (Er selbst war einst von Kaiser Gratianus als Mitkaiser anerkannt worden und somit "legitim".) Da das Reich formal ungeteilt war - und Theodosius nach dem Tod Valentinians somit Kaiser des Gesamtreiches -, war es schon problematisch, wenn im Westen von einem Heermeister ein neuer Kaiser eingesetzt wurde. Einen "Anspruch" auf einen eigenen Kaiser hatte der Westen nicht.

Der neue Kaiser im Westen - sprich Eugenius - war aus dem alten römischen Senatsadel und wurde vom Senat eingesetzt! Ob ihn nun Arbogast vielleicht vorgeschlagen hat, spielt weniger eine Rolle - er wurde vom Senat in Rom, das noch fast ausschliesslich heidnisch war, bestätigt und anerkannt.
Gut, das letzte Wort hatte wohl der Kaiser, und rein rechtlich war also doch Eugenius der Usurpator.

Warum es in erster Linie ein Religionskrieg war, habe ich nun schon mehrmals dargelegt:
Unter Eugenius wurden kurzzeitig die traditionellen Kulte wieder begangen, die Römer und der mehrheitlich wenn nicht ausschliesslich noch heidnische Senat lehnten die antiheidnischen Gesetze Theodosius' ab. Wen wundert's?
Über die drakonischen Strafen, Schliessung aller Tempel usw. habe ich ja schon berichtet und kann man nachlesen, und dass dadurch heidnisches Leben verunmöglicht wurde.
Dann haben wir die Drohungen gegen Ambrosius kurz vor der Schlacht und eben die Aufstellung der Jupiterstatuen auf den Pässen - ich wiederhole mich zum x-ten Male.

Es ging Rom also um die Wiedereinführung der traditionellen Kulte und Ablehnung der neuen, durch drakonische Gesetze aufgezwungenen "Religion".

Dass dies immer auch mit Macht und Ämtern und Prestige zu tun hatte - auf beiden Seiten - ist wohl klar, aber das waren schliesslich alle Religionskriege, und dann dürfte man konsequenterweise nie von einem Religionskrieg sprechen.

Wie schon gesagt:
Also ich würde mal die beiden Sichtweisen und Argumente so stehen lassen, wer daran interessiert ist, kann sich ja selber ein Bild davon machen.
 
Zu der Eingangsfrage nach dem Wildschwein im (fiktiven) Wappen von Soissons:
Das geht vermutlich zurück auf eine gallische Münzprägung mit Eber / Wildschwein (sanglier), Kugeln und Torques, die hier als Potin aus der Gegend von Soissons bezeichnet wird:
 
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Zu der Eingangsfrage nach dem Wildschwein im (fiktiven) Wappen von Soissons:
Das geht vermutlich zurück auf eine gallische Münzprägung mit Eber / Wildschwein (sanglier), Kugeln und Torques, die hier als Potin aus der Gegend von Soissons bezeichnet wird:
Danke vielmals!
Da kann man sogar so etwas wie ein Wildschwein erkennen, mit Wald (?) dahinter und dem Torques links davon.
Das ist nun einen Solidus wert! danke.
 
Das sind die Wildschweinborsten. Ohne die wäre dieses unförmig-zoomorphe Wesen kaum als Wildschwein anzusprechen.

Ich will noch mal darauf hinweisen, dass diese Münze datiert ist auf 60 - 30 v. Chr.
Ja, habe eben vorhin "Soissons sanglier" gegoogelt, und da kamen gleich mehrere Bilder von ganz ähnlichen Münzen (hätte auch selber drauf kommen können, mit dem franz. "sanglier" zu suchen ...) und auf diesen ist es deutlicher, dass es in der Tat Borsten sind. - Schon klar, dass sie von vor unserer Zeitrechnung sind.

potin sanglier 2.jpg
 
Screenshot 2025-02-17 at 22-08-59 Arverner Fraktion - Total War Rome II - Royal Military Academy.png

Das Widschweinwappen ist eine Kopie aus dem bekannten Strategiespiel Rom II von Creative Assembly...
Symbol für die spielbare Fraktion Arverner. Tut mir leid. Sehr wahrscheinlich ein Fantasieprodukt, inspiriert
von der "Wildschwiensymbolik" der eisenzeitlichen Keltike in Gallien.
 
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Die Wildschweinsymbolik wurde nicht nur für Münzbilder verwendet. Im militärischen Zusammenhang sind viele kleine Statuetten zu sehen,
die Teil von Kriegsstandarten waren, zum Beispiel das Wildschwein von Soulac sur Mer https://upload.wikimedia.org/wikipe...allein_Keltenmuseum_-_Feldzeichen_cropped.jpg
Wahrsicheinlich aus der gallorömischen Epoche (vom 1.Jahrhundert vor Chr bis 1.Jahrhundert n.Chr. ) ist das große Wildschwein aus dem Schatzfund von Neuvy en Sullias, zu sehen im Musée Historique et Archéologique de l'Orléanais. File:Orléans - musée d'histoire, trésor de Neuvy (11).jpg - Wikimedia Commons

Über den Aufstellungsort dieser lebensgroßen Bronzeskultur gibt es mehrere Hypothesen, durchgesetzt hat sich die Annahme, dass die dreißig Bronzestatuen zu einem Kultensemble gehören, aus einem oder mehreren gallischen Tempeln stammen, und sorgfältig versteckt wurden.
Verlockend für diese Interpretation ist die Verortung von Neuvy-en-Sullias im "Gebiet der Karnuten", nahe zum Oppidum Cenabum (Orléans), in dem der große gallische Aufstand begann, das Gebiet,(Cäsar b.g. 6,13) das als Mitte Galliens gelten würde, in dem einmal jährlich zu einer bestimmten Jahreszeit an einem heiligen Ort von den Druiden Gericht gehalten wird.
 
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Anhang anzeigen 24261
Das Widschweinwappen ist eine Kopie aus dem bekannten Strategiespiel Rom II von Creative Assembly...
Symbol für die spielbare Fraktion Arverner. Tut mir leid. Sehr wahrscheinlich ein Fantasieprodukt, inspiriert
von der "Wildschwiensymbolik" der eisenzeitlichen Keltike in Gallien.
Ja, da hat man mich gleich in den ersten Beiträgen darauf aufmerksam gemacht; das erklärt, warum ich das "Wappen" sonst nirgends finden konnte …

Die Wildschweinsymbolik wurde nicht nur für Münzbilder verwendet. Im militärischen Zusammenhang sind viele kleine Statuetten zu sehen,
die Teil von Kriegsstandarten waren, zum Beispiel das Wildschwein von Soulac sur Mer https://upload.wikimedia.org/wikipe...allein_Keltenmuseum_-_Feldzeichen_cropped.jpg
Wahrsicheinlich aus der gallorömischen Epoche (vom 1.Jahrhundert vor Chr bis 1.Jahrhundert n.Chr. ) ist das große Wildschwein aus dem Schatzfund von Neuvy en Sullias, zu sehen im Musée Historique et Archéologique de l'Orléanais. File:Orléans - musée d'histoire, trésor de Neuvy (11).jpg - Wikimedia Commons

Über den Aufstellungsort dieser lebensgroßen Bronzeskultur gibt es mehrere Hypothesen, durchgesetzt hat sich die Annahme, dass die dreißig Bronzestatuen zu einem Kultensemble gehören, aus einem oder mehreren gallischen Tempeln stammen, und sorgfältig versteckt wurden.
Verlockend für diese Interpretation ist die Verortung von Neuvy-en-Sullias im "Gebiet der Karnuten", nahe zum Oppidum Cenabum (Orléans), in dem der große gallische Aufstand begann, das Gebiet,(Cäsar b.g. 6,13) das als Mitte Galliens gelten würde, in dem einmal jährlich zu einer bestimmten Jahreszeit an einem heiligen Ort von den Druiden Gericht gehalten wird.

Von diesem Hort hatte ich noch nie gehört, sind ja zum Teil wunderschöne Skulpturen, besonders das Pferd - ich konzentriere mich momentan zwar mehr auf die Spätantike, aber um diesen Fund und seine Geschichte bin ich sehr froh. Danke Dir vielmals!
 
Von diesem Hort hatte ich noch nie gehört
Und von diesem auf Jersey?
Der Faden ist zwar schon 11 Jahre her, aber die Fotos (bissel Beiträge scrollen) zeigen, wie der Hort seinerzeit untersucht wurde.

ich konzentriere mich momentan zwar mehr auf die Spätantike
Spätantike ist ein prima Gebiet! Bin schon gespannt auf neue Fäden.
 
Der neue Kaiser im Westen - sprich Eugenius - war aus dem alten römischen Senatsadel und wurde vom Senat eingesetzt! Ob ihn nun Arbogast vielleicht vorgeschlagen hat, spielt weniger eine Rolle

Ich lese eigentlich überall nur, dass Eugenius von Arbogast als Kaiser eingesetzt wurde. Im fernen Gallien und offensichtlich ohne den römischen Senat zu fragen.

Eugenius muss dem Arbogast als guter Kandidat erschienen sein, denn a) hatte er gute Kontakte zur Senatsaristokratie und b) war er Christ und hatte ein gutes Verhältnis zu Ambrosius ("cui honorem [...] privato detulerim corde intimo" - "dem ich [schon vor der Erhebung zum Kaiser] als Privatperson von innerstem Herzen Ehre entgegengebracht habe", schreibt Ambrosius im oben erwähnten Brief).


Dann haben wir die Drohungen gegen Ambrosius kurz vor der Schlacht

... die uns, wie schon mehrfach geschrieben, nur Paulinus von Mailand auftischt.

"Diese Bemerkung ist vielmehr der gegen Eugenius gerichteten Propaganda zuzurechnen und war wohl nicht mehr als ein übler Scherz, der die mailändischen Christen in Schrecken versetzen sollte. Dafür, dass die Aussage nicht ernst zu nehmen war, spricht die Tatsache, dass sich unter Eugenius' Gefolge viele Christen befanden. Selbst bei Arbogast ist nicht auszuschließen, dass er Christ war."
Frank M. Ausbüttel, Ambrosius von Mailand - Politische Briefe, Darmstadt 2020, S. 62
 
«The only surviving textual evidence, barely a couple of lines, that tells us about life in the territories controlled by the Bagaudae, is found in an anonymous literary work entitled "Querolus" that mentions a "Bagaudic society" in Armorica in the 5th century.

This society was ruled by a code of laws (the "laws of the forest") and rules that was not imposed by Roman authority, and which was distinguished by a total rejection of all Roman legality and the desire to restore the old Celtic ways.»
aus: The Bagaudae: history's first revolutionaries? - Pablo Romero Gabella

War zu schön, um das nicht noch kurz hier einzustellen.

Morgen wird mir eine längere Übersetzung "reinschneien", also werde ich eine Zeitlang nicht mehr dazukommen, mich hier zu beteiligen.
Danke für all Eure Beiträge!
 
Nachdem die Herkunft des im ersten Beitrag eingestellten "Wappens" weitgehend geklärt ist, lässt sich noch ergänzen, dass im 18. Jh. mit ähnlicher Fantasie das Wildschwein im Wappen der Stadt Benevento in Italien erklärt wurde und vielleicht dem Designer des angeblichen Soissons-Wappens Inspiration war, zumindest was das beigefügte SPQR anbelangt.
Cinghiale_di_Benevento_incisione_XVIII_sec.jpeg

In Benevento wurde in der Renaissance aus einem Hausschwein, welches auf einer im Kirchturm verbauten Spolie dargestellt war, durch Beifügung einiger Borsten kurzerhand der kalydonische Eber, ein Wildschwein aus der griechischen Mythologie, welches auch schon mal römische Münzen geziert hatte.

Nicht jedes römische Wildschwein stammte aus Gallien (und für mich als Lehre: kalydonisch ungleich kaledonisch;)).
 
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