U
Das verstehe ich nicht.
Ein althochdeutsches Wort wird durch ein anderes althochdeutsches Wort ersetzt - wo wäre da der Hinweis auf einen "romanischen Sprachbereich"?
Es könnte ja sein, dass das althochdeutsche *wīhs 'Dorf' ("das in gotisch weihs 'Dorf', 'Flecken' eine Entsprechung besitzt") schon bald nach dem 6. Jahrhundert außer Gebrauch kam und durch das gleichbedeutende dorf ersetzt wurde. Aber was hätten Romanen damit zu tun?
Wir kennen Deine Meinung - Du berücksichtigst aber nicht, dass das ahd. wihs wohl aus dem lateinischen entlehnt ist. Die Römer unterschieden zwischen städtischen Gebäuden
(aedes) und ländlichen
(villa bzw. villae). Es handelt sich um einen "Funktionsnamen", also dem, was wir heute als "Landgut" oder "Hofgut" betiteln. Die entsprechenden Landgüter werden heute als
villa rustica (Plural
villae rusticae) bezeichnet. Und noch im Kirchenlatein des Mittelalters wurde villa neben dem Begriff "Dorf" als Bezeichnung für ein Hofgut verwendet (Reitzenstein, Lexikon bayer. Ortsnamen S. 301 zu Weindorf; 14. Jh.
"In Villa Weindorf" - Grundwort ist ahd. Dorf <Hof, Landgut, Dorf>...).
Beide Bezeichnungen "villa" wie "Dorf" waren im frühen Mittelalter für ein umzäuntes Landgut im Gebrauch. Sie waren in der Bedeutung identisch. Wenn also der ältere, ggf. unmittelbar aus dem Latein (bzw. Vulgärlatein) stammende Begriff "villa" dem germanischen Begriff "Dorf" weicht, dann kann man durchaus eine Germanisierung der Bevölkerung vermuten.
Diese Vermutung ist wohl genauso plausibel wie die Übernahme des Begriffs über das ahd. wihs, die Du präferierst.
Und es ist nun mal in der Literatur weit verbreitete Annahme, dass viele "Weil-"Orte auf eine lat. villa zurück gehen (exemplarisch Heitmeier in "Gründerzeit - Siedlung in Bayern zwischen Spätantike und frühem Mittelalter" S. 600 ff) mit Hinweis auf Weil am Lech nördlich von Landsberg (siehe auch Reitzenstein, Lexikon bayer. Ortsnamen S. 300), Baisweil an der Römerstraße Kempten-Augsburg, Groß-/Kleinweil an der Loisach, nördlich davon Sindelsdorf mit dem Weilberg
(763 "in villa quae dicitur Sindoluesdorf" - im Hofgut das Sindelsdorf genannt wird), Weilheim
(1010: Wilhaim) an der via Raetia südlich des Ammersees, Weilkirchen bei Zangberg
(788/90 ad Wila ecclesia), Weil östlich von Altomünster, Weilach bei Schrobenhausen
(12. Jhdt. Wila), Weildorf (Lkr. BGL,
788/90 als Wildorf).
Ich meine, es gibt schon zu denken, dass diese "-weil-" Orte vor allem im früherer römischen Reichsgebiet auftreten, und hier wieder gehäuft an belegten oder vermuteten römischen Straßen -
als Beispiele:
- Weilheim liegt nur wenige 100 m westlich der Römerstraße (via raetica), die Verbindungsstraße führt als zentrale Straßenachse unmittelbar in das Zentrum der Altstadt, das neben der mittelalterlichen Ummauerung auch noch einen inneren quadratischen inneren Kern aufweist BayernAtlas
- …
Und wir finden mehrfach Belege (Antdorf, Sindelsdorf, Weindorf) dass eine allgemeine "Funktionsbezeichnung"
Villa mit der "Funktionsbezeichnung"
-dorf verbunden oder durch diese ersetzt wurde, oft versehen mit dem Namen des ersten überlieferten "Dorfchefs" in germanischer oder romanischer Tradition
(Königsdorf - ca. 780 "Chumitztorf vom roman. Personenamen
Comicus) oder aber mit einem landwirtschaftlichen Produkt (Apfeldorf, Nußdorf, Weindorf ...), das wohl dort hergestellt wurde.