Rüstung und Bewaffnung des (west-)europäischen Ritters

Dieses Thema im Forum "Rittertum und Kreuzzüge" wurde erstellt von timotheus, 1. November 2005.

  1. Fulcher

    Fulcher Aktives Mitglied

    Sehr schöne & informative Beiträge, timotheus! Am besten das ganze jetzt noch ins englische übersetzen, damit ich's für ein anderes Forum bequem kopieren&einfügen kann ;)

    Ein paar Fragen hätte ich aber noch:

    Gab's nicht auch schon bei den Ottonen Nasalhelme? Allerdings habe ich 2 Abbildungen aus dieser Zeit gesehen, wo die Helme tatsächlich keinen Nasenschutz hatten.

    Hatten die Ritter des ersten Kreuzzugs nicht auch noch halblange Ärmel bei ihren Kettenhemden?

    Wie spitz waren die Schwerter der Ritter? Ich hab da verschiedenes gehört (auf manchen Darstellungen des Mittelalters wird ja nicht nur gehauen sondern auch ordentlich zugestochen :fechtduell:

    Hatten alle Schwerter des Frühen und Hochmittelalters eine Hohlklinge oder gab es da noch Ausnahmen bzw. wann wurde im 14. Jahrhundert dazu übergegangen, Klingen mit rautenförmigen Querschnitt herzustellen?

    Ist der, für das 2. Viertel des 14. Jahrhunderts angegebene Helm, nicht schon zu fortschrittlich durch seine vorne recht zugespitzte Form?

    Und abschließend - was hältst du von diesen Illustrationen:
    ......

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    [admin=off]
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 20. Mai 2008
  2. timotheus

    timotheus Aktives Mitglied

    Zu den Abbildungen aus den Osprey Hospitaller Bänden ist zu sagen, daß sie schon geeignet sind, sich Anregungen zu holen oder Figuren in historischen Dioramen zu bemalen.
    Exakt sind sie aber leider nicht, denn die Intepretationen sind etwas eigenwillig; nur folgende Punkte auf die Schnelle:
    1. Was eine Schwertaufhängung unterm Kettenpanzer bringen soll, habe ich noch nie verstanden. Und versuche einmal, das Schwert zu ziehen!
    2. Wer glaubt, man könne mit einer Mönchskutte bekleidet ein Schwert u.a. im Kampf wirklich führen, hat dies noch nie praktisch ausprobiert!
    Ansonsten sind die meisten aufgenähten Kreuze zu klein und z.T. auch falsch platziert...
     
    Zuletzt bearbeitet: 20. Mai 2008
  3. timotheus

    timotheus Aktives Mitglied

    Ich hatte noch etwas übersehen... :rotwerd:

    Danke; dennoch möchte ich Dich zunächst diesbezüglich darauf verweisen, daß Du dann Schwierigkeiten bekommen kannst - nicht unbedingt von mir, sondern wenn sonst jemandem auffällt, daß Du einfach von hier kopiert hast.
    Einen Online Übersetzer hätte ich aber für Dich: LEO Deutsch-Englisches Wörterbuch

    Nicht daß ich wüßte; meine diesbezüglichen Primärquellen waren das Sakramentar von Fulda und der Codex Perizoni aus St. Gallen - beide aus dem 10. Jh.

    Kann schon sein, daß es da auch noch halblange Ärmel gab, obwohl man bereits dazu übergegangen war, die Ärmel bis zu den Unterarmen herab zu verlängern (vgl. dazu Mosaik von St. Gereon in Köln und Relief am Dom zu Xanten - beides salische Zeit).
    So etwas muß kein Widerspruch sein, denn wie ich in anderen Mittealterthreads bereits ausführte, gab es in den Heeresverbänden meistens ein Nebeneinander traditioneller (älterer) und moderner (neuerer) Rüstung und Bewaffnung - dies gilt dann gerade auch für das 13. Jh.; siehe dazu auch Beitrag #80.

    Darüber haben wir im Thread "Schärfe der Schwerter" unter "Sonstiges im Mittelalter" lange diskutiert.
    Kurzfassung: wenn irgendwo der Ausdruck "rasiermesserscharf" fällt, ist das übertrieben; der Ausdruck "meißelscharf" trifft es wohl noch am besten.
    Die Spitze war bis ins 12. Jh. noch abgerundet und wurde bereits gegen Ende 13. Jh. zunehmend spitzer - "richtige" Spitzen zum Durchstechen finden sich dann im Spätmittelalter (nach E. Oakeshott "Records of Medieval Sword" - Woodbridge, 1991.

    Es gab bereits im Hochmittelalter beide Querschnittsformen.

    Er entspricht dem im Luttrell Psalter beim Reiterportrait abgebildeten Topf- bzw. Kübelhelm mit Klappvisier; dieses Buch wurde während der 1330er Jahre illustriert.
    Du hast insofern Recht, daß eher die Zeitangabe für den "französischen" Raum (Frankreich, England) zugrunde gelegt wurde...
     
    Zuletzt bearbeitet: 20. Mai 2008
  4. Kraft

    Kraft Neues Mitglied

    Man sollte vllt generell mal die Oakeshott-Typologie hier einführen, die auch in der Rekonstruktion mittelalterlicher Kampfkünste so gut wie Standard ist.
    Grundsätzlich unterscheidet Oakeshott zwischen zwei Typen von Schwertern:
    1. Die "Anti-Kettenhemd"-Schwerter bis zum Hochmittelalter. Schwerter mit rundem ort und breiter Klinge, gemacht für den Kampf gegen Kettenhemden.
    2. Die Schwerter aus dem Spätmittelalter sind eher spitz zulaufend, um gegen die allgemein verbreitete Platte (damit meine ich auch einzelne Teile) bekämpfen zu können. Der Ort ist klein, um in Lücken stechen zu können.

    Die Übergänge sind (wie immer) fließend.

    Oakeshott-Klassifikation – Wikipedia

    Und mit allen Schwertern wurde sowohl gestochen als auch gehauen, dass ist eben ein Vorteil von Schwerter gegnüber anderen Waffen.
     
    Zuletzt bearbeitet: 19. Mai 2008
  5. Paullus

    Paullus Neues Mitglied

    Ausrüstung der Ritter

    kann mir jemand sagen wie eigentlich so ein ritter ausgerüstet war
     
  6. timotheus

    timotheus Aktives Mitglied

    Lies bitte den Thread, an den ich Deine Neueröffnung soeben angehangen habe.
    Dies dürfte Deine Fragen zumindest in Grundzügen beantworten...
     
  7. Nakharar

    Nakharar Neues Mitglied

    Toller Beitrag!
    Wie sah denn nun die bevorzugte Kampfweise der Ritter aus: Als schwere Kanzenreiter oder abgesessen im Nahkampf?
     
  8. timotheus

    timotheus Aktives Mitglied

    Das läßt sich so einfach nicht beantworten, denn sie kämpften bekanntlich auf beide Arten.
    Es ist aber wohl schon so, daß der für Ritter ideale Kampf derjenige war, daß sie zu Pferd mit eingelegter Lanze - und nach dem ersten erfolgreichen Angriff dann zum Schwert bzw. ggf. dann auch zu Axt oder Keule/Streitkolben greifend - gegen den Gegner vorgingen.
    Natürlich aber wußten sie auch abgesessen im Nahkampf zu überzeugen; schließlich hatten sie auch dies quasi von Kindesbeinen gelernt.
    Womit Ritter jedoch nur schwer bzw. kaum umgehen konnten, waren Kampfweisen, die ihnen eher fremd bzw. zu ihrer Einstellung diametral waren: Pfeilbeschuß gegen die Pferde, Angriffe aus dem Hinterhalt etc.
     
  9. belisarius

    belisarius Neues Mitglied

    Ich wollte nach dem durchschnittlichen Gewicht einer kompletten Rüstung des Hochmittelalters fragen.
    Also eher einer Plattenrüstung, die waren damals die üblicheren, glaube ich?
    Ansonsten klasse! Was für eine Sammlung an Wissen. Darauf kann man immer wieder zurückgreifen.
    (falls ich die diesbezügliche Information übersehen habe, Asche auf mein Haupt...)
     
  10. timotheus

    timotheus Aktives Mitglied

    Erst einmal vielen Dank...

    Während des Hochmittelalters sprechen wir bzgl. Rüstung eindeutig von der Zeit der Kettenpanzer; die Plattenpanzer gehören ins Spätmittelalter.
    Einordnung der Beiträge des Threads:
    Übergang Früh- zum Hochmittelalter bzw. beginnendes Hochmittelalter -> Beitrag #3: http://www.geschichtsforum.de/119909-post3.html
    Hochmittelalter -> Beiträge #4, #5 und #7: http://www.geschichtsforum.de/119913-post4.html, http://www.geschichtsforum.de/119924-post5.html, http://www.geschichtsforum.de/119939-post7.html
    Übergang Hoch- zum Spätmittelalter -> Beitrag #11: http://www.geschichtsforum.de/119961-post11.html

    Ich hatte den Punkt des Gewichts der Rüstung schon kurz und etwas vereinfacht im parallelen Thread zu Rittern und Bogenschützen angesprochen, aber das ist kein Problem, denn hier kann und muß man es auch noch anführen - danke für den Hinweis.
    Die abgeschätzten groben Orientierungswerte:
    Hochmittelalter
    Kettenhemd (Langarm) ca. 10...12 kg
    Vollkette (Kettenhemd (Langarm), Kettenhaube/-kapuze, Kettenbeinline) ca. 17...20 kg
    Anm.: Werte ohne Helm!
    Übergang Hoch- zum Spätmittelalter
    Vollkette + Plattenrock ca. 20...25 kg
    Anm.: Werte ohne Helm!
    Spätmittelalter
    Plattenrüstung ca. 20...30 kg
    Anm.: Werte mit Helm!



    Sogleich nutze ich noch die Gelegenheit, eine Sache in meinen früheren Ausführungen zu korrigieren:

    Die durchschlagskräftigen Fernwaffen machten die Schutzwirkung des Gambeson nämlich so allgemein keinesfalls obsolet - ich erlaube mir, mich selbst zu zitieren aus http://www.geschichtsforum.de/213838-post39.html

     
    Zuletzt bearbeitet: 23. Januar 2009
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  11. KvdL

    KvdL Neues Mitglied

    Ergänzend: Im deutschen Sprachgebrauch wurde diese Steppung "Wambeis" genannt.

    Aus der Erfahrung heraus muß es ebenfalls eine Art gesteppte Panzerung unter den "îsenhosen" (Kettenbeinlingen) gegeben haben, da letztere sonst keinen Sinn machen.
    Kettengeflecht allein schützt zwar vor Schnitt- und (weniger vor) Stichwunden, mindert aber keinesfalls die auftreffende kinetische Energie, gerade hinsichtlich der empfindlichen Schienbeine.
    Meine wiegen - bei einer Länge von ca. 90 cm - ca. 1700g/ Stück

    Ab Mitte des 13. Jh. erscheinen zunehmend die sog. Diechlinge. Ein gesteppter Oberbeinschutz, der die Knie überdeckt, und über der "îsenhose" getragen wurde. Je nach Ausführung sogar mit metallenen Kniekacheln. Beide zusammen dürften mit einem geschätzten Gewicht von zusätzlichen 2500g zu Buche schlagen. Mit den erwähnten Kniekacheln auch mehr.

    Da ich hier nicht alle Kommentare gelesen habe, käme, bevor es vergessen wird, zum Helm, der Primär-, wie Sekundär-, noch die Defensivbewaffnung in Form des Schildes. Das ist allerdings allein schon von seinem Umfang und der jeweiligen Formgebung im Gewicht sehr speziell.
    Allerdings wurde wohl, da der Ritter prinzipiell ein Reiterkrieger war, auf eine leichte, aber sehr stabile Bauweise geachtet.
    Lindenholz war daher ein beliebter Baustoff, komplett überspannt von einer Schicht Rohhaut. Das gewährleistete eine minimale Belastung des zügelführenden linken Armes.
    Insofern Klärungsbedarf besteht, kann ich meinen Schild mal wiegen.
     
  12. Fulcher

    Fulcher Aktives Mitglied

    Nochmal zur Frage "spitz oder rund" - das wohl am besten erhaltene Schwert des Hochmittelalters dürfte wohl das Reichsschwert sein, welches schon sehr spitz wirkt, wenn man es auf Bildern betrachtet. Wäre das nicht ein Hinweis, dass andere Schwerter jener Epoche ähnlich geschmiedet waren?

    Bild:Reichsschwert
     
  13. timotheus

    timotheus Aktives Mitglied

    Da wäre ich vorsichtig, da die Klinge des Reichsschwerts mW mehrfach neu nachgeschliffen worden ist.
     
  14. Dienstfreak

    Dienstfreak Neues Mitglied

    War es nicht auch so, dass nicht immer mit echten Schwertern gekämpft wurde? Ich glaube mich zu erinnern, dass es auch einige Schlachten gab, in denen sich die Soldaten überwiegend mit gehärteten Holzschwertern geprügelt haben. Kann aber auch sein, dass es sich lediglich auf den bäuerlichen Teil der Armee bezog!?
    Ich hoffe ich hab diesbezüglich nichts überlesen?!?
     
  15. Bdaian

    Bdaian Aktives Mitglied

    Ich glaube du bringst da etwas durcheinander. In vielen Städten war es im Mittelalter für die Bürger Pflicht, bei bestimmten Gelegenheiten zur Übung vor der Stadtmauer zu erscheinen. Da diese Übungen öfters zu wüsten Schlägereien ausarteten, wurde in einigen Stadverordnungen um schlimmere Übel zu vermeiden, streng verboten, mit eisernen Waffen zu erscheinen. Man schlug sich also mit Holzwaffen. Das waren jedoch keine "richtigen" Schlachten.

    Daneben trifft es jedoch auch zu, dass ärmere Mitglieder des Gefolges eines Ritters sehr ärmlich ausgestatet sein konnten und eventuell nur über ein langes Messer (Hauswehr) und einen Knotenstock verfügten.
     
  16. Manuel l'Aleman

    Manuel l'Aleman Mitglied

    Eine Frage zum Streitkolben. War der Stab des Streitkobens massiv oder hohl und dickwandig? Danke.
     
  17. timotheus

    timotheus Aktives Mitglied

    Ich mag mich irren, aber soweit ich weiß, war er während des Mittelalters aus Holz und nicht hohl.
     
  18. Manuel l'Aleman

    Manuel l'Aleman Mitglied

    Ahhh, und erst spätere Modelle waren dann aus Metall nehm ich mal an. Aber mal vom zeitalter abgesehn. Waren die Metallversionen dann hohl im Stab oder massiv?
     
  19. florian17160

    florian17160 unvergessen

    Die werden schon massiv gewesen sein. Ich glaube nicht, dass die schon Rohre schmieden konnten.


    Sie konnten entweder ganz aus Metall gefertigt sein oder aus Holz mit Metallbeschlägen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Streitkolben
     
    Zuletzt bearbeitet: 11. Mai 2009
  20. timotheus

    timotheus Aktives Mitglied

    Noch einmal möchte ich vorausschicken, daß ich mich dabei irren kann...

    Sagen wir es so: der Schaft war in späteren Zeiten auch aus Metall - es gab aber in späteren Zeiten nach wie vor Streitkolben mit Holzschäften.

    Wenn ich http://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/5/50/Streitkolben.jpg richtig interpretiere, dann gab es da beide Versionen: hohl wie auch massiv...
     

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