Russland 1914: Historische Voraussetzung und der Eintritt in den WW1

1. In vorangegangenen Krisen zwischen 1905 und 1913 hat Russalnd als Großmacht dem DR bei politischen Konflikten nachgegeben wie 1908 besonders deutlich.

2. Das DR hat sich bei seiner Außenpolitik in hohem Maße nach 1890 auf militärische Macht und weniger auf diplomatisches Geschick verlassen. Das hat in Europa zu einer generellen Entfremdung, aus der Sicht des DR zur "Einkreisung" geführt.

Hierzu ein paar Anmerkungen:

1905 in der Marokkokrise Teil 1 spielte das Zarenreich keine Rolle und konnte auch gar nichts irgendetwas oder irgendwo nachgeben, da es in diesem Konflikt gar nicht direkt involviert war. Man führte und verlor Krieg in Fernost. Anzumerken ist, das Deutschland eben nicht die Abstinenz von Frankreichs Verbündeten Russland ausnutzte, um einen Krieg gegen Frankreich loszutreten. Weder der Kaiser, noch Schlieffen oder Bülow wollten den Krieg. Und es darf auch darauf hingewiesen werden, das es Frankreich gewesen war, welches die Krise letzten Endes verursacht hatte, da es sich nicht an die geltende Rechtslage gehalten hatte. Berlin "glänzte" durch eine aggressive Politik, um die Entente auseinander zu manövrieren, aber Krieg war nicht angesagt. Auch Drohung damit nicht.

Die Annexionskrise 1908/09, auch hierzu ist im Forum sehr viel dazu geschrieben worden, war durch das Zarenreich, namentlich durch den Außenminister Iswolsky, herbeigeführt worden. Deswegen spare ich mir hier die vielen Details. Russland hätte wohl nicht nachgegeben, wenn es nicht noch durch die Niederlage gegen Japan entsprechend geschwächt gewesen wäre. Und nein, Bülow hatte keine ultimative Kriegsdrohung ausgesprochen, auch wenn ein paar übereifrige Historiker das meinen, das wurde auch von Iswolsky gar nicht so verstanden. Fast die gleiche Aussage von Grey wurde schließlich auch nicht als Kriegsdrohung gewertet. Das Nachgeben war also für das Zarenreich alternativlos und kann m.E. daher nicht überbewertet werden.

1911 in der Marokkokrise Teil 2, ebenfalls durch Frankreich ausgelöst und von Deutschland hochgekocht, spielte Petersburg ebenfalls keine nennenswerte Rolle, um irgendwo nachzugeben.

Die Balkankriege 1912/13, verursacht durch die Partner des Balkanbundes, der durch Russland, namentlich durch den russischen Botschafter in Belgrad Hartwig, geschmiedet worden war, wurde durch eine kooperative Zusammenarbeit Englands und dem Deutschen Reich ohne Flächenbrand beigelegt. Russland Protege Serbien ist doch wohl sehr gestärkt aus den Kriege hervorgegangen, während Wien sehr geschwächt aus der Krise kam und das wurde in Österreich-Ungarn auch so empfunden.

Der Tripoliskrieg 1913, losgetreten durch Italien, wurde von Russland eher noch eskaliert als deeskaliert. Es war Sasonow der Italien ermutigte den Krieg auszuweiten, weil die italienische Armee in Nordafrika wieder nicht zu Rande kam.

Die Liman von Sanderskrise, verursacht durch das Deutsche Reich wurde dadurch gelöst, in dem Berlin nachgab.
 
Hierzu ein paar Anmerkungen:

Russland Protege Serbien ist doch wohl sehr gestärkt aus den Kriege hervorgegangen, während Wien sehr geschwächt aus der Krise kam und das wurde in Österreich-Ungarn auch so empfunden.

Wobei man an der Stelle sagen muss, dass Wien die eigene Schwächung hier auch maßgeblich mit verursacht hatte, womit ich namentlich die eigene Halstarrigkeit in der albanischen Sache meine. Ich kann aus taktischen Gründen absolut nicht nachvollziehen, warum man hier dermaßen insistent darauf bestand, dass Serbien dieses Gebiet nicht bekommen dürfe.
Einen wirklich bedeutenden Umschlagplatz für den eigenen Handel hätte es in Albanien kaum in die Hände bekommen, eine Marine aufzubauen, die für Österreich-Ungarn in irgendeiner Weise eine ernsthafte Gefahr hätte darstellen können, hätte sich das nach wie vor recht kleine Serbien ohnehin nicht leisten können.

Durch eine Annexion der albanischen Gebiete, hätte Serbien in seinen Grenzen zum ersten Mal eine größere Gruppe nichtslawischer Einwohner gehabt. Das hätte das Land für sepatatistische Tendenzen wesentlich anfälliger gemacht.
Zum einen hätte man dann in Belgrad aus wohlverstandenem Eigeninteresse darüber nachdenken müssen, die großserbische und südslawische Aggitation einzudämmen um nicht innerhalb des eigenen Gebietes notorische Unruhe und notorische Konflikte zu erzeugen, zum anderen hätte eine größere albanische Minderheit innerhalb Serbiens der Wiener Regierung durch die Möglichkeit der Förderung dieser Tendenzen eine Handhabe gegeben, bei Bedarf Schritte zu unternehmen um Belgrad mächtig vor's Schienbein zu treten, ohne gleich einen Krieg vom Zaun zu brechen oder eine sehr kostspielige Mobilisierung zu veranlassen.

Auch in bündnisstrategischer Hinsicht wäre ein serbisches Albanien vermutlich gar nicht mal unvorteilhaft gewesen, um die italienischen Stützpunktinteressen im albanischen Bereich wusste man, wenn man einigermaßen informiert war ja durchaus.
Dementsprechend wäre es wahrscheinlich gar nicht so ungesschickt gewesen, es zuzulassen, dass sich Serbien wegen der albanischen Frage wesentlich stärker in Interessengegensatz mit Italien begibt um so die italienische Bereitschaft im Falle eines Waffenganges mit Serbien wenigstens die Füße still zu halten zu erhöhen oder Italien einzubinden und in Sachen "Kompensation" Rom etwas als Belohnung in Aussicht stellen zu können, wenn es wenigstens nicht querschießen würde, sofern es zu einem Waffengang käme.
 
Du stellst interessante Überlegungen an!

Die Beamten des Ballhausplatzes vertraten unmittelbar vor dem 1.Balkankrieg die Ansicht, dass ein autonomes Albanien praktisch die „Schnellstraße“ nach Saloniki gewesen wäre. Dort sollte ein Freihafen errichtet werden, der Österreich-Ungarn Privilegien einräumen sollte. Die Errichtung und Leitung des Hafen und der dazugehörigen Lagerhäuser sollte unter der Obhut österreichisch-ungarischer Unternehmen laufen. Dazu bedurfte es die Unterstützung der beiden Dreibundpartner.

Sasonow fragte ebenfalls kurz vor dem 1.Balkankrieg Pourtales, ob die Zusage Deutschlands eine österreichische Expansion auf dem Balkan nicht zu unterstützen, auch gelte, wenn Wien gegen sein Willen vorgehe.

In Wien bekam man natürlich auch die explosive Stimmung mit und schlug den Großmächten ine initiative vor, um Reformen in Mazedonien zu erreichen. Niemand hatte Interesse; offenkundig wollte man den Dingen ihren Lauf lassen.

Berchtold erklärte gegen über Bethmann, wenn die europäische Türkei liquidiert werde, würde Wien nicht ganz teilnahmslos bleiben. Aus Wiener Sicht, Stichwort Panslawismus, nachvollziehbar. Ziel Berchtolds war es nach Möglichkeit den Krieg zu verhindern oder zumindest zu begrenzen und vor allem keine Veränderung des Status Quo auf dem Balkan zuzulassen ohne Zustimmung Österreichs. Es blieb eine hohle Ankündigung.

Jedenfalls war Berchtold nach dem 1.Balkankrieg bereit die territorialen Veränderungen unter der Voraussetzung zu akzeptieren, das Saloniki ein Freihafen werden würde und unabhängiges Albanien gegründet wird ; alles im Interesse der österreichischen Handelsinteressen.

Unter dem Strich war Bulgarien der Verlierer der Balkanstaate, Österreich-Ungarn der unter den Großmächten. Serbien hingegen hatte sein Staatsgebiet und die Anzahl sein Bürger erheblich vergrößert. Rumänien war für Wien schon auf dem Sprung aus dem Bündnis und Bulgarien, war für längere Zeit geschwächt-

Wilhelm II. meinte auch nach dem Abschluss des Friedensvertrages griechische und rumänische Würdenträger auszeichnen zu müssen. Die Wirkung in Wien war katastrophal. Das Bündnis mit Berlin war beschädigt.
 
@Turgot

Zunächst mal danke wegen der Informationen beteffs des Saloniki-Projekts, war mir so gar nicht bekannt. Könntest du mir in diese Richtung den einen oder anderen Literaturverweis zukommen lassen?

Aus Wiener Sicht, Stichwort Panslawismus, nachvollziehbar.

Jein.
Auf den ersten Blick vielleicht schon, aber in Reflektion auf die eigene Geschichte im 19. Jahrhundert hätte den Entscheidungsträgern in Wien auch der Gedanke kommen können, dass sich die Ausrichtung der Politik an irgendwelchen pannationalen Narrativen und Interessen unter Umständen nicht so gut mit dem Besitz eines eigenen Imperiums verträgt.
Die Entfremdung Österreichs und der Österreichischen Vertreter auch der 1848er Revolution vom restlichen Deutschsprachigen Raum und die letztendliche Salonfähigkeit der kleindeutschen Lösung hatten ja ihrerzeit auch eine ganze Menge damit zu tun, dass man von österreichischer Seite her nicht bereit war das Kaiserreich, bzw. die außerhalb des deutschen Bundes liegenden Territorien desselben aufzugeben.

Einer ähnlichen Logik folgend, hätte man durchaus antizipieren können, dass wenn man das Kgr. Serbien dabei unterstützte, sich im Süden sein eigenes Mini-Imperium zuzulegen, es zum einen mit Rücksicht auf die eigene Innenpolitik, die allzu radikale Agitation unterbinden musste, zum anderen hätte sich die Frage gestellt, inwiefern ein solches Serbien bei den slawischen Minderheiten im Ausland dann noch glaubwürdig den Vorkämpfer einer nationalen Sache hätte spielen können oder inwiefern Südslawen außerhalb Serbiens dann einfach nur den Eindruck hätten bekommen können, da von einem Vielvölkerreich in ein Anderes zu kommen.
Ein dritter Aspekt wäre dann möglicherweise auch potentielle Angst vor einem innerhalb eines südslawischen Staates dominierenden Serbiens geworden, denn je größer Serbien wurde, desto mehr mussten sich die nichtserbischen Südslawen, sofern sie mit dem Gedanken an einen solchen Staat spielten, ja auch die Frage stellen, ob sie und ihre Interessen in einem solchen Staat nicht unter die Räder kommen würden.

Im Besonderen, wenn man jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte den Separatismus der Albaner (oder der Bulgaren in Mazedonien) zu schüren, was Belgrad zu rabiateren Repressionsmaßnahmen gezwungen hätte. Die wiederrum hätte man mit Zielgruppe der eigenen Südslawen innerhalb der Monarchie dann wiederrum sehr gut verwenden können um Stimmung gegen Serbien zu machen.

Ist natürlich alles kontrafaktisch,
Aber ich denke, dass sich Wien und ein um Albanien vergrößertes Serbien durchaus auch eher hätten verständigen können, als das mit einem kleineeren Serbien der Fall war, weil man in Sachen Nationalitätenproblematik möglicherweise ähnliche Schwierigkeiten und kein Interesse daran gehabt hätte, dass einem der eigene Laden um die Ohren fliegt.
Die Problematik hätte natürlich in Serbien nicht die gleichen Ausmaße erreicht, wie in Österreich-Ungarn, aber wenn Serbien ganz Albanien zusätzlich zum Kosovo und dem nördlichen Teil Makedoniens hinzugewonnen hätte, hätte doch auch im serbischen Territorialverband locker 25%-30% der Bevölkerung aus albanischen und in serbisch-Mazedonien ansässigen Minderheiten bestanden, die sich möglicherweise auch nicht unbedingt als Serben verstanden.
Das hätte Belgrad bei seiner folgenden Politik sicherlich zu berücksichtigen gehabt.
Hier stellt sich mir einfach die Frage, warum man in Wien und Budapest nicht daran dachte, wenn man die südslawische/panslawische Ideologie als so großes Problem einstufte, die hierfür relevanteste Macht Serbien dadurch zu disziplinieren ihr ihr eigenes kleines Nationalitätenproblem zu gönnen und sich, wie gesagt, möglicherweise gleich noch außenpolitische Schwierigkeiten mit Italien zuzuziehen.

Ein weiterer Punkt, den ich aus Sicht der österreichisch-ungarischen Politik als extrem eindimensional gedacht empfinde, ist die Vorstellung, dass Serbien selbstverständlich als Vorkämpfer des Südslawentums anzusehen sei. Sicherlich war Serbien, nachdem man sowohl im Temesvarer Banat, bzw. der Vojvodina, als auch in Bosnien ansehnliche serbische Minderheiten hatte, für die bis zu einem gewissen Grad auch ein direkter großserbischer Nationalismus interessant sein konnte, die größte Gefahr.
Allerdings von ideologischen Standpunkt her, wenn man von so etwas, wie einem umfassenden Pan-Südslawentum ausgeht, hätte es sich möglicherweise auch angeboten von vorn herein damit zu kalkulieren Bulgarien als ideologische, südslawische Konkurrenzmacht zu Serbien zu instrumentalisieren.

Natürlich konnte im Vorfeld der Balkankriege in Wien niemand präzise in die Zukunft sehen, aber dass, falls das osmanische Reich aus dem Balkan weitgehend verdrängt würde, es nicht unwahrscheinlich wäre, dass Serbien und Bulgarien sich der Beute wegen in die Haare bekommen würden, war ja nicht so ganz abwegig.
Warum also nicht versuchen die südslawische und panslawische Aggitation durch die Tatsache des machtpolitischen Zanks zwischen Serbien und Bulgarien in die Bredoullie zu bringen und sie möglichst dazu zu bringen, sich auf die Seite des für Österreich-Ungarn ungefährlichen Bulgariens gegen Serbien zu schlagen?
Bei der Argumentation mit der Südslawischen/Panslawischen Aggitation und Ideenwelt, fällt mir die Tatsache, dass letztendlich auch die Bulgaren Südslawen sind, ehrlich gesagt etwas zu sehr unter den Tisch.
Genau so die Gelegenheit, die der zweite Balkankrieg, mit allen unapetitlichen Massakern und der serbisch-bulgarische Gegensatz eigentlich schon damals boten, das Gespenst eines umfassenden Pan-Südslawentums vollkommen ad absurdum zu führen immerhin führten da Südslawen im Bunde mit Griechen und Rumänen einen ziemlich blutigen Krieg gegen andere Südslawen, nicht mit dem Ziel irgendeiner Vereinigung, sondern mit dem Ziel nationaler Territorialgewinne, was es nur natürlich gemacht hätte jedem Aggitator südslawischer Provenienz einfach mal die Frage zu stellen, wie, wenn denn alle Südslawen Brüder und Schwestern sind, die es zu vereinigen gilt, es denn sein kann, dass die beiden existierenden Südslawischen Staaten gerade veranlassen, dass sich ihre Bewohner gegenseitig umbrachten und ob dann dementsprechend die Regierungen in Belgrad und Sofia nicht als eigentliche Feinde einer südslawischen Sache betrachtet werden müssten.
Da hätte in meinen Augen eine ganze Menge propagandistisches Potential gelegen, dass man nur hätte nutzen müssen.

Ich finde die Eindimensionalität und Blindheit der österreichischen Politik in diesen Dingen kommt schon im Schlagwort eines "balkanesischen/südslawischen" Piemont zum Ausdruck.
Piemont-Sardinien hatte als Vorkämpfer der nationalen italienischen Sache überhaupt keinen Konkurrenten auf Basis der Klein- und Mittelstaaten, der an der Verdrängung Österreichs oder der Nebenlinien Habsburgs und Bourbons aktiv und mit Aussicht arbeitete.

Die Rolle eines Vorkämpfers bei der Befreiung der Südslawen von der Fremdherrschaft der Osmanen hingegen, konnte Bulgarien mit gleichem, wenn nicht möglicherweise sogar größerem Recht für sich beanspruchen, wie Serbien.
Damit musste eine potentiell tatsächlich "südslawische" Bewegung von sich aus, logischerweise mindestens potentiell in ähnlicher weise mindestens mal bipolar sein, wie die deutsche Nationalbewegung vor den Einigungskriegen, wenn sie nicht noch ähnliche Blüten getrieben hätte, auf Dauer ähnlich der Vorstellung eines 3. Deutschlands weder von Serbien noch von Bulgarien angeführt werden zu wollen.
Und das ist, meine ich ein ganz fundamentaler Unterschied zu den Umständen der italienischen Nationalbewegung, der da von österreichischer Seite deutlich übersehen worden ist.
 
Quelle:
Österreich-Ungarns Außenpolitik von 1908 - 19014, hier die Bände IV und V
Darstellung:
Walter Rauscher: Die fragile Großmacht. Die Donaumonarchie und die europäische Staatenwelt (2 Bände)
Kos: Die politischen und wirtschaftlichen Interessen Österreich-Ungarns und Deutschlands in Südosteuropa 1912/13
Skrivan: Schwierige Partner. Deutschland und Österreich-Ungarn in der europäischen Politik 1906-1914

Es war von den Großmächten sicher ganz und gar keine sonderlich gute Idee gewesen, den Dingen auf dem Balkan ihren Lauf zu lassen. Sie war im Prinzip eine Katastrophe.

Wien war sich seiner schwierigen Situation bewusst. Serbien würde von Russland nicht im Stich gelassen werden, Österreich-Ungarn konnte auf seine Verbündeten hingegen nicht oder nur bedingt zählen. Und weiter war klar, die Serben hatten da keinen allzu großen Hehl draus gemacht, das, wenn die europäische Türkei liquidiert ist, die nächste Stoßrichtung Wien sein würde. Und dies wurde auch von den sehr unabhängigen russischen Botschafter in Belgrad so gefördert. Hartwig fabulierte von der Entstehung einen mächtigen Serbien, welches auch Montenegro, Bosnien und das südliche Ungarn umfassen würde. Dies tat er vor rumänischen Diplomaten. Der rumänische Botschafter Filiality informierte darüber den Botschafter der Monarchie in Belgrad.

Am Ballhausplatz wurde natürlich lebhaft darüber diskutiert und man war einfach der Meinung, das man es nicht akzeptieren könne, wenn sich eine andere Großmacht auf der östlichen Adria festsetzen würde. Da war natürlich in erster Linie Russland mit gemeint. Das war das politische Interesse. Genau wie die Gründung eines unabhängigen Albanien als vitales Interesse erkannt wurde. Mit der Gründung Albaniens sollte eben die territoriale Vergrößerung Serbiens aber auch den begehrlichen Blicken Italiens ein Riegel vorgeschoben werden.

Aufgrund der Entwicklung der militärischen Vorgänge auf dem Balkan, stand für Berchtold immer mehr die Hafenfrage Saloniki und Albanien im Vordergrund.
 
Die Liman von Sanderskrise, verursacht durch dasDie Deutsche Reich wurde dadurch gelöst, in dem Berlin nachgab.
Nicht ganz..;)
Nachdem das DR mit Liman von Sanders und seinem Mitarbeiterstab eine starke Militärpräsenz in Konstantinopel, und auch im OR insgesamt, errichtet, protestiert Sasonov.
Er sucht Unterstützung bei Frankreich und England und klagt laut über deren Halbherzigkeit und erwägt Trabzon (Trapezunt) anzugreifen.
Das DR erklärt sich schließlich bereit Liman das Kommando in Adrianopel zu geben.
Doch nun legt sich die hohe Pforte quer und besteht auf die Vereinbarungen mit dem DR und auf ihre Souveränität zu entscheiden.
Es geht nun hin und her. Sasonov muss schließlich erkennen, dass keine schnelle Lösung in Sicht ist und er fürchtet einen Krieg mit dem DR.
Was schließlich herauskommt ist ein eher größerer Einfluss der Militärpräsenz des DR. 1)

Die Aufgabe des unmittelbaren Kommandos durch Liman in Konstantinopel war ein Symbol zur Gesichtswahrung der russischen Seite. Ein vermarktbarer Pseudoerfolg, nicht mehr.

Die Liman-von-Sanders-Krise trat zwar von der Tagesordnung zurück, blieb aber ungelöst. 2)

Sasonov sah sich einem Debakel gegenüber welches durchaus Ähnlichkeiten mit dem von Izvolsky fünf Jahre vorher hat.
...........
1) bis hierher nach Albertini Bd1 Kap10.
2) http://www.historischeskolleg.de/fileadmin/pdf/kolloquien_pdf/Kolloquien17.pdf S.274
Fritz Fischers kommt wie Albertini zu dem Schluss, dass der militärische Einfluss des DR im Effekt nach dessen „Nachgeben“ gestiegen sei.
Und er fügt hinzu: „Die Russen erkannten das klar, und der Stachel ihrer Niederlage saß tief.“
 
Nachdem das DR mit Liman von Sanders und seinem Mitarbeiterstab eine starke Militärpräsenz in Konstantinopel, und auch im OR insgesamt, errichtet, protestiert Sasonov.

Es gibt keine wissenschaftlich eindeutige, valide Überlieferung beispielsweise der Militärattachés usw. der Großmächte in Konstantinopel, die das substanziell belegen können, meine ich. So haben dies z.B. weder der britische KonterAdmiral Arthur Limpus, der Reorganisator und Friedenszeiten-Kommandeur der türkischen Flotte, noch der britische Militärattache in Konstantinopel, G.E. Tyrrell, überliefert bzw. thematisiert, soweit mir bekannt.

Im entsprechenden Kapitel Liman von Sanders Mission im Band BD, X, Part 1, lautet entsprechend/bezeichnenderweise der letzte abgedruckte Eintrag, 8.2.1914, Grey an britischen Botschafter Buchanan im Moskau:

[...] As to the German Military Command in Constantinople : I think that the intrinsic importance of it has been very much exaggerated, and the general impression produced has been that Germany has had a diplomatic set-back, which the German Press has had to explain away as best it could. I do not see why Sazonof should not be content with that.
 
Ergänzend die abgedruckte Zusammenfassung eines Gesprächs vom 3. April 1914 des Zaren mit Buchanan, britischer Botschafter Moskau, welches Buchanan an Grey schickte und in welchem der Zar u.a. gesagt haben soll (BD X, Part 2, S. 780-782:

From information which had reached Him from a secret source through Vienna He had reason to believe that Germany was aiming at acquiring such a position at Constantinople as would enable her to shut in Russia altogether in the Black Sea. Should she attempt to carry out this policy He would have to resist it with all His power, even should war be the only alternative. The Emperor said nothing further to explain what steps Germany proposed taking in order to give effectto the policy with which His Majesty credits her.
(Deepl-Übersetzung:
Aus Informationen, die ihn aus einer geheimen Quelle über Wien erreicht hatten, hatte er Grund zu der Annahme, dass Deutschland darauf abzielte, in Konstantinopel eine solche Stellung zu erlangen, die es ihm ermöglichen würde, Russland im Schwarzen Meer völlig einzuschließen. Sollte es versuchen, diese Politik zu verwirklichen, müsse er sich mit aller Macht dagegen wehren, selbst wenn der Krieg die einzige Alternative sei. Der Kaiser sagte nichts weiter, um zu erklären, welche Schritte Deutschland zu unternehmen gedenke, um die Politik zu verwirklichen, die Seine Majestät ihm zuschreibt.)

Am gleichen Tag trifft Buchanan in Moskau noch Sasonov, den russ. Außenminister, der wiederum Buchanan gegenüber u.a. bemerkt:

Mr. Sazonoff whom I saw this afternoon told me that what the Emperor had said about Germany and the Straits was founded on secret military information which might or might not be correct. There was. however, no doubt tliat Germany aimed at acquiring a moral protectorate over Turkey and, if she succeeded in this, she would one day convt rr it into an effective one.
(deepl-Übersetzung:

Herr Sazonoff, den ich heute Nachmittag traf, sagte mir, dass die Äußerungen des Kaisers über Deutschland und die Meerenge auf geheimen militärischen Informationen beruhten, die richtig oder falsch sein könnten. Es bestehe jedoch kein Zweifel daran, dass Deutschland ein moralisches Protektorat über die Türkei anstrebe, und wenn es ihm gelinge, werde es dieses eines Tages in ein wirksames Protektorat umwandeln.)

Mit dem Personal um Generalmajor M.N. Leontjev war die russ. Militärmission in Istanbul ausreichend gut besetzt, um eine 'kritische', eindeutige Entwicklung kaiserreichdeutscher Militärpräsenz hin zu einer starken Präsenz oder gar zu einem militärischen 'Protektorat', etwa im Gefolge der Liman-Sanders-Mission, belastbar zu erkennen. Und davon wissen der Zar oder erst recht Sasonov Anfang April 1914 anscheinend (noch) nichts.
 
Sasonow protestierte energisch gegen die Mission von Liman, als er davon Kenntnis erhielt. Er bildete sich ein, von Berlin arglistig getäuscht worden zu sein. Sein kaiserlicher Herr wußte, so behauptet es Wilhelm II. es zumindest, von der Liman Mission, hatte es dann aber nicht für nötig befunden, seinen Außenminister zu informieren. Sasonow hatte im Oktober, als er in Berlin mit Bethmann Gespräche führte, nichts von dieser Mission erfahren. Gut, das muss sich Berlin vorwerfen lassen; das hätte man tun müssen; aber man ist doch wohl nicht arglistig vorgegangen, denn diese Militärmission fiel in die Zuständigkeit vom deutschen Kaiser und der hatte den Zaren informiert; behauptet er zumindest. Nichtsdestotrotz: Es hätte sicher zu den diplomatischen Gepflogenheiten gehört, Sasonow entsprechend in Kenntnis zu setzen.

Das Auswärtige Amt hatte jedenfalls die Verständige mit Russland gesucht. Ich denke, hier wurde das Ausmaß, welches die Mission von Sanders für die Russen haben musste, grundlegend falsch eingeschätzt.[

hatl schrieb:
Die Aufgabe des unmittelbaren Kommandos durch Liman in Konstantinopel war ein Symbol zur Gesichtswahrung der russischen Seite. Ein vermarktbarer Pseudoerfolg, nicht mehr.

Der englische Botschafter Buchanan teilt unter dem Datum des 20.Januar 1914 seine Chef Grey mit, „Herr Sasonow ist vollkommen befriedigt von der Regelung, wonach General von Sanders, wie General von der Goltz, Generalinspekteur der türkischen Armee werden, ein deutscher Offizier hingen als Chef des Stabes wirken soll.“ (1)

Zar Nikolaus sagte Neujahrsempfand der Diplomaten zum deutschen Botschafter, Er betrachte den Vorfall als „aplani“ und zwar wie Sasonow mitteilte, infolge eines Telegramm, das Er von Kaiser Wilhelm erhalten habe. (2)

Liest sich nicht unbedingt wie nur ein Pseudoerfolg.


Die Liman Krise warf für Sasonow nunmehr grundsätzliche strategische Erwägungen auf, die eben über die eigentlichen Krise hinausreichten.
Die Liman Krise war auch das Hintergrundrauschen des deutsch-russischen Gegensatzes überhaupt.
In der russischen Führung wurde sehr ernsthaft über den Krieg diskutiert.
Meines Erachtens nach, wurde die Liman Krise aufgebauscht; ähnlich wie die Marokkokrisen von Berlin. Russland benötigte eben dringend seine Verbündeten, da es allein, zu mindesten zu jenen Zeitpunkt, wohl nicht sich nicht gegen Deutschland durchsetzen konnte. Eine Folge der Liman Krise war die, das Sasonow die bestehenden Abmachungen mit seinen Partnern als nicht ausreichend betrachtete und nach einem Weg suchte, vor allem mit England, zu einer engeren Vereinbarung, entsprechend musste das Deutsche Reich natürlich dargestellt werden, zu gelangen. Hier wird am Horizont das projektierte Marineabkommen zwischen London und Petersburg sichtbar, welches das Vertrauensverhältnis zwischen Berlin und London letzten Endes beschädigte; mit entsprechenden Konsequenzen in der Julikrise.

In der Liman Krise hatte Grey hatte sich nämlich nicht von Sasonow vor dessen Karren spannen lassen; kein Wunder, es existierte ja auch eine britische Marinemission in Konstantinopel unter Admiral Limpus, der die türkische Flotte befehligte, und man ging natürlich von entsprechenden Rüstungsaufträgen für Vickers & Armstrong als Folgeerscheinung aus. Auf jeden Fall hatte sich Grey geweigert mit Paris und Petersburg gemeinschaftlich Protest in Konstantinopel einzulegen. Man bevorzugte den separaten Weg.


(1) Die Britischen Amtlichen Dokumente Band X 1.Teilband Teil 1 Seite 673

(2) Die Britischen Amtlichen Dokumente Band X 1.Teilband Teil 1 Seite 675
 
Meines Erachtens nach, wurde die Liman Krise aufgebauscht;

Überschätzt, verzerrt wahrgenommen von Teilen der russ. Administration, im Fahrwasser der gegenseitigen Projektion/verengten Perzeption.

Eine Folge der Liman Krise war die, das Sasonow die bestehenden Abmachungen mit seinen Partnern als nicht ausreichend betrachtete und nach einem Weg suchte, vor allem mit England, zu einer engeren Vereinbarung, entsprechend musste das Deutsche Reich natürlich dargestellt werden, zu gelangen. Hier wird am Horizont das projektierte Marineabkommen zwischen London und Petersburg sichtbar, welches das Vertrauensverhältnis zwischen Berlin und London letzten Endes beschädigte; mit entsprechenden Konsequenzen in der Julikrise.

Sehr schön.

Die offiziellen Sprachregelungen, dass der Zar, Sasonov usw. mit der Art der Beilegung der Liman-Sanders-Krise gänzlich zufrieden waren, kann man natürlich nicht absolut nehmen, das diente auf offizieller Ebene auch der Gesichtswahrung. Tatsächlich hat Sasonov die Antizipation einer möglichen zukünftigen Entwicklung an den Meeresengen, unter Einschluss dt. militärischem und sonstigen Einfluss oder gar Dominanz schon umgetrieben.

Vor allem die Kombination, dass die Türkische Marine zudem mit der Bestellung der Großen Schlachtschiffe massiv aufrüstete und damit möglicherweise in naher Zukunft die russ. Schwarzmeerküste mit ihren Häfen blockieren, bedrohen könnte, sorgte in Moskau seit spätestens Anfang Januar 1914 für erhebliche Bedenken. So wenn Marineminister Grigorovich Anfang Januar Sasonov auf diese Entwicklung und ihre für Russland scheinbar bedrohlichen kommenden Konsequenzen aufmerksam macht. Und diese mögliche, bedrohliche Entwicklung der türkischen Marine wird ja ab Januar innerhalb der russ. Administration, Marine usw. konstant/häufig thematisiert.

McMeekin hat ja darauf hingewiesen, dass vor allem die kommende, anstehende massive Aufrüstung der türkischen Marine letztlich den Gesprächswunsch der russ. Administration mit der britischen über eine Marinekonvention initiiert hätte - wenn ich mich recht erinnere. Ganz plausibel ist dieser Zusammenhang insofern nicht, da die britisch-russischen Marinegespräche die russ. Marine in der (nicht eisfreien) Ostsee thematisierten, und nicht etwa die Meeresengen und das Schwarze Meer.
Andererseits hatte ja die britische Administration, beispielsweise in Person von Grey und den Botschaftsangehörigen, gegenüber Vertretern der russ. Administration die ganzen Monate des Jahres 1914 bis zum Juli stets darauf hingewiesen, dass (in Friedenszeiten) der Schiffsbau für andere Regierungen in UK nicht von der britischen Reg. einfach unterbunden oder verboten werden könne. Die Türkeikarte zog schlicht nicht.

Insofern diente die Liman-Sanders-Krise und die vermeintlich anstehende oder sich vermeintlich oder möglicherweise anbahnende kaiserreichdeutsche-preußische militärische Dominanz an den Meeresengen anscheinend als eines der Mittel/Szenarien, via auch französischer Regierung, die britische Administration zu Verhandlungen über eine mögliche britisch-russische Marine-Konvention zu bewegen - Hinweise auf die türkische Marineaufrüstung hatten/ hätten das nicht bewirkt.

Ein weiteres war u.a. der Wink mit dem Zaunpfahl 'Persien' im Gespräch des Zaren mit dem britischen Botschafter Buchanan am 3. April 1914.

Eine Folge der Liman Krise war die, das Sasonow die bestehenden Abmachungen mit seinen Partnern als nicht ausreichend betrachtete und nach einem Weg suchte, vor allem mit England, zu einer engeren Vereinbarung,

Sasonov, der Zar usw. haben in den Gesprächen ab März 1914 explizit auf die militärischen und Marineabsprachen zwischen britischer und französischer Regierung Bezug genommen, und da gab es tatsächlich Nachholbedarf zwischen britischer und russ. Administration im Vergleich zum Stand zwischen französischer und britischer. Gleichzeitig führten der kaiserreichdeutsch-russische Pressekrieg im März 1914 zu einer Kulmination der Spannungen im dt.-russ. Verhältnis.

Hier wird am Horizont das projektierte Marineabkommen zwischen London und Petersburg sichtbar, welches das Vertrauensverhältnis zwischen Berlin und London letzten Endes beschädigte; mit entsprechenden Konsequenzen in der Julikrise.

Letzteres ist etwas zu kurz gegriffen, scheint mir. Es waren nur 5 Personen in Berlin über die Quelle in der russ. Botschaft in London und vollständig über die von ihr weitergegebenen Geheiminformationen informiert und Siebert hatte andererseits spätestens seit 1909 geheime russ. Interna an diesen Berliner Personenkreis weiter vermittelt. So waren wichtige Entscheider in Berlin wohl beispielsweise über das geheime italienisch-russische Abkommen von 1909 informiert, ebenso über den geheimen italienisch-französischen Vertrag von 1902.

Stephen Schröder macht vorsichtig die Auswirkungen dieser geheimen Informationen auf die Berliner Regierung, die eingeweihten Entscheider plausibel, vor allem ab Ende 1912 (Q: Stephen Schröder, 'Ausgedehnte Spionage' - Benno von Siebert geheime Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt (199-1926), in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 64 (2005), S. 425-463, hier besonders ab S. 445).
 
Schröder meint auch, wenn ich mich jetzt korrekt erinnere, das bei Bethmann kein Vertrauensverlust zu konstatieren sei. Das halte ich angesichts der Tatsache, das Grey ihm nicht reinen Wein eingeschenkt hatte, es war für Grey aber auch zugegebenermaßen eine sehr schwierige Lage, er war ja ohnehin nicht von der Konvention so durchdrungen, für eine gewagte Aussage.

Ja, der deutliche Wink mit dem Zaunpfahl ist mir bekannt.;)
 
Schröder meint auch, wenn ich mich jetzt korrekt erinnere, das bei Bethmann kein Vertrauensverlust zu konstatieren sei.

Schröder, Siebert, S. 458

[…] Zwar registrierten die Eingeweihten im Vorfeld der Flottenverhandlungen, dass London trotz dieser Entspannung noch fest im Lager der Tripelentente stand, ja, Bethmann Hollweg hatte im März 1914 sogar eine besondere Verfestigung des Dreiverbandes wahrgenommen. Gleichwohl würdigten alle Eingeweihten im Winter und Frühjahr 1913/14 die Verbesserung der deutsch-britischen Beziehungen, und auch war im Vorfeld der Episode durchaus noch ein gewisses Maß an Zuversicht auf deutscher Seite vorhanden, was die Zusammenarbeit mit Großbritannien und die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen anging. […]​


Schröder, Siebert, 459:

[…]Berücksichtigt man, dass die Eingeweihten schon im Vorfeld der Marinegespräche von einer nach wie vor festen britischen Stellung innerhalb der Tripelentente ausgegangen waren, so lässt sich auch im Zusammenhang der Flottenverhandlungen konstatieren, dass die verratenen Dokumente keine grundsätzlich neue Situation schufen, sondern eine schon angelegte Perzeption bestätigten und verstärkten - das allerdings in diesem Fall auf durchaus dramatische Art und Weise, schien sich der Dreiverband doch nunmehr sogar vertraglich zu verdichten, und zwar sowohl an der britisch-russischen Achse als auch wegen des damals bekannt gewordenen Grey-Cambon-Briefwechsels an der britisch-französischen.
Abgesehen von allen Sorgen und Befürchtungen wirkten sich die geheimen Berichte zum Zweiten auf das deutsch-britische Verhältnis und die deutsche Englandpolitik aus. So wurde in Berlin bereits die britische Zustimmung zur Konvention bzw. die entsprechenden Verhandlungen mit Russland als akuter Rückschlag für die bilateralen Beziehungen interpretiert. Auch machte sich Misstrauen gegenüber den vormals günstiger beurteilten Briten breit. Noch schwerer fiel der grundsätzliche Schaden ins Gewicht, den die deutsche Englandpolitik nach Ansicht Jagows, Stumms und wohl auch Bethmann Hollwegs durch die Marinegespräche erlitt. Die britische Hinwendung zu Russland bzw. zur Tripelentente führte dazu, dass in ihren Augen die Aussicht auf eine andere Orientierung der britischen Außenpolitik respektive auf eine weitere, allgemeine Verständigung mit London im Juni/Juli 1914 in weite Feme rückte und sie die Politik Großbritannien gegenüber allgemein skeptischer beurteilten.
[...]​


Schröder, Siebert, 460:

[...]Gemeinsam mit anderen Faktoren trugen die Marinegespräche dazu bei, dass gerade Bethmann Hollweg von der pessimistischen Einschätzung einer sich zuungunsten des Reichs verändernden europäischen Konstellation erfüllt war, die ihn im Juli 1914 veranlasste, die internationale Gesamtlage auch unter Inkaufnahme des Kriegsrisikos zu verändern. Zudem führten die Flottengespräche zu einer größeren Abhängigkeit vom Wiener Bündnispartner.[...]
es war für Grey aber auch zugegebenermaßen eine sehr schwierige Lage, er war ja ohnehin nicht von der Konvention so durchdrungen,

Nein, keinesfalls, die Gespräche und ein möglicher Abschluss sollten solange als möglich hinaus bzw. verzögert werden, so Greys Anweisung.
 
Oh je, da hat mich meine Erinnerung in Stich gelassen. Immerhin habe ich ja die Einschränkung, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht gemacht. Ich hätte gleich nachschlagen sollen.

Ich zitiere auch Schröder:

[...] Zieht man jedoch die verschiedenen, auch internen Quellen der über die Marinegespräche heran, so ergibt sich ein anderen Bild.
Aus jenen Zeugnissen gehen vier Befunde hervor, die in der Summe gegen eine zu starke Betonung der Entspannungstendenzen im deutsch-englischen Verhältnissen sprechen und auf die im folgenden ausführlich eingegangen werden soll. Ersten zeigt sich, daß nicht der formale Abschluß der Marinekovention, sondern bereits die englische Zustimmung respektive die sich anschließenden Besprechungen von den eingeweihten Personen als akute Trübung, ja, als Rückschlag für die deutsch-britischen Beziehungen gewertet wurden; zweitens wird das tiefe Mißtrauen gegenüber den englischen Staatsmännern deutlich, das die Reichsleitung im Zuge der Marine gespräche beschlich und das nicht zuletzt durch die englischen Dementis befördert wurde; drittens lassen sich Auswirkungen retardierender Art auf die deutsche Politik in anderen Fragen des bilateralen Verhältnisses erkennen und viertens wird erkennbar, daß die Eingeweihten die Englandpolitik und ihre weitergehenden Perspektiven pessimistischer beurteilten."

Schröder, Marinekonvention, Seite 604
 
Zuletzt bearbeitet:
Meines Erachtens nach, wurde die Liman Krise aufgebauscht

Die Liman von Sanders Mission war auf fünf Jahre ausgelegt.
Mit Hilfe von 42 deutschen Offizieren befehligte er alle militärischen Ausbildungseinrichten, sowie die Ausbildung selbst und war Mitglied des Kriegsrates des OR.
Alle Beförderungen höherer türkischer Offiziere lagen in seinen Händen. Er war mit der disziplinarischen Befehlsgewalt eines Generals ausgestattet.
Zusätzlich hatte er das Kommando über das „First Army Corps in Constantinopel“.
(Albertini wie oben)
Da brauchte man aus russischer Sicht nichts aufzubauschen. Das war bedrohlich.
Die Liman Krise warf für Sasonow nunmehr grundsätzliche strategische Erwägungen auf, die eben über die eigentlichen Krise hinausreichten.
Ungefähr das meinte ich damit, dass die Krise eben nicht gelöst wurde, sondern, nach einer gesichtswahrenden Volte, weiter wirkte.
Denn was war denn der Kompromiss? Liman wurde befördert und stand damit über dem Kommandeur des First Army Corps.
Sein Einfluss und der seiner Mission wurden nicht geringer.
Der Griff des DR nach der Pforte wurde nicht gelockert.

Und nach all der Aufregung, nach all den Krisensitzungen mit der Militärführung, nach den außenpolitischen Anstrengungen und innenpolitischen Auseinandersetzungen, kommt nicht mehr heraus als ein nachfolgender Pressekrieg.
So sieht Scheitern aus.
(.. und erinnert an Izvolsky ;))
 
Mitte November als Kokowzow auf dem Rückweg von Paris nach Petersburg gewesen war, machte dieser Station in Berlin, um mit Wilhelm II. und Bethmann über die Mission Sanders zu sprechen. Er gewann den Eindruck, das Bethmann sich nicht über die Dimension dieser Mission im Klaren war und das für Petersburg grundlegende Ausmaß dieser Angelegenheit erheblich unterschätzt hatte.

Kokowzow machte den Vorschlag die Mission in eine andere Stadt zu verlegen. (1)

Und das verstehe ich dann nicht so ganz. Er hätte dann doch bei den von dir geschilderten Befindlichkeiten unmissverständlich fordern müssen, das die Militärmission ihre Koffer packen soll.

Gibt es eigentlich einen Beleg, das die deutsche Mission eine tatsächliche Bedrohung für die russischen Sicherheitsinteressen war?, will heissen lagen negative Absichten Deutschlands gegen Russland vor?



(1) Kanis, Der Weg in den Abgrund, S. 592
 
Der Griff des DR nach der Pforte wurde nicht gelockert.

1. das war kein Coup d'Etat
2. hat das zeitgenössisch vor Ort keiner so (als Bedrohung) wahrgenommen, weder Giers (russ. Botschafter), Mallet, die Militärattachés, auch nicht die französische oder britische Regierung usw. Siehe die Belege von mir oben.
3. waren die osmanisch-türkischen Entscheider durchaus soweit unabhängig genug und handlungsfähig

Wie sollte denn das 'DR' seinen 'Griff' bei Nichtbefolgen seiner Befehle, seiner Errichtung eines Protektorats, seiner Militärdiktatur durchsetzen gegenüber den türkischen Entscheidern, der türkischen Administration, gegenüber KonterAdmiral Limpus usw. ?

Weder grenzte die Türkei an das DR, noch waren ausreichend Soldaten des DR dort stationiert, noch war die Türkei ausreichen politisch, finanziell und/oder wirtschaftlich so abhängig vom 'DR'.

Die Liman von Sanders Mission war auf fünf Jahre ausgelegt.
Mit Hilfe von 42 deutschen Offizieren befehligte er alle militärischen Ausbildungseinrichten, sowie die Ausbildung selbst und war Mitglied des Kriegsrates des OR.
Alle Beförderungen höherer türkischer Offiziere lagen in seinen Händen. Er war mit der disziplinarischen Befehlsgewalt eines Generals ausgestattet.
Zusätzlich hatte er das Kommando über das „First Army Corps in Constantinopel“.
(Albertini wie oben)

Auch dieser Umstand wurde bereits mehrfach hier im Forum - anscheinend vergeblich ;) - thematisiert. Vorbild/ Anregung war wohl unbestritten die offenbar recht erfolgreiche französische Militärmission um General Joseph-Paul Eydoux mit ihren ähnlich umfassenden Vollmachten seit 1911, dieser Konnex fehlt regelmäßig beim Meinungsaustausch um die Liman-Sanders-Mission. Gerne vergessen wird dabei, dass die rufenden Administrationen nicht in der Position eines abhängigen Protektorats der entsendenden Administrationen gewesen waren.
 
Vorbild/ Anregung war wohl unbestritten die offenbar recht erfolgreiche französische Militärmission um General Joseph-Paul Eydoux mit ihren ähnlich umfassenden Vollmachten seit 1911, dieser Konnex fehlt regelmäßig beim Meinungsaustausch um die Liman-Sanders-Mission.
?
Sorry, mir bisher unbekannt.
Was hat es mit dieser Mission auf sich?
 
Der englischen Botschafter Mallet in Konstantinopel war vom deutschen Botschafter über die Militärmission vor Beginn der Mission informiert worden. Mallet teilt dies unter dem Datum des 30.Oktober 1913 Grey mit; auch das die Militärmission über beträchtlich erweiterte Befugnisse verfügen wird.
Auch der englische Botschafter in Berlin Sir E. Goschen wußte Bescheid und informierte Grey am 01.November 1913.

Oberstleutnant Tyrell berichtet am 02.Dezember an Sir L. Mallet. Tyrell berichtet sehr gelassen und vermutet nicht unzutreffend, das die Anwesenheit deutscher Offiziere von unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil, wegen der zu erwartenden Bestellungen militärischen Materiale in Deutschland. Es könnte auch politische Vorteile geben. Tyrell kommt zu dem Schluss das die Mission Sanders weder den Türken noch den Deutschen helfen wird. Tyrell erwähnt aber nichts von einer Bedrohung, vielmehr von der einen oder andern Frage, die geklärt werden müssten.

Und unter dem Datum des 10.Dezember 1913 informiert Mallet Grey u.a. über die Haltung des französischen Botschafters in Konstantinopel. "Mein französischer Kollege, der die ganze Geschichte tief beklagt und der seiner Regierung wiederholt erklärt hat, das er dem Kommando des deutschen Generals keinerlei Bedeutung beimißt [...]".

Als Quelle dienten die Britischen Amtlichen Dokumente Band 10 1.Teilband Erster Teil
 
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