Russland 1914: Historische Voraussetzung und der Eintritt in den WW1

Danke.

Wie schätzt Du selber die Vertrauenswürdigkeit von Conrad ein?

Ich würde an dieser Stelle einmal fragen, welche Motive Conrad gehabt haben sollte, hier die Zahlen in drastischem Ausmaß zu übertreiben, denn das würde nur Sinn gemacht haben, wenn Serbien in irgendeiner Weise aus sich selbst heraus dann eine Bedrohung für die K.u.K.-Monarchie dargestellt hätte.

Das ist aber bei zahlen dieser Größenordnung offensichtlich nicht der Fall.

Entsprechend wären übertriebene Zahlen in diesem Fall wohl weder geeignet gewesen politischen Druck in Richtung Aufrüstungen in weiterem Stil zu erzeugen, noch einen von ihm erwünschten Präventivkrieg ernstlich zu provozieren.

Ich würde Conrad sehr skeptisch sehen, wenn es um Zahlen im Besonderen im hinblick auf Italien und Russland geht, aber im Hinblick auf Serbien fehlt mir, von seiner persönlichen Abneigung abgesehen, da irgendwo das sinnvolle Motiv.
Allein aus persönlicher Abenigung heraus aber mit übertriebenen Zahlen zu hantieren und damit die ganze Generalstabsarbeit zu unterminieren, wäre ein Verhalten, dass so unprofessionell gewesen wäre, dass ich es dem Mann so ohne weiteres nicht zutrauen würde.
 
llein aus persönlicher Abenigung heraus aber mit übertriebenen Zahlen zu hantieren und damit die ganze Generalstabsarbeit zu unterminieren, ..
Es handelt sich hier um die Memoiren eines notorischen Kriegstreibers und militärischen Versagers erster Güte.
Ich wüsste nicht warum Conrad eine seriöse Quelle sein sollte. Ob seine Zahlen stimmen, kann ich nicht beurteilen.
 
Es handelt sich hier um die Memoiren eines notorischen Kriegstreibers und militärischen Versagers erster Güte.
Ich wüsste nicht warum Conrad eine seriöse Quelle sein sollte. Ob seine Zahlen stimmen, kann ich nicht beurteilen.
Das ist mir ein bisschen sehr viel Küchenpsychologie.
Nur weil jemand ein notorischer Kreigstreiber gewesen ist, warum sollte er deswegen zwangsweise dazu neigen Zahlen zu türken?

Ich könnte es wie gesagt verstehen, wenn wir hier über Russland oder Italien reden würden, wo übertriebene Zahlen möglicherweise ernsthaft geeignet gewesen währen, konkrete politische oder militärische Schritte anzustoßen.

Aber ich frage da nochmal, inwiefern sollte Serbien dazu geeignet sein? Serbien war ohne Großmachtsunterstützung, auf die es zu diesem Zeitpunkt nicht zählen konnte, ganz offensichtlich nicht in der Lage irgendwelche Schritte gegen die Donaumonarchie zu unternehmen.

Was also hätte der Mann damit bezwecken sollen?

Da ist mir der Satz "der Mann war ein Kriegstreiber", so richtig er auch sein mag, nen bisschen wenig als plausible Erklärung.
Dafür, dass er ein militärischer vollversager war, hat er sich in seiner Position übrigens noch ganz gut gehalten, immerhin so lange, wie Moltke und Falkenhayn zusammen.

Und selbst wenn wir sein unglückliches Agieren mal zum Maßstab nehmen, warum sollte inkompetenz im konkret operativen Bereich gleichzeitige Inkompetenz im Bereich der Aufklärung etc. zur Voraussetzung haben?
 
Es handelt sich hier um die Memoiren eines notorischen Kriegstreibers und militärischen Versagers erster Güte.
Ich wüsste nicht warum Conrad eine seriöse Quelle sein sollte. Ob seine Zahlen stimmen, kann ich nicht beurteilen.

Also ist Conrad eine unseriöse Quelle? Hast du die Bände gelesen oder worauf gründet sich dein Urteil?

Als militärischen Vollversager würde ich ihn nun nicht bezeichnen. Alleine schon seine Gedanke des Feldzuges im Jahre 1916 gegen Italien war theoretisch richtig und zielführend. Hätten Falkenhayn Conrad unterstützt, statt seine perverse Blutpumpe in Verdun anzuwerfen, wäre Italien aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Kriege genommen worden. Damit wären entsprechende Kräfte freigeworden.

Und notorischer Kriegstreiber? Conrad sah sein ständiges intervenieren zum militärischen Eingreifen, mal gegen Italien, mal gegen Serbien eher als eine präventive Maßnahme.

Und seine Einschätzung hinsichtlich dieser beiden Länder waren so verkehrt ja nicht.
 
Also ist Conrad eine unseriöse Quelle? Hast du die Bände gelesen oder worauf gründet sich dein Urteil?
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Und notorischer Kriegstreiber? Conrad sah sein ständiges intervenieren zum militärischen Eingreifen, mal gegen Italien, mal gegen Serbien eher als eine präventive Maßnahme.
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Nein Turgot, ich habe diese nicht gelesen, stelle auch fest, dass Stevenson (Armament .. ) ihn häufig zitiert und immerhin ist er eine verwertbare Quelle.
Doch sind ja ohne Zweifel nachträgliche 'Erinnerungen' von Protagonisten einer solchen Bühne stets mit großer Vorsicht zu genießen.

Die andere Frage ist, ob Conrad selbst seriös war.
Clark – Schlafwandler - ab Seite 146 (das Buch hast Du ja und schätzt es) zeichnet ein geradezu vernichtendes Bild. Sein Charakter sei „zwanghaft“ gewesen und „Er betrachtete den Krieg sogar als Mittel, Gina [von Reininghaus] in seinen Besitz zu bringen. Nur als siegreicher Kriegsheld wäre er, so glaubte Conrad, imstande, die gesellschaftlichen Hindernisse aus dem Weg zu räumen..“
„Conrad ging an die geopolitischen Zwänge mit der gleichen monomanischen Fixiertheit heran, die er in seinem Liebesleben an den Tag legte.“
„Seine Antwort auf so gut wie jede diplomatische Herausforderung lautete „Krieg““.
„In den zwölf Monaten vom 1. Januar 1913 bis zum 1. Januar 1914 riet er sage und schreibe 25 Mal zu einem Krieg gegen Serbien. Dieser zielstrebigen Kriegstreiberei lag eine sozialdarwinistische Philosophie zugrunde..“

Was natürlich nicht heißt, dass seine genannten Zahlen falsch seien.

Das Grundproblem scheint mir aber ein anderes zu sein:
Wie kam es, dass schließlich die Falken, derer Conrad ja nur ein hervorgehobener unter anderen war, letztlich die Geschicke der Welt bestimmten?
Dass schließlich nicht mehr das auf Einvernehmlichkeit fußende Konzert der Mächte die Musik des friedlichen Ausgleichs spielte, sondern die Marschmusik der Konfrontation?
Was hat sich verändert in der Wahrnehmung der Regierenden aller Großmächte, dass die große Katastrophe ihren Lauf nehmen konnte?
 
Conrad war von Gina geradezu besessen. Ich weiß jetzt nicht, in wie weit dies sein Leistungs- und Urteilsvermögen als Chef des Generalstabes negativ beeinflusste.

Und Stevenson ist beileibe nicht der einzige Historiker, der Conrad seine Autobiographie als Quelle verwendet. Dies ist auch der Grund, warum ich mir dieses Werk zu Gemüte führe. Es wird schon verwertbares enthalten.

Ja, Conrad hat immer wieder ein militärisches Vorgehen empfohlen. Er war kein Diplomat, sondern Militär und dachte in eben solchen Kategorien. Und Serbien war die Fackel im Pulverfass Balkan. Diese enorme Geduld mit Serbien zur Jahreswende 1908/09 ist schon bemerkenswert. Iswolsky hat bewußt die serbischen Leidenschaften entfacht, in dem er unter Punkt 7 des Konferenzvorschlages eben territoriale Kompensationen für Serbien und Montenegro einforderte. Die Serben waren ja nicht mehr zurechnungsfähig, so wie die sich aufgeführt haben. Und die finanziellen Mittel für die militärische Mobilmachung können eigentlich nur von Frankreich stammen; Paris lieferte ja auch die Artillerie für die serbische Armee. Da wurde also ein erklärter Gegner der Monarchie von Paris mit militärischen Gerät ausgestattet.

Nehme einmal den räuberischen, brutalen Libyen Krieg von 1911. Rom hat entschieden, man müsse nach der überaus peinlichen Pleite von 1896 in Adua nun doch in Nordafrika tätig werden. Also beschloß man einfach militärisch loszuschlagen. Und Rom kam damit unfassbarer Weise auch noch durch. Dieses Vorgehen hatte eine ganz andere Qualität als die Annektion Bosniens und der Herzegowina. Die Türkei wurde von Wien entschädigt und es wurde "lediglich" ein defacto in ein dejure Zustand umgewandelt. Aber hier war die Welt empört. London hat in Konstantinorpel beharrlich dafür gesorgt, das Wien ja nicht zu billig davon kommt. Wien habe Kompensation zu leisten; was es auch tat. Iswolsky hat auf der Weltbühne nur seine Lügen verbreitet.

Italien musste nur ein paar äußerst lahme Proteste in Kauf nehmen. Auf einmal interessierte Grey es nicht nämlich gar nicht mehr, ob Konstantinopel eine Kompensation erhält. Und Italien hat sich auch bei diesem Feldzug wieder nicht mit Ruhme bekleckert. Es wurde mit zweierlei Maß gemessen. Interessant war nicht was geschah, sondern wer es tat.

Und wer hat diesen räuberischen Feldzug Italiens ausgenutzt. Richtig, da war gleich wieder Serbien zur Stelle und eröffnet den Krieg gegen die Türkei. Noch drei Jahre zuvor hat man international Wien angeklagt und verlangt, das Bosnien und die Herzegowina entweder zu Serbien kommen und nachdem dies aussichtslos war, sollten diese zurück an die Türkei. Und jetzt wurde ein brutaler Eroberungskrieg entfesselt im Verbunde mit den Bulgaren, Griechen und Montenegro gegen eben diese Türkei, die man vor 3 Jahren noch beglücken wollte. Ach ja.

Ich denke, das Conrad hinsichtlich Serbien und Italien nicht soo unrecht hatte; die weitere Entwicklung hat es ja gezeigt.
 
@Turgot

Paul W. Schroeder (An Impropable War? - leider nur auf Englisch) argumentiert durchaus ähnlich und ich lehne mich hier daran an.
Die Kapitelüberschrift (Kapitel 1) „stealing horses to great applause“ bezieht sich auf ein spanisches Sprichwort welches sagt, dass während die einem unter großem Beifall Pferde stehlen, andere dafür gehängt werden, dass sie am Zaun stehen. Dieses Prinzip habe sich ab den späten 1890ern im Verhältnis der Großmächte zunehmend durchgesetzt. Dies in dem Sinne, dass der räuberische Imperialismus zunehmend belohnt wurde, während der friedliche Ausgleich der Interessen an Bedeutung verlor, ja sogar bestraft wurde.

Als Beispiel mögen die Mürzsteger Beschlüsse dienen.
Als 1903 in Mazedonien blutige Unruhen um sich griffen, besuchte der Zar Nikolaus II den Franz Joseph auf dessen Jagdschloss in Mürzsteg um gemeinsam eine friedliche Lösung des Problems anzustreben.
Das Ergebnis war das was wir heute als peacekeeping-mission bezeichnen und besonders hervorhebenswert ist, dass Russland und Ö-U diese gemeinsam betrieben.
http://ogs.oeog.at/wp-content/uploads/2016/02/ISS-Info-2015-06.pdf

1907, so Schroeder, wurde diese Politik mit der Annäherung an England beendet, ja sogar in das Gegenteil verkehrt.
Dabei hatten ja Ö-U, und auch das DR, nur kurz zuvor ein Politik verfolgt, die wesentlich zur Stabilisierung des am Abgrund taumelnden Zarenreichs beitrug. „Das ist keine Übertreibung. Österreich-Ungarns und Deutschlands Verhalten 1904-1906 rettete das zaristische Regime.“ (S. 32 Übersetzung durch mich)
Denn, so argumentiert Schroeder, es sei Graf Sergej Witte nur dadurch gelungen die widerstrebende Generalität zur Übernahme von Polizeiaufgaben zu Niederschlagung der Revolution zu bewegen,
indem er die Generäle überzeugte, dass die Westgrenze sicher sei.
Dass man also die Truppen in Innere verlegen könne da kein Angriff zu befürchten. Wären an der Westgrenze Russlands durch Ö-U, und/oder durch Deutschland, eine Bedrohung oder Mobilisierung erfolgt, es hätte das Zarenreich zum Einsturz gebracht. Doch wurde eine solche Politik eben nicht verfolgt.
Österreich beteiligte sich gar an der dringend benötigten Kreditvergabe für das bankrotte Russland.
https://www.jstor.org/stable/4205279?seq=1

Dass sich dieses dann nur Monate später aggressiv gegen Österreich wenden wird, demonstriert, so Schroeder, das geltende Sprichwort dieser Zeit: „keine gute Tat blieb ungestraft“ (S. 34)
Doch das Russland nach der Revolution von 1905 ist nicht mehr das gleiche Russland.
Dies betrifft auch das Selbstverständnis des Außenministers, der kein Lambsdorff mehr ist, sondern ein vergleichsweise anmaßender (und inkompetenter) Isvolski.

Alles in allem, so Schroeder, war die Politik von Ö-U defensiv.
Und dies selbst in der Julikrise, so Matthias Schulz in Kapitel 2 des Buches.
(Leider nur auf Englisch)

Was die „Bosnische Annektions-Krise“ angeht, so ist diese mE angesichts des sonstigen Gebarens anderer Großmächte dieser Zeit nur deshalb eine Krise, weil sie als solche dargestellt wurde.

Durnovo beklagt in seinem Memorandum vom Feb. 1914 eine falsche Ausrichtung der Außenpolitik ab 1907.
Diese sei dilettantisch, orientiere sich am Beifall der Öffentlichkeit statt an Realitäten, und provoziere die Gefahr eines großen europäischen Krieges. Er hebt ebenso hervor, dass es den alten Freunden und neuen Gegnern ein leichtes gewesen wäre, aus der tiefen Krise des Zarenreichs 1905-1906 Vorteile zu ziehen, was sie eben nicht taten.

So kann man die Story erzählen, und ich selbst tendiere mehr und mehr dazu die Rolle Russlands bei der Eskalation zur Katastrophe als eine wesentlich aggressive zu sehen.
Nachdem sich jedoch mein Bild bei der Beschäftigung mit dem Thema immer wieder gewandelt hat, will ich vorsichtig bleiben.
Was letztlich immer noch gilt: „Mir wird bei Alledem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.“
 
Zuletzt bearbeitet:
@hatl

Ja, ich selbst sehe Russlands Rolle in der unmittelbaren Vorgeschichte aber auch in der Julikrise sehr kritisch. Österreich-Ungarn wurde von der Triple Entente kaum noch als eigenständig betrachtet, sondern nur als Satellit des Deutschen Reiches.

Deutschland und Österreich haben Russlands Verlegenheit nach der katastrophalen Niederlage gegen Japan nicht ausgenutzt. Russland hat dies schlecht gedankt. Der Hass gegen Österreich-Ungarn kannte keine Grenzen. Iswolsky hat durch seine Weichenstellungen der russischen Außenpolitik das Gleichgewicht der Kräfte verändert. Er war geradezu besessen von der westlichen Ausrichtung. Der Außenminister der k.u.k. Monarchie war hingegen zu Beginn seiner Amtszeit von dem Gedanken durchdrungen, das Drei Kaiserbündnis wieder zu beleben.

Das furchtbare ist ja, das die Annektionskrise in Petersburg, insbesondere bei Iswolsky als kommender Botschafter in Paris und auch bei Sasnow, als Nachfolger Iswolskys, sehr stark nachwirkte; sie hat ja Sasonows Handeln in der Julikrise beeinflusst. Und Iswolsky gefiel sich in Paris als Stimmungsmacher gegen die Mittelmächte. Alles wegen der Lügen eines Iswolsky. Diese Krise war bedeutsam auf dem Wege zum Ersten Weltkrieg.

Auch Italiens Angreifbarkeit während seines größenwahnsinnigen Krieges in Sachen Tripolis oder nach der Erdbebenkatastrophe. Weder Österreich-Ungarn oder das Deutsche Reich haben von Italien Kompensationen verlangt, damit die während des grausamen Kolonialkrieges die Füße stillhalten. Im Gegensatz zu dem überaus verwerflichen Verhalten Italiens im Jahre 1915.

Letzten Ende hat auch die Geduld und Zurückhaltung gegenüber Serbien nichts gebracht. Das Land wollte nicht Ruhe geben und das Ergebnis ist bekannt.

Und deshalb ja auch meine Einschätzung, das Conrad hinsichtlich Italien und Serbien so unrecht nicht hatte.
 
.. größenwahnsinnige Gebaren Belgrads ..
Na, ob man den Begriff sinnvoll anwenden kann?
Ich bezweifle das, und würde einen anderen Ansatz vorschlagen.
Es gab ja keine Spieler auf der Bühne, bei denen innenpolitische Zwänge nicht mit der Außenpolitik verwoben waren.
Wie würdest Du die innenpolitische Situation Serbiens sehen und deren Einfluss auf die Außenpolitik?
(Die Frage ist ja für alle anderen auch erheblich.)
 
In gewisser Weise schon.:)

das "kleine" Serbien hat die Großmacht Österreich-Ungarn provoziert und herausgefordert. Die Ansprüche, die Belgrad stellt hatten keinerlei juristische oder völkerrechtliche Grundlage und waren auch für damalige Verhältnisse unverschämt. Aber in Belgrad setzte man auf Petersburg.

Das Jahr 1903 stellt eine Zäsur dar. Der serbische König Alexander, aus dem Hause der Obrenovic, wurde bestialisch ermordet. Neuer König wurde Peter Karadordevic, die Österreich-Ungarn traditionell feindlich gegenüberstand. Der neue König brachte sein Land auch schnell auf großserbischen Kurs, Bosnien und die Herzegowina sollten zu Serbien heimkehren, und einen ausgesprochenen pro russischen Kurs. Auch näherte man sich Frankreich an. Das brachte Serbien schnell in einem starken Gegensatz zu Österreich-Ungarn, welches praktisch einen Handelskrieg eröffnete. Ohne Erfolg.

In der serbischen Regierung sollen Personen arbeiten, die an der Ermordung des vorigen Königs unmittelbar beteiligt gewesen waren. Als Beispiel sei Dragutin Dimitrijewitsch (Aspis) genannt.

Die innenpolitische Situation dürfte sich nach der Niederlage in der Annektionskrise 1909 stark verschärft haben. Nicht lang danach wurde die Schwarze Hand gegründet, die schnell ausgezeichnet vernetzt war und über gute Verbindungen zum Militär und Polizei verfügte. Die serbische Regierung unterließ es aber gegen diese Organisation vorzugehen. Es wurden irredentische und großserbische Ziele verfolgt. Auch vor Terrorismus wurde nicht zurückgeschreckt. 1910 scheiterte beispielsweise ein Attentat auf den österreichisch-ungarischen Landeschef von Bosnien und der Herzegowina Varesanin.

Und es war ausgerechnet Nikola Pasic, den Wien vor dem Tode bewahrte. Pasic war König Milan zum Tode verurteilt worden, aber Wien intervenierte zugunsten von Pasic. Dieser hat das schlecht gedankt.
 
Italiens Haltung war während der Krise nicht gerade die eines Verbündeten. Jovanvic, der Ende Oktober in Italien weilte, konnte sich der Sympathie des Außenminister Tittoni und auch des Königs versichern. Sie alle wünschten Serbien Erfolg. Das geht aus der Korrespondenz Jovanovic Ende Oktober 1908 an das serbische Außenministerium in Belgrad unmissverständlich hervor. Der italienische König verwies Jovanovic bei einem Empfang zu dessen Ehren, an Tittoni, der für die serbischen Interessen ganz ausgezeichnet gestimmt sei.

Am 18.November 1908 berichte Milowanowitsch aus Rom, das Gilotti, der italienische Ministerpräsident, mit seinen Außenminister vollkommen einer Meinung sei. Milowanowitsch erfuhr in Rom, das die russische Regierung die englische gebeten hat, einen schärferen Kurs gegenüber Wien zu fahren.

Eine weitere wichtige Folge der Annektionskrise war, das der als „schwächlich“ geltende russische Botschafter Sergejew durch Nikolaus Hartwig ersetzt wurde. Der Zar wollte ihn ursprünglich als Nachfolger Iswolskys als Außenminister einsetzten. Hartwig verstand es sehr schnell sich einen enormen Einfluss in Belgrad zu verschaffen; er wurde nicht umsonst der König von Belgrad genannt. Der Balkanbund ist unter seiner maßgeblichen Ägide gezimmert worden. Hartwig verstand diesen Bund als Sperrspitze gegen Österreich-Ungarn.

Iswolsky wurde Botschafter in Paris und machte dort Stimmung gegen die Mittelmächte.

Frankreichs Beziehung zu Serbien wurde enger. Paris gewährte Kredite, baute Eisenbahnen, rüstete die Armee aus und auf, serbische Diplomaten studierten in jener Zeit fast alle in Paris, eine französische Bank wurde in Serbien eröffnet.

Österreich Ungarns Situation war ungemütlich geworden.
 
Die innenpolitische Situation dürfte sich nach der Niederlage in der Annektionskrise 1909 stark verschärft haben. Nicht lang danach wurde die Schwarze Hand gegründet, die schnell ausgezeichnet vernetzt war und über gute Verbindungen zum Militär und Polizei verfügte. Die serbische Regierung unterließ es aber gegen diese Organisation vorzugehen.

Die Frage ist ob Pasic dazu in der Lage gewesen wäre.
Ich weiß es nicht, so bleibt mir die Frage.

So wie ich es verstehe:
war ja der Apis (Dragutin Dimitrijewitsch) ein zentraler Drahtzieher der Ermordung des Königs Alexander und seiner Frau. Und damit auch einer der Königsmacher des Peter 1903. Gelungen ist das vor allem durch seine enge Vernetzung mit dem Militär.
Auch bei der Gründung der Schwarzen Hand spielte er eine Rolle und wurde später Geheimdienstchef.
Konnte Pasic vor diesem Hintergrund frei agieren ohne das Schicksal des Alexander und seiner Frau Draga vor Augen zu haben?
Auch ist es dem Pasic, wenn auch etwas verspätet, gelungen sich des Apis zu entledigen, der ein Drahtzieher des Attentats von Sarajevo war, im Gegensatz zu Pasic, der die große Konfrontation zu vermeiden suchte.
Und auch im Gegensatz zum Kriegstreiber Conrad von Hötzendorf, der noch nicht einmal eine angemessene Planung für seine Pläne bereitstellte.
Man hätte sich in der Julikrise schon noch verständigen können.

Österreich Ungarns Situation war ungemütlich geworden.
Richtig „ungemütlich“.
Vor allem nachdem der Europäische Teil des OR durch einen nationalistischen Furor der jungen Balkanstaaten spektakulär gefleddert wurde.

Denn wie sich ein ungebremster nationalistischer Eifer der Völker des Balkans vergleichbar auf Ö-U auswirken müsste, sieht man an der Verteilung der Ethnien im Habsburger Reich.
Österreich-Ungarn
 
Zuletzt bearbeitet:
Pasic hätte sicher mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Aber er hätte es in seiner Position als Regierungschef trotzdem versuchen müssen.

Ich glaube Aspis wurde ein Schauprozess gemacht, bevor andere auf die Idee dazu kommen und dann möglicherweise Wahrheiten ans Tageslicht gekommen wären, die auch einen Pasic nicht genehm gewesen wären.

Welche Pläne von Conrad meinst du? Meinst du den katastrophalen Aufmarsch? Ich meine hierzu gelesen haben frage mich bitte jetzt nicht nach der Quelle, das Conrad die Problematik erkannt hatte und an die zuständige Abteilung weitergereicht hat. Nur, da ist nichts passiert.

Serbien ist 1909 im Prinzip zu billig davon gekommen und die Folgen waren schlicht katastrophal. Aber es fehlte ja auch nicht an Ermutigungen aus Petersburg, nach dem Motto, aufgehoben, ist nicht aufgeschoben. Das Zarenreich hat es verstanden auch Bulgarien zu sich herüberzuziehen. Italien wollte die Adria beherrschen. Nur noch Rumänien stand auf dem Balkan in der Person von König Carol an der Seite der Monarchie. Von der Bevölkerung wurde das eh nicht getragen; dazu war die ungarische Magyarisierungspolitik zu brutal und Siebenbürgen war auch ein Problem. Die Monarchie musste also für due Zukunft wohl die Gegnerschaft von Serbien, Montenegro, Bulgarien fest in Rechnung stellen. Rumänien war eher unsicher und auf Griechenland konnte man auch nicht rechnen. Der Bündnispartner Italien verhielt sich auch nicht gerade wie ein solcher.
Österreich-Ungarn stand gewissermaßen mit dem Rücken zur Wand.
 
Es war vor allem der Stabschef des polnischen Militärdistrikts Alexejew, der die Planung von Danilow, Schwerpunkt gegen Deutschland , zu Fall brachte. Er hatte große Probleme damit Polen aufzugeben und war sich auch nicht sicher, ob die Planung Danilows überhaupt erfolgversprechend sei. (Stevenson, Der Erste Weltkrieg) So wurde aus dem Plan 19 dann der Pan 20, der dann auch so tatsächlich umgesetzt wurde.

Danke für den Hinweis auf Stevenson - 1914-1918.
(Es wurde an anderer Stelle nach einem Standardwerk zum Ersten Weltkrieg gefragt, Das genannte ist ein solches)
Eine Anmerkung zu Plan19 und 20. Ich beziehe mich dabei ebenso auf Stevenson 1914 -1918 (TB Penquin Books) Seite 62ff.
Der Plan 19 des Jahres 1910, ist vorsichtig und defensiv. Die Auswirkungen des verlorenen Kriegs gegen Japan und die der folgenden Revolution sind noch präsent. Der Planungschef Danilov geht vom dem Szenario aus: Das DR wird mit Krieg mit einer Invasion der polnischen Ausbuchtung des Russischen Reiches beginnen. Die Verteidigung dagegen ist am besten am Ostrand des Russischen Polens zu gewährleisten, (Es droht ja eine Abschnürung. Siehe Karte)
Auch gegenüber Ö-U wird eine defensive Haltung eingenommen.
Ein vorübergehender Verlust polnischer Gebiete wird in Kauf genommen,
Gegen ein solche Strategie wendet sich, wenig überraschend, der Stabschef des Militärdistrikts Warschau Alekseyev.

Letztlich aber bringt dieser nicht etwa die Planung Danilovs zu Fall. Vielmehr hat sich die Zeit geändert und auch Danilov die Taktik. (Plan 20)
Die Zuversicht des R. Militärs ist gewachsen, das Zarenreich macht den Eindruck sich stabilisiert zu haben, die Wirtschaft wächst ordentlich und, vielleicht am wichtigsten, die Militärs halten einen nahen Kriegsausbruch für wahrscheinlich.
Nun befürwortet Danilov für den Kriegsfall eine frühe Offensive gegen beide: DR und Ö-U, wobei die Hauptanstrengung gegen letzteres zu führen sei. Denn es wird zutreffend davon ausgegangen, dass das DR seine gegen Frankreich wenden würde.
Interessant in dem Zusammenhang ist wohl auch, dass kurz nach Plan 19 im Jahr 1910 ein heftiges Wettrüsten einsetzte. Die steilste Kurve legte das DR hin (relativ wie absolut), gefolgt von Russland. Aber auch bei Ö-U und Italien findet sich ein Knick nach oben, jedoch von einer vergleichsweise niedrigen Basis aus.
Auch Frankreich und UK steigern ihre Rüstungsausgaben deutlich.
Mussten die Kriegsplanungen Russlands eine Bedrohung für Ö-U und das DR darstellen, so fand sich Russland in der Situation, dass das wirtschaftlich stärkere DR den Rüstungswettlauf gewinnen würde.
(Ebenso Stevenson, hier aber: Armaments an the Coming of the War – S.320ff und Tabelle 1)

Auf dem Höhepunkt Julikrise 1914 wird Danilov, gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt, auf eine Vollmobilisierung drängen, da aus seiner Sicht die für 28. Juli angeordnete Teilmobilisierung gegen Ö-U fatal für die militärische Gesamtplanung sein müsse. Er unterstützt damit nicht nur die Forderungen der führenden Militärs, sondern auch die des Kriegsministers und des Außenministers.(Lieven – The End of Tsarist Russia S. 335ff)
Auch er hält den Krieg nun für unausweichlich.
Das Ergebnis ist bekannt: Der Zar knickt ein, die Vollmobilisierung wird durchgeführt, und das Unheil nimmt weiter Fahrt auf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Daneben wurden die Obrenovic immer wieder damit hingehalten das diese doch am Ende von den Österreichern Bosnien bekommen, wofür es sogar Anhänger bei den Österreichern gab (werde versuchen genaue Namen zu finden).


Weshalb sollte Österreich-Ungarn Bosnien an Serbien abtreten? Man hatte es ja erst 1908/09 endgültig, eine gewaltige Krise war die Folge, gewonnen.
Hast du dafür eine Quelle?
 
Weshalb sollte Österreich-Ungarn Bosnien an Serbien abtreten? Man hatte es ja erst 1908/09 endgültig, eine gewaltige Krise war die Folge, gewonnen.
Hast du dafür eine Quelle?

Wenn @Zoki55 darauf abstellt, dass die Obrenovic (dann logischer Weise noch als Könige von Serbien) damit hingehalten wurden, würde sich das auf einen Zeitraum bis maximal 1903 beziehen, danach "übernahmen" ja die Karadordevic.
Das wäre dann vor der Annexionskrise gewesen und auch bevor Russlands Schwächephase ab 1904/1905 absehbar wurde , die das Tor zur Möglichkeit der de jure Annexion sicherlich deutlich aufgestoßen haben wird.

Zuvor stand das Gebiet ja de jure lediglich unter Besatzung, die weitere Tendenz zur Auflösung des Osmanischen Reiches in Form der Balkankriege gab es auch noch nicht.

Bequellen kann ich das an dieser Stelle nicht, aber die Tatsache, dass Bosnien und die Herzegowina am Ende keiner der beiden Reichshälften zugeschlagen wurden, belegen ja doch etwas die Querelen darum, dass man auch nach 1908, als man die Gelegenheit zur Annexion hatte, nicht so wirklich wusste, was man mit den Provinzen, selbst wenn man sie annektieren könnte, denn anfangen wolle.
Wirtschaftlich betrachtet ist das Gebiet, so weit mir bekannt, für die Donaumonarchie stets ein Zuschussgebiet gewesen. Und wenn ich mir etwa Tiszas spätere Argumentation anschaue, warum eine Annexion Serbiens nicht in Frage kommen dürfe, weil man nicht noch mehr slawische Gebiete und Einwohner haben wollte, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass es solche Stimmen auch schon vor 1908 gegeben haben mag.

Das es noch zur Zeit der Obrenovic, sprich irgendwann zwischen 1878 und 1903 Überlegungen auf österreichischer Seite gegeben haben mag, die 3 besetzten Provinzen bei Zeiten wieder zu räumen, sie möglicherweise Serbien als Kompensation zu überlassen, wenn es sich bereit erklärte dafür auf jedwede weiteren Aspirationen auf osmanische oder österreichisch-ungarische Territorien zu verzichten, könnte ich mir schon vorstellen.

- Man wusste offensichtlich ohnehin nicht, was man mit diesen Gebieten innerhalb der Monarchie anstellen sollte.
- Der Unterhalt der Besatzung der Provinzen war sicherlich kostspielig und auch sonst kosteten sie mehr, als dass sie einbrachten.
- Für eine Annexion hätte man einen Modus vivendi mit den anderen Großmächten, im Besonderen Russland finden müssen, wobei die Möglichkeit eine temporäre massive Schwäche Russlands zu nutzen noch nicht absehbar war.
- Bedenken noch mehr Slawen in das Gebiet der Monarchie zu holen, mag es bei den Deutschen und den Magyaren schon damals hin und wieder gegeben haben.
- Ob aber das Osmanische Reich in der Lage gewesen wäre, diese auch geographisch mittlerweile recht exponierten Provinzen effektiv zu kontrollieren oder ob man diesem Reich damit nur den nächsten potentiellen Revolutionsherd auf dem Balkan wieder angefügt hätte, der mehr zur Destabilisierung, als zur Stabilisierung beigetragen hätte, hätte man sicherlich hinterfragen können.
- Möglicherweise hätte das ein Weg sein können, zu einer Art "Kleinsüdslawischen" Lösung zu kommen, mit der vielleicht ein Teil der Anhänger eines ideologischen Südslawentums in beiden Gebieten hätte zufriedengestellt werden können.

Ist aber zugegebenermaßen Spekulatius.

Nach 1908, da wirst du recht haben, wird man das wohl eher nicht mehr erwogen haben.
 
Weshalb sollte Österreich-Ungarn Bosnien an Serbien abtreten? Man hatte es ja erst 1908/09 endgültig, eine gewaltige Krise war die Folge, gewonnen.
Hast du dafür eine Quelle?

Es gab Ende des 19. Jahrhundert auch unter deutschsprachigen Raum viele Leute die Bosnien grundsätzlich für ein Land hielten, was früher oder später Teil Serbiens sein sollte. Das ging schon beim Hofslawisten Jernej Kopitar (okay der starb schon vor der Besetzung) los und war auch der Standpunkt vieler Deutschnationaler, die nicht noch mehr Slawen im Reich wollten.

Jeder Obrenovic außer Milan Obrenovic (der erste Fürst der nur zwei Wochen) hat versucht Bosnien irgendwie zu bekommen.

Milos Obrenovic bot im Jahr 1833 die Unterstützung zur Niederschlagung des Aufstandes der bosniakischen Obeschicht an.

Mihajlo verlangte ganz ungeniert auch Bosnien nach dem Krimkrieg, (bekam dafür die Städte Belgrad, Smederevo, Uzice und so).

Milan Obrenovic führte Serbien in den Krieg gegen die Osmanen, nach dem Herzegowinaaufstand.

Aleksandar Obrenovic war auch enttäuscht, dass die Österreicher klar machten Bosnien bleibt österreichisch-ungarisch.
 
Österreich-Ungarn wurde von der Triple Entente kaum noch als eigenständig betrachtet, sondern nur als Satellit des Deutschen Reiches.
Das ist ein Knackpunkt.

Es war auf russischer Seite für wichtige Entscheidungsträger nicht denkbar, dass die Aggression Ö-Us gegen Serbien nicht die Entscheidung des DR für den großen Krieg sein müsse.
Und tatsächlich konnte ja Ö-U nicht ohne Deckung durch das DR handeln.
In diesem Sinn ist die Einschätzung "Satellit" zutreffend.
 
Ein ganz wesentlicher Punkt aus Sicht Wiens war es, möglichst lange das Osmanische Reich am Leben zu halten; den Status Quo zu sichern. Konstantinopel war ein wichtiger Partner in der Gegnerschaft zum Panslawismus. Damit brachte sich Österreich-Ungarn ganz klar im Gegensatz zu den anderen Staaten auf dem Balkan. Der Ballhausplatz ging davon aus, wenn die Türken erst einmal aus dem südosteuropäischen Raum vertrieben sind, das sich dann der alles andere als harmlose empfundene Nationalismus, vor allem den der Serben, sich wohl gegen die Monarchie wenden würde.
 
Das ist ein Knackpunkt.

Es war auf russischer Seite für wichtige Entscheidungsträger nicht denkbar, dass die Aggression Ö-Us gegen Serbien nicht die Entscheidung des DR für den großen Krieg sein müsse.
Und tatsächlich konnte ja Ö-U nicht ohne Deckung durch das DR handeln.
In diesem Sinn ist die Einschätzung "Satellit" zutreffend.

Das sah man in Wien ganz anders. Dort herrschte, vor allem gerade bei Aehrenthal, die Einstellung vor, dass das Deutsche Reich nur noch Österreich-Ungarn als verlässlichen Verbündeten hätte und gar nicht anders könnte, als Wien zu unterstützen. Wien hatte Berlin erfolgreich das Leitseil um den Hals geworfen.
 
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