Schlieffen-Plan und Marneschlacht

Um es vorweg zunehmen: Ich habe den sog. Schlieffenplan (die Denkschrift 1905/06) nie gelesen und ich wäre dankbar, wenn jemand einen link zum Originaltext hier posten würde.

Eine Sortierung der vorhandenen Vorentwürfe, Teilkonzepte, Reinkonzepte und Abschriften nimmt Ritter vor (Der Schlieffenplan).

Er rekonstruiert und fügt zusammen, inkl. Zusatzmemorandum vom Febr. 1906 (Landung der Engländer mit 100.000 Mann) sowie Manuskript der Stellungnahme Moltkes aus 1911 und Schlieffens Denkschrift vom 28.12.1912 (Krieg mit Frankreich und Rußland).

Dort S. 141-196.
 
Ich bin doch erstaunt, dass niemand einen link zum Schlieffenplan, eines der wichtigsten Dokumente des 20. Jahrhunderts, posten kann. Wundert sich den außer mir in diesem Forum niemand darüber? Das von silesia erwähnte Buch von Ritter ist vergriffen, bei abebooks habe ich für teures Geld englische Ausgaben gefunden.
Nach der Zuber-Lektüre bekommt man schon das Gefühl, dass die breite Bevölkerung die Schrift nicht lesen soll.
 
Nach der Zuber-Lektüre bekommt man schon das Gefühl, dass die breite Bevölkerung die Schrift nicht lesen soll.

Verschwörungstheorien werden hier behandelt:
http://www.geschichtsforum.de/f72/verschw-rungstheorien-24857/

Ich weiß nicht, wie es sich mit dem Copyright verhält, ansonsten könnte ich das posten bzw. einstellen, da mir Ritter vorliegt.

Ob das eines der "wichtigsten Dokumente des Jahrhunderts" ist, würde ich bezweifeln. Dies deshalb, weil die Auswirkungen der Idee in unübersehbar zahlreichen Quellen nachzuvollziehen sind. Die Vermerke Schlieffens werden da aus meiner Sicht bedeutungslos.

Worin siehst Du denn unter Berücksichtigung der realisierten Politik die "Wichtigkeit"?
 
Das hat doch ganz andere Gründe, in Deutschland ist der 1. WK nach wie vor ein "vergessener Krieg".

Ob ein Verlag da tatsächlich die Kosten für ein aktuelles Werk hereinspielen könnte, halte ich auch für fraglich.
 
Ich bin doch erstaunt, dass niemand einen link zum Schlieffenplan ... posten kann. Wundert sich den außer mir in diesem Forum niemand darüber?
Ehrlich gesagt nein. Es wird zwar in aller Welt fleißig digitalisiert und gescannt, aber die Warteschlange ist gaaaaaaaaaanz lang.

Das von silesia erwähnte Buch von Ritter ist vergriffen... Nach der Zuber-Lektüre bekommt man schon das Gefühl, dass die breite Bevölkerung die Schrift nicht lesen soll.
In praktisch allen Universitätsbibliotheken, auch hier in Saarbrücken, ist das Ritterbuch vorhanden und kann von überall her von der breiten Bevölkerung bestellt werden.

Meine persönliche Empfehlung zu den meisten Fragen in diesem Strang:
Jehuda L. Wallach: Das Dogma der Vernichtungsschlacht. Die Lehren von Clausewitz und Schlieffen und ihre Wirkung in zwei Weltkriegen. DTV 1970 (ab 4,60 € in Antiquariaten).

Siehe im Übrigen German Strategy and the Path to ... - Google Buchsuche sowie von demselben Autor Alfred Von Schlieffen's Military ... - Google Buchsuche (dort S. 163 ff. Schlieffens Memorandum von 1905 usw.).
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Schlieffendenkschrift ist ein Dokument der Zeitgeschichte, das gibt es kein Copyright. In Deutschland wird doch vielerorts Geschichte gelehrt, da wird doch auch mal der 1. Weltkrieg durchgenommen. Die Studenten werden doch hoffentlich mal die Denkschrift im Original lesen. Auf Uni-homepages, auf der homepage des Forschungsamtes in Potsdam, bei privaten Interessierten, nein, nichts zu finden. Der angebliche Ausgangspunkt der Ur-Katastrophe des 20.Jahrhundert ist (im Internet) ein Nullum.

Ich teile die Auffassung, dass der Schlieffenplan nicht so wichtig ist wie dargestellt. Aber ob diese Meinung weitverbreitet ist?

Bei Golo Mann (wikipedia bezeichnet ihn zwar als Historiker, er war allerdings Professur für Politische Wissenschaften), Deutsche Geschichte im 19. Und 20. Jahrhundert, S. 585, ein Bestseller von 1958, schreibt harsche Worte über den Schlieffenplan und gibt ihm Mitschuld am Kriegsausbruch. Nur: Golo Mann kann die Denkschrift nicht gelesen haben. Den bei ihm handelt der Schlieffenplan von „einem Krieg….gegen Rußland und Frankreich“ (einem sowie und sind auch im Original kursiv), und das ist ja offensichtlich falsch (zumindest was die Denkschrift 1905/06 angeht, und davon sprechen wir doch, oder?). Nach meiner Erinnerung ist doch das die übliche Darstellung. Die Bedeutung des Schlieffenplans („für die Politik der letzten Julitage“) ergibt sich laut Mann aus der „meisterhafte(n) Studie“ von Gerhards Ritter. Der hat wiederum – wie zumindest Zuber behauptet – ganze Passagen wörtlich von Georg Steinhausen, „Die Grundfehler des Krieges“ 1919, abgeschrieben. Ich habe (als Nicht-Historiker) nur schwer die Möglichkeit nachzuprüfen, wer sich eine eigene Meinung gebildet hat und wer nur abgeschrieben hat. Wenn man in einer Universitätsstadt lebt, kann man sicher sich mal die Zeit nehmen und in der UB in das Buch von Ritter reinschauen (bestellen eines älteren Buches wäre bei uns nicht möglich).

Ich wollte nur mal die Denkschrift im Original lesen um mir eine Meinung zu bilden. Und schon wird man mit Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht.
 
Bei Golo Mann ... schreibt harsche Worte über den Schlieffenplan und gibt ihm Mitschuld am Kriegsausbruch. Nur: Golo Mann kann die Denkschrift nicht gelesen haben. Den bei ihm handelt der Schlieffenplan von „einem Krieg….gegen Rußland und Frankreich“ (einem sowie und sind auch im Original kursiv), und das ist ja offensichtlich falsch (zumindest was die Denkschrift 1905/06 angeht, und davon sprechen wir doch, oder?). Nach meiner Erinnerung ist doch das die übliche Darstellung. ...
Wie kommst Du darauf (Rußland auszunehmen)?
Warum soll das Golo Mann nicht gelesen haben können?

Ich wollte nur mal die Denkschrift im Original lesen um mir eine Meinung zu bilden. Und schon wird man mit Verschwörungstheorien in Verbindung gebracht.
Das hast Du falsch verstanden, es bezog sich nicht auf das Lesen von Schlieffen, sondern hierauf:
Nach der Zuber-Lektüre bekommt man schon das Gefühl, dass die breite Bevölkerung die Schrift nicht lesen soll.
Das mag vielleicht an Zuber liegen.

Übrigens: interessante These Zubers zu Steinhausen/Ritter. Gibt es dazu Näheres?
http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Steinhausen
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Denkschrift – oder der Entwurf einer Denkschrift - von Schlieffen ist überschrieben mit „Der Krieg gegen Frankreich“. Russland wird nicht erwähnt, es gibt keine Operationen gegen Russland, es wird nicht ein Soldat nach Ostpreussen geschickt. Siehe #1

Eine Erklärung für die Nichtberücksichtigung Russlands versucht Foley #8.

Golo Mann spricht von einem Feldzugsplan gegen Franreich und gegen Russland.
 
Die Denkschrift – oder der Entwurf einer Denkschrift - von Schlieffen ist überschrieben mit „Der Krieg gegen Frankreich“. Russland wird nicht erwähnt, es gibt keine Operationen gegen Russland, es wird nicht ein Soldat nach Ostpreussen geschickt. Siehe #1

Ich nehme an, das sind Zitate, da Du in #1 angegeben hast, die Denkschrift nicht gelesen zu haben.

Die Denkschrift trägt die Überschrift "Krieg gegen Frankreich" und beeinhaltet einen "Feldzug gegen Frankreich", siehe Satz 1: "In einem Kriege gegen Deutschland wird sich Frankreich, besonders solange es auf eine wirksame Unterstützung Rußlands nicht rechnen kann, voraussichtlich zunächst auf die Verteidigung beschränken."

Dass Rußland nicht erwähnt wird, ist demnach falsch.

Rußland steckt "im Szenario" durchaus drin, wie sich auch aus Schlieffens nachträglichem Vermerk von 1912 und dem Bezug zum Dreibund ergibt.

Quellen - auch Schlieffens Memo - sollte man dann im Kontext lesen. Dazu ist die Einleitung von Ritter empfehlenswert, insbesondere Schlieffens "Bruch" mit dem Moltkeschen (d.Ä.) Schwerpunkt, der sich 1891 inhaltlich vollzogen hatte (wie an der entsetzten Kritik Moltkes vor seinem Tode sichtbar wird). 1893 gab Schlieffen zu verstehen, dass die Offensive über den Narew als Idee aufgegeben sei, zuvor hatte er sich auch in der Denkschrift im August 1892 für die Hauptoffensive im Westen entschieden. Schlieffen "ohne Schlieffen 1891-1905" zu lesen, verzerrt den fokussierten Charakter der Denkschrift 1905 über die zügige Entscheidungsschlacht im Westen, Ritter, S. 36.


Golo Mann spricht von einem Feldzugsplan gegen Franreich und gegen Russland.
Er hat demnach recht. Dabei geht es nicht darum, dass die Schlieffen-Idee zunächst den Westfeldzug präzisierte und die (nur theoretisch folgende, ggf. wegen Friedensschluß im Westen dann überflüssige) folgende Kampagne im Osten operativ ausblendete.
 
Das klingt eher nach einem Ritterplan.

Für einen Feldzug brauche ich Soldaten und entsprechendes Material. Die Frage ist doch nicht, ob das Wort Russland in der Denkschrift vorkommt, sondern wieviel Einheiten der Armee für den Osten abgestellt wurden. Die Antwort ist doch "keine", es gibt nicht eine Division an der Ostfront. Dann kann ich auch keinen Krieg gegen Russland führen, keinen Verteidigungskrieg und einen Angriffskrieg auch nicht.

Auch wenn jemand Schlieffen im Zusammenhange liest, müssen für ein konkretes Jahr konkrete (also mit Namen) Divisionen benannt werden, die im Osten (und nicht zeitgleich im Westen) stehen sollen. Das geht nicht. Daher hilft sich Schlieffengegner Foley auch damit, dass er argumentiert, Russland war zu dieser Zeit so schwach, dass man sich nicht gegen dieses Land verteidigen musste. Natürlich ist das nicht richtig, ein Land wie Russland hat derartige Ressourchen, dass es immer ein militärischer Faktor ist.
 
Das klingt eher nach einem Ritterplan.

Für einen Feldzug brauche ich Soldaten und entsprechendes Material. Die Frage ist doch nicht, ob das Wort Russland in der Denkschrift vorkommt, sondern wieviel Einheiten der Armee für den Osten abgestellt wurden. Die Antwort ist doch "keine", es gibt nicht eine Division an der Ostfront. Dann kann ich auch keinen Krieg gegen Russland führen, keinen Verteidigungskrieg und einen Angriffskrieg auch nicht.


So ist es. Schlieffen war bei seinen Planungen von einem schnellen Einfrontenkrieg im Westen ausgegangen.

Zum Verständnis des Schlieffenplanes müssen wir uns einmal mit seiner Entstehung und Weiterentwicklung befassen.

Nach seinem Dienstantritt als Chef des Großen Generalstabes sah sich Schlieffen veranlaßt, ein neues militär-strategisches Konzept für den Fall eines Zweifrontenkrieges zu entwickeln. Die Notwendigkeit entstand aus der sich verändernden strategischen Lage Deutschlands. Schlieffen erkannte richtig, dass Deutschland einen Zweifrontenkrieg nicht gewinnen konnte. Besonders ein langwieriger Abnutzungskrieg mußte unter allen Umständen verhindert werden. Schlieffens Lösung für das sich abzuzeichnen beginnende strategische Problem Deutschlands war einfach, aber genial: Die Nutzung der inneren Linie; dem einzigen strategischen Vorteil, welchen Deutschland in einem Zweifrontenkrieg haben würde. Bei seiner Planung konnte Schlieffen angesichts der außenpolitischen Lage noch von einem schnellen Einfrontenkrieg im Westen ausgehen, bevor andere Mächte - Russland - in den Krieg eintraten. Von all den Kritikern Schlieffens - zum Teil wie Golo Mann militärische bzw. militärhistorische Dilettanten - habe ich noch keine realistische Alternative zu Schlieffens Konzept gesehen.

Ab 1905 verschob sich zunehmend die strategische Lage zu Ungunsten des Kaiserreichs. Sein Nachfolger Moltke mußte in den folgenden Jahren mit der Gegnerschaft Frankreichs, Russlands und Großbritanniens rechnen - und mit deren nahezu gleichzeitigen Kriegseintritt. Statt einem schnellen Einfrontenkrieg im Westen mußte dadurch vom ersten Tag an mit einem Zweifrontenkrieg gerechnet werden. Schlieffens Planungen hinsichtlich der Faktoren Zeit und Raum wurden über den Haufen geworfen. Moltke versuchte dieses Dilemma durch eine Modifizierung des Schlieffenplanes zu lösen. Admiral hat die Einzelheiten der Modifizierung im Rahmen seiner Einleitung aufgeführt.

Im August 1914 zogen die deutschen Truppen somit nicht mit einem Schlieffen-, sondern mit einem Moltkeplan ins Feld. Allerdings stand Moltkes Konzept - weit mehr als Schlieffens ursprünglicher Plan - unter einem gnadenlosen Zeitdruck und war nur bei einem best-case-Szenario umzusetzen. Eine Friktion - 1914 der französische Gegenangriff an der Marne - konnte schon ausreichen, das Konzept zum Scheitern zu bringen. Der "Moltkeplan" war eine Notlösung mangels Alternativen in Anbetracht eines strategische Dilemmas, für welches das preußisch-deutsche Militär nicht verantwortlich gemacht werden kann. Der deutsche Generalstab - das deutsche Militär - war durch die politischen Veränderungen vor eine Aufgabe gestellt worden, welche einfach nicht lösbar war.

Konsequenterweise hätte Moltke die politische Führung über die (zu befürchtende) Aussichtslosigkeit eines Zweifrontenkrieges informieren und damit zu einer Änderung ihrer Außenpolitik bewegen müssen. Die Erfolgsaussichten hier wären allerdings gleich null gewesen, da Politiker erfahrungsgemäß beratungsresistent sind, besonders in militärischen Fragen. Zudem wäre das Eingeständnis der eigenen militärischen Schwäche einer Bankrotterklärung gleichgekommen, welche mit dem Selbstverständnis eines Generalstabsoffiziers nicht zu vereinbaren war.

Gneisenau
 
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Mit der Gegnerschaft Frankreichs und Russlands hat auch schon der ältere Moltke in seinen Überlegungen gerechnet. Er wollte aber im Westen defensiv bleiben und im Osten beschränkt offensiv tätig werden.

Die Gegnerschaft Großbritanniens war einer nicht wenig meisterhaften Außenpolitik und dem Flottenrüsten geschuldet. Hier haben die Militärs, konkret die Marine, insbesondere in der Person von Tirpitz, ihr Schäflein zum Gegensatz mit Großbritannien beigetragen.

Des Weiteren hat der Schlieffenplan, bedingt durch seine Ausrichtung gegen Frankreich, also eine Umkehrung der Pläne des älteren Moltke, und vor allem in der geplanten umfassenden Verletzung der Neutralität Belgiens, Großbritanniens Gegnerschaft schon fast automatisch impliziert.

Moltke der Ältere hat seine strategischen Planungen der jeweiligen diplomatischen Lage angepasst, während Schlieffen sich bei seinen Überlegungen für diese überhaupt nicht interessiert hat. Mit dem Primat der Politik war es anscheinend nicht weit her, was sich dann in der Julikrise rächen sollte.

So erfuhr der Reichskanzler Bethmann Hollweg erst im Jahre 1912 von dem Schlieffenplan. Auch Bülow hat erst wesentlich später Kenntnis von den Planungen Schlieffens Kenntnis erhalten.

Im Jahre 1912 wurde erkannt, dass das Heer dringend massiv personell aufgerüstet werden müsse. Des Weiteren hat ein Kriegsspiel anlässlich der nunmehr bekanntgewordenen Strategie Großbritanniens der Fernblockade Admiral Scheer die Erleuchtung gebracht, das eine Entscheidungsschlacht unter günstigen Bedingungen nicht realisierbar ist. Und im gleichen Jahr meinten Tirpitz und Wilhelm II. im Zuge der Haldane - Mission auf ihre Flottenrüstung in bisherigem Umfange zu beharren, anstatt den ernsthaft die Möglichkeit einer Einigung mit den Briten auszuloten.
 
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Man muss sich mit der Entstehungsgeschichte und dem Kontext des Plans von 1905 beschäftigen.

Die Diskussion - Einfrontenkrieg oder Zweifrontenkrieg - ist u.a. durch Rassow beflügelt worden, der auf die (letzte!) Überschrift abstellt. Wie man sieht - "solange" - stellt Schlieffen auch durch die Erwähnung von Rußland im ersten Satz auf das timing der russischen Mobilmachung ab, woraus sich die Folge ergibt, dass der Westfeldzug bis zum aufmarsch des russischen Heeres abgeschlossen sein muss.

Schlieffen ging vor und nach der Denkschrift stets - und realistisch aufgrund der Bündnislagen - von einem Krieg gegen beide Länder aus. Das wird auch im Kontext durch zahlreiche Hinweise auf die öst.-ungarische Armee deutlich.

Nicht anders hat ihn Moltke interpretiert, den man hier mit seinen Randnotizen zu der Denkschrift (1911) heranziehen kann: "Man kann wohl mit Sicherheit annehmen, dass der nächste Krieg ein solcher nach drei Fronten sein wird. ... Ich stimme dem Grundgedanken [Schlieffens] zu, den Krieg mit einer starken Offensive nach Frankreich hinein zu eröffnen, gegen Rußland zunächst mit schwachen Kräften defensiv zu bleiben". Im übrigen ist es eine Diskussion um des Kaisers Bart, da die Verwendung der Denkschrift für den Zweifrontenkrieg belegt ist. Schlieffen selbst hat 1912 am (Schreibmaschinenkopie im Nachlaß 28.12.) ausgeführt: " ... Deutschlands und Österreich-Ungarn hervorgegangen. Beide Mächte fühlen sich durch Rußland bedroht. ... Ganz Deutschland muss sich auf e i n e n Gegner werfen ... Österreich mag ohne Sorgen sei: die russische gegen Deutschland bestimmte Armee wird nicht nach Galizien marschieren, bevor nicht die Würfel im Westen gefallen sind."


Ritter klärt die scheinbare Exklusivität des Westfeldzuges anhand der wechselnden Überschriften der Denkschriftfassungen für 1905."Für das Verständnis [und so wurde Schlieffen explizit durch Moltke interpretiert] der Operationspläne [Plural!] bleibt das indessen ohne große Bedeutung, da er im wesentlichen dieselben Grundgedanken [die in der Schrift verglichen werden] schon lange vorher und auch 1912 wieder für den Fall eines Zweifrontenkrieges entwickelt hat." Ritter verweist auf diesen Ansatz bis 1860, auf den Bruch mit Schlieffens Strategie, auf die gegen Ö-U herunter gesetzte Zusage von 18 auf 10 Divisionen im Verlauf 1892 bis 1905 (was den Kriegsfall Ost einschließt).

Dass dann 1905 die Operationsstudie [nicht: Kriegsfall] den Osten ausklammert, liegt an der Entstehung der Schrift im Winter 1904/05 (Revolution), dem realistischen Ausfall Rußlands aus der Kampangne 1905 sowie des Durchspielens der Planstudie im Sommer 1905 - wobei sich das Kriegsspiel auf den Westfeldzug beschränkte. Wie an Schlieffens eigenen Bemerkungen und der Interpretation Moltkes ablesbar ist, war damit keinesfalls die "Exklusivität" der Studie im partiellen Krieg gegen Frankreich und England (-> Ergänzung) gemeint. Der Operationsstudie mit ihrem Kräftebedarf ist daher im Mob.fall der Umfang von 10 Divisionen hinzuzurechnen, Stand 1905.

@Gneisenau:
den Schluß im letzten Absatz teile ich; wobei ich die Politik hier nicht allein im Regen sehen würde. Es wurde ja nicht nur nicht vor Gefahr gewarnt, sondern die Machbarkeit des Feldzugsplans stand in der Interpretation der Militärs 1905/14 wohl außer Frage. Die Überlegung, wie die Politik bei einer in gewisser Weise dramatischen Warnung reagiert hätte, bleibt daher mE spekulativ.
 
Ein Streit um Kaisers Bart?

Vielleicht sollte man sich nochmals klarmachen, worüber hier gesprochen wird. Eine Denkschrift (oder auch nur ein Entwurf, das weiß man nicht) eines Pensionärs, die dieser 9 Jahre vor Kriegsausbruch schrieb. Warum interessiert das überhaupt jemanden, diese Frage kann man sich stellen.

Es geht um die deutsche Schuld am Kriegsausbruch. Die ist nämlich nicht einfach zu begründen. Die französisch-russische Zusammenarbeit bezüglich eines Krieges mit Deutschland ist über ein Jahrzehnt alt und beinhaltet erhebliche französische Investitionen in militärisch nutzbare Infrastruktur in Russland. Russland, der Partner Frankreichs, hat mit seiner Mobilmachung den ersten Schritt zum Krieg getan (Ö-U mobilisierte zwar noch früher, aber Ö-U ist eben nicht Deutschland und man brauchte eine Kriegsschuld Deutschland). In dieser Situation ist es hilfreich, wenn Deutschland einen Eroberungszug hätte, der diese ganzen Maßnahmen in einem anderen Licht erscheinen lässt und das ist der Schlieffenplan, ein perfider Masterplan, der letztlich mit einer gigantischen Bewegung Frankreich auslöschen will.

Was aber wenn es diesen Plan als militärischen Plan gar nicht gab?

Es ist keine Frage, dass der Generalstab von einem Zweifrontenkrieg ausging. Es ist allerdings auch keine Frage, dass dies in der Denkschrift nicht der Fall war (und 24 in der Denkschrift eingesetzte Divisionen gab es nicht). Jetzt wird ja konkret mit Divisionen (auch Geisterdivisionen) gearbeitet, alles im Westen. Jetzt stellt sich die Frage, was die Denkschrift überhaupt war (ein Thesenpapier für den Reichstag zur Stützung einer Wehrvorlage?). Die von Dir in den Raum gestellten Interpretation und bei allen Diskussionen stützen diese Annahme. Denn für eine militärische Planung braucht man Angaben zu Streitkräften und wo bleiben die Divisionen für den Osten? In der Denkschrift gibt es keine (auch keine Ersatzdivisionen), das ist ein Fakt und das hat in Potsdam auch niemand mehr bestritten.

Die von Dir vorgeschlagene Argumentation negiert die Bedeutung der Denkschrift für den Krieg (damit liegst Du auf der Linie von Zuber). Jetzt kommt es darauf an, ob die sonstige Planung des Generalstabs ein die politische Landschaft in Europa veränderndes Angriffskriegsszenario war. Anhand der Unterlagen verneint das Zuber und kommt zum konsequenten Schluss, dass Deutschland ein Verteidigungskrieg führte.

Das ist kein gewünschtes Ergebnis. Foley hilft sich damit, dass Deutschland (zum ersten und letzten Mal in seiner Geschichte) im Kriegsfall alles Militär aus dem Osten abzieht, Groß meint andere Denkschriften gefunden zu haben.
 
Es ist keine Frage, dass der Generalstab von einem Zweifrontenkrieg ausging. Es ist allerdings auch keine Frage, dass dies in der Denkschrift nicht der Fall war (und 24 in der Denkschrift eingesetzte Divisionen gab es nicht). Jetzt wird ja konkret mit Divisionen (auch Geisterdivisionen) gearbeitet, alles im Westen. Jetzt stellt sich die Frage, was die Denkschrift überhaupt war (ein Thesenpapier für den Reichstag zur Stützung einer Wehrvorlage?). Die von Dir in den Raum gestellten Interpretation und bei allen Diskussionen stützen diese Annahme. Denn für eine militärische Planung braucht man Angaben zu Streitkräften und wo bleiben die Divisionen für den Osten? In der Denkschrift gibt es keine (auch keine Ersatzdivisionen), das ist ein Fakt und das hat in Potsdam auch niemand mehr bestritten.
Richtig, der Schlieffen-Plan ist als Vermächtnis zunächst einmal eine "Rüstungsvorlage". Interpretiert man ihn als Machbarkeitsstudie (betr. eines siegreichen 40-Tage-Feldzuges gegen Frankreich), kann damit der Aufruf verbunden werden, die rüstungsseitigen Grundlagen zu schaffen: Heeresvermehrung, technologische Entwicklung der Artillerie etc.). Es ergibt sich ein weiterer interessanter Anknüpfungspunkt: der Verdrängungskampf um die Geldmittel mit der Flotte. Schlieffen kann man auch so interpretieren, dass die Entscheidung auf dem Land fällt, gegen Frankreich (siehe den "Nachtrag", bei dem britische Landungen in Antwerpen berücksichtigt werden: das Szenario gegen Großbritannien war also durchaus berücksichtigt).


Die von Dir vorgeschlagene Argumentation negiert die Bedeutung der Denkschrift für den Krieg (damit liegst Du auf der Linie von Zuber).
Da hast Du mich völlig falsch verstanden.

Es ist eine Sache, was sich Schlieffen gedacht hat.

Es ist eine andere Sache, was sich daraus [aus dem "Geheimrezept"] entwickelt hat und wie der Generalstab 1906-1914 der Politik auf bestimmte Fragestellungen antwortet.

Das ist kein gewünschtes Ergebnis. Foley hilft sich damit, dass Deutschland (zum ersten und letzten Mal in seiner Geschichte) im Kriegsfall alles Militär aus dem Osten abzieht, Groß meint andere Denkschriften gefunden zu haben.
Ich würde nicht nach Wünschen gehen.

Foley übersieht demnach, dass es sich weniger um ein Phänomen des "Schlieffen-Plans", also i.e.S. 1905, als vielmehr um eine grundsätzliche Idee Schlieffens seit 1892 handelt, in der Erkenntnis, dass im Osten keine Entscheidung erzwingbar ist. Diese Erkenntnis bewirkte die Einstampfung der alten Abnutzungsgsstrategie zugunsten des Dogmas der Entscheidungsschlacht (siehe Wallach).
 
Ich hätte noch eine Frage bezüglich des Schlieffen-Plans. Und zwar, gibt es im Internet irgendwo das Originaldokument nachzulesen oder nicht??
 
siehe oben:

"Eine Sortierung der vorhandenen Vorentwürfe, Teilkonzepte, Reinkonzepte und Abschriften nimmt Ritter vor (Der Schlieffenplan).
Er rekonstruiert und fügt zusammen, inkl. Zusatzmemorandum vom Febr. 1906 (Landung der Engländer mit 100.000 Mann) sowie Manuskript der Stellungnahme Moltkes aus 1911 und Schlieffens Denkschrift vom 28.12.1912 (Krieg mit Frankreich und Rußland).
Dort S. 141-196."

Daneben sind Teile in weiteren Veröffentlichungen enthalten, siehe oben.

Im Internet ist mir dazu nichts bekannt.
 
Admiral schrieb:
Mombauer deutet das Kaiserreich als ein vom Militär beherrschtes Staatswesen, ohne für eine solche Argumentation wesentliche Punkte (zB die geringe Ausnutzung der im Vergleich zu Frankreich, ein Umstand, der später von Stefan Schmidt angesprochen wird).

Ich möchte aber doch bestreiten, das beispielsweise in Frankreich oder Großbritannien das Militär so eine herausragende Stellung hatte. Im Deutschen Reich gab es ein Nebeneinander von einer zivilen und einer militärischen Spitze, wobei sich die militärische Spitze immer in die politischen, besonders außenpolitischen Belange eingemischt hat. Es sind zahlreiche Äußerungen führender Militärs, insbesondere von Moltke, überliefert, in denen sie immer wieder ein Präventivkrieg fordern. Genau dies fielt aber nicht in deren Aufgabenbereich.
 
Der Schlieffenplan an sich war nicht schlecht. Allerdings wurde er modifiziert und was man 1914 praktizierte, war der Schlieffen-Moltke-Plan. Eine, salopp gesagt, abgespeckte Version. Das ging in die Hose, weil man nicht alles auf einen Punkt konzentrierte, sondern sich verzettelte. Zudem fehlte es an Geschwindigkeit. Die mit Pferden bespannte Artillerie kam nicht nach. Gerade die Artillerie war anfänglich Deutschlands Trumpf. Die Pferde verreckten in Folge des Marschpensums vor Erschöpfung in den Straßengräben. Da fehlte es an Weitsicht. Die Artillerie war das A und O. LKWs gab es noch zu wenig und von den vorhandenen fielen über 50% bis zur Marneschlacht durch technische Defekte aus.
 
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