Sommerlager des Varus

Hi Cherusker,

Cherusker schrieb:
...JAHN beschreibt anhand der Quellen, daß die römischen Waffen aufgrund der Nässe unbrauchbar wurden ( ziemlich zweifelhaft). Dagegen verlangst Du von dem Varus-Troß übermenschliche Fähigkeiten: Zivilisten sollen die Marschleistungen von Legionäre erreichen....

Nun das ist ja nix neues: Das ist Freud und Leid des Vor-und Frühgeschichtlers, die Quellen sind äusserst dünn und die Archäologie ist auch nicht so dicke. Zwischen den wenigen Aufhängungspunkten muss mit Fachwissen und gesundem Menschenverstand halt interpoliert werden. Das geht gar nicht anders.

Das die römischen Waffen durch Nässe unbrauchbar wurden halte ich auch mehr für Teil des Topos. Was die Marschleistungen angeht, so ist dass in der Tat schwer zu beurteilen, weil es von so vielen Faktoren abhängt:

- wie sehen die Wege aus
- welche Transportmittel
- welches Gelände
- welches Wetter
- was muss persönlich geschleppt werden
- welchen Einfluss hat die Trossdynamik
- welcher Trainingsstand, Gesundheit, Kraft haben die Personen ?????

und noch vieles mehr. Junkelmann hat ja Tests gemacht, aber auch mit heutigen Studenten, die natürlich bei weitem nicht mehr so kernig sind wie der antike Mensch, auch eine ganz andere Motivation hatten, und auch hat er sie nur in kleinen Gruppen geführt. Was so ein Tross tatsächlich leisten konnte, ist schwer zu sagen, weil es soviel Unwägbarkeiten gibt.

Jedenfalls würde ich keinen grossen Unterschied zwischen Zivilisten und Militärs machen: Der unfreiwillige Trianingsstand des antiken Menschen war weit höher als wir Weicheier uns dass heute noch vorstellen können. Man musste ja praktisch alles händig machen:
Bei den Ausgrabungen z.B. von Herkulaneum hat man in einem Bootsschuppen über 250 Tote ausgegraben, die dort auf Rettung wartend von Lava verschüttet wurden. An den Leichen konnte man noch gut den allgemeinen Gesundheitszustand ermitteln. Selbst etwa 15 jährige Jünglinge litten bereits in der Mehrzahl an Knochenschäden, wie man sie heute nur noch bei alten schwerarbeitenden Menschen findet, und von den extremen Belastungen der täglichen Arbeit des Durschnittsbürgers zeugen. Zivilisten und Militärs waren also bereits bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit eines menschlichen Körpers trainiert, da tut sich zwischen denen nicht mehr viel. Zudem war der antike Mensch im Durschnitt nicht viel kleiner als der heutige Mensch, oder anders ausgedrückt: der antike 15 jährige Jüngling könnte dem bodybuildenden Büropupser von heute mühelos einhändig die Gurgel umdrehen.

Cherusker schrieb:
...Anscheinend ist hat jede niedersächsische Großstadt für Dich einen germanischen bzw. römischen Urpsrung? .... hier irgendwelche heutige Städte zu benennen, das ist doch nicht ernsthaft gemeint, oder?
...


Mit welchen Namen ausser den heutigen soll man die nachgewiesenen Siedlungsgebiete denn deiner Meinung nach benennen? hutu butu bongo kongo rubi dibi oder was ?

Cherusker schrieb:
...
Manchmal habe ich das Gefühl Deine Phantasie läßt Dir alle Quellen anders erscheinen? Diese Erscheinung erkennt man ansonsten noch bei einem Herrn aus dem Osten. ...

Das Problem der Friebes in dieser Welt ist ja nicht deren Phantasie, sondern dass sture manische festhalten an unhaltbar gewordenen Thesen, und statt sich an dem wissenschaftlichen Disput zu beteiligen stattdessen überall Verschwörer und Böses zu vermuten.

Cherusker schrieb:
...
Die Varuslegionen haben keine großen Entfernungen zurückgelegt, da Germanicus den Verlauf der Schlacht nachging. Das wird er bestimmt nicht über 60km Entfernung gemacht haben, da er von Arminius bedrängt wurde (siehe JAHN)....

Mal behauptest du man müsse sich ganz nahe an den Quellen orientieren, mal behauptest du man könne das keinesfalls. Jetzt dasselbe Spiel mit der Entfernung: vor kurzem sollten nach deiner Auffassung der fingierte Aufstand echt weit entfernt sein (ich erinnere dich, zwei bis drei Tagerreisen waren dir viel zu wenig ), nun aber sind dir 60 km schon viel zu viel.

Cherusker schrieb:
...Hildesheim war damals keine Stadt, sondern nur ein übliches Siedlungsgebiet mit vielen kleinen Siedlungen. Die Leine muß damals schon bedeutender gewesen sein als die Innerste. Somit wird vermutet, daß sich die Römer gen Norden eher an der Leine orientierten!....

Das ist nach gängigem Kenntnisstand im wesentlichen schon richtig. Das Leinetal spielte für die Wetterau/Lahnroute dieselbe Rolle, wie das Emmertal für die Lipperoute: Sie sind die jeweiligen Zubringer (aus Westen bzw. Süden) in den Hildesheimerraum. Oder auch hutu butu bongo kongo rubi dibi, falls dir das lieber ist.

So long, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Jedenfalls würde ich keinen grossen Unterschied zwischen Zivilisten und Militärs machen: Der unfreiwillige Trianingsstand des antiken Menschen war weit höher als wir Weicheier uns dass heute noch vorstellen können. Man musste ja praktisch alles händig machen:

Ist das jetzt ein Scherz?.....:rofl:
Die Legionäre waren an tägliche Märsche und Strapazen gewöhnt. Sie waren i.d.S. austrainierte Profis. Dagegen waren Zivilisten, z.B. Händler, die einem Beruf nachgingen, der nicht tägliches schnelles Marschieren voraussetzte, nicht auf schnelle und schwierige Märsche eingestellt.
Um es Dir verständlich zu machen: ein Möbelpacker in heutiger Zeit kann mehr tragen als ein Marathonläufer. Obwohl er "austrainiert" ist, kann er zwar viele schwere Sachen heben (und hat auch Verschleißerscheinungen), aber er wird bei einem 30km Marsch gegenüber den Marathonläufer schlapp machen. Und genauso verhält es sich umgekehrt, der Marathonläufer wird nicht die Mengen tragen können, die der Möbelpacker schleppt...
Ein Beispiel aus der Antike: nach der Flucht aus Aliso hängen die Leginonäre mit ihrer höheren Marschgeschwindigkeit die Zivilisten ab. Und nur die Schnellsten konnten sich in Sicherheit bringen.
Ist das so schwer zu verstehen?:grübel:


Trajan schrieb:
Mit welchen Namen ausser den heutigen soll man die nachgewiesenen Siedlungsgebiete denn deiner Meinung nach benennen? hutu butu bongo kongo rubi dibi oder was ?

Langsam wird es albern....:rofl:
Du hast immer noch nicht verstanden, daß die Germanen nicht in Städten wohnten, sondern in einzelnen Siedlungskammern über das Land verteilt. Sie nutzten die fruchtbaren Flächen und erst nach der Sachsenzeit wurde auch begonnen Wälder zu roden, um neue Gebiete zu erschließen. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, daß es in Hildesheim irgendeine größere Ansiedlung gegeben hat. Die germanischen Fürsten haben höchstwahrscheinlich eine Burg bzw. Wallanlage (siehe Segestes) besessen, die zur Machtdemonstration und Zufluchtstätte diente. Aber einzelne Gehöfte und kleinere Siedlungen wird man fast überall finden. Sie waren halt über das ganze Land verteilt. Nur in bestimmten Gebieten kam es zu Häufungen. Aber warum ausgerechnet Hildesheim so eine größere Siedlung gewesen sein soll, das erschließt sich wohl nur Dir?:grübel:



Trajan schrieb:
Mal behauptest du man müsse sich ganz nahe an den Quellen orientieren, mal behauptest du man könne das keinesfalls. Jetzt dasselbe Spiel mit der Entfernung: vor kurzem sollten nach deiner Auffassung der fingierte Aufstand echt weit entfernt sein (ich erinnere dich, zwei bis drei Tagerreisen waren dir viel zu wenig ), nun aber sind dir 60 km schon viel zu viel.

Auch das hast Du nicht verstanden:confused: ....die Meldung von einem Aufstand wird mit höchstwahrscheinlicher Sicherheit eine fingierte Meldung gewesen sein. Arminius versuchte Varus in ein bestimmtes Gebiet zu locken. Hierfür mußte er einen Aufstand erfinden, da die Römer keine germanischen Unruhen zu dem Zeitpunkt dulden konnten. Schließlich befanden sich größere Heerverbände im pannonischen Krieg, sodaß keine zusätzlichen Legionen für Germanien übrig waren. Da es von 1-4n.Chr. den immensum bellum gegeben hat, konnte für Varus nur das Ziel sein, diesen Aufstand schnell im Keim zu ersticken. So mußte er auch zur "späten" Jahreszeit" ausrücken. Das er nie zu diesem "Aufstand von entfernt wohnenden Völkern" gelangen sollte, das dürfte doch wohl klar sein, oder?

Es kann sich daher nur um relativ unbekannte germanische Stämme gehandelt haben, die für diese fingierte Aktion herhalten mußten. Arminius hat dann den Varus-Troß auf dem Zug dorthin angegriffen. Das muß in einem Gebiet gewesen sein, daß für Chatten, Brukterer und Masern auch gut erreichbar war.
Wenn man Anreppen in diese Geschichte mit einbezieht, dann können die Kämpfe schon begonnen haben, als die Römer den Teutoburger Wald überquerten (das setzt einen Zug gen Osten voraus).
Einige fliehende Römer der Varussschlacht haben es bis Aliso geschafft, d.h. die Römer können noch nicht allzufern von der Lippe gewesen sein.

Fazit: mit den "weitentfernten Stämmen" waren nicht die Cherusker gemeint, sondern germanische Stämme, die die Römer so nicht genannt haben. "Weit entfernt" können sie auch nicht sein, wenn sie gen Westen gezogen wären, da den Römern (die ja bekanntlich am Rhein ihre Lager hatten) diese Stämme bekannt waren und sie sie dann genannt hätten.

P.S.
Die Varusschlacht wurde von den Römern als "clades Variana" bezeichnet. Normalerweise wurden die Auseinandersetzungen nach dem betreffenden Volk bzw. Stamm benannt oder nach einem Ort (z.B. pontes longi, Angrivarierwall, Idistaviso....). Ich vermute daher, daß dieses Schlachtfeld in einem weitgehend ungenutzten und fern eines bestimmten markanten Punktes stattfand. Es gibt nur die Orientierungen "bei den äußersten Brukterer" und "in der Nähe der Teutoburg". Da die römischen Leichen über einen längeren Zeitraum unbestattet liegengelassen wurden, kann es nicht auf einem bekannten und vielgenutzten Weg geschehen sein.
 
Trajan schrieb:
Mit welchen Namen ausser den heutigen soll man die nachgewiesenen Siedlungsgebiete denn deiner Meinung nach benennen? hutu butu bongo kongo rubi dibi oder was ?

Ein bisschen ernsthafter sollte die Diskussion schon geführt werden, sonst wird es kindisch...
 
Trajan schrieb:
Bei den Ausgrabungen z.B. von Herkulaneum hat man in einem Bootsschuppen über 250 Tote ausgegraben, die dort auf Rettung wartend von Lava verschüttet wurden. An den Leichen konnte man noch gut den allgemeinen Gesundheitszustand ermitteln. Selbst etwa 15 jährige Jünglinge litten bereits in der Mehrzahl an Knochenschäden, wie man sie heute nur noch bei alten schwerarbeitenden Menschen findet, und von den extremen Belastungen der täglichen Arbeit des Durschnittsbürgers zeugen.

Meines Wissens wurden diese Leichen aber anders interpretiert: ich war vor ca. einem Jahr in der Ausstellung in Herne, dort wurde - meine ich - behauptet, in dem Schuppen seien vor allem kranke und schwächliche Menschen gewesen, welche man zurückgelassen habe.
 
Hallo Trajan,

in meinem Beitrag vom 22.06.06 habe ich von der Volksüberlieferung gesprochen, die sich im Ostwestfälischen Raum bis heute hält und Du hast nach genaueren Details gefragt.

Vorweg wiederhole ich nochmals, daß solcher Volksmund lediglich "sagenhaften" Charakter hat. Beachtenswert finde ich jedoch, daß sich derartige Erzählungen über einen solchen Zeitraum erhalten haben. Was immer man auch davon halten mag. Auch verfügt solcherlei Volksmund natürlich über keine Quellenlage. Es ist lediglich ein Aspekt neben der nicht vorhandenen archäologischen Beweislage, die Varusschlacht zu betrachten.

In den Erzählungen bezüglich der Varusschlacht, die ich aus meiner Kindheit und Jugend in Ostwestfalen kenne, ist vor allem von anscheinenden Fluchtversuchen der Römer über den Teutoburger Wald und das Eggegebirge in Richtung Senne und Paderborn die Rede. Namentlich seien hier die Ortschaften Veldrom, Kohlstädt und Stapelage und die Hofansiedlungen Uekenpohl und Krawinkel östlich von Oerlinghausen genannt. Dies würde ja schon der Werretalthese entsprechen.
Verbreitet ist auch die Überlieferung, daß die Herlingsburg bei Glashütte, nördlich des Emmerstausees, die Stammburg von Arminius gewesen sein soll. Auch dieses ist natürlich nicht beweisbar, außer das diese Wallanlage zu dieser Zeit schon existiert hat.

Soviel dazu, um Deine Frage zu beantworten und für den ein oder andern vielleicht als zweckdienlicher Hinweis :grübel:
 
Wäre natürlich interessant zu wissen, wie alt die Erzähltradition ist. Wenn sie 2000 Jahre zurückreichte, könnte man ihr für den Verlauf der Varusschlacht Bedeutung zumessen, wenn sie aber auf die Zeit seit der Wiederentdeckung der antiken Texte zurückgeht, dann ist sie nur eine Quelle dafür, wie Bildungsgut ins Volksgut eingehen kann.
 
Wie alt diese Erzählungen sind, kann ich nicht beurteilen oder belegen. Deswegen wähle ich ja auch den Begriff "Volksmund".

Belegbar ist aber aus alten Urkunden, daß der ursprüngliche Namen von Detmold "Teutmalli" ist. Auszuschließen ist von daher natürlich nicht, daß dort auch mal eine Teutoburg existiert hat. Vielleicht sogar die heute genannte Grotenburg bei Detmold, eine Wallanlage aus der Zeitenwende, auf der zufälligerweise auch das Hermannsdenkmal errichtet wurde.
Auch weiß man, daß die Herlingsburg ursprünglich Hermionsburg genannt wurde (Quelle: Johann Piderit), was zumindest eine Namensähnlichkeit zu Hermann erkennen läßt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ave Miteinand,

ElQuichote schrieb:
Meines Wissens wurden diese Leichen aber anders interpretiert: ich war vor ca. einem Jahr in der Ausstellung in Herne, dort wurde - meine ich - behauptet, in dem Schuppen seien vor allem kranke und schwächliche Menschen gewesen, welche man zurückgelassen habe.

Ich habe die Ausstellung in Berlin bewundert, wirklich ergreifend. Hier zitiere ich etwas von dem Text der Ausstellung:

http://www.herculaneum-ausstellung.de schrieb:
....1900 Jahre lagen die Skelette von über 300 Frauen, Männern und Kindern verschüttet unter einer meterdicken Schicht vulkanischer Asche. .........Viele litten an den Folgen harter Arbeit. Selbst bei Kindern fanden sich schon Abnutzungserscheinungen an der Wirbelsäule und den Bändern. ....... Die Archäologen fanden noch mehr, unter Vulkanasche begrabene Gefühle: eine Familie, die sich fest in den Armen hält, ein Säugling, der zum Schutz hinter dem Rücken seines Vaters liegt.
.....Sie bilden einen Querschnitt der Bevölkerung. Unter den Opfern war jedes Alter von 0 bis 60 Jahren vertreten. Allerdings nur wenige Menschen über 50 Jahren, und keine, die älter als 60 Jahre waren. .......Der einzige Zugang zum Strand war ein schmaler, steiler Weg, der zum Meer hin in einer engen Treppe endete. Entlang dieser Strecke wurde kein Opfer gefunden. Die Menschen liefen demnach schnell, aber nicht in Panik Richtung Strand. Außerdem wurden viele Kleinkinder gefunden, die mit Sicherheit getragen worden sind, und Gehbehinderte, die auf Hilfe angewiesen waren. Dass sie alle die Häuser und den Strand erreichten, zeigt, dass sich die jungen und gesunden Bewohner trotz des drohenden Unheils um die Schwächeren kümmerten.....


Ein rührendes Foto dazu:
http://www.herculaneum-ausstellung.de/cms/front_content.php?idcatart=58

Nun denn, es war ein solider Querschnitt durch alle Bevölkerungsteile. Man sieht, erstens waren selbst Kinder schon bis über die Grenzen des Möglichen körperlich belastet, somit unfreiwillig austrainiert. Zweitens, dass soziale Verhalten war genauso ausgeprägt wie heute, man kann daher nicht einfach davon ausgehen, dass Legionäre, Soldaten hin oder her, einfach bei erster Gelegenheit die ihnen anvertrauten Frauen und Kinder im Stich lassen würden um ihre Haut zu retten.

Gode schrieb:
....Vorweg wiederhole ich nochmals, daß solcher Volksmund lediglich "sagenhaften" Charakter hat. Beachtenswert finde ich jedoch, daß sich derartige Erzählungen über einen solchen Zeitraum erhalten haben. ....Es ist lediglich ein Aspekt neben der nicht vorhandenen archäologischen Beweislage...

ElQuichote schrieb:
..... zu wissen, wie alt die Erzähltradition ist. Wenn sie 2000 Jahre zurückreichte, könnte man ihr ...Bedeutung zumessen, wenn sie aber auf die Zeit seit der Wiederentdeckung der antiken Texte zurückgeht.....

Herzlichen dank für die interessanten Beiträge aus dem Volksmund. Natürlich sind Rückschlüsse von Sagen und rein mündlichen Überlieferungen auf die historische Grundlage höchst riskant, aber letztlich machts die Summe: Wenn viele Anlehnungen in eine bestimmte Richtung weisen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, das etwas dran ist, schon recht gut. Natürlich bleibt auch immer die Möglichkeit, dass unterwegs irgendwo secundäres Gedankengut eingearbeitet wurde, die Gefahr besteht immer.

Was den Zeitraum angeht: wenn man anstatt in Jahren in Generationen rechnet, dann ist dass eigentlich nicht so verwunderlich: knapp 2000 Jahre, dass sind rund 60 Väter- bzw. nur 30 Grossvätergenerationen. Wenn man also davon ausgeht, dass Grossväter schon immer ihren Enkeln gerne was erzählt haben (vor der Fernsehgeneration auf jedenfall), so braucht diese Kapitän-Blaubär-Post nur etwa 30 Stationen bis heute. Da kann mehr hängen bleiben, als man zunächst denkt.

Gode schrieb:
....In den Erzählungen bezüglich der Varusschlacht, die ich aus meiner Kindheit und Jugend in Ostwestfalen kenne, ist vor allem von anscheinenden Fluchtversuchen der Römer...die Rede....

Der Textlaut dieser Erzählungen würde mich wirklich interessieren. Gibt es zitierfähige Aufzeichnung davon ?

Gode schrieb:
....Verbreitet ist auch die Überlieferung, daß die Herlingsburg bei Glashütte, nördlich des Emmerstausees, die Stammburg von Arminius gewesen sein soll. Auch dieses ist natürlich nicht beweisbar, außer das diese Wallanlage zu dieser Zeit schon existiert hat.....

Klar, ganz ganz schwierig. Aber es würde natürlich prächtig passen:
Die Herlingsburg, danke für den Hinweis, liegt ziemlich nahe am mutmasslichen Abzweig in der Gegend von Steinheim/Schieder. Das Szenario dass ich im ff. jetzt einfach einmal spinne, könnte gut die Kernfrage: WARUM NAHM VARUS DEN TROSS MIT ? erklären:

Der Segestesclan (der Sohn Segimundus ist Hoher Priester in Köln, Tochter Thusnelda auf seiner Burg) im Leine- und/oder Innerstetal als Führer der Ostcheruskerclans, der Segimerusclan (Söhne Arminius und Flavus in römischen Diensten) sitzt als Führer der Westcheruskerclans im Emmertal.
Beide sind den Römern vertraglich verpflichtet, beide Wohnsitze flankieren den Varuszug. Auf dem Rückzug verlässt Varus zunächst seinen Verbündeten Segestes am Leine/Innerste-Dreieck und kommt wenige Tage später wieder an der ebenso verbündeten Segimerus/Arminiusburg vorbei, dieser eilt ihm schon entgegen und weist auf den kleinen Aufstand hin, der gleich hier bei ihm um die Ecke auszubrechen droht. Und den könne man am besten gemeinsam durch ein demonstratives repräsentatives Auftreten im Keime ersticken.

Arminius weist auch darauf hin, das er als genauso guter Verbündeter wie Segestes es wohl erwarten darf, das Varus auch in Arminius Hinterhof noch ein paar Tage Hof hält und ihm damit die gleichen innermachtpolitischen Dienste tuen möge. Dem kann Varus kaum widersprechen, der kleine Aufstand, genauso sein Problem wie die des Arminius, wird wohl ohne nennenswertes Blutvergiessen, allein durch das gemeinsame prunk-und machtvolle Auftreten beizulegen sein, und dass ist er seinem bestem Verbündeten im Ritterstand, dem Arminius, schon noch schuldig. Er lässt sich also darauf ein, das Wetter scheint sich auch noch zu halten, zusammen mit Arminius ist nicht viel Widerstand zuerwarten und soweit bis nach Hause ist es ja auch nicht mehr.

Nun, ungefähr so könnte es gewesen sein, denn dass er den Tross mit Frauen und Kindern, Juristen etc.pp. mitnahm muss schon gute Gründe gehabt haben. Wenn man dagegen eine echte militärische Auseinandersetzung erwartet, wird man dass irgendwie zu vermeiden wissen.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Nun, ungefähr so könnte es gewesen sein, denn dass er den Tross mit Frauen und Kindern, Juristen etc.pp. mitnahm muss schon gute Gründe gehabt haben. Wenn man dagegen eine echte militärische Auseinandersetzung erwartet, wird man dass irgendwie zu vermeiden wissen.

Beste Grüsse, Trajan.

Ich würde den Aspekt, dass Varus den Tross mitführte nicht als Indiz betrachten, dass er zum Rhein zurückzog. Ein römisches Heer auf dem Marsch ohne Tross ist gänzlich undenkbar, ganz gleich in welche Richtung es zieht. Wenn die Legionen des Varus beispielsweise in Thüringen einrücken sollten, so wäre der Tross mit Sicherheit nicht in Anreppen geblieben, sondern dichter am Kampfgebiet stationiert worden.

Im Übrigen glaube ich, dass die Schilderung des übermäßig bestückten Trosses lediglich zum Topos der Erzählung gehört. Cassius Dio verweist auf die Bequemlichkeit des lasterhaften Statthalters, der durch sein Bedürfnis nach Luxus die tapferen Legionäre ins Verderben schickte.
Gruß Cato
 
Ave Cato,

Cato schrieb:
....Ein römisches Heer auf dem Marsch ohne Tross ist gänzlich undenkbar, ...Im Übrigen glaube ich, dass die Schilderung des übermäßig bestückten Trosses lediglich zum Topos der Erzählung gehört. ....

Da hast du schon recht. Ob der Tross Last oder Notwendigkeit war ist hier die Frage: war er nur ein typischer Militärtross, der lediglich der notwendgen militärischen Logistik diente, oder war es ein mehr ziviler Prunk-Tross, der auf Verwaltungs- und Kulturdemonstration abzielte ?

Ersterer würde für die Überlegungen natürlich keine so grosse Rolle spielen. Die Quellen lassen aber den zweiten vermuten und meiner Meinung nach auch die römische Germanienpolitik zu dieser Zeit.

Aber klar, wirklich sicher ist nur der Tod.:rotwerd:

Beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
. Das Szenario dass ich im ff. jetzt einfach einmal spinne, könnte gut die Kernfrage: WARUM NAHM VARUS DEN TROSS MIT ? erklären:

Der Segestesclan (der Sohn Segimundus ist Hoher Priester in Köln, Tochter Thusnelda auf seiner Burg) im Leine- und/oder Innerstetal als Führer der Ostcheruskerclans, der Segimerusclan (Söhne Arminius und Flavus in römischen Diensten) sitzt als Führer der Westcheruskerclans im Emmertal.
[.

Deine Vermutungen in Ehren, aber wenn der Rückschluß darausfolgt, daß Segestes im Raum Hildesheim saß, dann muß ich Dich wohl enttäuschen.

Im Jahre 15n.Chr. griff Germanicus mit 4Legionen in einem Eilmarsch (ohne Troß) die Chatten an. Zuvor hatte er im Taunusgebirge (hier stellt sich die Frage ob es mit dem heutigen Taunus identisch ist?) einen Stützpunkt auf einem alten Römerlager angelegt. Hier wird er auch einen großen Teil seines Trosses gelassen haben. L.Apronius wurde zurückgelassen um die Wege und Flußübergänge zu sichern und auszubauen.
Nach seinem erfolgreichen Angriff und die Zerstörung Mattiums, erhielt Germanicus die Kunde, daß Segestes auf seiner Burg belagert wurde. Germanicus entschloß sich zu einer Umkehr und befreite Segestes aus seiner Lage.
Wenn man den heutigen Taunus (südlich von Gießen) annimmt, so kann Segestes nur im südlichsten Teil des Cheruskergebietes geherrscht haben. Germanicus würde es ohne Troß nie schaffen in ein Gebiet, daß über 200km entfernt ist, vorzustoßen.
Meine Vermutung: wenn Germanicus bis in den Chattenraum um das heutige Kassel gelangte, so kann er maximal in den Göttinger Raum (Leine) bzw. in den Weserraum bei Beverungen (vielleicht noch Höxter:confused: ) gelangt sein.
Ansonsten wäre die Versorgung der 4Legionen nicht mehr gesichert gewesen.
Ferner hatte er Caecina mit 4Legionen zur Beschäftigung der Cherusker losgeschickt. Da dieser sich aber noch mit den Marsern (somit hielt sich Caecina auch südlich vom Cheruskergebiet auf) auseinandersetzen mußte, sind römische Feldzüge bis tief in das Cheruskergebiet nicht möglich.

Aber ich bin immer etwas vorsichtig, wenn es darum geht irgendwelche Gebiete einem bestimmten germanischen Fürsten zuzuweisen (siehe FRIEBE). :pfeif:
Der Volksmund hat seine Erkenntnisse nur aus der Wiederentdeckung der Antike (so hat man dann den Osning auch in Teutoburger Wald umgenannt).
Es gibt mir zuviele Römerberge usw. und den "Herrmann aus dem Lipper Land".:pfeif:
 
Römer im Weserbogen

Hallo,
ich habe mehrere Jahre in Holtrup, Vlotho und Porta Westfalica gewohnt. Ich glaube daher nicht, dass die Römer mit einem ihrer Lager in Holtrup oder im waren. Vielleicht als Beobachtungsposten auf dem Buhn als höchte Erhebung im Weserbogen, aber nicht mit dem ganzen Sommerlager.
 
Ave Cherusker,

das Segestesentsatz-Argument hast du ja schonmal vor einigerZeit gebracht. Besonders überzeugend ist es mir aber nicht, vorallen dingen deshalb, weil in den Quellen über die militärischen Umstände nichts näheres gesagt wird. Wir wissen lediglich (a) dass er tatsächlich Segestes helfen konnte und u.a. Thusnelda erbeutete und (b) dass er zu dieser Zeit einen Chattischen Feldzug unternahm.

Wie weit er dazu zusätzlich vorrücken musste umd mit wie vielen Truppen er das tatsächlich machte, ist zunächst allein deine Spekulation (die ich dir selbstverständlich zugestehe).

Nun, irritierend ist dein Argument schon, aber aus einem ganz anderen Grunde: Offensichtlich gelang ihm ja der Thusneldaraub ganz überraschend im Rücken des Arminius, der bekam das viel zu spät mit, und war dann auch fürchterlich geknickt.

Und da ist das Problem: Wenn die Arminiusburg und die Segestesburg nahe beieinander liegen (bzw.Arminus in der Nähe ist), sollte das eigentlich nicht passieren können. Auch dürfte die Arminiusburg nicht südlich der Segestesburg gelegen haben, da sonst der anrückende Germanicus vermutlich an seiner Burg vorbei gekommen wäre.

Ich hatte bislang eigentlich angenommen, dass beide Burgen in den Siedlungszentren im Leine/Innerstedreieck zu suchen seien. Dann würde der Segesetesentsatz durch Germanicus tatsächlich problematisch sein. Würde es sich aber nun bei der Herlingsburg tatsächlich um die Arminiusburg handeln, dann könnte Germanicus natürlich problemlos im Rücken des Arminius einen Überraschgungseinsatz am Hildesheimer Wald hinkriegen, Arminius würde das weit westlich der Leineachse erst drei Tage später mitkriegen.

Cherusker schrieb:
.... wenn Germanicus bis in den Chattenraum um das heutige Kassel gelangte, so kann er maximal in den Göttinger Raum (Leine) bzw. in den Weserraum bei Beverungen (vielleicht noch Höxter ) gelangt sein. ....

Nur würde das ja bedeuten, dass ausgerechnert die wichtigsten Cheruskerfürsten garnicht im Cheruskischen Kernland vertreten wären. Die Siedlungsverbreitungskarte zeigt ja deutlich, dass diese Gegenden zu dieser Zeit bei weitem nicht so üppig besiedelt waren, wie die Gegend ums Leine/Innerste-Dreieck. Letzteres war cheruskisches Zentrum, das spielte die cheruskische Musik, nicht so sehr im südlichsten Leinetal und auch nicht in Beverungen.

Cherusker schrieb:
....Ansonsten wäre die Versorgung der 4Legionen nicht mehr gesichert gewesen. ....

Niemand weiss, wieviele der vier Legionen er für den Entsatz des Segestes tatsächlich benutzte. Es ist nicht überliefert, ich vermute, dass ihm zugetragen wurde, dass Arminius im innercheruskischen Streit gerade nicht auf dem Posten war und die Gelegenheit gut war. Da muss er nicht alle vier Legionen mobilisiert haben.

Cherusker schrieb:
....Ferner hatte er Caecina mit 4Legionen zur Beschäftigung der Cherusker losgeschickt. Da dieser sich aber noch mit den Marsern ....

...und beschäftigte genau da dann auch den Arminius, so dass Germanicus weit östlich davon ungehindert zugreifen konnte. Das Marsergebiet zwischen Lippe und Ruhr liegt ca. 60 km westlich der Herlingsburg, also nochmal knapp 2 Tagesreisen entfernt, dann kriegt Arminius den Angriff im Osten frühestens erst fast eine Woche später mit, Germanicus hat dort dann rund zwei Wochen Zeit, bis es richtigen Ärger für ihn geben könnte.

Da ist Germanicus dann aber längst wieder weg, und Thusnelda auch.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Hallo Trajan,

den Schilderungen des Tacitus nach war der Entsatz des Segestes lediglich ein Abstecher, der vorher NICHT von Germanicus geplant war. Er hatte einen Feldzug gegen die Chatten gerade beendet, als ihn das Hilfegesuch erreichte. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass er dann weit ins Cheruskerland gezogen wäre, um diese Aktion durchzuführen. Die Vermutung, dass er sich dabei östlich der Truppen des Arminius begeben haben sollte (und noch dazu die Weser überschritt !) entbehrt jeder Grundlage.
Cheruskers These, die sich aus obigem Sachverhalt herleitet, ist weitaus nachvollziehbarer und wird u.a. von mehreren Wissenschaftlern vertreten (Callies, Timpe). Es handelt sich also nicht um eine bloße, unbegründete Spekulation, wie z.B. Dein Erklärungsversuch einige Beiträge zuvor.
Gruß Cato
 
Grüss Dich Cato,


Cato schrieb:
.... Tacitus nach war der Entsatz des Segestes lediglich ein Abstecher, ....

Genau, nicht mehr und nicht weniger sagt der Tacitus. Die genauen Umstände liegen absolut im Dunkeln, wir können da nur mehr oder weniger gut spekulieren, daran ändern auch Callies und Timpe nichts, die machen dass genauso.

Cato schrieb:
.... Die Vermutung, dass er sich dabei östlich der Truppen des Arminius begeben haben sollte (und noch dazu die Weser überschritt !) entbehrt jeder Grundlage.....

Die Grundlagen habe ich ja nun gerade erklärt.
Nur eine der Grundlagen will ich nochmal wiederholen:
Es kann nicht sein, Timpe hin und Callies her, dass die Cheruskerfürsten garnicht im Cheruskerland wohnten! Man kann nicht, lediglich auf Grundlage einer extrem dünnen Textstelle, die geographischen und archäologisch nachgewiesenen Siedlungsgebiet vom Tisch wischen.

Und was Weserüberschreitungen angeht: Auch die waren seit Drusus gang und gäbe, ergo nichts was sonderlich bemerkenswert wäre. Und die Entfernung der Gegenden Kassel-HildesheimerWald via Leinetal ist wirklich nichts weltbewegendes für das römische Heer gewesen.

Cato schrieb:
.... unbegründete Spekulation, wie z.B. ......

Ich behaupte ja nicht, dass ich nicht spekuliere, aber begründet sind meine Spekulationen allemal. Es bleibt natürlich jedem selbst überlassen, welchen Begründungen er folgen möchte.


Überhaupt ist theoretisieren ja schneller bei der Hand, als archäologische Nachweise zu Tage zu fördern. Irgendwo müssen wir uns auch mal bremsen und auf den einen oder anderen neuen Hinweis hoffen, auch wenn es meist viele Jahre braucht, bis mal was wirklich Neues kommt.

Insofern: Der Worte sind genug gemacht, lasst Taten folgen !

Beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Die Grundlagen habe ich ja nun gerade erklärt.
Nur eine der Grundlagen will ich nochmal wiederholen:
Es kann nicht sein, Timpe hin und Callies her, dass die Cheruskerfürsten garnicht im Cheruskerland wohnten! Man kann nicht, lediglich auf Grundlage einer extrem dünnen Textstelle, die geographischen und archäologisch nachgewiesenen Siedlungsgebiet vom Tisch wischen.

:nono:
Die "nachgewiesenen Sidelungsgebiete"?
Ist mir da etwas entgangen?
Seit wann kennt man denn genau die einzelnen Siedlungsgebiete der Cherusker, Angrivarier, Marser,.....?:grübel:
Bisher gibt es nur Vermutungen und so hat man den Hildesheimer Raum als Cheruskergebiet angenommen (was ich auch für richtig halte).
Aber ob die Cherusker beidseitig der Weser siedelten, darüber gibt es doch auch Streit. Manche behaupten nur östlich der Weser, während andere "Experten" sie bis an den Teutoburger Wald seßhaft machen.
Auch wird das Siedlungsgebiet Höxter/Holzminden von einigen als das Stammgebiet der Cherusker angesehen und der Raum Hameln ist auch nicht zu verachten (da wurde auch eine germanische Siedlung ausgegraben).
Daher sehe ich Deine Behauptung, daß Hildesheim jetzt der zentrale Punkt des Cheruskergebietes gewesen sein muß, als doch sehr fragwürdig an.
Es ist noch nicht ausführlich gegraben worden, sodaß man noch keine Rückschlüsse auf bestimmte Gebiete geben kann.

Da Du aber schon die Gebiete den einzelnen germanischen Adligen zuteilst, bist Du anscheinend hierüber besser informiert?:pfeif:
Nur weil im Volksmund die Herlingsburg als Arminiusburg bezeichnet wird, kann man nicht davon ausgehen, daß es auch so war. Es heißt ja schließlich auch im Volksmund der "Hermann aus dem Lipperland".:rofl:

Wie weit glaubst Du eigentlich können Legionäre im germanischen Gebiet am Tag marschieren? 20,50,100 oder 200km?

Übrigens ich komme aus der Nähe ("nicht weit entfernt", ca.30km) von Hildesheim. Erzähl mir bitte jetzt nicht, daß das alles damals kein Problem war, weil die Menschen so drahtig waren.

Da zum damaligen Zeitpunkt des Chattenfeldzuges die Cherusker schon in Aufruhr waren, konnten die Römer gar nicht weit in das Land einmarschiert sein. Schließlich sollte Caecina die Cherusker im Randgebiet beschäftigen,..... der hatte sich dann allerdings mit den Marsern auseinanderzusetzen. Ein tiefes Eindringen in den cheruskischen Raum wäre mit Sicherheit nicht unbemerkt geblieben. Wie schnell hätten dann die Römer wieder verschwinden können?:grübel:
Oder war Germanicus auf einem Himmelfahrtskommando? Sollte sein Kopf auch nach Rom geschickt werden?
 
Ave Cherusker,

Cherusker schrieb:
.....Die "nachgewiesenen Sidelungsgebiete"?
Ist mir da etwas entgangen?....

offensichtlich ja, ich meine die Verbreitungskarte (aus: M. Dieke) vorwiegend kaiserzeitlicher germanischer Tonscherben, die ich hier vorgelegt habe.

Cherusker schrieb:
.....Bisher gibt es nur Vermutungen und so hat man den Hildesheimer Raum als Cheruskergebiet angenommen (was ich auch für richtig halte). .....Raum Hameln ist auch nicht zu verachten (da wurde auch eine germanische Siedlung ausgegraben). ....

u.a. zeigt genau das ja die Verbreitungskarte! Natürlich lassen sich die genauen Stammesgrenzen nur vermuten. Hameln und Hildesheim, aber auch die heutigen Bereiche Bünde/Enger, Rinteln, BadMünder, Hannover, Braunschweig, Salzgitter waren sozusagen antike germanische Ballungszentren. Insbesondere standen genau die Cherusker schon seit Drusus immer im Weg, wenn es zum Elbeknie ging.

Cherusker schrieb:
.....Aber ob die Cherusker beidseitig der Weser siedelten, darüber gibt es doch auch Streit. ....

vor kurzem war ich ebenfalls davon ausgegangen, dass die Cherusker fast nur ostlich der Weser siedelten, inzwischen würde ich dass nicht mehr unterschreiben.

Cherusker schrieb:
....
Es ist noch nicht ausführlich gegraben worden, sodaß man noch keine Rückschlüsse auf bestimmte Gebiete geben kann. ....

richtig, dass habe ich damals auch aus der angesprochenen Tonscherbenarbeit zitiert: Die germanische Seite der (Arminius-)Geschichte ist bis heute sehr stiefmütterlich behandelt worden, da gibt es noch viel zu tun, das bemängelt die Autorin M. Dieke auch:

"Die Siedlungsdichte im Leine- Innerstetal ist hoch, doch bis jetzt archäologisch nur ansatzweise untersucht bzw. publiziert. Ebenso hat sich die perioden- und fächerübergreifende Siedlungsforschung nicht näher mit diesem Gebiet befasst."

Cherusker schrieb:
....
Nur weil im Volksmund die Herlingsburg als Arminiusburg bezeichnet wird, kann man nicht davon ausgehen, daß es auch so war. Es heißt ja schließlich auch im Volksmund der "Hermann aus dem Lipperland". ....

Klaro, vor diesem Thread hier hätte ich auch kaum einen Pfifferling darauf gegeben.

Ausgangspunkt war ja die Frage nach dem Sommerlager des Varus und wenn man nun annimmt, dass es in der Gegend von Hildesheim lag:
Die bekannten Überlieferungen, die Archäologie, der Volksmund, einfach alles fügt sich dann plötzlich bestens zusammen (bitte jetzt noch mal den ganzen Thread nachlesen.....).

Natürlich müssen jetzt neue archäologische Details daher, weiteres theoretisieren hilft nur wenig. Ich will dass hier nochmal klarstellen: Wir können und MÜSSEN das Geschehen im ZUSAMMENHANG darstellen. Da gibt es nicht so unendlich viele Möglichkeiten. Das ist der Logik von Netzwerken zu danken: Wenn du nur in der Lage bist, ein paar wenige Knoten ordentlich zu fixieren, dann kannst du den Rest nicht mehr so wesentlich verzerren. Einzelne Details dagegen lassens ich immer argumentativ zerlegen und in die eine oder andere Richtung deuteln.

Cherusker schrieb:
....Wie weit glaubst Du eigentlich können Legionäre im germanischen Gebiet am Tag marschieren? 20,50,100 oder 200km? Übrigens ich komme aus der Nähe ("nicht weit entfernt", ca.30km) von Hildesheim. Erzähl mir bitte jetzt nicht, daß das alles damals kein Problem war, weil die Menschen so drahtig waren.....

Wie drahtig bist du, wieviele km am Tag schaffst du ? Wie wärs, wenn wir es einfach mal ausprobierten ?

Cherusker schrieb:
....
Oder war Germanicus auf einem Himmelfahrtskommando? Sollte sein Kopf auch nach Rom geschickt werden?.....

Arminius und Germanicus weisen bemerkenswerte Parallelen in ihrem Schicksal auf. Beides waren "Fürstensöhne" die ganz nach oben wollten, beide haben dafür alles gewagt und alles riskiert und auch verloren, beide sind letzlich an ihrer Sippe zu Grunde gegangen, beide starben relativ jung, Germanicus mit 34, Arminius mit 37.

Die Beiden haben sich nichts geschenkt, einer war so mutig oder verrückt wie der Andere. Ich bin der Überzeugung, Germanicus hatte einfach die Gelegenheit zum Thusneldaraub, ob er sie vorher plante oder nicht, spielt keine Rolle. Vielleicht wusste er von Caecina, dass Arminius mit seinem Heer sehr weit im Westen stand; er war nahe an Segestes, das östliche Gebiet war weitestgehend römerfreundlich, er hat es halt gewagt und er hat gewonnen.

Natürlich hat er dabei seinen Kopf riskiert, aber welcher antike Feldherr tat das nicht ?

Beste Grüsse, Trajan.



 
Hallo Trajan,
Deine Meinung über Germanicus kann ich leider nicht teilen. Wenn man die Annalen des Tacitus gründlich liest, so fällt auf, dass die Operationen des Germanicus 15 und 16 n. Chr. genaralstabsmäßig geplant wurden und der Feldherr stets vorausschauend handelte. Dass kann gewiss daran liegen, dass er dem römischen Protagonisten, ebenso wie übrigens dem germanischen auch, sehr wohlgesonnen war. Dennoch ist deutlich bemerkbar, dass Germanicus nicht wie sein Vater Drusus auf prestigeträchtige Vorstöße, wie etwa jenen zur Elbe, großen Wert legte, sondern systematisch vorging. Germanicus hat erst im dritten Jahr des Krieges die Weser erreicht; das Überschreiten des Flusses kurz vor der Schlacht von Idistaviso überliefert Tacitus als Etappenerfolg. Man muss davon ausgehen, dass kurz darauf am Angrivarierwall die Verluste der Römer so hoch waren, dass der umsichtige Feldherr das weitere Vorgehen ins kommende Jahr verlegen wollte. Tiberius ließ dieses bekanntermaßen nicht mehr zu.
 
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