Stamm der Chatten

Ich glaube nicht, dass die abnobischen Berge den Vogelsberg darstellen sollen. Der ist für einen Zeitraum bis um 700/800 für fast 1000 Jahre weitgehend fundleer (wobei man aber auch zufügen muss, dass er archäologisch nicht besonders gut erforscht ist). Ich möchte fast glauben, dass Ptolemäus "Abnoba" mit einem anderen Gebirge verwechselt hat. Denn der Schwarzwald war mit hoher Sicherheit das "Abnoba"-Gebirge - in dessen Umkreis fanden sich mehrere Weihesteine für die Ortsgottheit "Diana Abnoba" und zwar nur dort. Auf den nach Ptolemäus gezeichneten Karten kann Abnoba aber nicht der Schwarzwald sein, so dass Ptolemäus vermutlich einen Namen verwechselt hat.
 
Aragorn schrieb:
Ich könnte mir auch eine Gleichsetzung Abnobische Berge = Rhein. Schiefergebirge vorstellen. Also Schwarzwald scheint ja nicht ganz so gut zu passen.....
Das eben ist die Schwierigkeit:

Allerdings ist oft nur ungefähr erkennbar, welchen heutigen Namen antiken Benennungen wie (Abnoba-Gebirge, Sudeta-Gebirge, Askiburion-Gebirge, Melibokon-Gebirge, Semanos-Wald, Gabretaa-Walt, Orkynischer Wald entsprechen und inwiefern sie mit lautähnlichen Benennungen anderer antiker Autoren inhaltlich übereinstimmen, wie z. B. beim "Abnoba-Gebirge", das bei Ptolemäus weit über den von anderen Autoren gemeinten Schwarzwald hinausreicht, oder beim "Orkynischen Wald", der bei Ptolemäus weitaus kleiner ist als der lautähnliche 'hercynische Wald' bei Caesar.

http://www.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Auditorium/LaVoSprA/Kap8.htm
 
Strupanice schrieb:
Na die Karte finde ich ja putzig. Die Chasuaren, Chatten, Cherusker, Marsinger, Narisker usw. sind Hermiones.

Tja, dachte auch dass die von dir genannten Stämme eher zu den Westgermanen, Nordseegermanen oder nicht näher bestimmbaren Völkern (Narisker) zählen. Naja, die Karte zeigt eben mal wieder, dass man Wikipedia auch nicht alles glauben darf !!! :p

PS: Hatte mich halt nur gefragt, ob die Karte überhaupt einen authentischen Hintergrund besitzt. Ich denke mal, dass der Stand der Forschung im Bezug auf die Zuordnung verschiedener Siedlungsräume zu den unterschiedlichen germ. Stämmen in den USA in der Mitte des 19.Jhdts noch ungenauer bzw. unergründeter gewesen ist als in Good Old Germany
damals.
 
Ein nettes Detail, dass mir erst auf den zweiten Blick aufgefallen ist, ist auch die hier vermutete Linienführung des Limes...
 
Ashigaru schrieb:
Ein nettes Detail, dass mir erst auf den zweiten Blick aufgefallen ist, ist auch die hier vermutete Linienführung des Limes...

Stimmt, ist mir auch erst aufgefallen als du drauf hingewiesen hast. Der Limes setzt ziemlich weit südlich an, außerdem reicht er ja weit über die Wetterau hinaus bis zur Lumda, ein bisschen optimistsich für meinen Geschmack. :autsch:
 
Aragorn schrieb:
Hi Beorna, danke schon mal dafür. :yes:
Hab mal in den Ptolemaios-Thread von dir und Vercingetorix reingeschaut. Da vermutest du die Nertereanoer im südlichen Vogelsberg, heißt das, dass die Abnobischen Berge mit dem Vogelsberg identisch sein könnten? Ich könnte mir auch eine Gleichsetzung Abnobische Berge = Rhein. Schiefergebirge vorstellen. Also Schwarzwald scheint ja nicht ganz so gut zu passen.....

Ich habe keine Ahnung was Ptolemaios mit dem Abnoba-Gebirge meint! Wenn man alles betrachtet, scheint er jedoch auch das Rheinische Schiefergebirge mit dazurechnen zu wollen. Der Schwarzwald und die schwäbische Alp scheinen bei ihm eher als Alpes bezeichnet zu werden. Die Lage germanischer Wälder und Gebirge bzw. deren Bezeichnung scheint bei den antiken Autoren leider sehr unterschiedlich.
 
Jupp, die Karte is wirklich besser, kenne sie auch schon. HIstorisch fundiert und zum Glück nicht nach Herminonen, Istwäonen usw. untergliedert.

Allerdings gab es um 50 n. Chr. noch keinen Limes. Mag nur eine Spitzfindigkeit sein, aber bei einer perfekten Karte dürfte das nicht sein.
 
Elbgermanische Zuwanderung

So, jetzt mal eine eine eingermaßen neue Erkenntnis im Bezug auf die Chatten, die im Forum noch nicht kundgetan wurde.
In einem Berichtsbuch der Komission für Archäologische Landesforschung in Hessen 3, 1994 / 1995 kommt anhand elbgermanischer Funde in erforschten nordhessischen Siedlungen und Nekropolen aus der frühen römischen Kaiserzeit eine Zuwanderung von Elbgermanen in die Beckenlandschaft von Kassel und Fritzlar-Wabern in Betracht. Dass diese Zuwanderung, die sich wahrscheinlich um Christi Geburt vollzog, überhaupt zur Bildung des chattischen Stammes (-verbandes, den Begriff sollte man mit Vorsicht genießen) führte, wird auch für möglich gehalten. Inwiefern elbgermanische Siedler das Amöneburger Becken, in dessen Bereich man auch schon mehrer spätlatène- und kaiserzeitliche Funde gemacht hat, beeinflusst haben, steht noch nicht fest.

Gibts da neue Erkenntnisse und Befunde, immerhin ist der Forschungsbericht schon vor zehn Jahren verfasst worden?
 
@ Aragorn: ich lese gerade eine Dissertation zum Thema "Rom und die Chatten" aus dem Jahr 1992. Wenn ichs durch hab, werde ich mal eine kleine Zusammenfassung schreiben. Die elbgermanischen Funde sind darin auch erwähnt. Der Autor interpretiert es so, dass vor den Chatten in Nordhessen Sueben lebten (denen jene Funde zuzurechnen sind). Die seien im Zuge der Markomannenkriege weiter nach Osten gewandert. Die Siedlungsgebiete seien bald darauf von Chatten okkupiert worden, die vorher etwas nordwestlich davon gelebt hätten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ashigaru schrieb:
@ Aragorn: ich lese gerade eine Dissertation zum Thema "Rom und die Chatten" aus dem Jahr 1992. Wenn ichs durch hab, werde ich mal eine kleine Zusammenfassung schreiben. Die elbgermanischen Funde sind darin auch erwähnt. Der Autor interpretiert es so, dass vor den Chatten in Nordhessen Sueben lebten (denen jene Funde zuzurechnen sind). Die seien im Zuge der Markomannenkriege weiter nach Osten gewandert. Die Siedlungsgebiete seien bald darauf von Chatten okkupiert worden, die vorher etwas nordwestlich davon gelebt hätten.

Hi Ashigaru,

Klasse Gedanke von dir, das mal zusammenzufassen, wenn ich die Zeit finde werde ich die Forschungsberichte auch mal in einer Zusammenfassung in den Thread stellen.

Gruß
Aragorn
 
So, habe das Buch "Rom und die Chatten" von Armin Becker jetzt durch.

Hier die Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse.

- Ethnogenese und Anfänge des Stamms: hierzu gebe es wenige Erkenntnisse. Allerdings sei es in nachcaesarischer Zeit irgendwann zur Abspaltung der Bataver von den Chatten gekommen. Es ist nicht klar, wo beide Stämme zunächst lebten. Die Chatten seien zunächst Verbündete der Römer gewesen und unter der Statthalterschaft des Agrippa (38 v. Chr.) im Neuwieder Becken angesiedelt worden.

- Augusteische Kriege: Während der Feldzüge des Drusus (12 - 8 v. Chr.) hätten sich die Chatten im Jahr 11/10 v. Chr. auf die Seite der Sugambrer, des römischen Hauptfeindes gestellt, und seien in die Nähe deren Siedlungsgebiets gewandert. 9 v. Chr. seien die Sueben nach Südosten und Osten gezogen. Becker siedelt die Sueben in Nordhessen an. Die Chatten hätten dort deren Platz eingenommen. Die Vermischung mit einer suebischen Restbevölkerung hätte dazu geführt, dass der Stamm, der nach Angaben von Strabon noch um 20 v. Chr. einer der unbedeutenden germanischen Stämme war, mächtiger wurde.
Es sei nicht nachweisbar, dass die Chatten bei den Feldzügen des Ahenobarbus, Tiberius und Varus (1 - 9 n. Chr.) gegen die Römer gekämpft hätten.

- Der Krieg des Germanicus bis zum Bataveraufstand (9 - 70 n. Chr.): Nach der Varusschlacht seien die Chatten mit den Cheruskern ein Bündnis eingegangen. Die Chatten seien der Hauptgegner des Germanicus gewesen. 15 n. Chr. habe er die Chatten angegriffen, vermutlich weil er so die prorömische cheruskische Fraktion unter Segestes unterstützen wollte. Das Ergebnis sie jeodch "dürftig" gewesen, trotz der Niederbrennung des vermeintlichen Hauptorts Mattium. Gleiches gilt für die Aktionen des Jahres 16 gegen die Chatten. Das Hauptsiedlungsgebiet der Chatten lag nach Becker nach der Umsiedlung stets in Nordhessen nördlich der Eder. Die Germanengruppen im Gießener Becken lässt Becker nur unter Vorbehalt als "chattisch" durchgehen. Die Germanen im Neuwieder Becken sieht er wohl eher als "Usipeten" an. Die politische Entwicklung sei nun so gewesen, dass die Chatten im 1. Jahrhundert nach Christus der Hauptfeind der Römer an dieser Grenze gewesen seien. Dagegen hätten sie zu den Cheruskern wieder ein besseres Verhältnis entwickelt. Unter Claudius, vielleicht unter Caligula, seien die Gebiete der Wetterau langsam in römisches Interesse gerückt, was sich vor allem in der Errichtung des Kastells Hofheim äußere. Einen schweren chattischen Einfall in dieses Gebiet habe es um 50 gegeben. Im Jahr 69 brach der Bataveraufstand aus. Auch die Chatten starteten schwere Angriffe auf römisches Gebiet und belagerten zeitweise sogar Mainz. Die Aktion sei nicht mit den Batavern abgestimmt gewesen, sondern die Chatten hätten eher die Gunst der Stunde ausgenutzt.

- Die Flavier und die Errichtung des Limes (70 - 96). Vespasian startete eine große Expansion ins rechtsrheinische Gebiet. Das Hauptziel sei zunächst gewesen, günstigere Verkehrswege zwischen Obergermanien und Rätien zu schaffen und habe nichts mit den Chatten zu tun gehabt (73 - 75). Erst danach seien römische Truppen in die zu dieser Zeit nahezu unbesiedelte Wetterau vorgestossen. Die Errichtung von Militärposten sei friedlich vonstatten gegangen und habe dazu gedient, ein Vorfeld vor dem immer wieder stark bedrohten Mittelrhein zu schaffen.

Besonders interessant finde ich die Ausführung Beckers zum Chattenkrieg, die stark abwichen von dem, was ich bisher dazu las. 83 begonnen, habe dieser Krieg vor allem dazu gedient, Kaiser Domitian die nötige militärische Reputation zu verschaffen - ähnlich wie der Britannienfeldzug im Falle des Claudius. Darüber hinaus sei er aber tatsächlich maßvoll und strategisch klug ausgeführt worden. Becker stellt in Zweifel, ob der Feldzug überhaupt die chattischen Kerngebiete erreicht habe. Er glaubt eher, dass die Kämpfe im Bereich des Taunus und der Lahn statt fanden. Es sei nicht darum gegangen, die Chatten völlig zu unterwerfen oder aus Nordhessen zu vertreiben. Vielmehr sollte die römische Macht in der Wetterau konsolidiert werden. Das Zentrale sei die Errichtung des Limes gewesen, weniger die vorangegangenen, wahrscheinlich kleineren Gefechte.

Trotz der scharfen Kritik von Tacitus und Sueton am Chattenkrieg habe Domitian letztendlich seine innen- wie außenpolitischen Ziele mit der Aktion erreicht (Interessant finde ich, dass Becker Domitians Handlungen sehr positiv wertet). Der Erfolg der Grenzpolitik habe bis ins 3. Jahrhundert angedauert. Die nun sichere Grenze habe den Römern freie Hand im viel gefährdeteren Donauraum gegeben.

Die chattische Intervention im Saturninusaufstand (Januar 89) sieht Becker nicht als bedeutend an; tatsächlich kamen sie ja wegen des Tauwetters nicht über den Rhein. Ohnehin sei der Aufstand nur eine isolierte Aktion gewesen, die auf einer persönlichen Beleidigung des Saturninus durch Domitian beruhte (dieser habe in einer frühen Form des "outings" Saturninus der Homosexualität bezichtigt).

Vom Tod Domitians bis zum Limesfall (90 - 260): Nach dem Saturninus-Aufstand sei mit den Chatten ein Föderatenvertrag geschlossen worden. Danach seien die Verhältnisse an der Grenze ruhig gewesen. Chatteneinfälle in den Jahren 162 und 171 seien nicht weiter von Bedeutung gewesen. Der Feldzug Kaiser Caracallas im Jahr 213 habe sich möglicherweise auch gegen die Chatten gerichtet, wofür es aber keine Belege gibt. Den Limeseinfall von 233 sieht Becker nicht so schwerwiegend an wie die meisten anderen Forscher. Eine Teilnahme der Chatten daran sei nicht nachgewiesen und er sei wohl eher das Werk der Alemannen. Gleiches gilt für den Einfall um 260, der zur Aufgabe des Dekumatslands führte. Doch seien die meisten Kastelle wahrscheinlich planmäßig aufgegeben worden. Die Chatten hätten sich daran nicht beteiligt und waren auch nicht an der Wiederbesiedlung der Wetterau im frühen 4. Jahrhundert beteiligt.

Spätantike/Völkerwanderung: Beckers Arbeit hat den Ansatz, die Beziehungen zwischen Rom und den Chatten bis zum Limesfall zu untersuchen. Leider schreibt er daher auch nicht viel über die weitere Geschichte der Chatten. Becker schreibt, dass archäologische Funde andeuten, dass die Chatten ihre Blütezeit im 2./3. Jahrhundert erlebten und dass dann ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen sei. Ansonsten folgt er den üblichen Ergebnissen, dass die Chatten dennoch weiter in ihrem Gebiet wohnten und sich im 7. Jahrhundert, nun schon als Hessi, mehr oder weniger freiwillig den Franken anschlossen.

Meine Meinung zum Buch: Leider lassen es die Quellen nicht zu, mehr über die Verwicklungen der Chatten in die augusteischen Kriege in Erfahrung zu bringen. Ansonsten finde ich Beckers Theorie hier sehr plausibel. Gleiches gilt für seine Ausführungen zur Errichtung des Wetteraulimes.
Der Hauptkritikpunkt an der Arbeit - für den Becker aber nichts kann - ist, dass sie m.E., obwohl sie erst 13 Jahre alt ist, in vielen Punkten schon veraltet ist.
Hauptsächlich gilt dies natürlich für die Vorgänge rund um den Limesfall. Man neigt in der Forschung dazu, das die Ersterwähnung der Alemannen doch ins späte 3. Jahrhundert fällt (ich glaube, das Jahr war 281). Damit stellt sich aber die Frage, wer die Einfälle nach Germanien und Rätien um 233 und 260 beging, und da könnten auch die Chatten wieder ins Spiel kommen.
 
Ashigaru schrieb:
Es sei nicht nachweisbar, dass die Chatten bei den Feldzügen des Ahenobarbus, Tiberius und Varus (1 - 9 n. Chr.) gegen die Römer gekämpft hätten.

- Der Krieg des Germanicus bis zum Bataveraufstand (9 - 70 n. Chr.): Nach der Varusschlacht seien die Chatten mit den Cheruskern ein Bündnis eingegangen. Die Chatten seien der Hauptgegner des Germanicus gewesen. 15 n. Chr. habe er die Chatten angegriffen, vermutlich weil er so die prorömische cheruskische Fraktion unter Segestes unterstützen wollte. Das Ergebnis sie jeodch "dürftig" gewesen, trotz der Niederbrennung des vermeintlichen Hauptorts Mattium. Gleiches gilt für die Aktionen des Jahres 16 gegen die Chatten.

Es stimmt, daß es (bisher) nicht nachweisbar ist, daß die Chatten bei der Varusschlacht dabei waren. Aber die Germanicus Feldzüge und hier die Angriffe gegen die Chatten (15 und 16 n.Chr.) lassen aber mehr als nur ein Bündnis mit Cheruskern für diesen Angriff vermuten.
Arminius hat nach der Varusschlacht viel Zuspruch und Ansehen bei den germanischen Stämmen erfahren. Nur die Markomannen und die römerfreundlichen Stämme (Chauken, Bataver, Friesen,...) stellten sich nicht auf seine Seite.
Die Angriffe des Germanicus gegen die Brukterer, Marser und Chatten lassen vermuten, daß hier Rache für ein Ereignis (Varusschlacht) genommen werden sollte. Dagegen hat Germanicus die Angrivarier nur bedroht und zur "Eigensicherung" angegriffen. Warum hat er hier nicht mit seiner gewohnten Vorgehensweise (Plünderungen, Verwüstungen) reagiert?
Dagegen mußten die Chatten selbst wieder nach der mißlungenen Schlacht am Angrivarierwall wieder herhalten. :S
Das deutet darauf hin, daß die Chatten (sowie die Marser und Brukterer) sich im Laufe der Varusschlacht in die Kämpfe mit eingriffen (vielleicht aus Beutegier). Am Anfang waren die Chatten noch nicht dabei, da höchstwahrscheinlich Asprenas mit 2Legionen durch ihr Land zog.
Fazit: Meiner Ansicht nach reichte ein bloßes Bündnis mit den Cheruskern nicht aus, um diese römischen Angriffe zu provozieren. Hier hat Armin Becker die Chatten unterbewertet und Segestes überbewertet. Allerdings ist diese Vermutung nicht archäologisch zu beweisen. :rotwerd:
 
@ Cherusker: Becker lehnt genau dieses "Rachemotiv" ab. Er schreibt dazu: "Dass Rom einen dreijährigen, schweren Krieg lediglich mit dem irrationalen Motiv der Rache geführt haben sollte, ist meines Erachtens völlig unglaubhaft. Wie man einen Gesichtsverlust politisch wieder ausglich, hatte die Partherpolitik des Augustus deutlich gemacht und Tiberius hatte dieses Beispiel nicht vergessen, wie sich 16 n. Chr. zeigen sollte." (er meint die propagandistisch wertvolle Wiedergewinnung der Feldzeichen aus der Schlacht bei Carrhae).

Später in seinem Buch gesteht er solchen propagandistisch motivierten Beweggründen durchaus aber eine Rolle zu, z.B. bei Domitian, was etwas inkonsistent wirkt. Ist es keine Vergeltung, kann es aber nur bedeuten, dass Germanicus die rechtsrheinischen Gebiete zurückerobern wollte - da äußert sich Becker aber nur sehr vorsichtig.
Aber ob Rache oder nicht: Germanicus wollte Arminius treffen und besiegen, die Chatten waren Verbündete des Arminius und so oder so Gegner der Römer. Ich sehe keinen Grund, warum ein Bündnis zweier mächtiger Germanenstämme allein nicht ausreichen sollte. Das Niederbrennen der Siedlungen war auch schon unter Drusus gebräuchlich, aber wohl mehr eine hilflose Reaktion, weil die germanischen "Heere" kaum zu fassen waren.
Ob die Chatten an der Varusschlacht teilnahmen oder nicht, könnten nur neue Schriftquellen beweisen. Ich denke aber, dass zumindest in den Jahren vor 9, auch während des "immensum bellum" die Beziehungen zwischen Chatten und Römern friedlich waren. Andernfalls hätten letztere wohl kaum angefangen, in Waldgirmes eine Zivilsiedlung anzulegen, die doch relativ nahe zum Chattenland lag - näher als alle späteren römischen Siedlungen.
 
Ashigaru schrieb:
@ Cherusker: Becker lehnt genau dieses "Rachemotiv" ab. Er schreibt dazu: "Dass Rom einen dreijährigen, schweren Krieg lediglich mit dem irrationalen Motiv der Rache geführt haben sollte, ist meines Erachtens völlig unglaubhaft. Wie man einen Gesichtsverlust politisch wieder ausglich, hatte die Partherpolitik des Augustus deutlich gemacht und Tiberius hatte dieses Beispiel nicht vergessen, wie sich 16 n. Chr. zeigen sollte." (er meint die propagandistisch wertvolle Wiedergewinnung der Feldzeichen aus der Schlacht bei Carrhae).

Später in seinem Buch gesteht er solchen propagandistisch motivierten Beweggründen durchaus aber eine Rolle zu, z.B. bei Domitian, was etwas inkonsistent wirkt. Ist es keine Vergeltung, kann es aber nur bedeuten, dass Germanicus die rechtsrheinischen Gebiete zurückerobern wollte - da äußert sich Becker aber nur sehr vorsichtig.
Aber ob Rache oder nicht: Germanicus wollte Arminius treffen und besiegen, die Chatten waren Verbündete des Arminius und so oder so Gegner der Römer. Ich sehe keinen Grund, warum ein Bündnis zweier mächtiger Germanenstämme allein nicht ausreichen sollte. Das Niederbrennen der Siedlungen war auch schon unter Drusus gebräuchlich, aber wohl mehr eine hilflose Reaktion, weil die germanischen "Heere" kaum zu fassen waren.

Es stellt sich die Frage, ob die Römer überhaupt alle 3Legionsadler wiedererhalten haben? Es wird zwar erwähnt, aber die Darstellungen (z.B. auf Münzen) fehlen. Im Gegensatz zu den Feldzeichen und Legionsadler bei den Parthern.

Der Feldzug des Germanicus beinhaltete 2 Gründe: es sollte Rache an den Cheruskern und ihren Verbündeten genommen werden. Wenn diese Rache erfolgreich verlaufen wäre,d.h. die Gefangennahme oder Vernichtung des Arminius und seines Stammes, dann wäre die Besetzung und die Errichtung der Provinz der nächste Schritt gewesen. Somit also Rache und Wiedereroberung.
Bei einem Erfolg des Germanicus wären die Römer nicht wieder abgezogen, sondern hätten den Stand des Varus fortgeführt.

Wenn das Bündnis allein für einen Kriegsgrund gereicht hätte, dann hätte Germanicus auch die Langobarden und andere germanische Stämme angreifen müssen. Eine weitere Besonderheit liegt darin, daß er das Gebiet der Marser, Brukterer und Chatten verwüstet hat (was ,wie Du schreibst, auch üblich war), aber nirgendwo steht geschrieben, daß er das Gebiet der Cherusker verwüstet hat (er war somit nicht dort, außer zum Entsatz des Segestes). Der erneute Angriff der Römer gegen die Chatten erfolgte nach der Schlacht am Angrivarierwall (!!!.....die letzte Auseinandersetzung mit Arminius). Germanicus wollte das Jahr nicht mit einer Niederlage beenden (die Römer führten hier ihr Seedebakel auf...wenig glaubhaft und nur zum Teil wahr), daher erfolgte der erneute Angriff auf die Brukterer und Chatten. Die Chatten und Brukterer müssen daher einen anderen Grund (Varusschlacht,...der Ort lag bei den äußersten Brukterer!) geliefert haben.

P.S.
Die germanischen Heere des Arminius waren zu fassen (Idistaviso, Schlacht an den Langen Brücken, Angrivarierwall, unbenannte Schlacht,....). Die Germanen haben hier nicht die Taktik der verbrannten Erde angewendet (wie z.B. Vercingetorix), sondern sie stellten sich zu diversen Schlachten.
 
Es stellt sich die Frage, ob die Römer überhaupt alle 3Legionsadler wiedererhalten haben? Es wird zwar erwähnt, aber die Darstellungen (z.B. auf Münzen) fehlen. Im Gegensatz zu den Feldzeichen und Legionsadler bei den Parthern.

Der dritte der Legionsadler wurde glaube ich erst um ca. 50 n. Chr. wiedergewonnen.

Bei einem Erfolg des Germanicus wären die Römer nicht wieder abgezogen, sondern hätten den Stand des Varus fortgeführt.

Was wiederum zeigt, wie schwer die Motive von damals zu ergründen sind.

Wenn das Bündnis allein für einen Kriegsgrund gereicht hätte, dann hätte Germanicus auch die Langobarden und andere germanische Stämme angreifen müssen.

Ich meinte auch weniger, dass das Bündnis selbst den Kriegsgrund darstellte. Ich meine mehr, dass die Römer gar keine große Wahl hatten, als auch gegen die Chatten zu kämpfen, weil diese nicht nur die Verbündeten, sondern wahrscheinlich auch die Nachbarn der Cherusker waren.

Die Chatten und Brukterer müssen daher einen anderen Grund (Varusschlacht,...der Ort lag bei den äußersten Brukterer!) geliefert haben.

Wie gesagt, in den Jahren vor der Varusschlacht scheint es keine größeren Konflikte mit den Chatten gegeben zu haben. Was danach passierte, und ob sie an der Schlacht beteiligt waren, vermag ich nicht zu sagen, auf jeden Fall schlossen sie sich dem antirömischen Bündnis an. Sind die Brukterer nicht eindeutig als Teilnehmer identifiziert?

Die germanischen Heere des Arminius waren zu fassen (Idistaviso, Schlacht an den Langen Brücken, Angrivarierwall, unbenannte Schlacht,....).

Ist für die Germanicus-Züge richtig, ich bezog mich auf manche vorangegangenen Kämpfe, z.B. Drusus erster Zug gegen die Sugambrer 12 v. Chr.
 
Das römische Imperium war zu damaliger Zeit auf Expansion aus. Wenn also die germanischen Stämme verloren hätten, so hätten sich die Römer bestimmt nicht aus den Gebieten zurückgezogen. Der Aufmarsch von 8Legionen war auch für die Römer ein gewaltiges Unternehmen (schließlich haben sie den Pferdebestand in Gallien stark reduziert) und solch kostenintensive Angelegenheit konnten sie auch nicht lange durchhalten (deswegen schritt Tiberius auch ein).
Die Nachbarstämme wurden aber nicht gleich behandelt. Die Brukterer werden für die Varusschlacht eben so wenig erwähnt wie die Chatten. Es steht nur geschrieben, daß die Germanen im Laufe der Schlacht Zulauf bekamen und daß die Schlacht bei den äußersten Brukterer stattfand. Wenn man etwas fabuliert, dann kann die Schlacht in einem Gebiet stattgefunden haben, das für Brukterer, Marser, Cherusker und Chatten gut zu erreichen war (das trifft z.B. für den südlichen Teutoburger Wald zu). Die Chatten waren die südlichen Nachbarn der Cherusker. Aber es stellt sich immernoch die Frage, warum er zum zweiten Mal seine Angriffslust auf die Chatten lenkte? Meine Vermutung: Arminius konnte er nicht bezwingen (Idistaviso, Angrivarierwall), also hat er sich an den schwächeren Stämmen ausgelassen. Wenn er nicht den großen Bruder besiegen kann, dann den Kleinen.
Und ob der Legionsadler überhaupt ca. 50 n.Chr. zurückgegeben wurde? Es gab zu wenig "Tamtam" darum...
 
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