Nochmal - Tiberius operierte zwischen 9-11 n. Chr. zwischen Rhein und Weser, warum sollte Germanicus dorthin zurückkehren?
Was machte Tiberius wirklich?
Im ersten Jahr nach der Varusschlacht blieb er hinter dem Rhein:
ὁ δὲ Τιβέριος διαβῆναι τὸν Ῥῆνον οὐκ ἔκρινεν, ἀλλ᾽ ἠτρέμιζεν ἐπιτηρῶν μὴ οἱ βάρβαροι τοῦτο ποιήσωσιν. ἀλλ᾽ οὐδ᾽ ἐκεῖνοι διαβῆναι ἐτόλμησαν γνόντες αὐτὸν παρόντα.
Cassius Dio, 56,24,6.
Im Jahr 11 (unter dem Konsulat von Marcus Aemilius and Statilius Taurus) fielen Tiberius und Germanicus in Germanien ein, es kam aber zu keiner Schlacht, da die Germanen auswichen. Allerdings bewegten Onkel und Neffe sich dabei unter dem Eindruck der gerade erst verloren gegangenen Varusschlacht ausdrücklich nicht sehr weit ins Landesinnere vom Rhein fort:
Μάρκου δὲ Αἰμιλίου μετὰ Στατιλίου Ταύρου ὑπατεύσαντος, Τιβέριος μὲν καὶ Γερμανικὸς ἀντὶ ὑπάτου ἄρχων ἔς τε τὴν Κελτικὴν ἐσέβαλον καὶ κατέδραμόν τινα αὐτῆς, οὐ μέντοι οὔτε μάχῃ τινὶ ἐνίκησαν ῾ἐς γὰρ χεῖρας οὐδεὶς αὐτοῖς ᾔεἰ οὔτε
ἔθνος τι ὑπηγάγοντο: δεδιότες γὰρ μὴ καὶ συμφορᾷ αὖθις περιπέσωσιν, οὐ πάνυ πόρρω τοῦ Ῥήνου προῆλθον, ἀλλὰ αὐτοῦ που μέχρι τοῦ μετοπώρου μείναντες καὶ τὰ τοῦ Αὐγούστου γενέθλια ἑορτάσαντες καί τινα ἱπποδρομίαν ἐν αὐτοῖς διὰ τῶν ἑκατοντάρχων ποιήσαντες ἐπανῆλθον.
Cassius Dio, 56,25,2 f.ἔθνος τι ὑπηγάγοντο: δεδιότες γὰρ μὴ καὶ συμφορᾷ αὖθις περιπέσωσιν, οὐ πάνυ πόρρω τοῦ Ῥήνου προῆλθον, ἀλλὰ αὐτοῦ που μέχρι τοῦ μετοπώρου μείναντες καὶ τὰ τοῦ Αὐγούστου γενέθλια ἑορτάσαντες καί τινα ἱπποδρομίαν ἐν αὐτοῖς διὰ τῶν ἑκατοντάρχων ποιήσαντες ἐπανῆλθον.
Statt zu kämpfen, veranstalteten sie Pferderennen, wohl um die Truppe bei Laune zu halten.
Und selbst der Tiberius sonst in blumigen Worten so ausführlich lobende Velleius beschränkt sich und bleibt im Ungefähren. Tiberius sei bei seinem zweiten Einmarsch (nach der Varusschlacht) genauso glücklich und mutig gewesen, wie bei seinem ersten (vor der Varusschlacht, 4 . Chr.):
Eadem virtus et fortuna subsequenti tempore ingressi Germaniam imperatoris Tiberii fuit, quae initio fuerat.
Velleius Paterculus, Hist. Rom. II, 121, 1.
Dann lenkt Velleius schnell auf die Ereignisse in Gallien ab und dass Augustus dem Tiberius neben der militärischen Vollmacht über die Provinzen auch die juristische übertragen wollte, was Tiberius aber abgelehnt habe, er wolle nicht die juristische Vollmacht über die Provinzen haben, die er verteidige. Ja, ja, Bescheidenheit ist eine Zier... - und Herrschertugend!
Aber tatsächliche Fakten zu dem, was Tiberius denn wohl in Germanien erreichte? Der Historiker nennt so etwas beredtes Schweigen.
Sueton erzählt uns dann noch, dass ein Brukterer, der sich im Lager aufhielt, versucht habe Tiberius zu ermorden. Von den Brukterern wissen wir, dass sie beiderseits der Ems bis zur Lippe hin siedelten, relativ nah am Rhein.
Das sind also die großartigen Leistungen des Tiberius in Germanien nach der Varusschlacht.
Dann kommt Germanicus' Einsatz ab 14 nach Christus. Sein erster Einsatz führt ihn gegen die Marser (wohl östliches Ruhrgebiet, nördliches Sauerland, Bergisches Land). Auf dem Rückmarsch wird er von einem vereinigten Heer von Usipetern, Brukterern und Tubanten angegriffen, alles Völker die in unmittelbarer Nähe an den Rhein grenzten. Wir bewegen uns hier also im Raum südliches, zentrales und westliches NRW und südliche Niederlande.
Dann kommt das Jahr 15. Zunächst geht es bei einem südlichen Feldzug gegen die Chatten, bis an die Adrana (die Eder) kommt man. Caecina sorgt dafür, dass die Marser, die aufgrund des vorjährigen Überfalls wohl keine Gelegenheit ausgelassen hätten, sich an den Römern zu rächen, Germanicus nicht in den Rücken fallen. Wir bewegen uns hier also im Raum Hessen und südliches NRW.
Von der Eder zieht Germanicus weiter in Richtung Weser, um Segestes zu Hilfe zu eilen - wo genau der sitzt, wissen wir nicht. Er zieht sich dann aber zurück, um seinen zweiten Feldzug des Jahres 15 zu planen.
Hierfür schickt er Caecina durch das Münsterland bis zur Ems, die Reiterei die Küste entlang und er selbst fährt zu Schiff. Irgendwo an der Ems, zwischen Greven und Lingen müssen sich die drei Teile dann wiedergetroffen haben. Ausdrücklich wird das Gebiet zwischen Ems und Lippe verwüstet (also das gesamte nördliche NRW in seiner Ausdehnung von Westen nach Osten), dann geht man zum Varusschlachtfeld, was in der Nähe der äußeren Brukterer lag. Mutmaßlich Kalkriese. Aber ist an dieser Stelle auch egal. Man kehrt zurück zur Ems, die Römer trennen sich wieder und Caecina wird auf seinem Rückmarsch von den Germanen überfallen. Ich würde annehmen, dass sich das im Südwestzipfel Niedersachsens (Bad Bentheim) oder im Münsterland, etwas bei den Baumbergen zugetragen haben muss. Dort fände man Gebiete, die zwischen Ems und Rhein liegen und wo die topographischen Bedingungen zu dem passen, was Tacitus für die pontes longi beschreibt. Also Südwestniedersachsen oder westliches NRW.
Im folgenden Jahr (16) ist Arminius aber zunächst wieder sehr weit im Westen unterwegs und belagert Aliso - mutmaßlich Haltern, zentral-westliches NRW. Er kann aber schnell vertrieben werden.
Noch indemselben Jahr geht es dann an die Emsmündung, von wo aus man bis an die Weser marschiert, die Brukterer sind also, anders als die Marser 14, offenbar wirklich so schwer geschlagen, dass man sie nicht mehr fürchten muss, Friesen, Bataver und Chauken sind Verbündete, der Kleinstamm der Ampsivarier (Übertragungsfehler Angrivarier) macht ein paar Probleme, das ist alles. Schließlich überquert man wohl bei Minden (Römerlager Barkhausen?) die Weser und kehrt schließlich zur Emsmündung zurück. Wir bewegen uns hier im Gebiet des nordwestlichen bis südlichen Zentralniedersachsen.
Danach wird Germanicus abberufen.
Das ist auch alles ziemlich logisch, peu a peu rollt man die Germanen an der Rheingrenze von Süd nach Nord auf, um dann endlich auch bis an die Ems und schließlich bis an die Weser vorstoßen zu können.
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