Zu der finanziellen Ausrichtung: Ein Händler wie Schliemann wäre nicht in dieses Unternehmen gestartet, wenn er nicht wenigstens seinen Einsatz wieder bekommen hätte. Und auf die Fotos seiner Frau mit dem Schmuck aus dem Priamos-Schatz gehst du wohl absichtlich nicht ein, ebenso nicht auf die Umstände, unter denen viele Funde die Türkei und auch Griechenland verlassen haben.
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Zu dieser Zeit war die Höhe archäologischen Ausgrabungswesens aus der Geologie entlehnt, und dort waren die Methoden erheblich feiner und genauer als das, was Schliemann an den Tag gelegt hat.
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Man muss ihm allerdings zugute halten, dass er mit seinen Ausgrabungen auch Pionierarbeit geleistet hat, aber hätte er früher auf fachmännische Hilfe zurück gegriffen, wären auch die Ergebnisse sicherlich genauer.
Und zum Vergleich in Museen: Das war damals doch nicht wirklich neu, ...
Lieber Ogrim, Dein Aufraffen soll nicht unbemerkt bleiben. Ich will hier nicht den Schliemannexperten geben, aber der Direktor des Schliemannmuseums in Ankershagen, Reinhard Witte, war mein erster Geschichtsdozent, und da ist einiges an Interesse wachgeblieben.
Ich habe die Photos mit Sophia Schliemann und dem Goldschatz aus Troja nicht übergangen zum Zwecke des Verschweigens. Daß er ihr den Schmuck umgehangen hat, würde ich als menschliche Schwäche verstehen und ihn nicht verurteilen dafür; daß er ein kleiner Aufschneider war, wurde ja schon erwähnt. Man kann vielmehr sagen, daß es ein Rekonstruktionsversuch war, wie man ihn heute mit Modellen ähnlich gemacht hätte. Er hat halt seine Frau genommen.
Daß er das Gold illegal mitgenommen hat, ist klar, es gab ja auch einen Prozeß, in welchem er zur Zahlung von 10 000 Goldmark verurteilt wurde, er hat übrigens 50 000 Goldmark bezahlt.
Ansonsten würde ich aber nicht sagen, daß er viele Stücke unter dubiosen Umständen hat mitgehen heißen, in Troja galt die allgemein übliche Fundteilung, aus Griechenland hat er meines Wissens nichts mitgenommen, die Funde aus Mykene sind brav im Athener Nationalmuseum.
Auch wenn er als Kaufmann sein Vermögen unter fragwürdigen Umständen gemacht hat, als Archäologe hat er sein Vermögen ohne Gegenleistung eingesetzt, um seine historischen Interessen zu verfolgen. Wo hätte er denn daran verdienen sollen? Auch wenn seine Biographie teilweise geschönt ist und fragwürdige Abschnitte beinhaltet, daß er ein echtes Interesse, vielleicht schon als Kind, hatte, würde ich nicht anzweifeln.
Mit den Bemerkungen zur Grabungsmethodik meinte ich folgendes: Eine Ausgrabung mit hunderten Arbeitern durchzuführen, die mit Schaufel und Hacke großflächig loslegen, war auch in Pergamon und Olympia zunächst üblich, selbst dreißig Jahre später hat man in Baalbek noch ähnlich gearbeitet. Eine genaue Dokumentation der Stratigraphie war nebensächlich, obwohl es, wie Du sehr richtig gesagt hast, die Erfahrung dessen schon gab, gerade die britische und dänische Archäologie hat hier Vorreiterrolle. Aber fachmännische Hilfe in den 1870er Jahren ist so ein Problem, es gab ja noch keine entwickelte Grabungswissenschaft mit ausgebildeten Fachleuten, sondern die Pioniere, wie auch Schliemann, bereiteten das Feld.
Das ist auch der Punkt mit den Vergleichen in den Museen. Neu ist das nicht, auch die barocken Antiquare haben ja verglichen und Sammlungscorpora angelegt. Aber hier würde ich einen Unterschied postulieren zwischen neu und üblich. Und bis man die Keramik allgemein als Grundlage der Datierung begriffen hat und sie auf der Grabung auch entsprechend behandelt hat, dauerte es noch etwas. Obwohl man es schon wußte. Und hier war Schliemann ein Vorreiter
Ja, die deutsche Archäologie von heute. Spezialisten für Gebrauchskeramik kannst Du suchen wie Diogenes seinen wahren Menschen, mit der Laterne in Korinth. Da sind uns die Briten (schon wieder) weit voraus.
Um die byzantinischen Fussböden trauere ich mit Dir. :trost:
Gruß, hjwien