Gerade nicht.
Mit was sollte er denn das Kerngebiet des Aufstands angreifen, wenn die Infanterie überhaupt noch nicht am Platz war und erst anrücken musste?
Reiterei kann sich deutlich schneller Bewegen als die Infanterie, kann also bei deren Eintreffen recht zügig zusammen gezogen werden.
Nun, du wirst ja sicherlich darlegen können, warum diese eine Angriffsoperation am Rand des von ihnen kontrollierten Gebiets oder sogar außerhalb davon hätten versuchen sollen, wenn sie davon ausgehen mussten, dass falls römische Verstärkung in der Nähe sein konnte und dass womöglich genau zu der offenen Schlacht führen würde, die ihr Untergang sein konnte?
Ist das potentielle Aufreiben einer möglichen berittenen Vorhut es wert die gesamte eigene Streitkraft in einer Schlacht mit möglicherweise sehr nachteilhaften Ausgangsbedingungen dem Risiko einer vernichtenden Niederlage auszusetzen, statt darauf zu setzen, die gesamte Feindmacht in einer wesentlich günstigeren Lage tief im eigenen Gebiet zu erwischen?
Aber sicher, dass Wissen um die eigene Unterlegenheit gegenüber dem potentiellen Feind und die Gefahren, sollte es sich um dessen gesamte Streitmacht handeln, spielt ja keine Rolle.
Man fragt sich, warum die Cherusker nicht einfach auf Rom marschiert sind um die römiche Okkupation zu beenden.
Du hast mich wohl nicht richtig verstanden: Du kannst Deine Fantasieszenarien noch so wortreich verteidigen, ich werde damit meine Zeit nicht verschwenden.
Diskutieren können wir über das von Dio vorgestellte Szenario:
Varus zieht mit seinen Legionen*, bestehend aus Infanterie und Reiterei (abzüglich der im Land verteilten Vexillationen), sowie einem großen Tross mit Wagen und zahlreichen Zivilisten (Frauen, Kinder, Sklaven) durch angeblich befreundetes Gebiet. Er verlässt sich auf die Falschinformationen, die ihm Arminius und Segimerus eingeflüstert haben; er erwartet, dass die angeforderten germanischen Auxiliartruppen unter Arminius und Segimerus im Lauf der Kampagne zu ihm stoßen, und zwar schleunig (διὰ ταχέων)**. Diese sind tatsächlich schon in Aktion, allerdings um die im Land verteilten Vexillationen auszuschalten und dann den Heereszug anzugreifen.
Der Angriff erfolgt dann in einem zerklüfteten Gebirge***, also wohl nicht in einer mit Siedlungen durchsetzten Gegend.
Aus Sicht der Verschwörer wäre es sicherlich von Vorteil gewesen, wenn Varus seine Legionen noch weiter verzettelt hätte, indem er z. B. die Reiter in kleinen Grüppchen durch die ganze Gegend geschickt hätte. Nur gibt das Dios Erzählung nicht her, da wären wir also vollkommen auf dem Gebiet der faktenbefreiten Fantasie.
* Dio nennt die Zahl der Legionen nicht, aber alle sonstigen Autoren (Strabon, Manilius, Velleius, Florus, Sueton und Tacitus) sind sich einig, dass es drei waren.
** Inwieweit Varus auch sonst unter Zeitdruck stand, geht aus Dio nicht hervor. Er nennt auch keine Jahreszeit; Velleius lässt darauf schließen, dass der Sommer schon fortgeschritten war.
*** Hier befindet sich Dio in einem deutlichen Gegensatz zu Velleius, Tacitus und Florus, die von Sumpfgebieten sprechen. Bei Dio ist es zwar auch glitschig, aber da kommt das Wasser von oben, und die Beschreibung der Gegend (ἀνώμαλα ließe sich buchstäblich "ohne Ebenen" übersetzen) lässt eigentlich keinen Spielraum für Moorgebiete.