Was wurde aus Leutnant v. Forstner ?

Das beantwortet die Frage nicht. Außerdem impliziert deine These, das der Kaiser ein Idiot gewesen sei. Wilhelm II. war durchaus in so manchen Fragen speziell; ein Blödmann war er nicht.
Das mit dem Blödmann habe ich doch gleich nochmal wo gesagt? Ach ja, genau - nirgendwo!

Wenn jemand nicht kapiert, worum es geht, ist er deswegen längst kein idiot. Wilhelm war ein Kind seiner Zeit und hätte Kritik am Militarismus, den er vorlebte wie kaum ein anderer, darum gar nicht verstanden. Macht ihn das zum Idioten? Merkst du hoffentlich selber.
Nun, auch in anderen europäischen Gesellschaften wurden Uniform öffentlich zur Schau getragen. Und was an Zuckmayers Stück ist historisch verbürgte Wahrheit? Hast du dafür entsprechende Quellen?
Nochamal - du redest von Zuckmayer, ich hingegen meine die Ereignisse, die Zuckmayer literarisch verarbeitet hat, namentlich jene hier:


Und nein, das ist nicht erfunden.
 
Mir scheint Militarismus vor dem bzw bis zum Ersten Weltkrieg kein Alleinstellungsmerkmal des deutschen Kaiserreichs zu sein.
Mir "scheint" es nicht nur so zu sein, sondern ich habe keinerlei Zweifel, dass es so war. Es geht mir darum, dass der Militarismus die deutsche Zivilgesellschaft wirkungsvoll durchdrungen hatte - wer nicht "gedient" hatte, war suspekt. Unvorstellbar in den Nachbarländern. ja, dort war man auch stolz auf sein Militär. Aber in Frankreich oder Großbritannien waren Soldaten Soldaten und Zivilisten waren Zivilsten. In Paris war das Militär bei weitem kein derart gesellschaftspolitischer Faktor wie in Berlin. Ja, auch in Frankreich war es problematisch, das Militär zu kritisieren oder gar, wie Zolà, es publizistisch zu attackieren. Aber immerhin gab es Menschen, die das taten. Hingegen bei uns? Halbherzige Sozialdemokraten, die viel mehr Angst davor hatten als "vaterlandslose Gesellen" abgestempelt zu werden, statt auf eine selbstbewusste Zivilgesellschaft zu drängen, die sich frei macht vom Gedanken, dass das Militär nach dem Kaiser an erster Stelle steht.

Ach, komm, ich weiß nicht, wie ich es noch genauer erklären soll. Ich bin raus an dieser Stelle.
 
Aber in Frankreich oder Großbritannien waren Soldaten Soldaten und Zivilisten waren Zivilsten.
Soldaten waren Soldaten gilt überall.
Gesellschaftlich hoch angesehen waren - überall in Europa - der Adel und höhere Militärränge (Offizierscorps) Letztere mussten sich im 19.Jh. auch für bürgerliche öffnen, damit genug Offiziere für die wachsenden Heere vorhanden waren.
Bzgl Paris und gesellschaftlichem Einfluss: die komplette Stadt (!) wurde vom Militär umgebaut - Thiers.
 
Und bzgl traditionellem britischen Militarismus Image (sic!) bietet Meaning of Life (Monty Python) köstliche Anschauungsmaterialien
In Großbritannien gab es bis 1916 keine Wehrpflicht. Daher nehme ich an, dass die gesellschaftliche Stellung dort auch weniger davon abhing, was und wo (oder ob überhaupt) man gedient hatte. Das ist ein Unterschied zur Köpenickiade in Preußen, einem Preußen von dem schon im 18.Jahrhundert Graf Mirabeau gesagt haben soll: "Andere Staaten besitzen eine Armee. Preußen ist eine Armee, die einen Staat besitzt."
 
Naaaa gut. Nochmal :cool: Es geht mir darum aufzuzeigen, dass der deutsche Militarismus, im Gegensatz zum britischen oder französischen Militarismus weit über das Militär, das sich damals ja überall an sich selbst berauschte, hinausging. Irgendein snobistischer britischer Offizier war auch mal Gegenstand des Spotts unter Zivilisten. Ungestraft. Dagegen war der schon erwähnte Reserveleutnant in Deutschland ein allgemeines Vorbild, über den zu lachen niemand gewagt hätte - außer natürlich Albert Langen und sein Simplicissimus sowie einige wenige andere Publikationen. Aber auch Langen bekam immer wieder Schwierigkeiten mit der Zensur. "Über das Militär macht man keine Witze, Herr Langen!!!!" Außerhalb Deutschlands konnte man eine gesunde Distanz zum Militär halten, ohne verdächtigt zu werden, ein vaterlandsloser Geselle zu sein. Oder würde irgendjemand Jean Jaurès absprechen, ein französischer Patriot gewesen zu sein? Oder David Lloyd George ein englischer? Beide waren so unmilitärisch, wie man es sich nur denken kann. Und sie stehen nur stellvertretend.

Es geht mir auch nicht darum, dass Conrad von Hötzendorf ein ganz besonders übler Kriegstreiber war - er war ja schließlich durch und durch Soldat. Von nichts kommt nichts. Wenn aber eine Zivilgesellschaft mehrheitlich das Militär zum überragenden Ideal erhebt, und das war nun einmal der Fall im Deutschen Kaiserreich, dann ist das ein fundamentaler Unterschied zu den anderen europäischen Zivilgesellschaften jener Zeit, auch wenn es natürlich auch in denen Kriegsverherrlicher gegeben hat.

Was nun Schwejk angeht - ja, klar stellt er den Militarismus in seiner ganzen Idiotie bloß. Kaum jemand könnte das besser, als ein einfacher Soldat in einer Armee und er macht es auf die denkbar schönste Art und Weise. Wer einmal das Buch gelesen hat oder den Film Mit Heimz Rühann, der fragt sich wirklich, welcher Idiot einst das Militär erfunden hat. :)

Last but not least, and speaking of British Militarism: :cool:

Sergeant: Sir, sir, the attack's over, sir! the Zulus are
retreating.

Ainsworth: [dismissively] Oh jolly good. [He turns his back to the
group around Perkins.]

Sergeant: Quite a lot of casualties though, sir. C Division wiped
out. Signals gone. Thirty men killed in F Section. I should
think about a hundred - a hundred and fifty men altogether.

Ainsworth: [not very interested] Yes, yes I see, yes... Jolly good.

Sergeant: I haven't got the final figures, sir. There's a lot of
seriously wounded in the compound...

Ainsworth: [interrupting] Yes... well, the thing is, Sergeant, I've
got a bit of a problem here. [With gravity.] One of the
officers has lost a leg.

Sergeant: [stunned by the news] Oh *no*, sir!
 
Was nun Schwejk angeht - ja, klar stellt er den Militarismus in seiner ganzen Idiotie bloß. Kaum jemand könnte das besser
Er stellt den KuK Militarismus bloß, nicht den russischen, nicht den britischen, nicht den wilhelminischen - und er hat Gründe (Hasek verstand was von seinem Metier - übrigens: das Rühmann Filmchen ist eine flache Verniedlichung des Romans) das sollte man nicht einfach untern Tisch fallen lassen.
...dann erinnere ich nochmal an meine "literarische" Litanei bzgl des Militärs in der russ. Literatur 19.-frühes 20.Jh.
...muss ich das Offizier/Gentleman-Ideal aufdröseln?
...oh, nach 1871 in Frankreich: kein Militarismus, kein eiserner Riegel, keine Dreyfus Affäre?

Paris, London, Petersburg, Berlin, Dresden, München, Wien, Budapest - waren das keine europäischen Kulturzentren? Marschierten vor 1914 z.B. in Berlin nur Reserveleutnants und kein Richard Strauss dirigierte unter den Linden? Befanden sich die deutschsprachigen Naturalisten alle im Exil? usw usw

Ich halte "Militarismus 19.Jh. bis 1918 = deutsch/wilhelminisch" für in der Sache nicht richtig.
 
Mir "scheint" es nicht nur so zu sein, sondern ich habe keinerlei Zweifel, dass es so war. Es geht mir darum, dass der Militarismus die deutsche Zivilgesellschaft wirkungsvoll durchdrungen hatte - wer nicht "gedient" hatte, war suspekt. Unvorstellbar in den Nachbarländern.

Das war z.B. in Frankreich alles andere als unvorstellbar.
In der 3. Republik kurz vor dem 1. Weltkrieg erfasste die Wehrpflicht nämlich deutlich größere Teile der Beevölkerung, als in Deutschland.

Deutschland zog anno 1913 zwischen 50 und 60% der theoretisch wehrpflichtigen jungen Mäner tatsächlich zur Ausbildung und zum Dienst an der Waffe heran, in Frankreich waren es zum gleichen Zeitpunkt an die 80%.

Wenn man in Deutschland nicht gediehnt, befand man sich in der Gesellschaft, von knapp der Hälfte aller jungen Männer im wehrfähigen Alter.
Wenn man in Frankreich nicht geedienht hatte, war man, imm Besonderen, wenn man von den 20% noch die untauglichen abzieht, ziemlich krass in der Minderheit und wesentlich eher Außenseiter.

In Paris war das Militär bei weitem kein derart gesellschaftspolitischer Faktor wie in Berlin.
Was allerdings, wenn du mich fragst vor allem daran gelegen haben dürfte, dass dadurch dass die Wehrpflicht in Frankreich größere Teile der Bevölkerung umfasste und im Gegensatz zu Deutschland tatsächlich so gut wie jeder erwachsene Mann irgendwie mal gediehnt hatte, das Militär eben nichts besonderes mehr war.

Aber nicht weil Frankreich weniger krigerisch oder militaristisch gewesen wäre, sondern weil sich anders als in Deutschland damit beim Militär gewesen zu sein nicht mehr in diser Form angeben ließ.

Die "Haben-sie-überhaupt-gediehnt-?"-Mentalität und der Verusch eine Abgrenzung zu ungedienten Zivilisten zu schaffeen, funktioniert ja nur dann, wenn man genügend ungdiehnte Zivilisten findet.
Wenn man damit rechnen muss, dass die Leute denen man begegnet ohnehin alle gediehnt haben, weil es so üblich ist, dann kann man die Uniform auch zu Hause lassen und sich den schnarrenden Kasernenhof-Ton auch sparen, denn dann macht man sich damit nur zum Kasper.


Es gibt sicherlich einen massiven Unterschied was das Militär in Deutschland und Frankreich angeht und der liegt daran, dass sich in Deutschland das Militär der Aufsicht und Kontrolle der Politik in einer Weise entzog, wie das in Frankreich nicht möglich gewesen wäre.
Das ist im Hinblick auf das Zustandekommen des 1. Weltkriegs auch ein großes strukturells Problem, dass bei Deutschland vorhanden war und das den Krieg begünstigte.
Es war aber kein Alleinstellungsmerkmal, weil es in der Donaumonarchie und vor allem in Russland ähnlich damit stand.
Man sollte beim internationalen Verglich durchaus auch hin und wieder nach Osten schauen.

Das macht die Dinge in Deutschland nicht weniger problematisch, widerspricht allerdings so ein wenig dem "Sonderweg-Modell".

Ja, auch in Frankreich war es problematisch, das Militär zu kritisieren oder gar, wie Zolà, es publizistisch zu attackieren. Aber immerhin gab es Menschen, die das taten. Hingegen bei uns?
Och, bei uns zum Beispiel lief Rosa-Luxemburg durch die Gegend kritisierte das Militär offen wegen stattfindender Soldatenmisshandlungen
und blamierte bei einem anschließenden Prozess, den Kriegsminister von Falkenhayn gegen sie wegen Beleidigung/Verleumdung angestrengt hatte, das Militär bis auf die Knochen:


Ist nicht so, dass sich über das Militär oder dessen Betragen in Deutschland niemand aufgeregt hätte oder dass das allgemein glichgültig hingenommen worden wäre.
 
In Großbritannien gab es bis 1916 keine Wehrpflicht. Daher nehme ich an, dass die gesellschaftliche Stellung dort auch weniger davon abhing, was und wo (oder ob überhaupt) man gedient hatte.
Ich würde meinen umgekehrt wird ein Schuh draus.

Je weniger Leute gediehnt hatten, desto mehr konnten das diejenigen, die es getan hatten als exklusives Alleinstellungsmerkmal vermarkten.
 
Aber auch Langen bekam immer wieder Schwierigkeiten mit der Zensur.
Das kann so nicht richtig sein, denn eine Zensur gab es in Friedenszeiten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, jedenfalls in Deutschland nicht mehr.

Was passieren konnte, war eben, dass das irgendjemand eine Verleumdungs- oder Beleidigungsklage anstrengte. Das konnte allerdings auch in allen anderen Ländern Europas passieren.

Oder würde irgendjemand Jean Jaurès absprechen, ein französischer Patriot gewesen zu sein?
Fangfrage: Wenn es ihm niemand abgesprochen hätte, wäre er dann wegen seiner Anti-Kriegs-Aktivitäten von nationalistischer Seite ermordet worden?

Interessant übrigens, der Mörder Raoul Villan, auf dessen Kappe das ging, wurde später freigesprochen.
Wiki schreibt dazu folgendes:

Villain saß über viereinhalb Jahre, während des gesamten Ersten Weltkrieges, in Untersuchungshaft. Sein Prozess begann am 24. März 1919; am 29. März 1919 wurde er von einem Schwurgericht freigesprochen.[1] Elf der Geschworenen votierten für Freispruch und einer dagegen.[2] Einer der Geschworenen äußerte: „Hätte der Kriegsgegner Jaurès sich durchgesetzt, so hätte Frankreich den Krieg nicht gewinnen können.“ Die Witwe des ermordeten Jean Jaurès musste die Prozesskosten tragen.[2] Der Freispruch rief Protest hervor, ein Leserbrief von Anatole France wurde in der Zeitung L’Humanité veröffentlicht:

 
In Großbritannien erschien im Jahre 1899 der Roman "The Spies of Wight" von einen gewissen Headon Hill. Gegenstand der Handlung war die Machenschaften deutscher Spione gegen Großbritannien. Das war der Anfang eine wahren Flut von Vorwegnahmen eines zukünftigen deutsch-englischen Krieges. Ein A.C. Curtis publizierte "A New Trafalgar (1902) war einer der ersten Romane, der von einer "Blitzattacke" der deutschen Marine gegen Großbritannien in Abwesenheit des britischen Kanalgeschwaders handelte; glücklicherweise hatte die Royal Navy ein Superschlachtschiff in der Hinterhand und dies führte selbstredend die Entscheidung zugunsten Großbritanniens herbei.

Verblüffend ist, wie ernst die Behauptungen solcher Schriftsteller und Panikmacher von höheren Beamten und den Ministerien genommen worden.

Selbst König Edward VII. machte sich 1908 darüber Sorgen, das sein Cousin einen Plan habe, ein oder zwei Armeekorps nach England "zu werfen, um dann zu proklamieren, das er nicht als Feind des Königs, sondern als Enkel von Königin Victoria gekommen sei, um ihm vor der sozialistischen Bande zu retten."

Auch Sir Edward Grey war stets zur Stelle bei negativen Überlegungen bezüglich Deutschlands. Er war fest davon überzeugt, das "eine große Anzahl deutscher Offiziere Urlaub in diesem Lande macht, [...] wo sie sich zu keinen anderen Zweck aufhalten, als strategisch wichtige Aufzeichnungen über unsere Küsten anzufertigen.

Kriegsminister Haldane stellte ganz ähnliche Überlegungen an. Das ging so weit, das Premier Asquith den CID anwies, die Behauptungen zu überprüfen.

Churchill wies im Zuge der Marokkokrise Nr.2 als Innenminister die Aufstellungen von Soldaten an den Marinemagazinen rund um London an, damit nicht 20 entschlossene gut bewaffnete Deutsche während einer Nacht auf der Bildfläche erschienen.

Die National Service League (Verband für die allgemeine Wehrpflicht) hatte 1912 98.931 Mitglieder und 218.513 Unterstützer.

Beispielsweise beglückte der Vikar von Hampshire seine Pfarrkinder mit einem Pamphlet "Religöses Denken und Wehrpflicht".

In Frankreich unter Poincaré wurde nicht nur die Forderung nach einem réveil national propagiert, sondern es wurde auch gehandelt. So wurde beispielsweise ein Nationalfeiertag für Jeanne d'Arc eingeführt.
Joffre erhielt den neu geschaffenen Posten eines Chef des Generalstabes. Die militärische Dienstpflicht wurde von zwei auf drei Jahre verlängert.
 
Das kann so nicht richtig sein, denn eine Zensur gab es in Friedenszeiten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, jedenfalls in Deutschland nicht mehr.
Doooch, das ist richtig. Vom Simplicissimus wurden, lange, lange vor dem I. Weltkrieg verschiedene Ausgaben beschlagnahmt. Einfach so, durch Behördenbeschluss.

Sogar wegen "Majestätsbeleidigung" musste sich Langen mal verantworten, was zur Folge hatte, dass er für Jahre in Frankreich und der Schweiz im Exil leben musste. Der nette König von Sachsen hat Albert Langen dann irgendwann begnadigt. Gegen eine Geldauflage von 30.000(!!!) Mark. Das nenne ich doch mal echt liberal.
 
Ist nicht so, dass sich über das Militär oder dessen Betragen in Deutschland niemand aufgeregt hätte oder dass das allgemein glichgültig hingenommen worden wäre.
Nein, ist nicht so, sonst wäre es noch deprimierender, als ohnehin schon. Es gab damals Deutschland immer Menschen, die mit dem Militarismus absolut nichts anfangen konnten.

Aber nochmal - ich rede nicht von militaristischen Militärs, das ist im Deutschland vor 1914 der Normalzustand, ebenso wie in vielen anderen Ländern. Ich spreche von einer Zivilgesellschaft, die von militärischem Gedankengut druchdrungen war und das war in Deutschland nun einmal auf besondere Weise ausgeprägt. Ich zumindest kann es mir nicht anders erklären, dass sich, noch vor Kriegsbeginn!, ein von Moltke wenig bis gar nicht um das scheren musste, was Regierung oder Reichstag taten oder sagten. Der Spruch, dass sich die preußische Armee einen Staat hielt, kam nicht von ungefähr, sondern traf in weiten Teilen zu. Wo simmer denn, wenn sich die Armee jeder Kontrolle entzieht?
 
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