Weshalb wird St Petersburg Haupstadt?

Ich finde hochinteressant, daß Galeeren bei Peters Marineexpeditionen eine wichtige Rolle spielten und damit bewiesen, daß sie auch fast 150 Jahre nach der großen Galeerenschlacht von Lepanto noch ihren Bau rechtfertigen konnten. Peter bewies übrigens als Seestratege einiges Talent. Wegen des Galeerenbaus wollte er ja eigentlich noch bei seiner Gesandschaft Venedig besichtigen, doch kam ihm leider der Aufstand der Strelitzen dazwischen. Galeeren waren viel schneller und billiger herzustellen.

Galeeren fanden auch noch im schwedisch-russischen Krieg 1788-1790 in den Ostseeschlachten Verwendung.

Dazu gibt es folgende sehr schöne Darstellung:
Ostsee Seeschlachten - der schwedisch-russische Krieg 1788 bis 1790

aus:
Die Seekriege, Seeschlachten und Zweikämpfe auf See zwischen 1775 und 1815
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Zuletzt bearbeitet:
Hast Du dafür irgendwelche Beweise? Ist Dir bewusst, dass der Binnenhandel im 17./18.Jh. vom Seehandel durch die Entdeckungen u.a. völlig einbrach. Wie sollte eine Großmacht wie Russland Handel treiben ohne Handelsflotte, wie mit den anderen Staaten in Kontakt treten?

Danke für die Antwort, Brissotin. Über welche Entdeckungen sprichst Du? Ich dachte, dass im 17./18.Jh Dänemark, Schweden, England, Holland schon lange zuvor entdeckt wurden, oder?
Wenn Du die Übersee Endeckungen meinst, das ist noch mehr verwunderlich. Die Handelskontakte zwischen Russland und Nordamerika, Brasilien, Australien oder Mexiko, zum Beispiel, hatten fast keine Bedeutung für die russische Wirtschaft lange Zeit nach Peter.
Und am Ende, ich bin nicht einverstanden, dass vor Peter dem Großen Russland überhaupt keine Handelsflotte hatte.
Peterburg war und ist auf höchstem Grade ungeeignet für eine russische Hauptstadt. Wenn Petersburg 1941 noch die Hautstadt des Landes geblieben wäre, dann, Entschuldigung bitte, vielleicht könnten die heutigen Bewohner der Stadt hauptsächlich eine andere nichtrussische Sprache sprechen. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an die Worte eines bekannten russischen Schriftstellers: Russland braucht Moskau als Zentrum, als Hauptstadt, aber es braucht nicht Peterburg. Im Gegenteil Peterburg braucht Russland um überhaupt existieren zu können.
 
@ Scorpio
Was hälst Du davon, dass Peter eben auch bezweckte durch die Errichtung der Hauptstadt in der Gegend, einfach die Eroberung dauerhafter zu machen? Eine Hauptstadt verteidigt man anders, als einen von vielen x-beliebigen Häfen. Dass die Eroberungen an der Ostsee Zündstoff für weitere Konflikte mit Schweden liefern würde, das war absehbar.
 
Dem würde ich zustimmen. Außerdem handelte es sich ja um altes russisches Land, die Provinz Ingermanland, die in der "Zeit der Wirren" verlorenging. Der Beiname des russischen Nationalhelden Alexander Newski bedeutet ja "von der Newa", und der völlige Neubeginn mit einer neuen modernen europäischen Metropole eignete sich natürlich auch gut für eine Geschichtspropaganda, wie sie etwa in Puschkins Gedicht vom "Ehernen Reiter" zum ausdruck kommt, dem Reiterdenkmal, das Katharina zu Ehren Peters aufstellen ließ.

Petersburg wollte sein Bauherr auf jeden Fall behalten, er war während der größten Krise des Krieges gegen seinen großen Rivalen Karl XII. bereit, alle Eroberungen in Livland abzutreten, wenn Karl ihm nur Petersburg ließ. Sieht man sich den Erfolg von Peters Schöpfung an, die sich zu einem Zentrum russischen Geists und Kultur entwickelte, muß man sich fragen, ob nicht die Gründung eher eine strategische Meisterleistung, als eine strategische Katastrophe war.

Für seinen pointiert polemischen Beitrag sollte sich @kiprian aber auch keinesfalls entschuldigen, die Diskussion lebt ja von solchen Beiträgen, sofern sie sich nicht völlig in Abstrusitäten verirren. Zeitgenössische Beobachter berichten ja zuweilen wirklich, daß sich Peter wie ein schlimmes Kind aufführte. In solchen Momenten konnte es nur Lefort, und später Menschikow und Katharina wagen, dem Zaren zu widersprechen. das russische Volk, Adel wie Bauern hatte viel unter ihm zu leiden. Er war ein Gewaltmensch, jähzornig, brutal und nicht selten grausam. Barbarei bekämpfte er mit barbarischen Mitteln, und seine Reformen waren oft ganz improvisitär und unausgegoren. Seine Ausbildung war in vielem mehr als lückenhaft, verglichen mit der seines Sohnes Alexei. Die Lust, mit der sich Peter noch als reifer Mann an den pubertären Saufgelagen seiner "närrischen Synode" beteiligte, mag man kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen. Er und die Männer, die er um sich scharte, waren keine Intellektuellen, es waren Typen mit Pulver und Blut an den Händen, die für ein differenziertes, erotisiertes Hofleben, wie es Louis und August von Sachsen- Polen kultivierten, wenig Verständnis hatten. Aus humanitärer Sicht war der Bau Petersburgs eine Katastrophe und allzu viele altgläubige Russen mußten in die Wildnis oder die Steppen der Ukraine fliehen, da die Edikte des Zaren gar so belastend waren. Unzählige Russen verloren vermögen und das Leben durch Peters Taktik der verbrannten Erde, allzu viele Bauernjungs wurden in die Armee gepresst. Karl XII. bedauerte aufrichtig das Schicksal seiner Soldaten. Er dachte allen Ernstes daran, Peter zu einem chevaleresken Zweikampf zu fordern, ehe ihn sein Minister Graf Piper daran hindern konnte. Die Kontributionen und Rekrutierungen seiner letzten Regierungsjahre haben Schweden ungeheuer belastet.

Es ist durchaus nicht unsinnig, darüber nachzudenken, woher das Geld für das Trajansforum kam, daß Versailles und Petersburg buchstäblich auf Gebeinen erbaut wurden.


Doch Peter bewies auch, daß er ein verantwortungsvoller Herrscher war. Die Institutionen, die er schuf, hatten Bestand bis zum Untergang des Zarentums. Er war ein fleißiger Arbeiter, fast ein Workoholic, der mühsahmes Aktenstudium und Gefahren nicht scheute. Er beförderte Leute unabhängig von Geburt nur nach Leistung und war in religiösen Dingen recht tolerant. Selbst ein getaufter Jude wie Schafirow konnte bei ihm Karriere machen, das war sehr modern. Seine Metropole wurde ein wahres Wunderwerk, Tolstoi, Puschkin, Dostojewski, Gogol und Rimski -Korsakow schufen dort ihre Werke. Übrigens hat es auch kein Feind Rußlands je geschafft, die Stadt einzunehmen, nicht einmal die Wehrmacht, die sie drei Jahre belagerte. Doch das Urteil über Peter wird immer sehr zwiespältig ausfallen, der Erfolg gab seiner Politik allerdings oft Recht, so fragwürdig das auch en detail vor sich ging.
 
Es ist durchaus nicht unsinnig, darüber nachzudenken, woher das Geld für das Trajansforum kam, daß Versailles und Petersburg buchstäblich auf Gebeinen erbaut wurden.
Das stimmt alles, was Du schreibst, aber es geht ja darum, warum St. Petersburg gebaut wurde und nicht darum, wieso man daran Kritik nehmen kann. Nur deswegen gehe ich nicht auf Beiträge der Kritik an dem Verhalten Peters ein. Da St. Petersburg zu errichten allerdings eine durchweg politische Entscheidung war, vertiefte ich vielleicht ein bisschen zu sehr den außenpolitischen Hintergrund, vor dem sich diese Entscheidung abspielte (Nord. Krieg u. Span Erbf.krieg).
 
Der Bau Petersburgs war vielleicht eine der größten Leistungen Peters, doch wurde der Bau erst nach dem Sieg von Poltawa 1709 wirklich konsequent vorangetrieben, der "den Grundstein für St. Petersburg legte" und er wurde beflügelt, als die Russen im Jahr darauf Wiborg und Riga eroberten, die "zwei Kissen, auf denen Petersburg ruhen konnte". In den ersten zehn Jahren wuchs Petersburg schnell. Trezzini, Le Blond und einige Zeit auch Andreas Schlüter bauten in St. Petersburg. Dennoch hatte die Stadt etwas wildromantisches. Noch 1718 wurden zwei Soldaten und eine Frau nahe des Palais Menschikow von Wölfen zerrissen. Unter Peter II. zogen dann viele Regierungsstellen wieder nach Moskau um. Der Zar kehrte nach seiner Krönung nicht mehr nach Petersburg zurück. "Was soll ich in einer stadt wo es nur Salzwasser gibt, sagte er. Doch seine Regierung dauerte noch kürzer, als die der Regentin Katharina I.1730 starb Peter II. an den Pocken. Seine Nachfolgerin Anna Ivanowna war im Baltikum geboren, und sie fühlte sich in Petersburg wohler, als in Moskau. Katharina II. war es dann, die Petersburg mit Denkmälern Peters schmückte und sich besonders stark mit ihm identifizierte, nicht zuletzt wegen der fragwürdigen Methoden ihres eigenen Regierungsantritts.Das bekannteste ist auch heute noch das des "Ehernen Reiters", dem Puschkin seine berühmte Verserzählung gewidmet hat.
 
Guten abend zusammen,
mir gefällt das garnicht manche Beiträge zu lesen in denen St. Petersburg relativ schlecht weg kommt und hinterfragt wird wozu diese Stadt überhaupt von Peter gebaut wurde. Ich bezweifele das viele unter euch sind die St. Petersburg jemals besucht haben, dann wäre dieses Thema warscheinlich garnicht zur Sprache gekommen. Es handelt sich hierbei um eine der schönste Städte die ich je gesehen habe, gefüllt mit unzähligen Denkmälern, Museen, Palästen und Brücken. Auch wenn es nicht mehr wie zu zaristischen Zeiten ist, so hat St. Petersburg wenig an Glanz verloren.
Nun dazu was Peter dazu bewegte St. Petersburg zu errichten und daraus seine Hauptstadt zu machen.
Peter war ein Mensch der Veränderungen und alte Hüte waren ihm zuwider. Nie zuvor hatte es gegeben das ein Zar unter einem Decknamen
Europa bereiste. Natürlich blieb er nicht lange inkognito, da er auch im Ausland bekannt war und seine körperliche Beschaffenheit nicht unbedingt unauffällig war.
Seine Devise lautete: "Ich werde die Tradition rücksichtslos bekämpfen".
Dieses war auch daran erkennbar als er im Dezember 1699 einen neuen Kalender einführte.
Während seiner langen Auslandsreise vesuchte Peter Verbündete gegen die Türken zu gewinnen, die den Süden Russlands immer öfter attackierten. Immer häufiger dachte er während der Verhandlungen daran, auf den Zugang zum Schwarzen Meer zu verzichten und sich einen anderen Meereszugang, den zur Ostsee, zu verschaffen. Unterstützt wurde dieser Plan durch die Tatsache, daß Peter über die wenig vornehme Behandlung durch die schwedische Besatzung in Riga so erbost war, das er nach Rache sann. Doch dies allein war sicher nicht der Grund für seine Ostseepolitik. Ausschlaggebend war, daß Peter, wollte er Russland aus seiner jahrhundertelangen Isolation reißen, unbedingt den Zugang zur See brauchte. Dabei erwies sich das Schwarze Meer als gänzlich uninteressant. Der Weg nach Westen führte allein über die Ostsee und wurde durch die schweden kontrolliert. Um die Schweden abzulenken, veranstaltete der Zar einige Verhandlungsmanöver mit den Türken und schloß schließlich einen Frieden für 30 Jahre. Nun hatte der Zar freie Hand, sich dem Norden zuzuwenden.
Lange Rede kurzer Sinn: Peter erklärte den Schweden den Krieg. Im Dezember 1701 und im Juli 1702 erkämpften die russischen Truppen die ersten Siege. Estland und Livland wurden erobert. Städte und Dörfer wurden vollständig zerstört, um die beiden Länder als Operationsbasis für Schweden unbrauchbar zu machen. Damals geriet auch eine Frau in Gefangenschaft, die später unter dem Namen Katharina Peters Frau und nach seinem Tod russische Kaiserin werden sollte.
Endlich viel die schwedische Festung Nöteburg an der Newa in russische Hände. Sie erhielt nun den Namen Schlüsselburg - der Schlüssel zur Ostsee.
Nur dieser russiche Zar konnte die Entscheidung treffen, an der Newamündung eine Stadt zu bauen. Obwohl hier schon der alte Handelsweg "von den Warägern zu den Griechen" entlangführte, war es in all den Jahrhunderten keinem Herrscher eingefallen, an dieser Stelle eine größere Siedlung zu errichten. Das Gelände war sumpfig, zahlreiche Inselchen und Wasserläufe bildeten ein Delta, das oft von Überschwemmungen heimgesucht wurde.
Doch für Peter war diese Stück Wasserland gradezu ideal. Ein Hafen sollte entstehen, eine beeindruckende Stadt sich anschließen. Der schlechte Untergrund forderte Peters Tatendranf nur noch mehr herraus. Auch Amsterdam war auf Pfählen errichtet worden und war es nicht durch seine Kanäle besonders reizvoll?
Der 16.Mai 1703 wurde zum Gründungstag von Petersburg. Um den Platz zu sichern, wurde als erstes auf einer Insel die Peter-Pauls-Festung errichtet, zunächst aus Holz, doch schon bald aus Stein. Fast gleichzeitig entstand die erste Werft. Heerscharen von Arbeitern waren damit beschäftigt, die Sümpfe zu entwässern Holzfundamente zu legen, Baumstämme in den Boden zu rammen und Häuser zu konstruieren. Eine Verordnung aus jenen Jahren besagte, daß im ganzen übrigen Russland nur mehr Holzhäuser gebaut werden durften. Damit wollte Peter erreichen das alle Maurer und Steinmetze des Landes nach Petersburg abgezogen werden konnten.
Viele beschönigende Geschichten entstanden um den Bau dieser neuen Hauptstadt. Tatsache ist, das Abertausende ums Leben kamen, daß Hochwasser das eben Errichtete wieder zerstörte und daß Unsummen in diesen Kampf gegen die Natur gesteckt wurden.
Doch bereits im November 1703 erreichte das erste Schiff aus Holland den Hafen.
7 Jahre nach Gründung der Stadt lebten erst knapp 8000 Einwohner dort, was Peter einfach zu wenig war.
Es war nicht nur die ungünstige Lage in den Sümpfen, die die Russen davon abhielt die Stadt zu beleben. Die ins Landesinnere führenden Straßen waren so schlecht, daß man für lange Zeit mehrere Wochen brauchte, um die Strecke von Moskau nach St. Petersburg zu bewältigen. Die Versorgung war ungenügend und die Waren mußten teuer bezahlt werden.
Für Peter war und bleib diese Stadt zeit seines Lebens ein verhätscheltes Lieblingskind.

(Quelle "Die Romanows - Geschichte der Zaren v. G. Ziegler)
 
Doch bereits im November 1703 erreichte das erste Schiff aus Holland den Hafen.

St. Petersburg wurde ja auch mit dem holländischem Namen als Sankt Pieterburch gegründet. Als Ehrerbietung für das holländische Amsterdam, welches auch auf Pfählen und einem geradlinigem Muster errichtet wurde.
Eingedeutscht wurde es alsbald durch den starken deutschen Einfluss Anfang des 18.Jhds. was ich in früheren Postings schon andeutete:Je besser man erreichbar wird, desto besser und quantitativer die Kundschaft.
 
St. Petersburg wurde ja auch mit dem holländischem Namen als Sankt Pieterburch gegründet. Als Ehrerbietung für das holländische Amsterdam, welches auch auf Pfählen und einem geradlinigem Muster errichtet wurde.
Eingedeutscht wurde es alsbald durch den starken deutschen Einfluss Anfang des 18.Jhds. was ich in früheren Postings schon andeutete:Je besser man erreichbar wird, desto besser und quantitativer die Kundschaft.

Von den alten Einwohnern wird es heute noch manchmal liebevoll "Pieter" genannt.
 
Liljana: “Ich bezweifele das viele unter euch sind die St. Petersburg jemals besucht haben, dann wäre dieses Thema warscheinlich garnicht zur Sprache gekommen. Es handelt sich hierbei um eine der schönste Städte die ich je gesehen habe, gefüllt mit unzähligen Denkmälern, Museen, Palästen und Brücken.”

Liljana, von Deinem Beitrag kann man verstehen, dass St. Petersburg, für Hauptstadt Russlands gewählt wurde weil sie eine wunderschöne Stadt mit “mit unzähligen Denkmälern, Museen, Palästen und Brücken ist.”
Von historischer Sicht ist das natürlich absurd, wie die bisherigen Beiträge gezeigt haben. St. Petersburg wurde Hauptstadt nicht weil sie eine wunderschöne Stadt war (es gab überhaupt keine Stadt dort), im Gegenteil sie wurde eine wunderschöne Stadt, weil sie für eine Hauptstadt gewählt wurde – Hautstadt eines der mächtigsten Staaten der Welt.
Das Thema lautet „Weshalb wird St Petersburg Haupstadt (Hauptstadt)” und ich finde eine solche Diskussion interessant und sinnvoll. Sie musste aber im Bereich Osteuropa geführt werden und nicht in “Fragen und Antworten”.
Auf die Frage: Weshalb wird St Petersburg Hauptstadt? Die Antwort ist klar: Peter der Grosse wollte es.
Warum wollte es Peter der Grosse? Hier gibt es schön verschiedene Erklärungen. Ich habe schon meine Meinung dargestellt. Jetzt noch mehr zur Frage über die angebliche „strategische Bedeutung der Stadt.
 
In den nächsten 300 Jahren nach der Verschiebung der Hauptstadt in St. Petersburg gab es nur zwei Schwedisch – Russische Kriege. In beiden Fällen hatten die Schweden überhaupt keine Chance St. Petersburg, nein nicht zu stürmen oder einzuschließen, sie hatten keine Chance die Stadt sogar theoretisch zu bedrohen. Noch mehr, in beiden Fällen war das Ziel der Schweden nicht St. Petersburg, sondern eventuell das Territorium der Baltischen Ländern. Dann welche strategische Bedeutung hatte die Stadt eigentlich?
Ganz in Gegenteil – weil die Hauptstadt so unpassend in der Nähe von der Grenze lag, wurden die Russen gezwungen viele wertvollen Ressourcen von den anderen Richtungen abzuziehen um die Stadt zu verteidigen und das Territorium um die Stadt ständig zu erweitern unabhängig davon ob sie dieses Land bräuchten oder nicht zum Beispiel die unfruchtbare gefrorene fremde finnische Räume.
Das Argument - die Hauptstadt würde besser als eine andere Stadt verteidigt funktioniert hier nicht. Wieder ganz im Gegenteil – Durch innere Intrigen versuchten die Schweden das politische Leben in der nah gelegenen Stadt zu beeinflussen und teilweise nicht ohne Erfolg.
Es lohnt sich auch zu erwähnen, dass Napoleon seinen Feldzug in Russland nicht gegen die Hauptstadt St. Petersburg, sondern gegen Moskau richtete. Warum? Weil nämlich die Stadt überhaupt keine strategische Bedeutung hatte. Das war klar für die Russen, für die Franzosen und später für Stalin selbst. Ob die Stadt eingenommen würde oder nicht, würde das in keiner Weise das Ergebnis des Zweiten Weltkrieges beeinflussen. Das Leiden der Menschen in der ehemaligen Hauptstadt an der Grenze, die sich nicht evakuieren konnten war wirklich grenzenlos.
 
Es lohnt sich auch zu erwähnen, dass Napoleon seinen Feldzug in Russland nicht gegen die Hauptstadt St. Petersburg, sondern gegen Moskau richtete. Warum? Weil nämlich die Stadt überhaupt keine strategische Bedeutung hatte.

Interessanter Einwurf.
Das Herz Russlands war nie St.Petersburg sondern Moskau. Das ist richtig.
St.Petersburg zur Hauptstadt zu machen durch Zar Peter I. wurde allerdings in den bisherigen Postings ausgiebig beschrieben und erklärt. Strategie war da mit im Spiel.
 
Der Stoss auf Moskau im "Vaterländischen Krieg" von 1812 hatte aber vor allem den Grund, dass eine Armee sich wesentlich leichter aus dem Hinterland Moskaus versorgen konnte. Die Flügel waren recht schwach bei Napoleons Operation. Die Landschaft um Petersburg ist für einen Angreifer überaus schwierig. Selbst die Wehrmacht hatte hier mit ihren Panzerdivisionen grosse Probleme, und obwohl von 1941- 1944 belagert, konnte die Stadt niemals von einem Angreifer erobert werden.
 
Der Stoss auf Moskau im "Vaterländischen Krieg" von 1812 hatte aber vor allem den Grund, dass eine Armee sich wesentlich leichter aus dem Hinterland Moskaus versorgen konnte. Die Flügel waren recht schwach bei Napoleons Operation. Die Landschaft um Petersburg ist für einen Angreifer überaus schwierig. Selbst die Wehrmacht hatte hier mit ihren Panzerdivisionen grosse Probleme, und obwohl von 1941- 1944 belagert, konnte die Stadt niemals von einem Angreifer erobert werden.

Moskau war nicht das Hinterland von St.Petersburg. St.Petersburg blieb zwar Hauptstadt, aber die größte Stadt Russlands und die Seele Russlands blieb Moskau.
Die Hauptstreitkräfte Russlands tummelte sich auch nicht im Hohen Norden sondern im Mittel und Südteil Russlands. Napoleon suchte die Entscheidungsschlacht mit den Russen, um sie militärisch zu schwächen.
Das ZDF hat dazu recht interessante Infos zum Zustand des russischen Militärs offeriert:
ZDF.de - Der Russlandfeldzug
 
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Und zwar wird St Petersburg 1712 Haupstadt, aber was genau ist der Grund für Zar Peter, die Haupstadt zu verlegen??

Brissotin und Scorpio haben das in Beitrag #19 und #32 gut zusammengefasst.

In gewisser Weise handelte er kaum anders als viele Landesfürsten auch in Mitteleuropa und Westeuropa, welche ihre neuen Hauptstädte wenigstens deutlich abgetrennt von den alten neu anlegten oder vorhanden Orte, die noch kleiner und unbedeutender waren, ausbauten. So entkam der pfälzische Kurfürst den gewachsenen (u.a. religiösen) Strukturen, indem er den Hof nach Mannheim verlegte, so verließen die Markgrafen von Baden-Durlach Durlach, um in Karlsruhe neu zu bauen. So verlegte Markgraf Ludwig Wilhelm seine Residenz von Baden-Baden nach Rastatt, das kurz zuvor von den Franzosen schwer zerstört worden war.

Petersburg war durchaus Peters ganz eigenes Projekt, und er hat sich in der ungezwungenen "Gründerjahreatmosphäre" sehr wohlgefühlt. Ich denke, daß bei der Gründung Peters starke Abneigung gegen Moskau und den Altmoskowiter Lebensstil eine starke Rolle gespielt hat. Verkehrstechnisch stand Petersburg noch stark im Schatten Rigas, doch Peter versuchte dem abzuhelfen, indem er Prämien an Kapitäne zahlte, wenn sie Petersburg anliefen. Die Kauffahrer empfing der Zar dann häufig höchstpersönlich.

Die Gründe für den Hauptstadt-Status waren also nicht objektiv-pragmatischer Natur, sondern allein auf den Wunsch Peters zurück zuführen in seinem Reich seine ganz eigene Stadt zu haben.

Strategisch war Rußland seit dem großen Peter doch am Erwerb von Küstenzugängen und Häfen an "warmen Meeren" interessiert. Insofern ist das oben gesagte schon stimmig.

Die Herrscher Russlands waren schon lange vor Peter (sehr) an der See interessiert und ihrer Bedeutung bewusst.
Mehrere Kriege gegen Schweden um die baltische Küste und neu gegründete Städte an der Küste (Ivangorod, Archangelsk, Ochotsk) in den Jahrhunderten vor Peter belegen dies gut.

Daß jedoch explizit England "abgelöst" werden sollte, wäre mir neu. War England 1712 denn tatsächlich schon die dominierende Seemacht?

Diese Tabelle aus Paul Kennedys The Rise and Fall of Great Powers mit der Anzahl der Linienschiffe von Seemächten zwischen 1689 und 1815 sollte etwas helfen:

[img=http://img522.imageshack.us/img522/3987/tabelle2seite99zb9.th.jpg]

Zar Peter I. war der erste westlich orientierte Zar.

Schon ab seinem Vater waren die russisschen Herrscher mehr oder weniger westlich orientiert.
Er war der erste in den Westen vernarrte russische Herrscher und eigentlich auch der letzte Zar (Peter liess den Titel in Imperator/Kaiser ändern).

Russland hatte bis dahin nur Fischerboote und Flusskapitäne.

Unsinn.
Russische Seeleute waren von jeher auf dem Barentssee
aktiv, das sie als erste erkundeten und erforschten.
Vor Peter wurde schon die Erkundung des Ochotskischen Meeres begonnen.
Noch zu erwähnen wäre auch, dass russische Händler in (früher) altrussischer Zeit eigenen Seehandel in der Baltischen See.

Moskau war muchtig alt und für Westeuropäer eher eine Kultur weit weg von der europäischen.

Auch in Petersburg ist es im Winter kalt.

Allerdings um die Seeherrschaft über alle anderen Seemächte zu erlangen, halte ich für eine Mär, da St.Petersburg strategisch geographisch für eine Primaten-Seemachtsstellung völlig ungeeignet war und ist.

Völlig richtig. Ohne die enormen Privilegien und Aufwendungen, die diese Stadt durch Russland erhalten hatte und immer noch erhält, wäre sie niemals überregional bedeutsam geworden.
 
Unsinn.
Russische Seeleute waren von jeher auf dem Barentssee
aktiv, das sie als erste erkundeten und erforschten.
Vor Peter wurde schon die Erkundung des Ochotskischen Meeres begonnen.
Noch zu erwähnen wäre auch, dass russische Händler in (früher) altrussischer Zeit eigenen Seehandel in der Baltischen See.

Vitus Bering erforschte ab 1728 die sibirischen Meere in einer 18m langen Schaluppe. Zur Zeit der Großen Nordischen Expedition (1733-1743) wurden Brigantinen, Paketboote und Doppelschaluppen am Pazifik gebaut.
Die Baltische Flotte gründete Zar Peter I. persönlich 1696. Mit ihrer Gründung wurden Linienschiffe für die Ostsee gebaut.
 
Vitus Bering erforschte ab 1728 die sibirischen Meere in einer 18m langen Schaluppe. Zur Zeit der Großen Nordischen Expedition (1733-1743) wurden Brigantinen, Paketboote und Doppelschaluppen am Pazifik gebaut.

Die Erkundung der Meere dieser Region wurde schon fast hundert Jahre vorher durch den Kosaken Dejnev (ab 1645) und andere begonnen.

Die Baltische Flotte gründete Zar Peter I. persönlich 1696. Mit ihrer Gründung wurden Linienschiffe für die Ostsee gebaut.

Eigentlich eher eine Wiedergründung. Schon während des vorherigen Krieges gegen das Königreich Schweden (1656 - 1661) wurde versucht eine russische Marine für das baltische Meer aufzubauen.

Warum dieser Petrozentrismus?
Die Kenntnis über die einzelnen Epochen der russischen Geschichte scheint doch sehr ungleich verteilt zu sein.
 
Als Hafen und Flottenstützpunkt ist Petersburg wirklich nicht besonders geeignet. Er lässt sich vom Gegner gut abriegeln und ist im Winter lange vereist. Der Baugrund war für eine Stadt auch weiß Gott nicht geeignet. Eigentlich eine Schnapsidee von Peter, ausgerechnet hier die neue Hauptstadt hochzuziehen - das konnte nur ein Despot wie er oder sein georgischer Nachfolger im 20. Jahrhundert durchsetzen.
 
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