Wie waren die Germanen des Arminius gesellschaftlich organisiert?

Ich persönlich sehe die Theorie von der Priorität der Sippe also auch durch Tacitus bestätigt, hätte dessen posthume Fürsprache allerdings gar nicht gebraucht. Mir genügt schon, dass in den Gesellschaftswissenschaften unumstritten ist, dass der Sippenverband die Keinzelle der Stammesgesellschaft ist.
da will ich dir gar nicht widersprechen, aber anmerken, dass nun mal nicht alle Sippen (egal ob innerhalb eines Stamms oder einer Stammesgemeinschaft) gleich waren - sie unterschieden sich durch ihre Größe, durch ihre Macht, durch ihren Besitz. Gleich war allen freilich das sippeninterne Erbrecht, welches nicht nur rein sachlich sondern wohl auch quasi religiös war (eine quasi heilige Pflicht zur Blutrache etc). Und so war eben das Ansehen und damit die Ausstrahlungskraft solcher Sippen sehr verschieden - darin kann man doch unschwer die Grundlage so genannter Traditionskerne sehen, und letztere sind doch (wie auch die tradition- und prestigereichen "alten Namen" mindestens eine Vorform... ...upps... ich wiederhole mich... :):)
 
Und warum behauptet Tacitus dann, dass es anders war?

In Sinne einer Adelsschicht ist Tacitus (Germ. 7) zu verstehen, wonach die Germanen "die Könige, reges, aufgrund ihres Adels, ex nobilitate, die Heerführer, duces, wegen ihrer Tüchtigkeut, ex virtute, nehmen" - d.h. wählen.

"Grundbesitz" heißt, dass ein Germane Äcker bearbeiten ließ, die er ergo als ihm zugehörig betrachtete. Er "besaß" sie also, auch wenn sie nicht sein "Eigentum" waren.

Demzufolge verfügten Angehörige der Adelsschicht über ausgedehnte Anbaugebiete, die sie sich gewiss nicht streitig machen ließen und die sie auch nicht freiwillig jemand abtraten. Es ist somit Haarspalterei, hier zwischen "Besitz" und "Eigentum" zu unterscheiden. Real wurde der Boden von einem Herrn beansprucht und darauf ruhte - unter anderem - eine wirtschaftliche Überlegenheit. Zusätzlich zu der ihm angehörenden Gefolgschaft, über die er ebenfalls gebot.

Das alles ist dann eine adlige Schicht, wie sie bereits für die vorgermanischen Indogermanen postuliert wird.
 
da will ich dir gar nicht widersprechen, aber anmerken, dass nun mal nicht alle Sippen (egal ob innerhalb eines Stamms oder einer Stammesgemeinschaft) gleich waren - sie unterschieden sich durch ihre Größe, durch ihre Macht, durch ihren Besitz. Gleich war allen freilich das sippeninterne Erbrecht, welches nicht nur rein sachlich sondern wohl auch quasi religiös war (eine quasi heilige Pflicht zur Blutrache etc). Und so war eben das Ansehen und damit die Ausstrahlungskraft solcher Sippen sehr verschieden - darin kann man doch unschwer die Grundlage so genannter Traditionskerne sehen, und letztere sind doch (wie auch die tradition- und prestigereichen "alten Namen" mindestens eine Vorform... ...upps... ich wiederhole mich... :):)
Es kann so sein, dass Du Recht hast. Mir fehlt nur nach wie vor eine überzeugende Erklärung, aufgrund welcher Mechanismen im Laufe der Entwicklung einzelne Sippen die Fähigkeit gewonnen haben sollen, über andere Sippen Macht auszuüben. Der Denkansatz, dass die Gefolgschaften (und zwar NICHT die stammesinternen Gefolgschaften) ihre hierarchischen Strukturen auf die Gesellschaften übertragen haben, ist dagegen in sich schlüssig. Allein die Tatsache, dass eine Sippe reicher war als eine andere begründet jedenfalls noch keine "Rangfolge".

Es kann auch gut sein, dass unsere beiden Positionen gegensätzlicher wirken als sie tatsächlich sind. Ich sage im Grunde lediglich, dass ich in der "normalen Stammesgesellschaft" keine Mechanismen erkennen kann, die zur Entstehung gesellschaftlicher Schichtung führen. Damit es zu so einer Entwicklung kommt, muss es zusätzliche - und dann notwendigerweise äußere - Einflussfaktoren geben. Und in diesem oder jenem Stamm kann es durchaus solche Einflüsse gegeben haben.

Mal ein konstruiertes Beispiel: Wenn es zutreffend ist, dass der Stamm der Chatten die Kontrolle über Salzquellen hatte, dann kann man davon ausgehen, dass dieses Salz wertvoll genug war, um konkurrierende und evtl. sogar gewaltbereite Konkurrenten anzulocken. Dann wären einzelne Sippen außerstande gewesen, die Kontrolle über das Salz zu verteidigen. Selbst Sippenverbände, vermutlich sogar ganze Sub-Stämme wären überfordert gewesen oder hätten dauernd kämpfen müssen. Hier läge dann ein guter Grund, warum die einzelnen Sippen sich hätten bereitfinden können, gemeinsam ein "Militär" zu finanzieren, das die wertvollen Ressourcen schützt und allen Sippen die Teilhabe sichert. Dann ist es auch denkbar, dass der "Oberkommandierende" des Militärs sein Amt in der Familie weitervererbt und dass sich diese Struktur längerfristig so festigt, dass man von einer Vorform des Adels sprechen kann. Das meine ich, wenn ich darauf beharre, dass Adel eine Funktion haben muss, um dauerhaft bestehen zu können. Wenn Menschen dem Adel Steuern zahlen, dann tun sie das nicht bloß deshalb, weil der Adelige so adelig ist, sondern weil sie irgendeine "Gegenleistung" erhalten.

Ähnliches wie mit den hypothetischen Salzquellen bei den Chatten mag es an anderer Stelle mit anderen Faktoren gegeben haben. Caesar schreibt von Küstenstämmen, die Kontrolle über die wenigen als "Hafen" geeigneten Punkte hatten und deshalb den Seehandel beherrschten und Zölle erheben konnten. Der Rhein als dauerhaft und gut nutzbare Handelsader könnte ebenfalls so ein Faktor sein. Dass die Hermunduren privilegiert mit Rom handeln durften, machte sie zu idealen Kandidaten für den Aufbau von Strukturen zur Verteidigung dieser Privilegien. Nur sie konnten begehrte Waren an die übrigen Stämme weiterleiten.... etc.

Ich schließe also gar nicht aus, dass manche germanische Stämme eine Art Adel entwickelt haben. Ob der schon erblich war soll jetzt mal egal sein. Nur: Das passierte ganz gewiss nicht, weil die Entwicklung von Adelsschichten etwa "gottgewollt" sei oder irgendwie "in der Natur des Menschen" liegen würde (hier zwinkert wieder die marxistische Gesellschaftstheorie durch :devil:). Wer die Existenz von Adel in ALLEN Stämmen behauptet, muss als begründen können, was zur Entstehung dieses Adels geführt haben soll.

Vielleicht ist das jetzt eine Kompromissformel, auf die selbst wir beiden Sturköpfe uns einigen können...

MfG
 
In Sinne einer Adelsschicht ist Tacitus (Germ. 7) zu verstehen, wonach die Germanen "die Könige, reges, aufgrund ihres Adels, ex nobilitate, die Heerführer, duces, wegen ihrer Tüchtigkeut, ex virtute, nehmen" - d.h. wählen.
Wenn Tacitus´ Werk den Rang einer Bibel hat, dann ignorier bitte auch die Stellen nicht, an denen er selbst dieser Auslegung widerspricht oder sie zumindest in Frage stellt.

"Grundbesitz" heißt, dass ein Germane Äcker bearbeiten ließ, die er ergo als ihm zugehörig betrachtete. Er "besaß" sie also, auch wenn sie nicht sein "Eigentum" waren.

Demzufolge verfügten Angehörige der Adelsschicht über ausgedehnte Anbaugebiete, die sie sich gewiss nicht streitig machen ließen und die sie auch nicht freiwillig jemand abtraten. Es ist somit Haarspalterei, hier zwischen "Besitz" und "Eigentum" zu unterscheiden.
Ich empfehle nochmal die Lektüre von Kapitel 26 der Germania und ich empfehle nochmal, nach dem Begriff Allmende zu googeln. Tacitus schreibt, dass DIE GESAMTHEIT immer bei Bedarf Boden in Besitz nimmt, und zwar nicht für Dauer sondern nur vorübergehend, weil genug Land zur Verfügung steht. Es wurde also nicht EIGENER Besitz bewirtschaftet, sondern GEMEINSCHAFTSBESITZ!

Es gab also überhaupt kein Eigentum. Folglich habe auch nicht ICH zwichen Eigentum und Besitz haargespalten, sondern vielmehr Du, denn DU hast ja schließlich behauptet, dass "Freie, Unfreie und Gefolgsleute" Boden bewirtschaftet hätten (=Besitz), der einem Adeligen gehörte (=Eigentum). Jetzt erklär mir bitte nur mal, warum ein "Freier" auf dem Grund und Boden eines anderen hätte ackern sollen, wenn er doch nur ein paar Kilometer hätte weiterziehen müssen, um sich einen eigenen Acker abzustecken?

Real wurde der Boden von einem Herrn beansprucht und darauf ruhte - unter anderem - eine wirtschaftliche Überlegenheit. Zusätzlich zu der ihm angehörenden Gefolgschaft, über die er ebenfalls gebot.
Soso. Und woher weißt Du das alles? Tacitus schildert es anders.

Das alles ist dann eine adlige Schicht, wie sie bereits für die vorgermanischen Indogermanen postuliert wird.
Von wem wird das postuliert? Und welche Belege nennt der Betreffende?

MfG
 
Es kann so sein, dass Du Recht hast. Mir fehlt nur nach wie vor eine überzeugende Erklärung, aufgrund welcher Mechanismen im Laufe der Entwicklung einzelne Sippen die Fähigkeit gewonnen haben sollen, über andere Sippen Macht auszuüben. Der Denkansatz, dass die Gefolgschaften (und zwar NICHT die stammesinternen Gefolgschaften) ihre hierarchischen Strukturen auf die Gesellschaften übertragen haben, ist dagegen in sich schlüssig. Allein die Tatsache, dass eine Sippe reicher war als eine andere begründet jedenfalls noch keine "Rangfolge".
bzgl. der Argumentation: in unseren Augen mag das so sein, aber ob die Jungs damals das mit Reichtum, Macht, Prestige auch als ohne Rangfolge gesehen haben? insofern sind externe Gefolgschaften als input nicht zwingend notwendig -- aber egal, wir haben ja einen Kompromiss gefunden :)
 
Wenn er so alleine dasteht wie Du ihn zitiert hast .... liest er sich in der Tat komisch. Aber wir sind ja jetzt schon mehrfach bei Marx gelandet. In diesem Sinne: Eigentum ist sowieso Diebstahl.

:D

Edit: bezieht sich natürlich auf die Sache mit "Eigentum gibts gar nicht"
 
bzgl. der Argumentation: in unseren Augen mag das so sein, aber ob die Jungs damals das mit Reichtum, Macht, Prestige auch als ohne Rangfolge gesehen haben? insofern sind externe Gefolgschaften als input nicht zwingend notwendig -- aber egal, wir haben ja einen Kompromiss gefunden :)

Ich will ja den Kompromiss jetzt nicht durch Widerspruch gefährden, aber ich kann einfach nicht die Klappe halten :red::

Wir reden zwar über eine egalitär strukturierte Gesellschaft, aber "egalitär" heißt selbstverständlich nicht, dass alle Menschen gleich sind. Es heißt, dass alle Menschen gleiche Rechte haben. Und damit das jetzt nicht romantisch-verklärend klingt: Gleiche Rechte sagt nichts über das Ausmaß der Rechte aus. Gleich sind die Rechte auch dann, wenn alle gar keine haben! Wie auch immer: Natürlich gab es Unterschiede hinsichtlich Reichtum und Prestige. Und natürlich waren sich die Leute dessen bewusst. Das lässt sich schon daran ablesen, dass sie (wenn man Tacitus glauben darf) ihre Anführer gewählt und nicht "ausgelost" haben. Sie haben die Leute gewählt, die sie für die besten hielten. So mag es sich angeboten haben, für Gespräche mit den Römern jemanden auszuwählen, der nicht wie ein armer Schlucker gekleidet war und zudem vielleicht sogar noch ein paar Brocken Latein verstand.

Aber: Ich glaube nicht, dass jemand aus der "Bewunderung" oder Wertschätzung für einen Angehörigen einer anderen Sippe sich der Herrschaft dieser Sippe unterworfen hätte. Dazu war die eigene Sippe zu wichtig. Und auch das wieder nicht aus romantisch-verklärten Gründen. Die Sippe war für die Menschen nicht deshalb wichtig, weil sie sich im Kreis ihrer Lieben so kuschelig gefühlt hätten, sondern weil sie als Individuen, ohne die Hilfe der Sippe, schlicht und einfach nicht hätten überleben können. Die Leute blieben in der Sippe beisammen, weil sie einander auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren! Wer aus der Sippe ausgestoßen wurde, war so gut wie tot. Deshalb hat die Sippe in der Stammesgesellschaft oberste Priorität, erfodert absolute und bedingungslose Loyalität. Das ist nicht "Heimeligkeit", sondern extremer sozialer Druck. Und dieser Druck schließt aus, dass man sich der Herrschaft Außenstehender beugt, nur weil die zufällig "reich" und "angesehen" sind. Sowas wird manchmal mit "Stolz" verwechselt, ist aber letztlich nur eine Überlebensstrategie. Für Unterwerfung muss es irgendeine Art von materieller "Gegenleistung" geben. Freilich nicht mehr in späteren Jahrhunderten. Da bestand die Gegenleistung für Unterwerfung lange Zeit allein darin, nicht umgebracht zu werden.

An der Stelle hat sich die marxistische Gesellschaftstheorie übrigens massiv geirrt. Sie ging davon aus, dass Eigentum die Wurzel des Übels ist. Tatsächlich liegt das Grundproblem aber in Eigentumslosigkeit und dem daraus resultierende Ausgeliefertsein. Deshalb stellen wir heute individuelle Menschenrechte, die völlig von den Absichten andere Menschen abgelöst sind, ins Zentrum unseres Wertesystems.

Mit gemischten Gefühlen frage ich mich, ob unser Konsens noch besteht. Wenn ja, würde ich das als harmoniesüchtiger Mensch :scheinheilig: begrüßen. Auf der anderen Seite wäre dann die Diskussion vorbei. Und ich diskutiere doch so gern. Komm, lass uns noch ein bisschen zanken. :devil:

MfG
 
Ich will ja den Kompromiss jetzt nicht durch Widerspruch gefährden, aber ich kann einfach nicht die Klappe halten :red::
[.....viele interessante, wohl aber kontroverse Argumente....]

Mit gemischten Gefühlen frage ich mich, ob unser Konsens noch besteht. Wenn ja, würde ich das als harmoniesüchtiger Mensch :scheinheilig: begrüßen. Auf der anderen Seite wäre dann die Diskussion vorbei. Und ich diskutiere doch so gern. Komm, lass uns noch ein bisschen zanken. :devil:
:D:D:D:D

ok ;)
wie erklärst du dir innerhalb deiner Darstellung des Sippenwesens die antike Praxis der Ansippung? ...ist es nicht angenehmer, zu einer mächtigen und prestigeträchtigen als zu einer armen und zerlumpten Sippe zu gehören?
 
:D:D:D:D

ok ;)
wie erklärst du dir innerhalb deiner Darstellung des Sippenwesens die antike Praxis der Ansippung? ...ist es nicht angenehmer, zu einer mächtigen und prestigeträchtigen als zu einer armen und zerlumpten Sippe zu gehören?

Du drängst mich schon wieder in die marxistische Ecke! Na sicher wollen die Kleinen nach Oben. Sie rammeln dabei nur immer wieder gegen die Großen, die nicht nach Unten wollen. Das nennt man Klassenkampf.

Aber ernsthaft: Es gibt grundsätzlich zwei Wege, wie man mit dem von Dir angesprochenen Problem fertig werden kann: Rollenerfüllung oder Aussteigen. Das war auch schon zu Arminius´ Zeiten so. Die Menschen konnten versuchen, innerhalb der Sippen- und Stammesstruktur "Karriere" zu machen. Oder sie konnten versuchen, Karrierechancen außerhalb dieser Struktur zu nutzen. Wenn sich solche Chancen boten!

Wann bot sich die Chance, aus der Sippen- und Stammesstruktur auszubrechen? Erst als die Römer auf das "Spielfeld" traten. Vorher hätte ein ehrgeiziger Jüngling, der den eigenen Stamm von armen Schluckern verließ, nur die Möglichkeit gehabt, sich einem anderen Stamm von armen Schluckern anzuschließen. Nicht wirklich eine Verbesserung. Die mutmaßlich existierenden Stämme mit besonderen Vermögenswerten (hypothetische chattische Salzquellen) lasse ich jetzt mal außen vor.

Jedenfalls war die Existenz als "armer Schlucker" für einen nenneswerten Teil der germanischen Bevölkerung unerträglich genug, dass sich die Leute aus ihren Sippen und Stämmen gelöst haben, um in der Fremde das Glück zu suchen. Als Räuber, als Söldner oder als kriegerische Siedler. Der Drang zur Suche nach diesem Glück war im wahrsten Sinne des Wortes "mörderisch". Wie hat Tacitus das noch gleich beschrieben? "Lieber mit Blut erkaufen als mit Schweiß erarbeiten..."

Das Reservoire an "Personal" für solche "Expansionen" muss groß gewesen sein. Keine Pille, hohe Sterblichkeitsrate, deshalb viele Nachkommen und entsprechend viele "Nachgeborene", die die Wahl hatten, ob sie auf dem heimischen Hof dem älteren Bruder beim "Herrschen" zusehen oder lieber nach Gallien gehen und dort einen Bauern umbringen und dessen Land an sich reißen sollten.

So bildeten sich Gefolgschaften, die auf Raub auszogen, und so bildeten sich "Völkerwanderungen" wie die der Kimbern und Teutonen, oder die der Usipeter und Tenkterer, die von Caesar massakriert wurden. So fanden sich die germanischen Reitertrupps zusammen, die Caesar im gallischen Krieg gegen die Gallier einsetzte, so zogen die Ubier in den Kölner Raum, die Bataver auf die Rhein-Insel, die Markomannen ins bömische Becken... Die Reihe ließe sich endlos fortsetzen. Die römische Geschichtsschreibung ist voll von solchen Beispielen.

Als Caesar an den Rhein kam, stieß er auf ein Volk, das - aus römischer Sicht - erschreckend mobil war. Unbeherrschbar, weil keinem Befehl gehorchend. DAS, genau DAS unterschied die Germanen von den Oppida-Kelten, die schon zentrale Strukturen aufgebaut hatten. Zentrale Orte und eine herrschende Schicht. Aus römischer Sicht: Angriffsziele. Man musste nur die zentalen Orte erobern und die herrschenden Adeligen unterwerfen und dienstbar machen, um das Volk zu beherrschen. Und bei den Germanen? Keine zentralen Orte, keine "unersetzlichen" Herrscher (der Marxist in mir hat die Anführungszeichen bei unersetzlich gesetzt). Wen konnten die Römer besiegen? Mit wem konnten sie Abkommen schließen? Wer fühlte sich besiegt, wer fühlte sich an die Abkommen gebunden?

Genau diese "Mobilität" führte dazu, dass gerade die Leute "reich" wurden, die ihre Stammesstrukturen verließen und römischen Reichtum "abschöpften". Als Räuber, als Söldner oder als Siedler. Das taten sie, indem sie die bekannten Gefolgschaftsstrukturen übernahmen und von den Stammesstrukturen lösten. Am Ende wurden die Gefolgschaftsstrukturen so beherrschend, dass sich die Stämme auflösten und ein Adel entstand. Obwohl: Ne, das Ende sah so aus, dass unsere französichen Freunde die Adeligen geköpft haben.

Womit wir wieder bei Marx gelandet sind. Dräng mich gefälligst nicht immer wieder in diese Ecke! :rofl:

MfG
 
Quellenzitate zum Verständnis

Eine heiße Diskussion mit interessanten Aspekten. Weil sonst alles noch länger werden würde, mag ich jetzt nicht direkt meinen alten Faden aufnehmen, wo noch einige Gegenantworten unbedingt kommentiert werden sollten, aber um der Sache willen: …sei es drum für heute.
Obgleich alt, wird sie für jene Leser reichen, die dem Strang sonst noch folgen Zitate aus der Germania des Tacitus, wie sie hier online zu finden ist:
Die Germania des Tacitus ? Wikisource
…ich möchte sie auch nicht im Einzelnen zu jedem passenden Punkte zitieren, sondern nur den Boden bereiten für meine Argumentation:
II.7 schrieb:
Könige wählen sie nach dem Adel der Abkunft, Heerführer nach der Tüchtigkeit. Doch haben die Könige keine unbegrenzte oder freie Gewalt, und die Führer stehen an der Spitze mehr durch Musterhaftigkeit als durch Machtvollkommenheit, bewundert, wenn sie kampfgewandt, wenn sie hervorleuchtend sind, wenn sie vor der Schlachtlinie walten. Uebrigens ist weder hinrichten noch fesseln, nicht einmal schlagen erlaubt, außer den Priestern: nicht eigentlich zur Strafe, noch aus Befehl des Führers, sondern weil gleichsam die Gottheit es gebietet, die sie unter den Kriegenden gegenwärtig glauben….
II.13 schrieb:
Ausgezeichneter Adel des Geschlechtes oder der Väter große Verdienste führen auch zarten Jünglingen die Auszeichnung des Häuptlings zu: den übrigen, mehr erstarkten und schon längst erprobten, werden sie angereiht, und es ist ihnen keine Beschämung, im Gefolge erblickt zu werden. Ja, Rangstufen sogar hat die eigentliche Geleitschaft, durch den Ausspruch Dessen, dem sie folgen; und groß ist nicht bloß der Begleiter Wetteifer, wem der erste Platz an ihres Führers Seite, sondern auch der Führer, wem die meisten und tapfersten Begleiter. Dieß ist Würde, dieß Kraft und Macht, stets von einem großen Haufen auserlesener Krieger umgeben zu sein: im Frieden Zierde, im Kriege Schutz; und nicht bloß beim eigenen Volke, sondern auch bei den nahen Gemeinden bringt das Jedwedem Name, bringt das Ruhm, wenn durch Zahl und Tapferkeit sein Gefolge hervorragt; denn durch Gesandtschaften werden sie dann ernstlich gesucht und mit [18] Geschenken geehrt; und gar oft schlagen sie durch ihren großen Ruf allein die Kriege nieder…
…auch zum Begräbnis findet sich etwas bei ihm:
II.27 schrieb:
Bei den Leichen kein eitles Gepränge. Nur darauf wird gehalten, daß die Leichname berühmter Männer mit bestimmten Arten Holz verbrannt werden. Die Aufschicht des Scheiterstoßes überhäufen sie nicht mit Gewändern und Wohlgerüchen: Jedem werden seine Waffen mitgegeben, dem Feuer Dieses oder Jenes auch sein Pferd. Das Grabmal erheben Rasen; der Denkmäler steile und arbeitsvolle Ehre verschmähen sie als schwer für die Verlebten. Jammer und Thränen legen sie schnell ab, Schmerz und Betrübniß langsam. Den Weibern ist trauern schön, den Männern eingedenk sein….
Selbst wenn man das genannte Gefolgschaftswesen (das im Zitat II.13 eindeutig auf eine Person bezogen wird!), in dieser ausgeprägten Form nur einer späteren Zeit zurechnen sein möge, so ist doch immer wieder, auch in anderen Stellen bei Tacitus von „Adel“ oder „Adel des Geschlechts“, der „Väter Verdienste“… die Rede, was in sich nicht so neu sein kann, aber von besonderem Ansehen und Erblichkeit zeugt. Hier wird von gewissen Familien einfach mehr erwartet, als von „gewöhnlichen Menschen“. Warum? Ganz einfach, weil diese Leute von sich selbst beanspruchten "mehr zu sein“ – Ohne dies jedoch in unmittelbare Macht/Gehorsams-Strukturen umzusetzen. Sei es, weil sie dazu einfach nicht stark genug waren (materialistisch), oder weil sie weiterhin innerhalb eines relativ egalitären Systems der damaligen Stammesstrukturen agierten, in dem ihrem speziellen Ethos [noch] genug Spielraum geboten wurde. So, wie auch der republikanisch-römische Senat für lange Zeit der Schauplatz der Ambitionen und Eitelkeiten römischer „Adeliger“ blieb. Ich fürchte hierzu muss ich… gewisse Grundlagen darlegen:
 
Zuletzt bearbeitet:
Adel? Was macht Adel aus außer Erblichkeit und "Machtmittel"?

Also dass es reichere „Germanen“ gab als Andere, kann ich aus den Texten beider Seiten der Kontroverse als anerkannt festhalten. Diese Männer sind aber noch durch ihre Mittel nicht in der Lage, ihren Willen Anderen wirklich aufzuzwingen. Damit hätten wir ja schon einmal eine gewisse, gemeinsame Ausgangslage. Darauf will ich aufbauen:

Ein früher Adel musste nicht „Befehlen“ können, um „Gehorsam“ zu fordern. Er musste durch sein Beispiel, seine Freigiebigkeit, durch sein erwiesenes „Heil“ überzeugen und andere mitreißen können, ganz ohne „juristische Sanktionen“ androhen zu können. Dies anders herum aufzuzäumen, wie es als Gegenbeweis verargumentiert wurde, bedeutet die Ursache und Wirkung umdrehen zu wollen. Lest doch bitte nochmals vor diesem Hintergrund nochmals Tacitus, Germania II.7 im Vorpost
…ich finde einen hypothetischen „Adeligen“ unglaubwürdig, der sich angemaßt haben sollte, per „Befehl“ und „Strafandrohung“ „regieren“ zu können – ohne dass ein Machtmonopol für ihn bestanden haben sollte! Das setzt ganz andere Strukturen voraus! Warum sollte ein „Adelsstand“ mit vollendeter „Machtfülle“ plötzlich in der Geschichte erscheinen? Diesen Denkanspruch kann ich nicht einmal nachvollziehen! Macht muss errungen sein, bevor sie verteidigt oder ausgebaut werden kann.
Wir [ich] spreche[n] von einem frühen Adel, der gerade einmal beginnt die „Selbstfindung“ zu entwickeln – einen Adelsethos, bzw. diesen in seinen Grundzügen vielleicht ausformuliert zu haben. Und da erwartet man „unbedingten Gehorsam?“ als Kennzeichen eines Adels!?? Das klingt mir zu sehr nach Klassengesellschaft mit absolut und fest zugeordneten Funktionen. Zu dem kompletten, oben wiedergegebenen Tacitus-Zitat passt nur ein entsprechender Selbstethos der „Befehlshaber“, der durch Beispiel und gelebtes Vorbild „mitreißt“. Kein Befehlshaber von „Gottes/Göttergnaden“! - Ich denke hier liegt das grundsätzlichste Problem, warum wir anscheinend bisher so gar nicht zueinander gefunden haben.
Adel definiert sich nicht einfach aus den materiellen Grundlagen (die er allerdings wenigstens z.T. voraussetzt), sondern durch sein Selbstbild: Den Ethos eines Adeligen! Dass jemand Reich werden konnte, ohne von Adel zu sein wussten die Menschen aller Zeiten. Aber Reichtum und Macht machen noch längst keinen Adel aus! Man kennt sie: Die literarischen Figuren, in denen „Neureiche“ oder „Möchtegerne“, vom Schicksal begünstigt nach oben gespült glaubten, jetzt selbst von Adel zu sein – nur um kläglich zu scheitern oder als Witzfigur zu enden.
Wie lächerlich übertrieben gebärdete sich doch Trimalchio bei seinem Gastmahl, bei dem er versuchte die nobilitas (Adel) seiner römischen Umwelt zu imitieren.
Das Gastmahl des Trimalchio ? Wikipedia
Der Parvemü kam in vielen Romanen vor über Bürgerliche, die sich bereits als Adel wähnten, nur weil sie Reich und zu Grundbesitz gekommen waren nun glaubten, von „Stand“ zu sein. In ihrem Bemühen nun den Lebensstil des (echten) Adels zu demonstrieren, treten sie von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen, weil sie die dahinter stehende Welt nicht begreifen, die eben nicht rein Materiell ist!
Sicher, das Bild stammt (außer Trimalchio, der im Mittelmeerraum spielt) aus einer anderen Zeit. Aber es waren nicht nur die Sprache, Abstammung und wie man sich als Herr zu geben hatte, was den „wahren Adel“ ausmachte, der Selbstanspruch des alten Adels war es: Zu den Besten, den Auserwählten zu gehören. Sich gegen Wettbewerber (auch des eigenen Standes) durchzusetzen und durch Erfolg zu beweisen, dass ihre Ansprüche richtig waren.
Ein einfacher Selbstanspruch im Sinne von: „Gott will es und hat es mir ermöglicht“ reicht einfach nicht aus! Das lässt sich höchstens rückwirkend als Begründung für die Unabänderlichkeit einer gewonnenen Stellung konstruieren. Ein Selbstanspruch kommt weit vor einer Machtausprägung, wie sie Stilicho in einer pointiert, zugespitzten Weise ausformuliert hat. Typisch für allen Adel war/ist auch der Gedanke, dass es (nahezu) gleichwertige,(mit) adelige Anwärter für das gibt, was der Einzelne erreichen will. Innerhalb des Adels ist ein Wettstreit absolut typisch, meist kodifiziert und an Regeln gebunden. Adel ist zuerst einmal ein Anspruch, der durchgesetzt werden muss im Wettstreit mit Gleichgesinnten. Nein, wir reden noch nicht von der mittelalterlichen Festlegung, dass Adel = Grundherrschaft bedeutet! Darum kann man auch den römischen Senatorenstand gut als Adel bezeichnen [halt einen, der römischen Kultur entsprechenden], hier gab es einen „kodifizierten“ Wettstreit um Ämter und Prestige. Auch der „Kriegeradel“ bei Homer kennt ähnlichen Wettstreit, wobei sich die Helden oft vorher aufzählen, was ihr Vorrecht ausmacht (Abstammung, Heroen, Göttergunst….) !

„Adel“ nur auf Macht, Abschottung nach Unten und Machterhalt zu reduzieren greift zu kurz. Wäre dies nämlich alles gewesen, hätte er sich wohl nirgendwo längere Zeit durchsetzen können, erst recht nicht in einem (Anfänglich) recht egalitären Umfeld, wie der frühgermanischen Welt. Ich treffe diese Feststellung frei von aller falschen Adelsromantik und Ivanhoe-Klischees! Ich stehe dem Adel zu allen geschichtlichen Zeiten gesellschaftlich kritisch gegenüber. Adel definierte sich selbst immer Anders- und vor allem BESSER zu sein als die Übrigen Menschen! Das war ein ständiger Ansporn und Selbstverpflichtung und Aufruf zum Wettstreit, zuerst mit Seinesgleichen, dessen prinzipiellen Anspruch man gegenseitig (zumindest mehr oder weniger stark) anerkannte – und wenn der auch nur dazu da war, überwunden zu werden, damit man den eigenen Anspruch umso glänzender vor der Welt und Seinesgleichen in Szene setzen konnte! Aber durch die grundsätzliche Anerkennung des "Adels" untereinander, konnte auch eine Einordnung in das System des Mächtigeren ohne Gesichtsverlust möglich sein. Soweit nun der überfällige Ausflug zu den wichtigsten, geisteshistorischen Grundlagen zum Thema Adel überhaupt!

Und vor diesem Hintergrund fügen sich zusammen auch die aufgeführten Tacitus-Zitate der letzten Beiträge und die angebliche Diskrepanz zwischen Mitteln und erreichbarer Stellung in der germanischen Gesellschaft einerseits – und dem Adel wie wir ihn später kennen andererseits. Dieser frühe Adel genoss mehr Resonanz durch Ansehen und Aufmerksamkeit innerhalb ihrer Gesellschaft, als Männer aus weniger etablierten Familien – ohne dabei materiell allzu weit über dem wohlhabenderen Rest stehen zu müssen! Deshalb konnten dieser Adel und ihr Anhang ja auch noch weitgehend innerhalb von „Stammesgesellschaften“ agieren, ohne sie zu sprengen oder zu dominieren, wie dies später nur zu oft geschehen sollte. Davon findet sich in einigen Werken, die in diesem Thread bereits genannt wurden.
 
Wir sollten auch bedenken, daß die Ausgangsfrage war, wie die Germanen solche Massen so schnell organisieren konnten. Nun, Manche waren halt gleicher als gleich. Und das reicht vollkommen. ;)
 
(...)
Und vor diesem Hintergrund fügen sich zusammen auch die aufgeführten Tacitus-Zitate der letzten Beiträge und die angebliche Diskrepanz zwischen Mitteln und erreichbarer Stellung in der germanischen Gesellschaft einerseits – und dem Adel wie wir ihn später kennen andererseits. Dieser frühe Adel genoss mehr Resonanz durch Ansehen und Aufmerksamkeit innerhalb ihrer Gesellschaft, als Männer aus weniger etablierten Familien – ohne dabei materiell allzu weit über dem wohlhabenderen Rest stehen zu müssen! Deshalb konnten dieser Adel und ihr Anhang ja auch noch weitgehend innerhalb von „Stammesgesellschaften“ agieren, ohne sie zu sprengen oder zu dominieren, wie dies später nur zu oft geschehen sollte. Davon findet sich in einigen Werken, die in diesem Thread bereits genannt wurden.
mit dieser Conclusio nimmst du mir das Wort aus dem Mund: ich weiß nicht, womit ich noch ergänzen sollte!

@Maelonn
wie wahrscheinlich ist es, dass sich die Gefolgschaft eines ahnenstolzen, mächtigen Sippenoberhauptes nur aus seinen engsten Verwandten zusammensetzt?
 
Wir sollten auch bedenken, daß die Ausgangsfrage war, wie die Germanen solche Massen so schnell organisieren konnten.
...in rustikal-basisdemokratischem Beisammensein zahlreicher stammesgesellschaftlicher Sippenoberhäupter vollzog sich die einzigartige logistische Meisterleistung, wie denn sonst? :D:D:D

(war ein Jokus, nicht ergrimmen)
 
...in rustikal-basisdemokratischem Beisammensein zahlreicher stammesgesellschaftlicher Sippenoberhäupter vollzog sich die einzigartige logistische Meisterleistung, wie denn sonst? :D:D:D

(war ein Jokus, nicht ergrimmen)

Warum sollte ich ergrimmen. Ich bin ja bei dir.

Egal auf welcher Kulturstufe oder mit welcher Regierungsform. Es gibt immer welche, die sind gleicher als gleich. Wir waren uns eigentlich schon einig, daß wir von einer Führungsschicht und nicht von Adel sprechen wollten. Aber diese Diskussion hier schient endloses Potential zu haben.
 
Also dass es reichere „Germanen“ gab als Andere, kann ich aus den Texten beider Seiten der Kontroverse als anerkannt festhalten. Diese Männer sind aber noch durch ihre Mittel nicht in der Lage, ihren Willen Anderen wirklich aufzuzwingen. Damit hätten wir ja schon einmal eine gewisse, gemeinsame Ausgangslage. Darauf will ich aufbauen:

Ein früher Adel musste nicht „Befehlen“ können, um „Gehorsam“ zu fordern. Er musste durch sein Beispiel, seine Freigiebigkeit, durch sein erwiesenes „Heil“ überzeugen und andere mitreißen können, ganz ohne „juristische Sanktionen“ androhen zu können....
Alles was Du schreibst, ist korrekt. Es gab Menschen, die wohlhabender waren als andere, fähiger waren als andere, angesehener waren als andere. Mit Sicherheit werden es solche Menschen gewesen sein, die den Römern (von denen unsere einzigen Schriftquellen über die Germanen stammen) als "Gesprächspartner" gegenübergetreten sind. Folglich wurden sie von den Römern als herausragende Persönlichkeiten wahrgenommen und entsprechend bezeichnet. Das alles ist in unserer Diskussion nie bestritten worden. Wenn man will, darf man diese Leute auch als Adelige bezeichnen. Dann stehen wir innerhalb unserer Diskussion nur vor einem Problem: Es GIBT bereits eine allgemein anerkannte Definition für den Begriff Adel. Wenn jeder für sich in der Diskussion diese Definition ausdehnt, verengt, verschiebt, wissen wir am Ende gar nicht mehr, worüber wir jeweils reden. Und das treibt dann Blüten, die wir ja auch schon erlebt haben, nach dem Motto "Es gab zweifellos einen Adel, also muss der Adel die Mobilisierung der Germannen herbeigeführt haben..." Ein falscher Schluss, der aus einer allzu beliebigen Verwendung von eigentlich klar definierten Begriffen resultiert. Lasst uns einfach klar definieren, worüber wir reden. Dann kommt es nicht zu solchen Verwirrungen - die im vorliegenden Fall dann allerding zu einer spannenden Diskussion geführt haben. Finde ich jedenfalls.

MfG
 
@Maelonn
wie wahrscheinlich ist es, dass sich die Gefolgschaft eines ahnenstolzen, mächtigen Sippenoberhauptes nur aus seinen engsten Verwandten zusammensetzt?
Gute Frage! Das ist völlig unwahrscheinlich. Ich schließe daraus: Es gab ZWEI Arten von militärischen Aufgeboten. Einerseits die Gefolgschaften, andererseits die Stammesaufgebote.

So vorsichtig man mit den Interpretationen umgehen muss, die Tacitus anbietet, kann man wohl als gesichert gelten lassen, dass die germanischen Gesellschaften recht "kriegerisch" waren. Das deckt sich auch mit modernen Erkenntnissen über Stammesgesellschaften. Wie schon dargelegt, haben diese Gesellschaften keine insitutionalisierte Justiz, müssen folglich selbst Rechte durchsetzen und sind entsprechend schnell zu Waffengebrauch bereit. Tacitus schreibt ja, dass die Germanen nie ohne ihre Waffen rumgelaufen seien. Das mag vielleicht übertrieben sein, im Kern dürfte es aber stimmen. Nur ergibt sich daraus logischerweise die Frage: Wenn ohnehin jeder Germane bewaffnet war und wenn - laut Tacitus - die Germanen nach Sippen geordnet zur Schlacht angetreten sind, wozu brauchte man dann noch Gefolgschaften?

Meiner Ansicht nach hängt das mit den unterschiedlichen "Kriegszielen" zusammen. Wenn eine Schlacht oder ein Krieg den Stammeszielen diente, zogen die Stammesaufgebote in den Kampf. Zum Beispiel wenn die Römer anrückten, um ein Volk zu unterwerfen. Oder wenn ein Nachbarstamm sich besondere Ressourcen - wie zum Beispiel die mehrfach angesprochenen hypothetischen Salzquellen - unter den Nagel reißen wollte.

Diente ein Krieg oder eine Schlacht hingegen nicht den Interessen aller, sondern nur eines Teils der Gesellschaft, bildeten sich Gefolgschaften. Anlass dafür waren dann die gemeinsamen Interessen, nicht die gemeinsame Herkunft. Beispiele hatte ich schon genannt. Sowas wird der Fall gewesen sein, wenn man sich zu Raubzügen verabredete, wenn man in römischen Sold treten wollte. Aber auch wenn Stammesteile sich "abspalteten", um irgendwo neue Siedlungsgebiete zu suchen und einen "neuen Stamm" zu begründen. So berichtet Caesar von einer Invasion der Tenkterer und Usipeter in Gallien. Die Invasoren hat er praktisch vernichtet. Trotzdem haben die Römer später wieder mit Tenkterern und Usipetern zu tun. Und zwar in deren alten Stammesgebieten. Offensichtlich war also nur ein Teil der Stämme an dem Einfall nach Gallien beteiligt.

Ich gehe davon aus, dass solche über die Stammesgrenzen hinausgreifenden Aktionen von Gefolgschaften (kriegerische Zweckgemeinschaften) getragen wurden und dass die Anführer dann gerade NICHT die Sippenoberen gewesen sind, sondern ehrgeizige Leute, die außerhalb der Stammesstruktur Ruhm, Ehre, Reichtum, was auch immer gesucht haben.

MfG
 
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