wirtschaftliche Krisen im Römischen Reich

einiges auf deutsch:

Schneider, Hellmuth, Zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der späten römischen Republik, 1976
Schneider, Hellmuth, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Römischen Kaiserzeit, 1981
De Martino, Francesco, Wirtschaftsgeschichte des Alten Rom, 1991
Pekary, Thomas, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Antike (sehr kompromiert)
Rostovtzeff, Michael Ivanovitch, Gesellschaft und Wirtschaft im römischen Kaiserreich, 1931
 
Mich würde interessieren, wer von den genannten Autoren eine WirtschaftsTHEORIE vertritt - also GLAUBT, Ursachen und Wirkungen identifizieren zu können - wer sich eher auf die anekdotische Schilderung von Einzelsachverhalten beschränkt, und wer auch ausführliches Zahlenmaterial zusammengetragen hat.
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Die Frage, die ich mir bei solchen "Konkursproblemen" immer stelle, ist: Wo wurde das Geld denn letztendlich "verbrannt". Es ist ja nicht so, dass Steuern rundum unproduktiv sind: Der Staat als Wirtschaftssubjekt investiert ja auch damit: Bau von Thermen, Theatern und Aquädukten führen zum Kaufkraftzuwachs der daran beteiligten Arbeiter (dieses Argument wurde oben mit Recht sogar auf die Soldaten angewendet!) und entlasten die Haushaltsausgaben der "Benutzer".

Selbst die Finanzierung eines Militärapparats kann als "Schutzversicherungsprämie" betriebswirtschaftlich vertreten werden!

"Verschwendung durch Prachtentfaltung" ist ein heikles Thema ("Moskauer U-Bahn"), es hängt hier wirklich von der Größenordnung ab.

Komplexer wird die Angelegenheit, wenn der Staat aktiv als Unternehmer auftritt, und hier ggf. schrecklich patzt. Da er nicht "pleite" gehen kann (ähnlich wie eine Versicherungsgesellschaft, die ihre Prämien jährlich an die Ausgaben anpasst), entstehen hier sehr leicht "rote Zahlen". Über 100 Jahre hinweg kann alleine dies zum Ruin einer Volkswirtschaft führen.

So gesehen ist die Erfassung der SICHTBAREN Steuern nur eine stark vereinfachte buchhalterische Sicht. Hinzu kommen die Währungs(Inflations)gewinne des Staates. Abgezogen werden müssen die produktiven Leistungen (in Form von Staatsinvestitionen oder Subventionen), die im eigentlichen Sinne des Wortes den Wirtschaftsprozess "steuern". Dies kann "klug" oder "ungeschickt" erfolgen....

Das Argument, Beute (Gold, Sklaven) würde zum Reichtum oder Wirtschaftswachstum beitragen, ist zweischneidig... Leider wird das eroberte und ausgeraubte Gebiet dann ein Teil des Imperiums, und es findet alleine ein Umverteilungs- und Konzentrationsprozess statt. Dies KANN allerdings zu einem Investionsverhalten der Kriegsgewinnler führen, den es sonst nicht gegeben hätte.

Ein wesentlicher Gedanke kapitalistischer Wirtschaftstheorien ist immer der "Kredit", d.h. ein Unternehmer wird i.d.R. seine Investitionen vorfinanzieren, indem er sich etwas borgt - schon sehr alt sind die sog. "Seekredite". Die Zinshöhe richtet sich nach dem Risiko und der "Bürgschaft". Solche Geschäfte wurden wohl in erster Line auf Edelmetall- oder Warenbasis getätigt, so dass sie unabhängig von der Währungs(= Inflations)polititik des Staates waren. Aber man kann viele Vorgänge als Kreditvergabe verstehen, z.B. die Verpachtung der Provinzsteuereinnahmen. Hier "leiht" sich der Staat eine Menge an Edelmetall und zahlt es dem Pächter indirekt über die Steuerzahler zurück. Der "Zinssatz" des Steuerpächters ist hierbei allerdings immens!

Natürlich sind auch primäre Wirtschaftsparameter von größter Bedeutung: Der Ertrag eines Bauernhofs hängt nicht nur von seiner "Organisationsform" ab, sondern von Technik (Pflug, Fruchtfolge, Düngung,...) und den überhaupt möglichen Erträgen bzgl Klima und Bodenerosion.

Die Folgen einer Bevölkerungsverringerung durch z.B. Seuchen sind umstritten: Durch Erbfall führt so etwas durchaus zu einer Vermögenskonzentration! bevölkerungsproportionale Effekte sollten überhaupt keine Rolle spielen.("Die Felder konnten wegen der reduzierten Bevölkerung nicht mehr bebaut werden." ist leine sehr plausible Argumentation) Es gibt natürlich ein "Erlahmen" des Wirtschaftslebens während der Seuchenzeit...

Seuchen und Kriege verändern aber den Altersaufbau einer Bevölkerung mit vielen feinsinnigen Konsequenzen für das Wachstum...

Um hier weiterzukommen, müssen die einzelnen Parameter quantitativ bekannt sein. Und selbst dann hängt es von der vertretenen Wirtschaftstheorie ab, welche Folgerungen man daraus zieht.
 
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Mich würde interessieren, wer von den genannten Autoren eine WirtschaftsTHEORIE vertritt - also GLAUBT, Ursachen und Wirkungen identifizieren zu können - wer sich eher auf die anekdotische Schilderung von Einzelsachverhalten beschränkt, und wer auch ausführliches Zahlenmaterial zusammengetragen hat.

Naja, die 'Modernisten' sind der Auffassung, dass es ein Wirtschaftsbewusstsein in der Antike gab, es allerdings an Erfahrungen mangelte, weshalb manche wirtschaftspolitischen Maßnahmen uns vergleichsweise naiv vorkommen (Pekáry, Fellmeth, Drexhage et al.); die 'Primitivisten' dagegen (z.B. Finley) sind der Meinung, dass es kein Wirtschaftsbewusstsein gab und wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht aus theoretischen Erwägungen, sondern aus momentanen Stimmungen oder Charakterzügen (z.B. Philhellenismus) heraus gemacht wurden.


Das Argument, Beute (Gold, Sklaven) würde zum Reichtum oder Wirtschaftswachstum beitragen, ist zweischneidig... Leider wird das eroberte und ausgeraubte Gebiet dann ein Teil des Imperiums, und es findet alleine ein Umverteilungs- und Konzentrationsprozess statt. Dies KANN allerdings zu einem Investionsverhalten der Kriegsgewinnler führen, den es sonst nicht gegeben hätte.
Wirtschaftsräume sind in der Antike zunächst viel kleiner als heute, deshalb ist es nicht so einfach, von Umverteilungs- und Konzentrationsprozessen zu sprechen. Überlandtransporte z.B. sind irrsinnig teuer, wenn man Stundenkilometer, Warentransport und Futter für Last- und Zugtiere zusammenrechnet. Sklavennahme kann also zu wirtschaftlichem Aufschwung in der Wirtschaftsregion der militärisch erfolgreichen Gruppierung führen. Für die militärisch unterlegene Seite ist es ein Einbruch. Denn abgesehen von den im Krieg erschlagenen werden die leistungsstärksten Bewohner in die Sklaverei geführt. Auch wurde nicht jedes besiegte Gebiet gleich ins Imperium eingereiht. Makedonien etwa wurden zunächst nicht römisches Staatsgebiet sondern behielt formell seine Autonomie.

Ein wesentlicher Gedanke kapitalistischer Wirtschaftstheorien ist immer der "Kredit", d.h. ein Unternehmer wird i.d.R. seine Investitionen vorfinanzieren, indem er sich etwas borgt - schon sehr alt sind die sog. "Seekredite". Die Zinshöhe richtet sich nach dem Risiko und der "Bürgschaft". Solche Geschäfte wurden wohl in erster Line auf Edelmetall- oder Warenbasis getätigt, so dass sie unabhängig von der Währungs(= Inflations)polititik des Staates waren.

Über riskante aber produktive Kredite haben wir aus der Antike kaum Zeugnis. Banken scheinen diese nicht vergeben zu haben. Dies ging wohl mehr von privat an privat auf verwandtschaftlicher und freundschaftlicher Ebene.

Aber man kann viele Vorgänge als Kreditvergabe verstehen, z.B. die Verpachtung der Provinzsteuereinnahmen. Hier "leiht" sich der Staat eine Menge an Edelmetall und zahlt es dem Pächter indirekt über die Steuerzahler zurück. Der "Zinssatz" des Steuerpächters ist hierbei allerdings immens!
Das würde ich nicht unbedingt als Kreditwesen sehen. Die Steuerpächter ersteigerten ja das Recht, die Provinzen auszubeuten. OK, jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass der röm. Staat hier einfach den Kreditgeber mit den günstigsten Parametern aussuchte, aber das wäre imho ein perverses Verständnis von Krediten...

Bevölkerungsproportionale Effekte sollten überhaupt keine Rolle spielen.("Die Felder konnten wegen der reduzierten Bevölkerung nicht mehr bebaut werden." ist keine sehr plausible Argumentation)

Warum nicht?

Seuchen und Kriege verändern aber den Altersaufbau einer Bevölkerung mit vielen feinsinnigen Konsequenzen für das Wachstum...
Ja, z.B. so, dass die arbeits- und zeugungsfähige Bevölkerungsgruppe in Teilen wegbricht...
 
Um hier weiterzukommen, müssen die einzelnen Parameter quantitativ bekannt sein. Und selbst dann hängt es von der vertretenen Wirtschaftstheorie ab, welche Folgerungen man daraus zieht.

Nach all den vergangenen Jahrhunderten Daten finden zu wollen/können, die all die erforderlichen Parameter für eine moderne, betriebswirtschaftliche Analyse der damaligen Zusammenhänge dürfte ein aussichtsloses Unterfangen sein. Man sollte die beachtlichen betriebswirtschaftlichen Fortschritte der Neuzeit und schon des Mittelalters nicht vergessen. Auch werden viele Faktoren heute ganz anders gewichtet als Damals. Das Instrument (moderne Wirtschaftslehre) auf antike Verhältnisse anzupassen ist m.E. schwierig genug. El Quijote hat zu Recht darauf hingewiesen. Eine wirtschaftliche Konzentration von Gütern als Kriegsfolge ist aber meines Erachtens eine Tatsache und Rom hat nicht immer die bekriegten Gebiete anschließend annektiert. Sie mussten schon Lukrativ sein, entweder Wirtschaftlich oder zumindest Sicherheitspolitisch

Aus heutiger Sicht dürften etwa die Donative der Kaiser an Soldaten und Staatsdiener anders zu sehen sein als damals. Die Kosten für das Militär waren nicht zuletzt deshalb relativ hoch, weil jeder neue Kaiser bei seiner Krönung Donative zahlte und sich damit deren Loyalität sichern musste. Auch die Beamten erhielten diese Donative, die bei den "Regierungsjubiläen" weitere außergewöhnliche Zahlungen nach sich zogen. Vor diesem Hintergrund sind die häufigen "Kaiserwechsel" während der Zeit der Soldatenkaiser und die vielen spätantiken Usurpatoren ebenfalls ein Teil der wirtschaftlichen Folgekosten.
Andererseits waren viele Ausgaben, die du dem "Staat" zuschreibst relativ "privat-mäzenatenhaften Charakters". Etwa der Bau von Theatern und Aquädukten wurde offiziell privat finanziert als Schenkung - und sei es eine Schenkung des Kaisers (damit tatsächlich eine Staatszahlung). Eine genaue Trennung zwischen Staatseinkünften und der privaten Schatulle eines Herrschers gab/gibt es in einer Monarchie immer nur eingeschränkt. Solch "private" Leistungen waren natürlich nur durch Privilegien möglich. Vor allem der Senatorenstand genoss einige Sonderregelungen. Nach Erweiterung der Senatorenkaste unter Konstantin, der in Konstantinopel einen zweiten Senat installierte, vergrößerte sich dieser Personenkreis um ein Mehrfaches! Curiale, die persönlich für das Steueraufkommen ihrer Gemeinden haften mussten lag sehr daran sich diesen Aufgaben zu entziehen indem sie sich etwa in den Senatorenstand einkauften oder dieser Pflicht anders ledig zu werden versuchten.

So ist etwa bekannt, dass im Rahmen der Christianisierung in Kleinasien viele ehemalige Curiale als christliche Bischöfe dieser Pflicht ebenfalls verlustig gingen. Die Kirche wurde unter Konstantin und seinen Nachfolgern massiv privilegiert und mit ihr deren Träger, also der Priesterstand. Die so geschaffene "Reichskirche" erfüllte auch eine wichtige Rolle im Staatsgefüge, genau wie später im Mittelalter als gemeinsame Klammer eines sich regionalisierenden Reiches. Freilich um den Preis vieler religiöser Querelen, die das Reich zeitweilig auch erheblich schwächten. Andererseits heizte diese Privilegierung der Kirche auch die religiösen Konflikte innerhalb des Christentums erst gefährlich auf. Dogmatisch etwa gab es keinen Unterschied zwischen Donatisten und Katholiken/Orthodoxen, die Auseinandersetzungen waren dennoch sehr hart und wurden in Nordafrika durch staatlichen Zwang teils erst behoben. Hippo Regius, die Stadt des Kirchenvaters Augustins, war eine Hochburg des Donatismus, ehe Militär und Zwang die Stadt wieder rekatholisierte. Dabei will ich auf Streitpunkte im christlichen Dogma wie Arianismus (auf dem ersten Blick auch im Kult ebenfalls nahezu "Katholisch/Orthodox") oder Monophysitismus erst gar nicht eingehen. Unzweifelhaft zog der Staat durch diese Zuwendungen an das Christentum auch seine Vorteile.

Die Kapitalkonzentration in wenigen Händen, meist Senatoren war während der ganzen Zeit des Bestehens des Römischen Reiches immer gegeben. In der Spätantike verbrauchten die Senatoren ihre Reichtümer zunehmend für sich selbst, da ihr politischer Einfluss und die Möglichkeiten einer entsprechenden Laufbahn immer mehr zurückging. In der Folge traten sie als Mäzene weniger oft in Erscheinung und ihr Konsum konnte sich überwiegend durch Eigenversorgung aus ihren Ländereien erschöpfen. Nur für Luxus mussten sie sich noch an den Markt wenden und auch hierbei war der Austausch innerhalb des Senatorenstandes für einen Teil der Ansprüche eine Quelle.

Ein gutes Beispiel für den unglaublichen Reichtum von Senatorengeschlechtern ist der Fall der heiligen Melanie, die als Erbtochter des Hauses der Valerii ihrem Reichtum entsagte und ihre Güter veräußerte. Ihr Jahreseinkommen lag bei 120 000 solidi (etwa 1600 Pfund in Gold). Ihr Stadthaus war so prunkvoll das selbst die Kaisertochter und Frau des mächtigen Patricius Stilicho sie nicht bezahlen konnte. Eine ihrer Villen in Italien besaß ein Vivarium, einen Park mit Wild, Thermen, Freibad und Blick auf das Meer zu dessen Unterhalt angeblich 60 Dörfer mit je 400 Landsklaven sorgten. Der Grundbesitz der Valerii lag in allen Teilen des Reiches von Britannien bis Ägypten und ihr Grundbesitz in Thagaste, der Heimatstadt des Augustinus, war größer als dessen Stadtgebiet zu dem sogar zwei eigene Bischöfe gehörten: Einem Donatisten und einen Katholiken. Dabei waren die Valerii nicht einmal die reichsten Senatoren gewesen. Olympiodor berichtet von einem Jahreseinkommen von 288 000 solidi (4000 Pfund in Gold), ohne die Einkommen aus Naturalabgaben zu berechnen. Diese sollen noch einmal einem Wert von etwa 30 % des Geldaufkommens betragen haben. "Mittlere" Senatoreneinkommen werden von Olympiodor immer noch bei 1500 Goldpfund eingestuft, wohlgemerkt als Jahreseinkommen!
Was sind angesichts solcher Summen etwa die Forderung des degenerierten Gotenkönigs Theodahad, der angeblich Kaiser Justinian sein Königtum (und damit das Ostgotenreich Theoderichs in Italien) für ein Jahressalär von 1200 Pfund Gold angeboten haben soll? Wäre das Geschäft geglückt, wäre Italien der verheerende Gotenkrieg wohl erspart geblieben? Was ist dagegen das "kleine Fluchtgepäck" seiner Vorgängerin und Tochter des großen Theoderich von 40 000 Pfund in Gold, als sie vor den innenpolitischen Wirren (auch durch Theodahad angestachelt) zeitweilig an Flucht nach Ostrom dachte? Dieser Schatz war der Kern des Staatsschatzes, den Theoderich nach 30 jähriger Herrschaft über Italien in seinem Nachlass hinterließ. 30 Jahre erfolgreicher Wirtschaftspolitik im Kerngebiet des Weströmischen Reiches! Man vergleiche dies mit den genannten Einkünften der reichsten Senatoren! Das Römische Reich ging auch deshalb unter, weil es nicht an den Privilegien ihrer obersten Bürger rütteln wollte. Das hat wohl Dieter & Andere mit seinen Hinweisen auf Gesellschaftliche Missstände gemeint! Ein kurzer Eindruck dieser Privilegien:

Demandt schrieb:
[Senatoren unterstanden] nicht den ordentlichen Gerichten [...], sondern nur von ihresgleichen gerichtet werden durften... Senatoren durften nicht in Untersuchungshaft genommen, nicht gefoltert werden...
Die Senatoren zahlten außer der annona eine jährliche Grundsteuer... Hinzu kam das qurum oblaticium bei Fünf- und Zehnjahresjubiläen vom Senat als Körperschaft gezahlt. Von Einquartierungen waren Senatoren befreit.... Wo immer ein Senator wohnte, nie unterstand er städtischen Behörden. Er war allein ein echter civis Romanus, reichsunmittelbar. Aus diesem Grunde waren die Senatoren von Curialenpflichten und Frondiensten befreit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Herzlichen Dank, Tejason - das sind so die Details, deren Sichtung und Organisation schon ein Historikerleben ausfüllen können...

Zwei schnelle Anmerkungen dazu:
(1) Die Goldangaben sind sehr hoch. In der ZEIT wurde neulich eine Jahresfördermenge von 8 t für das römische Reich genannt (die ich ebenfalls für sehr hoch gegriffen halte). Machen wir da mal Pfund draus, und lassen die Art der Pfunde (wohl librae) offen, dann wären dies etwa 20.000 Pfund. Ein Senator soll (im Mittel?) 1.500 davon bekommen haben; bei 600 Senatoren = die 50 fache Jahresförderung??? Entweder sind diese Angaben stark übertrieben, oder die Wirtschaftskraft, die sich NICHT in Edelmetalltransfers ausdrückt, war extrem hoch!

(2) Dass sich der Großteil des "ungebundene Volksvermögen" in den Händen Weniger Superreicher befunden hatte, muss nicht notwendigerweise den Wirtschaftsprozess beeinträchtigen (obwohl es das wohl meistens getan hat...). Die Frage, die ich oben gestellt hatte war: Was machen sie damit, bzw. "verbrennen" sie es möglicherweise? Was genau wird gesponsert? Oder modern ausgedrückt: Investieren sie oder konsumieren sie oder "vernichten" sie das Kapital?

Wenn sie "Konsumieren", dann ist das sehr löblich; das Geld was sie ausgeben, bekommt dann ja der Fischsoßenhändler oder der Gärtner. Wenn sie ihre Einnahmen "vernichten" ist das schon bedenklicher. Dies betrifft in erster Linie "Importe" und "Kriegsmaterialkosten" (nicht der Sold!). Auch Baumaßnahmen stellen nur eine lobenswerte Umverteilung dar, solange mit einheimischem Material gearbeitet wird.

Noch einmal zurück zur Frage, wo denn die Einkünfte der Superreichen herkommen... Nun, auf die eine oder andere trickreiche Weise werden sie dem Wirtschaftsprozess als "Überschuss" entnommen. In einer Wirtschaft, die keine Überschüsse erzielt, gibt es kein Geld! In welchem Umfang man aber eine Wirtschaft "aussaugen" kann ohne sie zu vernichten, ist das große Geheimnis aller Parasiten. Denn der "Überschuss" muss zum Teil zur "Re-Investition" (und besser noch, jedenfalls nach Kapitalistischen Vorstellungen) zu einer wachtumserzeugenden "Neu-Investition" verwendet werden. Unterbleibt das, so rostet die Wirtschaft wie eine ungeölte und ungewartete Maschine.

Das ist also die Aufgabe aller Kapitalbesitzer: Richtig (!) zu investieren. Dass sie selbst dadurch immer reicher werden, ist ein Nebenprodukt dieses Prozesses. Zu sagen: "Ich bin reich genug, ich (re-)investiere nirgendwo mehr." ist der erste Nagel im Sarg einer Wirtschaft!

Denn außer ihnen kann niemand mehr investieren, weil sie ja den gesamten Überschuss abgeschöpft haben! Sie könnten alternativ noch Bankgeschäfte betreiben, d.h. denjenigen, denen sie den Überschuss genommen haben, einen Kredit geben, damit diese dann fachmännisch investieren könnten.
Aber auch das war bei Senators wohl kaum der Fall.

Um kein Missverständnis zu erzeugen: Ich finde es sehr in Ordnung, das die Reichen immer reicher werde, aber sie müssen sich dann auch wirtschaftskonform verhalten.

Sorry, wenn ich da jemanden mit dem 1. Semester VWL gelangweilt habe :)
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@EQ: Bevölkerungsproportionale Effekte
Wenn sich die Bevölkerung halbiert hat (aus welchen Gründen auch immer) dann reicht es, die Hälfte der Äcker zu bebauen. Dass die andere Hälfte verkommt, ist unschön aber uninteressant. Ein Bevölkerungsrückgang muss also nicht "an sich" ein Problem darstellen.
Es gibt aber auch Effekte, die von einer Bevölkerungsgröße oder - dichte abhängen. Das geht in den Bereich: Arbeitsteilung, Handwerksspezialisierung, Massenproduktion, Straßenbau, Kunst, Kultur. Diese Aspekte werden bei einem Bevölkerungsrückgang ganz empfindlich gestört!
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja, die 'Modernisten' sind der Auffassung, dass es ein Wirtschaftsbewusstsein in der Antike gab, es allerdings an Erfahrungen mangelte, weshalb manche wirtschaftspolitischen Maßnahmen uns vergleichsweise naiv vorkommen (Pekáry, Fellmeth, Drexhage et al.); die 'Primitivisten' dagegen (z.B. Finley) sind der Meinung, dass es kein Wirtschaftsbewusstsein gab und wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht aus theoretischen Erwägungen, sondern aus momentanen Stimmungen oder Charakterzügen (z.B. Philhellenismus) heraus gemacht wurden.
Wir wissen ja selbst heute meist nicht, was die "richtigen" wirtschaftspolitischen Maßnahmen sind...
Auch wurde nicht jedes besiegte Gebiet gleich ins Imperium eingereiht. Makedonien etwa wurden zunächst nicht römisches Staatsgebiet sondern behielt formell seine Autonomie.
Damit hast Du ein sehr schönes Argument konstruiert für ein zeitverzögertes Problem!

Über riskante aber produktive Kredite haben wir aus der Antike kaum Zeugnis. Banken scheinen diese nicht vergeben zu haben. Dies ging wohl mehr von privat an privat auf verwandtschaftlicher und freundschaftlicher Ebene.
Nach der Formel: Unternehmer = Geld + Wagemut
würde dies eine Wirtschaft stark behindern, weil nicht die "richtigen" Leute ans Geld kommen. Caesar und Crassus waren dann ein seltenes Team.
s.auch imperium-romanum.com - Bankwesen
 
Interessant ist, dass die großen Reformer, wie Octavian oder die Gracchen, haufenweise Senatoren umgebracht haben - und vielleicht dadurch der ungesunde Konzentration entgegengewirkt und den Geldkreislauf wieder in Gang gesetzt haben.

Ist das Römische Reich vielleicht deshalb untergegangen, weil in seinem letzten Wirtschaftszyklus dieser Art niemand die Einsicht, den Mumm oder die Möglichkeit hatte, eine solche notwendige "Reform" durchzuführen ?
 
Ich finde, so langsam wird das Ganze hier recht bunt durchmischt, sowohl von den Aspekten als vor allem zeitlich.

Erst einmal geht man heute, wie schon gesagt wurde, nicht mehr von einer großen Krise oder einen drastischen Einbruch der Wirtschaft im dritten Jahrhundert aus. Gegen diese Aussage sprechen zum einem die noch immer enorme Bautätigkeit in den einzelnen Provinzen (vor allem Afrika scheint keine wirkliche Veränderung erfahren zu haben) als auch die Verhandlung von Gebrauchsgütern wie Terra Sigillata. Afrikanische TS erreicht gerade im der vermeindlichen Krise eine Blütezeit.

Wie ebenfalls schon genannt, führten jedoch Pest und dauerhafte Kriege zu Einbrüchen in die bis dato stabile Welt. Die Seuchen dezimierten ja vorrangig die ärmere Bevölkerung so das es eben schon zu einem Rückgang der Produktivität kam. Die dauernde Aufsoldung des Heeres trieb dazu sicher einge gewissen Inflation oder Münzverschlechterung an, letzendlich sehe ich darin jedoch nicht unbedingt ein Problem.

Vergleich mit einem modernen oder besser neuzeitlichen Wirtschaftsmodel würde ich nicht unbedingt ziehen, da sich die das Verwaltungssystem im Römischen Reich doch so stark von jüngeren Staaten unterscheidet und einen großen Unterschied zu den heute gängigen Theorien im wirtschaftlicher Hinsicht darstellt. Die römische Stadt agierte ja mehr oder weniger Selbstständig, und konnte bis auf Steuerabgaben eingenständige Entscheidungen treffen. Diese Abgaben waren jedoch nicht nur finanzieller Natur auch Produkte und Arbeitskraft mussten zur Verfügung gestellt werden. Durch die Änderungen der Prinzipatszeit war der Kampf um die Ämterlaufbahn für die lokale Oberschicht in so einer Art verändert worden, dass die "Werbeausgaben" nun in Form von Antrittsgeschenken oder Wahlversprechungen für die Stadt bzw. Bürgerschaft "abgeleistet" wurde. Dabei kam es häufig vor, dass sich eine Person der Oberschicht total ruinierte.

In Folge der Veränderungen unter Diokletian und Constantin gab es zwar das Bestreben der Oberschichten in die Senatorenränge aufzusteigen, jedoch lassen sich gleichzeitig noch immer enorme Bautätigkeiten in den Städten feststellen, so das auch hier nicht mit einem wirtschaftlichen Niedergang gerechnet werden sollte. Auch eine "Flucht" in die Kirche kann nicht angenommen werden, da zur Zeit Konstantins die Mehrheit der Oberschicht noch heidnisch geprägt war. Erst gegen Ende des 4. Jahrhunderts ist das Christentum und die Kirche soweit eine Institution dass man davon ausgehen kann, dass sie eine große Anziehungskraft für die politisch ambitionierte Oberschicht darstellte (Das sind immerhin mindestens 100 Jahre NACH der so oft propagierten Krise).

Für mich persönlich, ohne dass ich genaue Beweise anbringen kann, liegt der Knick in der Produktionsleistung einmal in der verlorenen Arbeitskraft die in Seuchen, Krankheiten und Krieg verstorben ist und in der Unterbrechung von Arbeit durch eben diese Kriege vor allem der Bürgerkriege. Daneben tragen Geldentwertung und Engpässe weiter dazu bei, dass die Probleme verstärkt auftreten und vor allem verstärkt wahrgenommen werden. Möchte man es modern und überspitzt ausdrücken, so war die Wirtschaftskrise eine große Rezession.
 
Ich finde, so langsam wird das Ganze hier recht bunt durchmischt, sowohl von den Aspekten als vor allem zeitlich.
Das ist eine gute Warnung! Letzendlich wird man bei genauerer Kenntnis auch mehrere Dutzend "Konjunkturzyklen" identifizieren können; jeder leicht anders gefärbt.

Die Seuchen dezimierten ja vorrangig die ärmere Bevölkerung so das es eben schon zu einem Rückgang der Produktivität kam.
Das will mir nicht sofort einleuchten. Sicherlich aufs Stadtproletariat bezogen, aber die Landgüter haben in natürlicher weise eine Quarantänelage...
Die dauernde Aufsoldung des Heeres trieb dazu sicher einge gewissen Inflation oder Münzverschlechterung an, letzendlich sehe ich darin jedoch nicht unbedingt ein Problem.
Sehe ich auch nicht.. Wichtige Geschäfte wurden über das Edelmetall-Feingewicht abgewickelt, dessen Wert trotz hoher Förderung m.W. recht konstant geblieben ist.

Vergleich mit einem modernen oder besser neuzeitlichen Wirtschaftsmodel würde ich nicht unbedingt ziehen, da sich die das Verwaltungssystem im Römischen Reich doch so stark von jüngeren Staaten unterscheidet und einen großen Unterschied zu den heute gängigen Theorien im wirtschaftlicher Hinsicht darstellt.
Richtig, möglicherweise wussten die Römer nicht, was sie taten. Aber die Ergebnisse dieses Handeln sollten schon durch moderne Theorien erklärbar sein. Dies wäre sogar ein Teststand für solche Theorien...

... Bestreben der Oberschichten in die Senatorenränge aufzusteigen, jedoch lassen sich gleichzeitig noch immer enorme Bautätigkeiten in den Städten feststellen, so das auch hier nicht mit einem wirtschaftlichen Niedergang gerechnet werden sollte.
Wenn diese Bautätigkeiten durch die "Superreichen" initiiert wurden, wäre dies kein schlüssiges Argument (sondern vielleicht sogar Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen). Finanziell richtig schlecht scheint es einem Senator selten gegangen zu sein...
Möchte man es modern und überspitzt ausdrücken, so war die Wirtschaftskrise eine große Rezession.
Ja, weil offenbar (?) nicht die geeigneten Maßnahmen dagegen getroffen wurden. Fehlte einfach nur Roosevelts "New Deal"?
 
Vielen Dank für die Literaturtipps zu den Banken. Ansonsten kann ich immer nur staunen, wie Ihr in kürzester Zeit so faktenreiche Beiträge produziert!
 
Die Seuchen dezimierten ja vorrangig die ärmere Bevölkerung so das es eben schon zu einem Rückgang der Produktivität kam.
Das will mir nicht sofort einleuchten. Sicherlich aufs Stadtproletariat bezogen, aber die Landgüter haben in natürlicher weise eine Quarantänelage...

Nein, leider nicht. Die meisten Landgüter waren in der Nähe ihres Absatzmarktes (ich bemerkt schon zuvor die hohen Transportkosten); meist nicht weiter, als 20 km von den großen Städten entfernt.
 
Es scheint hier ein gutes Buch drüber zu geben:
Stefan Winkle: GEISSELN DER MENSCHHEIT: Kulturgeschichte der Seuchen
Deutsches Ärzteblatt: Archiv "Geißeln der Menschheit" (15.08.1997)

Soweit ich weiß, ist unsere Kenntnis über Art, Entwicklung und Ausbreitung von Seuchen in der Antike sehr gering. Internetartikel wie dieser hier: Adventskalender 2005 - Ruhr-Universität Bochum
imperium-romanum.com - Kultur - Medizin
bestätigen mich darin. Es ist in den meisten Fällen wohl nicht einmal klar, um welche Krankheit es sich überhaupt gehandelt hat (Pest, Pocken,...).

Ob nun von einer Seuche ein überproportionaler Anteil der Landwirtschaft treibenden Bevölkerung oder - was mir plausibler erscheint - eher ein überproportionaler Anteil der städtischen Verbraucher betroffen ist, müsste im Detail untersucht werden.

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Edit: Hier noch eine nette bebilderte Darstellung (wahrscheinlich an Winkle angelehnt), die aber historisch nichts hergibt (erste Pest: 541 (Alexandria, "Justinianische Pest"); erste Pocken in Europa (Spanien) 711)
Die großen Seuchen - Pest und Pocken
 
Zuletzt bearbeitet:
Man sollte auch nicht vergessen, dass die Gesellschaften der Antike städtisch geprägt waren. Es gibt Annahmen die davon Ausgehen, dass 4/5 der Bevölkerung in den Städten und deren Einzugsgebiet lebten. Ob es wirklich soviele waren, wird sich schwer feststellen lassen, jedoch kann ein Vergleich mit heute nur schwer gezogen werden.
 
Hier noch eine kleine Ergänzung:
...war auch die Antoninische "Pest" keine Erkrankung des Pesterregers, der erst in Justinianischer Zeit den Mittelmeerraum erreichte. Aufgrund der überlieferten Symptome wird heute von einer tödlichen Pockenerkrankung ausgegangen. Sie dürfte in zwei Wellen 165 bis 167 und ab 177/178 aufgetreten sein. Nach 180 brannte die Seuche beinahe plötzlich aus, da die Zahl der mittlerweile Immunisierten einen Großteil der Bevölkerung ausmachte. Trotzdem blieben die Pocken endemisch und als genügend Menschen ohne Immunisierung nachgeboren waren konnte es in den 230er Jahren erneut zu einer großflächigen Epidemie kommen. Interessanterweise ist man über das lokale Ausmass der Sterbefälle gut informiert, die sich vor allem in Ägypten über Berichte und Steuerlisten erhalten haben. Demnach kann man eine Mortalitätsrate von 25 bis 30 % annehmen.
 
Nicht zu vernachlässigen ist auch "Wirtschafts-Psychologie". Wie immer wieder der Calvinismus als eine Wurzel des des modernen Kapitalismus hervorgehoben wird, mag auch das Gegenteil zutreffen. Ich kopiere hier mal Thukydides zur "Pest" in Athen 430 BC.
Überhaupt war die Krankheit in der Stadt Ursache einer allgemein wachsenden Sittenlosigkeit.
So gab man sich hemmungsloser Gelüsten hin, denen man früher höchstens heimlich gefrönt hätte; zu viele plötzliche Schicksalswenden hatte man schon erlebt, bei denen die Wohlhabenden unversehens starben und gestern noch Mittellose alsbald deren Habe erbten.
Daher strebten die Leute nach rascher Befriedigungen, suchten den Genuss, denn sie selbst wie auch ihr Vermögen waren in ihren Augen ohne jedes Morgen. Sich im voraus für ein als hehr empfundenes Ziel abzumühen, verlockte niemanden, denn jeder sagte sich, man könne schließlich nicht wissen, ob man nicht ohnehin schon vor Erreichen dieses Ziels umgekommen sei. Sofortiges Vergnügen - das war es, was den Platz des Schönen und Nützlichen eingenommen hatte. Furcht vor den Göttern, Gesetze des Menschen – nichts konnte sie im Zaume halten; es schien gleich, für fromm gehalten zu werden oder nicht, kam doch sowieso jedermann ohne Unterschied ums Leben, und beging man ein Verbrechen, so erwartete ohnehin niemand so lange zu leben, dass das Urteil noch gefällt und die Strafe vollstreckt werden könnte: die drohende Krankheit wog mindestens genauso schwer, und man fand es nur recht und billig, das Leben noch ein bisschen zu genießen, bevor man hinweggerafft würde.
 
Mich würde interessieren, wer von den genannten Autoren eine WirtschaftsTHEORIE vertritt
Alle.

- also GLAUBT, Ursachen und Wirkungen identifizieren zu können - wer sich eher auf die anekdotische Schilderung von Einzelsachverhalten beschränkt, und wer auch ausführliches Zahlenmaterial zusammengetragen hat.
Das ist das Problem der Wirtschaftsgeschichte der Antike.
Anekdoten und Archäologie stellen die Grundlage. Leider hat uns zB Demosthenes (entsprechendes gilt für die römer) neben einigen Verweisen auf die Athener Hungersnöte keine Statistik hinterlassen, auf die er seine Rede aufgebaut hat.


Die Frage, die ich mir bei solchen "Konkursproblemen" immer stelle, ist: Wo wurde das Geld denn letztendlich "verbrannt".
Wieso wird es letztlich verbrannt ... :confused:

...Steuern rundum unproduktiv sind:
Produktivität?
...bezeichnet die Relation zwischen produzierten Gütern und den dafür benötigten Produktionsfaktoren. Ist hier Effizienz im Hinblick auf Ausgabeopportunitäten gemeint?

Komplexer wird die Angelegenheit, wenn der Staat aktiv als Unternehmer auftritt, ...Da er nicht "pleite" gehen kann ..., entstehen hier sehr leicht "rote Zahlen". Über 100 Jahre hinweg kann alleine dies zum Ruin einer Volkswirtschaft führen.
Ruin einer Volkswirtschaft? Wie das?
Gemeint ist Inflation. Der Ruin trifft Sachwertinhaber anders als "Tauschmittelinhaber". Es geht um Wertrelationen/Preise.

So gesehen ist die Erfassung der SICHTBAREN Steuern nur eine stark vereinfachte buchhalterische Sicht. Hinzu kommen die Währungs(Inflations)gewinne des Staates. Abgezogen werden müssen die produktiven Leistungen (in Form von Staatsinvestitionen oder Subventionen), die im eigentlichen Sinne des Wortes den Wirtschaftsprozess "steuern".
Inflationsgewinne des Staates? Gewinn ist hier das falsche Wort.
Ausgaben-Ersparnisse oder Einnahmen-Vermehrung.


Ein wesentlicher Gedanke kapitalistischer Wirtschaftstheorien ist immer der "Kredit", d.h. ein Unternehmer wird i.d.R. seine Investitionen vorfinanzieren, indem er sich etwas borgt - schon sehr alt sind die sog. "Seekredite".
Schöne Tautologie: Kapitalismus - Kredit.

Geld (im engen Sinn des Tauschmittels) und Kredit ist ein interessanter Zusammenhang, den man schon für die Wirtschaftsgeschichte der Antike untersuchen kann, mit neuzeitlichem Kapitalismus-Bezug hat das allerdings wenig zu tun.

Wodurch auch immer die Herkunft des Geldes verursacht ist: nehmen wir mal die Tauschfunktion und Wertaufbewahrung, einfach verständlich und fast immer richtig. Die Umstände des Kredits kann man dann recht neuzeitlich von zwei Seiten beschreiben: dem Kreditgeber/"Ausgabenaufschieber", dem das Verwaltungsproblem für das Geld, die (keynsianisch-neuzeitliche Beschreibung einer) Problematik der Rentierlichkeit der Kassenhaltung, o.ä. genommen wird; dem Kreditnehmer/"Ausgabenvorzieher" in privatwirtschaftlich organisierten Bereichen, der sich Liquidität für Ausgaben besorgt und sich diesen Sicherheitsvorrat (für welche Ausgaben auch immer) durch ein Versprechen auf Mehrarbeit verschafft, das er mit Überschuldungsgefahr verbindet.
Stichwort: Schuldknechtsarbeit in der Antike etc.

Das ist also die Aufgabe aller Kapitalbesitzer: Richtig (!) zu investieren.
Eigentlich steht hinter der "Aufgabe" eher das "Etnscheidungsproblem", wenn man "Kapital" als andere Seite der Medaille "Investition" begreift. Jeder Besitzer von Irgendetwas ist dann "Kapitalbesitzer". Dem Kapital ist zunächst die Art der Investition egal, nur eben ist die Rendite der Investition zugleich Quelle der Rendite des Kapitals. Die "richtige" Investition berührt stets die Frage der Opportunität zwischen zwei unterschiedlichen Anlagenformen, als Kriterium der "Richtigkeit" oder Effizienz der Kapitalbindung.

Ein kleines Beispiel:
Zinsen sind dann auch in privatwirtschaftlich organisierten (Teil-)Wirtschaften während der Antike Ansprüche auf noch nicht erzeugte Güter, Äquivalent für das Verlust- oder Illiquiditätsrisiko des Gläubigers, also Entgelt für seinen Liquiditätsverzicht.

"Du mache Dich gern an das Maß Deiner Arbeit,
dass Dir der Jahreszeiten Ertrag ausfüllt Deine Speicher.
Tätigkeit ists, die die Männer an Herden reich macht und Silber;
und wer zufaßt beim Werk, den Unsterblichen ist er viel lieber.
Arbeit, die ist nicht Schande, das Nichtstun jedoch, das ist Schande.
Bist Du fleißig am Werk, wird rasch Dich der Träge beneiden, wenn Du dann reich.
Den Reichtum begleitet Würde und Ansehen. So wie das Los Dir fiel, ist dieses, das Schaffen, das Bessere.
Wenn Du von fremden Besitz abkehrst Dein törichtes Trachten, hin zur Arbeit es kehrst, ums Brot sorgst, wie ich dich heiße."
Hesiod, Werke und Tage,
Quelle: Privates Grundeigentum, patriarchalische Monogamie und Geldwirtschaftliche Produktion. Eine sozialtheoretische Rekonstruktion zur Antike. Heinsohn, Dissertation 1983, S. 113 ff.
 
Danke für diese interessante Darstellung!

Ruin einer Volkswirtschaft? Wie das?
Gemeint ist Inflation. Der Ruin trifft Sachwertinhaber anders als "Tauschmittelinhaber". Es geht um Wertrelationen/Preise.

Ich gehe davon aus, dass im RR die wesentlichen Geschäfte auf Edelmetallbasis gemacht wurden, und auch Münzen in erster Linie auf ihr Feingewicht hin bewertet wurden (Sonst hätte es ja auch keiner Höchstpreisgesetze bedurft.) Es gab natürlich "Inflation", die man aber genauso leicht wie in Deutschland durch eine "Währungsreform" hätte beseitigen können, was ja auch gelegentlich geschah, z.B. Einführung des Solidus. Statt Inflation durch "Fiat Money" anzuheizen hätte man natürlich auch die Steuern erhöhen können.

Dies ist m.M. aber kein Problem, da ich die umlaufenden "Tauschmittel" gegenüber den Edelmetallhorten der wirklich Reichen und den Sachwerten für eher gering halte.

Worauf ich hinaus will ist eine - vermutete - "Investititionsunwilligkeit" derjenigen, die über den "Mehrwert" verfügen konnten.

Ein ganz konkretes Beispiel: Wenn der Schiffsreeder wegen Steuern und Inflation sein Schiff nicht mehr ausreichend "klar machen" kann, dann geht es irgendwann unter. Diese abgeschöpften Mittel hätten eben zur Schiffsreparatur verwendet werden müssen. Stattdessen hat ein Senator damit eine Orgie gefeiert. Unsere modernen Steuersysteme haben hierfür das Konzept der "Abschreibungen" geschaffen, das so eine Besteuerung nicht zulassen würde.

Das meine ich mit "verbrannt". Das Problem ist nicht die Tatsache der übermäßigen Besteuerung selbst, sondern des fehlenden Gegenwerts! Der Staat hätte mit diesem Steuergeld ja auch eine kostenlose Schiffsreparaturwerkstatt errichten können!

"Verbrannt" wird Kapital auch durch Käufe im Ausland ("Zahlungsbilanzproblem"); auch dies scheint ein wesentliches Element in der Kaiserzeit gewesen zu sein.[/quote]
 
Zuletzt bearbeitet:
Aufgrund welcher Aussage gehst du von einer Edelmetallbasis aus? Hast du da Quellen ( primär oder sekundär) die den Schluß nahe legen?
 
Worauf ich hinaus will ist eine - vermutete - "Investititionsunwilligkeit" derjenigen, die über den "Mehrwert" verfügen konnten.
Gibt es dafür Anzeichen, Quellen oder archäologische Belege?


Ein ganz konkretes Beispiel: Wenn der Schiffsreeder wegen Steuern und Inflation sein Schiff nicht mehr ausreichend "klar machen" kann, dann geht es irgendwann unter. Diese abgeschöpften Mittel hätten eben zur Schiffsreparatur verwendet werden müssen. Stattdessen hat ein Senator damit eine Orgie gefeiert. Unsere modernen Steuersysteme haben hierfür das Konzept der "Abschreibungen" geschaffen, das so eine Besteuerung nicht zulassen würde.
Das nennt man Instandsetzungen oder Erneuerungsinvestitionen (was von beiden, hängt von der Abgrenzung des Bewertungsobjektes ab).

Die Bemessungsgrundlage der Abschreibung ist etwas anderes, nämlich die historische Anschaffungsausgabe. Ob nur die modernen Steuersysteme die Idee der Ausgabenverteilung und Periodisierung bei Zugriff auf die Bemessungsgrundlage kennen, weiß ich nicht. Hast Du dazu entsprechende Quellen aus der Wirtschaftsgeschichte?

Das meine ich mit "verbrannt". Das Problem ist nicht die Tatsache der übermäßigen Besteuerung selbst, sondern des fehlenden Gegenwerts! Der Staat hätte mit diesem Steuergeld ja auch eine kostenlose Schiffsreparaturwerkstatt errichten können!
Das verstehe ich nicht. Beispielsweise würde die Schweiz eine solche Werkstatt vielleicht gar nicht benötigen, ist das dann ein Beispiel für das Geldverbrennen?. :pfeif:

"Verbrannt" wird Kapital auch durch Käufe im Ausland ("Zahlungsbilanzproblem"); auch dies scheint ein wesentliches Element in der Kaiserzeit gewesen zu sein.
1. Zum Saldo:
Das ist eine Frage der Kapitalverkehrsbilanz, die Zahlungsbilanz ist stets ausgeglichen und hat kein Problem. Die KVB kann durchaus "negativ" sein, also Netto-Kapitalexport. Das ist aber als solches auch wieder kein Problem, die entscheidende Frage ("verbrannt") wäre an den Saldo der Handelsbilanz zu richten ("positiv"?).

2. Zu den "Käufen": Da ist wieder die Frage, was gekauft wird und welche Wirkungen das für den Binnenmarkt hat.
 
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